Was passiert wenn man kaugummi runterschluckt

Warum quietschen manche Schuhe? Stärkt kaltes Wasser das Immunsystem? Warum nimmt man schneller ab als zu?

In unserer Reihe „Wissen zum Wochenende“ beantworten wir die kleinen und großen Fragen des Alltags. Ihr habt auch eine Frage, der wir für euch auf den Grund gehen sollen? Dann schreibt uns eine Mail an: [email protected]

Was passiert wenn man kaugummi runterschluckt
Shutterstock/Kaponia Aliaksei

Es gibt Verhaltensregeln, die haben sich so sehr in unser Gehirn eingebrannt, dass wir ihnen im Prinzip nur noch blind folgen: Nimm die Hand vor den Mund beim Gähnen. Gehe bei Kälte nicht mit nassen Haaren raus, da wird man krank. Trinke keine Cola, wenn du gerade Eis gegessen hast, davon bekommt man Bauchschmerzen. Trage keine Socken in offenen Sandalen, das sieht scheiße aus. Na gut, Letzteres gehört eher nicht dazu, aber wäre das nicht schön…?

Wenn ich persönlich eine dieser Regeln ignoriere und etwas davon trotzdem tue (nicht das mit den Socken!!), habe ich prompt ein schlechtes Gewissen und höre die mahnende Stimme meiner Oma. Besonders schlimm ist es, wenn ich mein Kaugummi entsorgen will und kein Mülleimer in der Nähe ist. Schlucken? Auf gar keinen Fall. Ich kann schon den von Oma prophezeiten Klumpen mit Minzgeschmack im Magen spüren, bevor das klebrige Ding überhaupt meine Kehle runtergerutscht ist. 

Kaugummi besteht hauptsächlich aus unverdaulichen Kunststoffen

Ist aber alles gar nicht so dramatisch, wie man es sich ausmalt. Kaugummi klebt so stark, weil sich seine Struktur prima an alle möglichen Oberflächen anpassen kann. Wer mal in ein ausgespucktes Kaugummi reingetreten oder, noch schlimmer, sich auf eines draufgesetzt hat, der weiß, wie perfekt das Ding mit sämtlichem Material verschmelzen kann. Im Körper allerdings sieht die Sache anders aus. Von oben bis unten, von Mund zu Speiseröhre und von Magen zu Darm, sorgt ein Feuchtigkeitsfilm dafür, dass kein direkter Kontakt zum Körper besteht. Solange das Kaugummi nass ist, heftet es sich auch nirgendwo an. 

Um die Frage nach dem Klumpen im Magen zu beantworten, muss man zunächst wissen, woraus Kaugummi besteht. Und das ist leider so unappetitlich, dass man sich überhaupt mal überlegen muss, warum man sowas freiwillig in den Mund steckt. Geschweige denn runterschluckt. Kaugummi besteht hauptsächlich aus Zucker oder Zuckerersatzstoff, aus Aromen, Weichmachern und Füllstoffen. Der Grundstoff der Kaumasse sind Polymere, also Kunststoffe, die letztendlich Erdöl-Produkte sind. Natürliche Erzeugnisse sind knapp, also werden für Kaugummis synthetische Thermoplaste eingesetzt. Aus nahen Verwandten der künstlichen Polymere in Kaugummi werden beispielsweise Gummihandschuhe und Klebstoffe hergestellt. 

Sicherheitshalber nicht zu viel Kaugummi schlucken

Schlucken wir das Kaugummi nun runter, werden ausschließlich der enthaltene Zucker und die Aromen bei der Verdauung gelöst und über die Blutbahn im Organismus verteilt. Der große Rest jedoch, die Kaumasse selbst, ist für den Körper wertlos. Unser Verdauungssystem hat in der Regel kein Problem damit, die unverdauten Gummireste einfach aus dem Körper zu befördern. Ihr wisst schon, wohin. Die Angst vor einem Gummiklumpen, der sich gemütlich für die Ewigkeit in unserem Körper einnistet, ist also unbegründet. 

Wisst ihr schon, ob an der berühmten Fünf-Sekunden-Regel etwas dran ist?

Zumindest, wenn ihr nur ab und an mal ein Kaugummi schluckt. Es gibt da nämlich diesen Fall einer Britin, die in Bristol in ein Krankenhaus ging, weil ihr übel war und sie plötzlich absolut nichts mehr hinunterschlucken konnte. Wie die Ärzte im „British Medical Journal“ schreiben, war auf Röntgenaufnahmen nichts zu sehen, die Endoskopie der Speiseröhre zeigte aber ein fünf mal fünf Zentimeter großes, weißes Bällchen, das in der Röhre steckte. Wie sich am Ende herausstellte, schluckte die Patientin nach eigenen Angaben täglich den Inhalt von etwa drei(!) Packungen(!) Kaugummi. Ich schätze, die Geschichte spricht für sich und ihr kommt von selbst auf die daraus resultierende Handlungsempfehlung.

