Was bedeutet Kontrahierungszwang in der Apotheke?

Geschäftszahl

G37/97,G224/97,G225/97,G226/97,G227/97,G228/97,G229/97,G230/97, G231/97,G232/97,G234/97,G235/97,G236/97,G238/97,G239/97,G240/97, G241/97,G242/97,G243/97,G244/97,G245/97,G246/97,G263/97,G299/97, G316/97,G356/97,G431/97,G468/97,G480/97

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung im ApothekenG betreffend die Bedarfsprüfung für eine Apothekenkonzession wegen Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit; Verneinung eines Bedarfes mangels eines Mindestversorgungspotentials der neuen Apotheke kein im öffentlichen Interesse gebotener Eingriff in das Recht auf Erwerbsfreiheit; keine Aufhebung der Vorschriften betreffend eine Prüfung der Existenzgefährdung bestehender öffentlicher Apotheken durch eine neue Apotheke; klaglose Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln im öffentlichen Interesse gelegen

Spruch

I.1.a) In §10 Apothekengesetz, RGBl. Nr. 5/1907, in der Fassung der Apothekengesetznovelle 1990, BGBl. Nr. 362, werden als verfassungswidrig aufgehoben:

im Abs2 die Ziffer 1;

der Abs3 zur Gänze;

im Abs5 die Wortfolge "3 oder".

b) Die verfassungswidrigen Vorschriften sind nicht mehr anzuwenden.

c) Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

2. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II.Im übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Beim Verwaltungsgerichtshof sind zu den Zlen. 92/10/0445, 95/10/0271, 95/10/0129, 96/10/0009, 94/10/0060, 96/10/0222, 96/10/0053, 96/10/0063, 96/10/0041, 95/10/0145, 96/10/0103, 95/10/0106, 94/10/0184, 97/10/0020, 96/10/0260, 96/10/0184, 94/10/0100, 96/10/0099, 96/10/0081, 96/10/0225, 96/10/0076, 95/10/0210 und 97/10/0022 Verfahren über Beschwerden anhängig, die sich gegen Bescheide des/der (damaligen) Bundesministers/Bundesministerin für Gesundheit, (Sport) und Konsumentenschutz wenden.

Mit diesen Bescheiden wurden zum einen Teil Anträge der nunmehrigen Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof auf Erteilung einer Apothekenkonzession mangels Bedarfes abgewiesen. Zum anderen Teil wurde Anträgen auf Erteilung einer Apothekenkonzession stattgegeben; dagegen richten sich die nun von Inhabern einer Nachbarapotheke oder von Ärzten, die eine Bewilligung zum Führen einer ärztlichen Hausapotheke besitzen, eingebrachten Verwaltungsgerichtshofbeschwerden mit der Begründung, es sei kein Bedarf gegeben.

2. Aus Anlaß dieser Beschwerden stellt der Verwaltungsgerichtshof (mit näherer Begründung - s.u. III.1) zu den Zlen. A5/97, A12/97, A13/97, A14/97, A15/97, A16/97, A17/97, A18/97, A19/97, A20/97, A21/97, A22/97, A23/97, A24/97, A25/97, A26/97, A27/97, A28/97, A29/97, A30/97, A31/97, A32/97 und A60/97 gemäß Art140 Abs1 B-VG die gleichlautenden Anträge,

"1. in §10 Apothekengesetz in der Fassung der Apothekengesetznovelle 1990, BGBl. Nr. 362/1990, im Abs1 die Wortfolge 'und 2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.' und die Abs2 bis 7 als verfassungswidrig aufzuheben,

2. in eventu, §10 Abs2 Z. 1 und den Abs3 sowie im Abs5 die Wortfolge '3. oder' Apothekengesetz in der Fassung der Apothekengesetznovelle 1990, BGBl. Nr. 362/1990, als verfassungswidrig aufzuheben."

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie (mit näherer Begründung - s.u. III.2) beantragt, auszusprechen, daß §10 ApG nicht verfassungswidrig ist. Für den Fall der Aufhebung begehrt sie, für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten zu bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu treffen.

4. a)aa) Der Verfassungsgerichtshof hat im Gesetzesprüfungsverfahren den vornehmlich berührten Interessenvertretungen, nämlich der Österreichischen Apothekerkammer, der Österreichischen Ärztekammer und der Bundesarbeitskammer, Gelegenheit zur Stellungnahme geboten.

Hievon haben die erst- und zweitgenannte Interessenvertretung Gebrauch gemacht (Näheres s.u. III.3, 4).

bb) Außerdem hat der "Pharmazeutische Reichsverband für Österreich" - unaufgefordert - eine Stellungnahme erstattet.

cc) Schließlich hat sich die Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Zl. 96/10/0081 (hg. Zl. G243/97) Mag. I S geäußert (Näheres s. u. III.6).

b) Am 20. Juni 1997 fand die (erste) öffentliche mündliche Verhandlung in diesen Gesetzesprüfungsverfahren statt.

Als Auskunftsperson wurde hiebei Dr. J P einvernommen, der die Sach- und Rechtslage in Deutschland schilderte. Der Genannte ist leitender Funktionär der Bundesvereinigung der Deutschen Apothekerverbände.

c) Nach Einholung weiterer schriftlicher Stellungnahmen wurde am 9. Dezember 1997 die öffentliche mündliche Verhandlung fortgesetzt, bei der die Sach- und Rechtslage weiter erörtert wurde.

II.Die hier maßgebende Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Gemäß §9 Apothekengesetz (ApG) ist der Betrieb einer öffentlichen Apotheke (die nicht auf einem Realrecht beruht) nur aufgrund einer besonderen behördlichen Bewilligung (Konzession) zulässig.

Die persönlichen Voraussetzungen hiefür sind in §3 umschrieben.

§10 ApG regelt die sachlichen Voraussetzungen der Konzessionserteilung wie folgt:

"§10.(1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

1. die Zahl der von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt oder

2. die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder

3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5.500 betragen wird.

(3) Zu versorgende Personen gemäß Abs2 Z1 sind die

ständigen Einwohner aus einem Umkreis von 4 Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zu versorgen sein werden.

(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs2 Z3 sind die

ständigen Einwohner aus einem Umkreis von 4 Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne der Abs3 oder 4 weniger als 5.500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.

(6) Die Entfernung gemäß Abs2 Z2 darf ausnahmsweise unterschritten werden, wenn es besondere örtliche Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dringend gebieten.

(7) Zur Frage des Bedarfes an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke ist ein Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer einzuholen. Soweit gemäß §29 Abs4 und 5 Ärzte betroffen sind, ist auch ein Gutachten der Österreichischen Ärztekammer einzuholen."

III.1.a) Der Verwaltungsgerichtshof schildert in seinem zu G37/97 erhobenen Gesetzesprüfungsantrag (Zl. A5/97) zunächst unter Punkt 1 das Verwaltungsgeschehen in diesem Anlaßfall und die Rechtslage. Er meint, daß er bei der Entscheidung darüber, ob die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung vorliegt, die vom Antrag erfaßten Gesetzesstellen anzuwenden habe; diese seien daher präjudiziell i.S. des Art140 Abs1 i.V.m. Art89 Abs2 und 135 Abs4 B-VG.

Sodann fährt er zur Begründung seiner verfassungsrechtlichen Bedenken wörtlich fort:

"2.1. Mit den Vorgängervorschriften der zitierten Regelung (Fassungen des Stammgesetzes, RGBl. Nr. 5/1907, und der Apothekengesetznovelle 1984, BGBl. Nr. 502/1984) hatte sich der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach zu befassen (vgl. z.B. die Erkenntnisse VfSlg. 8.765/1980, 10386/1985, und 10692/1985, sowie die Hinweise auf diese Rechtsprechung in VfSlg. 10932/1986, 11937/1988, 12643/1991, 12873/1991 und 13073/1992). Im Erkenntnis Slg. 10386/1983 legte der Gerichtshof zu §29 Abs1 iVm §10 Abs3 ApG (in der Stammfassung) dar, diese die Erwerbsausübungsfreiheit jener Person, die eine neue Apotheke errichten will, einschränkende Vorschrift wäre nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten und auch sachlich zu rechtfertigen wäre. Das Ziel, das klaglose Funktionieren der Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern, liege - ohne daß dies eines weiteren Nachweises bedürfe - im öffentlichen Interesse. Es sei auch an sich gerechtfertigt, zur Erreichung dieses Zieles die infolge Errichtung neuer Apotheken mögliche Existenzgefährdung bestehender Apotheken zu berücksichtigen, da die bestehende Apotheke sonst ihrer Betriebspflicht (§13 ApG) allenfalls nicht ordnungsgemäß nachkommen, so etwa nicht über das hiefür erforderliche Heilmittellager verfügen könnte. Der sachliche Grund, auf die mögliche Existenzgefährdung bestehender Apotheken Bedacht zu nehmen, liege ausschließlich in der Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten, nicht aber etwa darin, dem momentanen Apothekenkonzessionsinhaber (oder seiner Witwe) ein bestimmtes Einkommen oder eine Alters- bzw. Witwenversorgung zu sichern. Es sei davon auszugehen, daß es an sich im Interesse der Bevölkerung liege, die Medikamente benötige, wenn eine weitere Apotheke (Hausapotheke) eröffnet und so der Weg zur nächsten Medikamentenverkaufsstelle verkürzt werde. Es müßten daher besondere - streng zu prüfende - Umstände vorliegen, die diese Neueröffnung dennoch als dem öffentlichen Interesse widerstreitend erscheinen ließen. Derartige Umstände könnten nur darin liegen, daß eine der Apotheken infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten außerstande wäre, die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung zu gewährleisten, weshalb es für die Bevölkerung günstiger sei, wenn eine neue Apotheke nicht errichtet werde.

2.2. Unter den nach seiner neueren Rechtsprechung (insbesondere seit den Erkenntnissen VfSlg. 10179/1984, 10932/1986, 11483/1987 und 11558/1987) maßgebenden Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes hat der Verfassungsgerichtshof die Vorschriften, die den Konkurrenzschutz für bestehende Apotheken regeln, bisher nicht geprüft. In seiner oben zitierten Rechtsprechung zu Vorschriften des Apothekengesetzes hatte sich der Verfassungsgerichtshof - fallbezogen - durchwegs nur mit Regelungen zu befassen, die auf den Schutz der bestehenden Apotheken vor Existenzgefährdung gerichtet waren; mit den Vorschriften, die die Erteilung der Konzession vom Bestehen eines Bedarfes nach der Errichtung der neuen Apotheke unter Gesichtspunkten der wirtschaftlichen Erfolgsaussichten dieser Apotheke abhängig machen, mußte sich der Verfassungsgerichtshof bisher nicht auseinandersetzen. Das durch die Apothekengesetznovelle 1990 eingeführte System der Bedarfsprüfung war ebenfalls noch nicht Gegenstand einer meritorischen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes. Unter den noch näher zu erörternden Gesichtspunkten des Beschwerdefalles und im Hinblick auf die erwähnte neuere Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit sieht sich der Verwaltungsgerichtshof veranlaßt, Bedenken gegen die Übereinstimmung der im Beschwerdefall anzuwendenden Vorschriften des Apothekengesetzes mit dem Verfassungsrecht, insbesondere dem Art6 StGG, an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

2.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist der Gesetzgeber durch Art6 StGG ermächtigt, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter gewissen Voraussetzungen erlaubt oder unter gewissen Umständen verboten ist (also auch den Erwerbsantritt behindernde Vorschriften zu erlassen), sofern er dabei den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht verletzt und die Regelung auch sonst nicht verfassungswidrig ist (vgl. z.B. VfSlg. 5.871/1968, 9.233/1981).

Eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. z.B. VfSlg. 10179/1984, 10386/1985, 10932/1986, 11276/1987, 11483/1987, 11494/1987, 11503/1987, 13955/1994) jedoch nur zulässig, wenn das öffentliche Interesse sie gebietet, sie zur Zielerreichung geeignet und adäquat ist und sie auch sonst sachlich gerechtfertigt werden kann (vgl. hiezu weiters Oberndorfer-Binder, in Klecatsky - FS 677 ff; Korinek in Wenger FS 243 ff; Stelzer, Das Wesensgehaltsargument und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 144 ff; Grabenwarter, Rechtliche und ökonomische Überlegungen zur Erwerbsfreiheit, 13 ff; Schulev-Steindl, Wirtschaftslenkung und Verfassung, 99 ff). Errichtet das Gesetz eine Schranke schon für den Antritt einer unternehmerischen Tätigkeit, die der Betroffene, der alle subjektiven Voraussetzungen erfüllt, aus eigener Kraft nicht überwinden kann - eine Schranke, wie sie etwa eine Bedarfsprüfung darstellt -, so liegt grundsätzlich ein schwerer Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit vor, der nur angemessen ist, wenn dafür besonders wichtige öffentliche Interessen sprechen und wenn keine Alternativen bestehen, um den erstrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber die Grundrechte weniger einschränkenden Weise zu erreichen (vgl. z. B. VfSlg. 11483/1987, 12009/1989).

3.1. §10 ApG normiert ein System des Konkurrenzschutzes, das auf drei negativ formulierten Bedarfsvoraussetzungen aufbaut:

Einer Mindestentfernung der Betriebsstätte der neuen Apotheke von jener der nächstgelegenen bestehenden Apotheke (§10 Abs2 Z2 ApG) sowie einem ausschließlich durch die Anzahl der 'zu versorgenden Personen' bestimmten Mindestversorgungspotential sowohl der bestehenden (§10 Abs2 Z3 ApG) als auch der neuen Apotheke (§10 Abs2 Z1 ApG).

Die negativen Bedarfsvoraussetzungen des Mindestversorgungspotentials der bestehenden Apotheke und des Mindestabstandes der Betriebsstätten beinhalten Elemente der Existenzgefährdungsprüfung nach einem 'standardisierten Verfahren'; der Gesetzgeber scheint davon auszugehen, daß die Existenz der bestehenden Apotheken bei Vorhandensein des Mindestversorgungspotentials und Überschreitung des Mindestabstandes nicht gefährdet ist. Mit dem negativen Bedarfsmerkmal des Mindestversorgungspotentials der 'neuen' Apotheke scheint sich der Gesetzgeber auf deren Existenzfähigkeit bzw. wirtschaftliche Erfolgsaussichten zu beziehen.

3.2. Der Verwaltungsgerichtshof bezweifelt nicht, daß - unter dem Gesichtspunkt der Volksgesundheit - ein besonders wichtiges öffentliches Interesse am klaglosen Funktionieren der Heilmittelversorgung der Bevölkerung besteht. Ziel jeder Regelung der Heilmittelversorgung der Bevölkerung muß es sein, die benötigten Arzneimittel in einwandfreier Beschaffenheit, rasch, überall, jederzeit und zu erschwinglichen Preisen für den Konsumenten verfügbar zu machen (vgl. Puck in FS Wenger, 577, 579).

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch zu bezweifeln, daß das durch §10 ApG idF der Nov 1990 normierte System der Bedarfsprüfung durch das erwähnte öffentliche Interesse geboten und zur Erreichung der soeben umschriebenen Ziele geeignet ist sowie ein im Verhältnis zum verfolgten Ziel adäquates Mittel darstellt.

Die Ankerkennung des oben umschriebenen öffentlichen Interesses nimmt das Ergebnis der Prüfung, ob die Einschränkung des Grundrechtes der Erwerbsfreiheit im Hinblick auf dieses öffentliche Interesse geboten ist, nicht vorweg; denn es besteht kein Grundsatz, daß für die Volksgesundheit bedeutende freie Berufe nur in einer durch Eingriffe in die Erwerbsfreiheit geschützte Sphäre ordnungsgemäß und in einer dem Gemeinwohl Rechnung tragenden Weise ausgeübt werden könnten. Der Gesetzgeber sah sich nicht veranlaßt, etwa die Berufsausübung der Ärzte durch Maßnahmen des Konkurrenzschutzes zu beschränken. Der Verfassungsgerichtshof hat - soweit der Gesetzgeber in Teilbereichen der ärztlichen Berufsausübung einen Konkurrenzschutz normiert hat - dies als Verstoß gegen das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit angesehen (vgl. z.B. VfSlg. 13184/1992). Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes liegt keine hinreichende Grundlage für die Auffassung vor, der Beruf des selbständigen Apothekers werde - anders als andere Gesundheitsberufe oder andere unternehmerische Tätigkeiten - unter solchen wirtschaftlichen Gegebenheiten ausgeübt, daß die Leistungsfähigkeit der Unternehmen nur durch die Bedarfsprüfung bei der Errichtung neuer Unternehmen sichergestellt werden könne. Insbesondere scheint keine hinreichende Grundlage für die Auffassung zu bestehen, daß die Apotheken ihren öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nur unter dem Schutz des Systems der Bedarfsprüfung nachkommen könnten. Dies würde den Befund voraussetzen, daß aus den erwähnten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen wirtschaftliche Belastungen resultierten, denen Apothekenunternehmen nur standhalten könnten, wenn sie vor freiem Wettbewerb geschützt würden. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Sachlage nicht erkennbar.