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Kaugummis sorgen für einen frischen Atem und helfen, die Zeit bis zum nächsten Leckerbissen zu überbrücken. Wohin aber mit ihnen, falls kein Mülleimer in Reichweite ist? Viele warnen vorm Runterschlucken - zu Recht?

Von Irene Berres

21.10.2014, 08.15 Uhr

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Was passiert wenn man kaugummi runterschluckt

Große Blasen: Was passiert mit Kaugummis, wenn sie im Magen landen?

Foto: Corbis

Seine Klebrigkeit verhalf dem Kaugummi zu einem lebensrettenden Einsatz, der MacGyver würdig gewesen wäre. 1944 befand sich ein britisches Flugzeug über den Weiten des Atlantiks, als die Besatzung ein Leck entdeckte. Da anderes Füllmaterial fehlte, begann die Crew hastig, Kaugummis zu kauen. Mit der klebrigen Masse von 55 Streifen stopfte sie das Loch, berichtete eine Tageszeitung . Maschine und Besatzung erreichten ohne weitere Schäden ihr Ziel.

So faszinierend diese Geschichte auch ist, sie macht ein wenig skeptisch: Sollte man etwas, das so stark klebt, runterschlucken? Natürlich nicht, warnen viele Eltern und Freunde im Chor, Kaugummi lässt sich nicht verdauen und bildet über die Jahre im Magen einen riesigen Ball mit Mintbananenkirschgeschmack.

Ganz so fatal ist es dann aber doch nicht.

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Kaugummi klebt, weil er sich bis ins kleinste Detail anderen Oberflächen anpassen kann. Er heftet sich so perfekt in die Rillen der Jeans oder in die kleinen Kratzer des Holztischs, dass er quasi mit ihnen verschmilzt. Im Körper allerdings bekommt er dazu keine Gelegenheit. Ob im Mund, in der Speiseröhre, im Magen oder im Darm: Überall legt sich ein Feuchtigkeitsfilm auf den Kaugummi, der einen direkten Kontakt mit der Körperoberfläche verhindert. Festkleben ausgeschlossen. Trotzdem bleibt die Frage, was bei der Verdauung mit der klebrigen Masse passiert.

Unverdaulicher Klumpen

Tatsächlich kann unser Körper nur winzige Mengen eines Kaugummis verwerten. Ausschließlich der Zucker und andere Zusätze wie Aromen lösen sich bei der Verdauung aus dem Kaugummi und verteilen sich über die Blutbahn im gesamten Organismus. Mit dem großen Rest aber, der weißen Kaumasse, kann der Körper nichts anfangen. Sie wandert, von den unermüdlichen Wellenbewegungen der Verdauung angetrieben, vom Magen über den Dünndarm weiter in den Dickdarm.

Am Ende plumpst sie dorthin, wo alles landet, was unser Körper aus der Nahrung nicht gebrauchen kann: in die Toilette. "Was oben reingeht, kommt auch unten wieder raus", sagt Axel Enninger, Kindergastroenterologe am Klinikum Stuttgart. Das zumindest gilt für den Großteil der Fälle.

Eine andere Erfahrung musste eine Britin machen, die mit Übelkeit ins Frenchay Hospital in Bristol kam. Die Frau, sie war um die 40 Jahre alt, konnte plötzlich nicht mehr schlucken. Weder Flüssigkeit noch Festes, alles bereitete ihr Beschwerden. Auf Röntgenaufnahmen konnten die Mediziner nichts erkennen, schreiben sie im "British Medical Journal" . Als sie jedoch mit einem Endoskop - einem schlauchigen Gerät mit Kamera und Licht - in die Speiseröhre vordrangen, stießen sie auf ein fünf mal fünf Zentimeter großes, cremefarbenes Bällchen.

Auf Nachfrage räumte die Patientin ein, dass sie pro Tag den Inhalt von etwa drei Kaugummi-Päckchen verschlucke. In derartigen Mengen kann sich die zähe Masse tatsächlich zu einem großen Klumpen vereinen und steckenbleiben. Oft passiert so etwas jedoch nicht, auch nicht bei Kindern mit noch kleineren Öffnungen: "Ich kenne niemanden, der an einem verschluckten Kaugummi zu Schaden gekommen ist", sagt Gastroenterologe Enninger. Unter normalen Bedingungen muss sich also niemand sorgen, dass ein verschluckter Kaugummi seinen Verdauungstrakt verstopft.