3.2.1. In diesem Zusammenhang ist auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 11. Juni 1958, B VerfGE 7, 377-444, zu verweisen. Auf der Grundlage empirischer Untersuchungen der Heilmittelversorgung in mehreren europäischen Ländern, in denen das System der Niederlassungsfreiheit der Pharmazeuten besteht, gelangte das Bundesverfassungsgericht zur Auffassung, die vom Gesetzgeber bei Niederlassungsfreiheit der Apotheker befürchteten Gefahren hätten nicht so wahrscheinlich gemacht werden können, daß darauf - unter Beibehaltung des geltenden Apotheken- und Arzneimittelrechts im übrigen - die schärfste Einschränkung der freien Berufswahl, nämlich die Absperrung voll qualifizierter Bewerber von der selbständigen Ausübung des Apothekerberufs, gestützt werden könne. Insbesondere sei aus im einzelnen dargelegten Gründen (vgl. aaO 413-428) nicht zu erwarten, daß die Niederlassungsfreiheit zu 'einer schrankenlosen Vermehrung der Zahl der Apotheken, die in ihrer Auswirkung eine Verschlechterung der Arzneimittelversorgung bedeuten würde', führen könnte. In keinem der europäischen Staaten, die das System der vollen Niederlassungsfreiheit praktizierten, könne von einer Gefährdung der Volksgesundheit durch Mängel der Arzneimittelversorgung ernstlich die Rede sein. Wo es nach Einführung der Niederlassungsfreiheit zu einer großen Zahl von Neuerrichtungen gekommen sei, seien wirtschaftliche Fehlgründungen kaum festzustellen gewesen. Es sei - u.a. im Hinblick auf den hohen Investitionsbedarf - weiterhin unwahrscheinlich, daß die verschiedentlich behauptete Gründungsfreudigkeit 'der Apotheker sich über alle wirtschaftliche Vorsicht und Vernunft hinwegsetzen werde (aaO 419); dies würde ein Maß von 'Wirtschaftsblindheit' voraussetzen, das beim Apothekerstand ebensowenig unterstellt werden könnte wie bei anderen Wirtschaftstreibenden, denen - auch bei fehlender wirtschaftstheoretischer Vorbildung - die Fähigkeit, die Chancen einer Geschäftsgründung zu beurteilen, ohne weiteres zugetraut werde. Es sei somit nicht zu erwarten, daß die Leistungsfähigkeit vieler Apotheker infolge 'ungeregelter Vermehrung' so abnehmen werde, daß die gesetzlichen Verpflichtungen nicht erfüllt werden könnten. Vereinzelt mögliche, wirtschaftlich ganz unvernünftige Entschlüsse von Apothekern dürfe der Gesetzgeber nicht zur Grundlage einer generellen Zulassungsbeschränkung machen. Es ist nicht ersichtlich, daß die maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse und Rahmenbedingungen, von denen das Bundesverfassungsgericht ausging, von jenen in Österreich grundlegend verschieden wären (vgl. hiezu Grabenwarter, aaO, 154-160; Puck, aaO, 586-588; derselbe in FS Winkler 213, 231-235).

3.2.2. Auch der Gesichtspunkt der Vermeidung übermäßigen Wettbewerbs scheint nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes den vorliegenden Eingriff in die Niederlassungsfreiheit nicht zu rechtfertigen. Dem Gesetzgeber stehen zur Regulierung des Wettbewerbes andere, in die Freiheit der Erwerbsausübung weit weniger eingreifende Mittel, insbesondere Ausübungs- und Preisregelungsvorschriften, zur Verfügung.

Auch zur Verhinderung des Verdrängungswettbewerbes ist die angegriffene Regelung nicht erforderlich. Durch das Verbot der Kumulierung (§2 ApG) in Verbindung mit dem Grundsatz der alleinigen rechtlichen und wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Konzessionärs im Apothekenunternehmen (§12 ApG) bestehen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ausreichende Vorkehrungen dagegen, daß kapitalkräftige Unternehmen überregionale Bedeutung und eine marktbeherrschende Stellung erlangen. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Gesetzgeber einem befürchteten Verdrängungswettbewerb durch Einschränkungen der Erwerbsfreiheit begegnen darf, erübrigt sich somit.

3.2.3. Es ist auch nicht zu sehen, daß das System des §10 ApG in der geltenden Fassung unter dem Gesichtspunkt einer 'flächendeckenden' Heilmittelversorgung geboten wäre. Angesichts der großen Anzahl von Pharmazeuten, die über die persönlichen Voraussetzungen zur selbständigen Ausübung des Apothekerberufes verfügen und eine Unternehmensgründung anstreben, liegt kein hinreichender Grund für die Annahme vor, die Bedarfsprüfung sei notwendig, um Apotheker von der Niederlassung in Ballungsräumen abzuhalten und 'auf das Land zu zwingen' (vgl. Grabenwarter, aaO, 159).

Die dargestellten Überlegungen führen zum Ergebnis, daß das öffentliche Interesse an einer klaglosen Heilmittelversorgung der Bevölkerung es nicht gebietet, die Gründung neuer Apothekenunternehmen vom Bestehen eines Bedarfes abhängig zu machen.

3.4. Dazu kommt, daß zahlreiche an den Verwaltungsgerichtshof herangetragene Fälle überdies zeigen, daß die gegebene Rechtslage zur Erreichung des Zieles, die Heilmittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, nicht geeignet ist. Die Gründung neuer Apothekenunternehmen wird für die Mehrzahl der Bewerber unangemessen erschwert bzw. unmöglich gemacht. Dazu kommt weiters, daß die Vollziehung - nicht zuletzt angesichts des Fehlens klarer gesetzlicher Regelungen, nach welchen Gesichtspunkten die Zuordnung der 'zu versorgenden Personen' zum Versorgungspotential der einen oder anderen Apotheke zu geschehen hat, und des Fehlens von statistischen Daten, die an den Regelungen von §10 Abs2 bis 5 orientiert wären - bei der Ermittlung der Anzahl der 'zu versorgenden Personen' vor nahezu unlösbare Ermittlungsaufgaben gestellt zu sein scheint. Die gegebene Rechtslage bewirkt daher eher den Schutz von Standortmonopolsituationen zum Zweck der Ertragserzielung als die Gewährleistung eines flächendeckenden Netzes leistungsfähiger Apotheken; damit wird die Zweck-Mittel-Relation in ihr Gegenteil verkehrt (vgl. Puck, FS Wenger, 596).

4. Die folgenden Bedenken begründen den auf Aufhebung insbesondere von §10 Abs2 Z1 ApG gerichteten Eventualantrag. Faßt man diese Vorschrift indessen als Teil einer - dem gesetzgeberischen Plan entsprechenden - Gesamtregelung (vgl. RV, 1336 BlgNR 17. GP, 4) auf, wobei (insbesondere) die Vorschriften des §10 Abs2 Z2 und 3 ApG ohne die ersterwähnte Vorschrift nicht bestehen könnten, so erfaßt die §10 Abs2 Z1 ApG anhaftende Verfassungswidrigkeit die gesamte mit dem Hauptantrag angegriffene Regelung; dies selbst dann, wenn die - einer Existenzgefährdungsprüfung gleichkommende - Regelung von §10 Abs2 Z2 und 3 ApG für sich alleine für verfassungskonform gehalten werden sollte. Es könnte nämlich die Auffassung vertreten werden, daß die nach Aufhebung des §10 Abs2 Z1 ApG und der damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Vorschrift des §10 Abs3 leg.cit. verbleibende Regelung nicht dem Plan des Gesetzgebers entspräche.

5.1. Selbst auf der Grundlage der Auffassung, der durch die Normierung 'negativer Bedarfsvoraussetzungen' nach §10 Abs2 Z2 und 3 ApG gegebene Konkurrenzschutz sei erforderlich und geeignet, die Erhaltung wirtschaftlich gesunder und leistungsfähiger Apotheken zu gewährleisten, eine nicht im Interesse einer geordneten Heilmittelversorgung gelegene Ballung von Apotheken im städtischen Raum und damit verbundenen übermäßigen Wettbewerb hintanzuhalten und die Versorgung des ländlichen Raumes sicherzustellen, könnte die vorliegende Regelung weder als erforderlich noch als zur Zielerreichung geeignet und adäquat angesehen werden. Der angestrebte Zweck würde nämlich schon durch die Regelungen des §10 Abs2 Z2 und 3 ApG - oder andere, die Existenz der bestehenden Apotheken sichernde Regelungen - sichergestellt; der weiteren Einschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit durch §10 Abs2 Z1 ApG bedürfte es offenbar nicht.

5.1.1. Für eine qualitativ und quantitativ ausreichende und preisgünstige Heilmittelversorgung wird durch die gegebenen Ausbildungs-, Ausübungs- und Preisregelungsvorschriften auf eine Weise gesorgt, die den Eingriff in die Grundrechtssphäre durch die Bedarfsprüfung entbehrlich macht.

5.1.2. Dem Zweck, übermäßigen Wettbewerb hintanzuhalten und das Bestehen wirtschaftlich solider Apothekenbetriebe zu gewährleisten, wird durch die Normierung eines räumlichen Mindestabstandes der Betriebsstätten (§10 Abs2 Z2 ApG) und eines Mindestversorgungspotentials der bestehenden Apotheken (§10 Abs2 Z3 ApG) - allenfalls in Kombination mit Wettbewerbsvorschriften - hinreichend entsprochen. Weiters ist neuerlich darauf zu verweisen, daß durch die §§2 und 12 ApG der Entstehung von Unternehmen mit überregionaler Bedeutung und marktbeeinflussender Stellung und somit einem Verdrängungswettbewerb durch übermächtige Konkurrenten vorgekehrt wird.

5.1.3. Inwiefern - über das soeben dargelegte System hinaus - die Normierung einer Bedarfsprüfung, die an ein Mindestversorgungspotential der zu schaffenden Apotheke anknüpft, dem Zweck einer ordnungsgemäßen Heilmittelversorgung der Bevölkerung dienen sollte, ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu sehen. Dem Ziel, ein 'flächendeckendes' Netz von Apotheken herzustellen und zu erhalten, dient diese Regelung des §10 Abs2 Z2 und 3 ApG noch jener der Z1 leg.cit. bedürfte, um Apothekenunternehmen von der Niederlassung in Ballungsräumen abzuhalten und 'auf das Land zu zwingen' (vgl. Grabenwarter, aaO, 159). Die Praxis zeigt, daß einer großen Anzahl von Interessenten, die über die persönlichen Voraussetzungen verfügen, eine geringe Anzahl von nach den Grundsätzen des §10 Abs2 Z2 und 3 ApG in Betracht kommenden Apothekenstandorten gegenübersteht. Gerade der Beschwerdefall, aber auch andere an den Verwaltungsgerichtshof herangetragene Fälle zeigen sehr anschaulich, daß die Regelung des §10 Abs2 Z1 ApG der Errichtung eines flächendeckenden Netzes öffentlicher Apotheken nicht dient, sondern ihr entgegensteht, weil gerade in dünn besiedelten Gebieten mit schlechter Verkehrsverbindung zu Apothekenstandorten die Errichtung einer öffentlichen Apotheke wegen des (oft geringfügigen) Unterschreitens des Mindestversorgungspotentials nicht zulässig ist, obwohl keine Existenzgefährdung der benachbarten Apotheken eintreten könnte. Der angefochtene Bescheid verneint auf der Grundlage von §10 Abs2 Z1 ApG die sachlichen Konzessionsvoraussetzungen in Ansehung eines Apothekenstandortes, dem - nach den Feststellungen des Bescheides - ein Versorgungspotential von 5.342 Personen innerhalb der Entfernung von 4 Straßenkilometern von der Betriebsstätte zuzurechnen ist, wobei das in Rede stehende Gebiet - bei unzureichender Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln - mehr als 13 km von der nächsten öffentlichen Apotheke entfernt liegt.