Die wahre Kaugummi-Gefahr

Die wahre Gefahr des Kaugummikauens sieht Enninger an einer ganz anderen Stelle, genauso wie Ärzte der Berliner Charité. In einem Bericht schildern sie den Fall einer 21-Jährigen, die acht Monate lang unter ständigem Durchfall litt. Vier- bis zwölfmal am Tag rannte die junge Frau auf die Toilette. Ihr Körper schwand, sie wog nur noch 40,8 Kilogramm. Nach verschiedenen Irrwegen stießen die Mediziner auf die Ursache des Übels: zuckerfreie Kaugummis.

Bis zu 16 Streifen kaute die Frau jeden Tag, dabei nahm sie bis zu 20 Gramm des Süßungsmittels Sorbitol zu sich, das auch als Abführmittel genutzt wird. Der Zuckeralkohol durchwandert die Verdauung wie die Kaumasse unangerührt, auf seinem Weg durch den Darm bindet er allerdings Wasser an sich - und verdünnt den Stuhl. "Solche Kaugummi-Durchfälle sehen wir in der Klinik tatsächlich häufig", sagt Enninger. Der Durchfall sei meist aber nur störend. "Dass die Patienten dadurch richtig abnehmen und krank werden, ist selten."

Trotzdem kann der Experte Kaugummis auch Gutes abgewinnen. Bei Patienten, die etwa aufgrund einer Erkrankung für einige Zeit nur Flüssiges essen können, halten die Süßigkeiten die Kaumuskeln in Form. Außerdem zeigen Studien mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, dass Kaugummikauen nach dem Essen Sodbrennen lindern kann. "Das liegt wahrscheinlich daran, dass das Kauen die Bewegungen des Magen-Darm-Trakts ankurbelt", sagt Enninger. Und dann klappt es auch besser mit der Verdauung.

Fazit: Kaugummikauen kann der Verdauung sogar guttun! Wenn gerade kein Mülleimer in der Nähe ist, schadet es auch nicht, mal einen herunterzuschlucken. Er findet garantiert wieder seinen Weg nach draußen. Nur ein ganzes Päckchen sollte es nicht sein.

GESCHICHTE DES KAUGUMMIS

Schon in der Steinzeit mochten Kinder Kaugummis. Dafür sprechen schwarze Klumpen aus prähistoischem Teer, die Forscher in Nordeuropa gefunden haben. Die meisten der Kaugummikauer waren wohl zwischen sechs und 15 Jahre alt, wie Analysen der Zahnabdrücke ergeben haben.
Griechen und Ureinwohner Nordamerikas stellten schließlich Kaugummi aus den Harzen verschiedener Bäume her. Das erste Patent für die Herstellung von Kaugummis erhielten Behören 1869. Der Kaugummi wurde darin aus dem Milchsaft des Breiapfelbaums, auch Kaugummibaums gewonnen, der in Zentralamerika heimisch ist. Bis heute dient die aus dem Saft gewonnene Masse, Chicle genannt, zur Kaugummiherstellung.

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Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, die Besatzung eines Flugzeugs habe 1911 ein Leck mit Kaugummis gestopft. Tatsächlich ereignete sich der Vorfall 1944. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, ihn zu entschuldigen.

Ist es gefährlich wenn man einen Kaugummi schluckt?

Ist es schädlich, wenn man Kaugummi verschluckt? Wer aus Versehen ein Kaugummi verschluckt, muss nicht mit gesundheitlichen Problemen rechnen. Es kann beispielsweise nicht im Verdauungstrakt kleben bleiben, weil es dort stets von einem Feuchtigkeitsfilm umgeben ist, der ein Anhaften der klebrigen Masse verhindert.

Wie viele Kaugummis darf man am Tag schlucken?

Schon fünf bis 20 Gramm Sorbit oder drei Kaugummis am Tag reichen laut Experten aus, um Magenprobleme wie Blähungen, Krämpfe oder Durchfall zu verursachen.

Warum sollte man Kaugummi nicht Runterschlucken?

Der bekannteste darunter: Kaugummis dürfen nicht geschluckt werden! Doch ist diese Angst begründet? „Beim Verzehr legt sich ständig ein Feuchtigkeitsfilm um den Kaugummi. Zusätzlich sorgen Schleimhäute in Mund, Speiseröhre, Magen und Darm dafür, dass der Kaugummi beim versehentlichen Verschlucken nirgendwo festklebt.

Kann der Magen Kaugummi zersetzen?

Nein, nein. Die Säure und Enzyme im Magen zerlegen die Aromastoffe, Süssungs- und Feuchthaltemittel in kleinste Einzelteile. Diese werden ganz normal verdaut. Der übriggebliebene Gummirest wird vom Magen-Darm-Trakt zum Ausgang getrieben.