5.1.4. Unter den Umständen des Einzelfalles ist auch nicht ersichtlich, daß die Regelung dem subsidiären Ziel der Erreichung gesunder Marktstrukturen durch Ausschaltung betriebswirtschaftlich nicht lebensfähiger Unternehmungen diente:

Das in Rede stehende Unternehmen, dem die rechtliche Basis auf der Grundlage einer Vorschrift entzogen wird, die vorgeblich die Gründung wirtschaftlich nicht lebensfähiger Unternehmen verhindern soll, besteht seit mehr als acht Jahren, wobei im Hinblick auf die besondere Situation eine Belastung durch die Kosten eines verantwortlichen Leiters verkraftet werden muß.

5.1.5. Es scheint auf der Hand zu liegen, daß §10 Abs2 Z1 ApG angesichts der Absicherung der bestehenden Apotheken durch Z2 und 3 leg.cit. nicht dem Schutz der Heilmittelversorgung der Bevölkerung durch öffentliche Apotheken dient.

Auch der Umstand, daß mit der angegriffenen Vorschrift als Reflexwirkung der Schutz des Bestandes der ärztlichen Hausapotheken einhergeht, läßt die Vorschrift nicht als adäquates Mittel der Heilmittelversorgung der Bevölkerung erscheinen (vgl. Puck in FS Winkler 234 f); denn das Apothekengesetz betrachtet die Heilmittelversorgung der Bevölkerung durch öffentliche Apotheken als Grundsatz. Die ärztliche Hausapotheke ist lediglich ein subsidiäres Mittel der Versorgung (vgl. §29 Abs4 und 5 ApG; VfSlg. 5648/1967).

5.2. Die angegriffene Regelung ist somit - angesichts des Umstandes, daß für den Konkurrenzschutz der bestehenden Apotheken durch §10 Abs2 Z2 und 3 ApG jedenfalls ausreichend gesorgt ist - unter Gesichtspunkten dieses Konkurrenzschutzes nicht erforderlich. Sie zielt - jedenfalls in ihrer Auswirkung - lediglich auf den Schutz des Unternehmers 'vor sich selbst', nämlich vor den Folgen seiner allenfalls verfehlten Prognose über die wirtschaftlichen Chancen einer Unternehmensgründung ab. Es besteht kein Grund zur Annahme, daß es ohne angegriffene Regelung bzw. gerade wegen ihres Fehlens zur Gründung wirtschaftlich nicht lebensfähiger Unternehmen in einer ins Gewicht fallenden Anzahl kommen würde. Warum gerade die Gründer von Apothekenunternehmen nicht in der Lage sein sollten, selbst eine sorgfältige Prüfung der Erfolgschancen einer Unternehmensgründung vorzunehmen und dem Ergebnis dieser Prüfung entsprechend zu handeln, weshalb diese Aufgabe der staatlichen Verwaltung überantwortet werden muß, ist nicht einzusehen (vgl. Grabenwarter, aaO, 159, unter Hinweis auf Puck, FS Winkler, 233).

Dazu wird bemerkt, daß schon der Gesetzgeber des Jahres 1907 keine Bedenken dagegen hatte, die Beurteilung der Existenzfähigkeit der neuen Apotheke nicht der Behörde, sondern dem Bewerber zu überlassen, weil 'anzunehmen ist, daß die Frage der Existenzfähigkeit von dem Anreger weit richtiger beurteilt wird als von der Behörde' (vgl. den Bericht des Sanitätsausschusses, 2620 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses, XVII. Session 1906, 9, 10). Welche Motive den Gesetzgeber im Jahre 1984 und 1990 bewogen haben, auf die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten des zu gründenden Unternehmens als Bedarfsvoraussetzung Bezug zu nehmen - eine Regelung, die in der österreichischen Rechtsordnung anscheinend einzig dasteht - ist (auch bei Bedachtnahme auf die Gesetzesmaterialien) nicht zu erkennen.

5.3. Gegen die mit dem Eventualantrag angegriffene Regelung besteht ferner das Bedenken, daß sie auch infolge ihrer Ausnahmslosigkeit bei ausschließlicher Anknüpfung an die Anzahl der zu versorgenden Personen dem Ziel einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln durch wirtschaftlich lebensfähige Apothekenbetriebe nicht dient, sondern der Erreichung dieses Zieles entgegensteht; es fehlt somit auch die Eignung zur Verwirklichung des offenbar angestrebten Zweckes. Die Behörde erster Instanz wertete die im Beschwerdefall vorliegende, oben näher dargelegte Sachlage als einen Fall des 'zwingenden Bedarfes der Bevölkerung nach Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke' im Sinne des §10 Abs4 ApG idF der Novelle 1984, in welchem Fall nach dieser Rechtslage selbst über die Gefährdung der Existenzfähigkeit einer bestehenden öffentlichen Apotheke hinweggesehen werden konnte. Die hier anzuwendende Rechtslage läßt hingegen die Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke selbst ohne Existenzgefährdung einer bestehenden Apotheke bei Unterschreiten der Anzahl von 5500 zu versorgenden Personen auch in solchen Fällen nicht zu, in denen ein Bedürfnis der Bevölkerung nach einer öffentlichen Apotheke in dem Sinne, daß dem Angebot einer Apotheke eine hinreichende Nachfrage gegenüberstünde und die anderweitige Beschaffung von Heilmitteln aus einer öffentlichen Apotheke in der näheren Umgebung des Wohnortes nicht möglich ist, nicht zu. Diese starre, ausschließlich an eine bestimmte Anzahl der zu versorgenden Personen anknüpfende Regelung läßt eine Bedachtnahme auf sonstige in der Frage, ob ein Bedürfnis der Bevölkerung an einer öffentlichen Apotheke besteht, bedeutsame Umstände - wie es etwa die Regelung des §10 Abs6 ApG in Beziehung auf das negative Bedarfsmerkmal des §10 Abs2 Z2 ApG vorsieht - nicht zu; sie erscheint auch unter diesem Gesichtspunkt unsachlich.

Unterstellt man eine Rechtslage, wie sie im Falle der Beseitigung von §10 Abs2 Z1 ApG aus dem Rechtsbestand bestünde, wird deutlich, daß die erwähnte Vorschrift einen durch das öffentliche Interesse an der Heilmittelversorgung der Bevölkerung nicht gebotenen und zur Erreichung der angestrebten Ziele nicht geeigneten Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit darstellt. In einem solchen Fall wäre die wirtschaftliche Existenzfähigkeit der bestehenden Apotheken - soweit wirtschaftslenkende Regelungen dies überhaupt vermögen - durch §10 Abs2 Z2 und 3 ApG sichergestellt. Das durch diese Vorschriften 'garantierte' Mindestpotential stellt sicher, daß eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz bestehender Apotheken durch die Gründung neuer Apothekenunternehmen nicht eintritt. Daß neu gegründete Unternehmen in ins Gewicht fallender Anzahl wirtschaftlich nicht lebensfähig wären, ist - wie oben näher dargelegt wurde - nicht anzunehmen. Aber selbst die Gründung eines wirtschaftlich nicht auf Dauer lebensfähigen Apothekenunternehmens wäre kein Umstand, der geeignet wäre, die Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu gefährden. Diesfalls käme es für eine mehr oder weniger kurze Zeit - solange die Apotheke ihren Betrieb ordnungsgemäß aufrechterhält - zu einer Verbesserung der Heilmittelversorgung der betreffenden Bevölkerung durch eine Verkürzung der Weg- und Wartezeiten. Nach dem Ausscheiden des nicht lebensfähigen Unternehmens aus dem Markt würde dessen Versorgungsaufgabe wieder von jenen Apotheken übernommen, die sie schon vor der Gründung des betreffenden Unternehmens besorgt hatten. Daß es in Einzelfällen zu solchen Situationen - die auch unter dem Regime der bestehenden Vorschriften nicht gänzlich ausgeschlossen sind - kommen könnte, stellt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keine Gefährdung der Heilmittelversorgung der Bevölkerung dar, die einen Eingriff in das Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit rechtfertigen könnte, wie ihn §10 Abs2 Z1 ApG darstellt. Im übrigen könnte nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einmal in einem solchen Fall mit Recht gesagt werden, es wäre für die Bevölkerung günstiger gewesen, wenn die neue Apotheke nicht errichtet worden wäre.

5.4. Es scheint denkmöglich, §10 Abs2 Z2 und 3 ApG und die damit im Zusammenhang stehenden Vorschriften als Regelung aufzufassen, die auch nach Wegfall des §10 Abs2 Z1 ApG bestehen könnten. In diesem Fall - und unter der weiteren Annahme, daß die oben erwähnten Regelungen als dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht widersprechend angesehen werden könnten - läge eine Verfassungswidrigkeit unter dem Gesichtspunkt des Art6 StGG alleine im Umfang des §10 Abs2 Z1 ApG und der damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Regelungen des §10 Abs3 und der genannten Wortfolge in §10 Abs5 ApG vor. Von diesen Annahmen ausgehend wäre die Verfassungswidrigkeit im Falle der Aufhebung der mit dem Eventualantrag angegriffenen Vorschriften beseitigt."

b) Zur Begründung seiner weiteren Anträge (s.o. I.2) bezieht sich der Verwaltungsgerichtshof auf die soeben wiedergegebenen Bedenken.

2. Die Bundesregierung begründet ihr Begehren, den Prüfungsanträgen des Verwaltungsgerichtshofes keine Folge zu geben, mit nachstehenden Argumenten:

"A. Allgemeine Bemerkungen:

Der Verwaltungsgerichtshof erblickt in der angefochtenen Bestimmung eine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit. Er bezweifelt, daß das durch die angefochtene Bestimmung normierte System der Bedarfsprüfung durch das öffentliche Interesse geboten und zur Erreichung der Ziele geeignet ist sowie im Verhältnis zum verfolgten Ziel ein adäquates Mittel darstellt.

1. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sind gesetzliche, die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkende Regelungen nur dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet und adäquat sind und auch sonst sachlich gerechtfertigt werden können (vgl. VfSlg. 10718/1985, 11558/1987, 12379/1990, 13094/1993 u.a.).

Dem einfachen Gesetzgeber ist bei der Entscheidung, welche Ziele er mit seinen Regelungen verfolgt, innerhalb der Schranken der Verfassung ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt (VfSlg. 11483/1987, 12481/1990). Der Verfassungsgerichtshof hat nicht zu beurteilen, ob die Verfolgung eines bestimmten Zieles etwa aus wirtschaftspolitischen oder sozialpolitischen Gründen zweckmäßig ist. Er tritt dem Gesetzgeber nur dann entgegen, wenn dieser Ziele verfolgt, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen sind (VfSlg. 9911/1983, 11483/1987, 11652/1988 u.a.).

2. Hiezu ist aus Sicht der Bundesregierung zunächst auf folgendes hinzuweisen:

Im Apothekengesetz sind die Voraussetzungen normiert, unter denen die Errichtung und der selbständige Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke erlaubt ist bzw. dafür eine Konzession zu erteilen ist. Durch das Apothekengesetz wird die Ausübung dieses Erwerbszweiges nicht unmöglich gemacht, sondern ein sinnvolles System von öffentlichen Apotheken entsprechend der Bedarfslage und im übrigen von Hausapotheken ermöglicht.

Nach ständiger Rechtssprechung ist unter der 'Zahl ... der zu versorgenden Personen' (vgl. Puck, Organisation der Heilmittelversorgung durch Apotheken, in Wenger - FS, S 595) im Sinne des §10 Abs2 ApG nicht nur die im ausersehenen Standort, sondern auch jene der 'Umgebung', also des für die geplante Apotheke in Betracht kommenden Einzugsgebietes zu verstehen (VwGH 31.8.1978, 2014/77). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Anzahl von 6000 potentiellen Kunden zur Begründung des Bedarfes unter dem Gesichtspunkt der Zahl der zu versorgenden Personen im Standort und der Umgebung ausreichend (VwGH 23.9.1975, 1878/74); in anderen Erkenntnissen wurde eine Bevölkerungszahl von ca. 5000 bzw. 5600 als noch ausreichend angesehen (VwGH 17.6.1969, 1693/68: 5000; VwGH 29.4.1966, 2143/65: 5600 noch ausreichend). Unter Zugrundelegung städtischer Maßstäbe betrachtet der Verwaltungsgerichtshof eine Wegstrecke von mindestens 600 m und mehr als beträchtlich, noch dazu wenn nur eine begrenzte Möglichkeit besteht, diese Strecke mittels öffentlicher Verkehrsmittel zurückzulegen (VwGH 16.4.1982, 81/08/0067; eine wesentliche Erleichterung wird durch eine Wegersparnis von 400 bis 500 m - VwGH 25.2.1969, 1063/68 - oder rd. 600 m - VwGH 28.11.1978, 1051/77 - nicht bewirkt). Hat man erkannt, daß es nicht darum geht, Standortmonopolsituationen zum Zwecke der Ertragserzielung zu schützen, sondern eine einwandfreie und dauerhafte Heilmittelversorgung sicherzustellen (VfSlg. 8765/1980), dann muß auch dem unbestimmten Rechtsbegriff des Bedürfnisses der Bevölkerung ein Sinn beigemessen werden, der diese Ziel-Mittel-Relation nicht in ihr Gegenteil verkehrt.

Aus dieser ständigen Judikatur heraus entwickelt wurde in der Apothekengesetznovelle 1984 schließlich die Mindestanzahl an zu versorgenden Personen mit 5500 im Umkreis von 4 Straßenkilometern - bei einer Mindestentfernung von 500 m zwischen 2 Apotheken - normiert.

Sowohl nach der früheren als auch nach der neuen Rechtslage bedeutet ein fundiertes Kundenpotential bei der Neuerrichtung einer Apotheke ein wesentliches Kriterium, wenn man berücksichtigt, daß erfahrungsgemäß die Grundlage der Existenzfähigkeit einer Apotheke auf Dauer gesehen ein entsprechendes Einzugsgebiet mit einer genügend hohen Anzahl an zu versorgenden Personen bildet. Eine eklatante Senkung der Mindestanzahl an zu versorgenden Personen oder gar der gänzliche Wegfall der Bedarfsprüfung würde - zugegebenermaßen - zu einer Apothekenvermehrung führen, was vermehrt zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten und auch zu Zusammenbrüchen von Apotheken führen könnte.

Das wiederum könnte die angestrebte umfassende und klaglos funktionierende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gefährden. Hinzu kommt, daß der sich daraus ergebende größere Konkurrenzkampf im Hinblick auf die besondere Aufgabe der Apotheken von vorneherein verhindert werden soll. Die Situation erscheint, was das Ziel der Vermeidung eines Konkurrenzkampfes betrifft, mit der vom Verfassungsgerichtshof anerkannten Situation für das Bestattergewerbe vergleichbar.

Nur der Vollständigkeit halber soll in diesem Zusammenhang auch auf die Entstehungsgeschichte des Apothekengesetzes verwiesen werden:

Wie bereits im Motivenbericht zum Apothekengesetz 1906 (1912 BlgAH, 17. Session (1903)) ausgeführt wird, gäbe die unbedingte Niederlassungsfreiheit - ohne Rücksicht auf den Lokalbedarf und die bestehenden Apotheken - denselben den Charakter rein gewerblicher Unternehmungen, deren Ertragsfähigkeit hauptsächlich auf die kaufmännische Geschicklichkeit des Unternehmers gestellt wäre. Wie beim reinen Personalsystem der kommerzielle, würde hier der öffentliche Charakter der Apotheke als eine Anstalt im System der öffentlichen Sanitätspflege nicht berücksichtigt. Es könne nicht in Abrede gestellt werden, daß in einigen anderen europäischen Staaten die Niederlassungsfreiheit der Apotheke bestehe; doch müsse es als sehr bedenklich bezeichnet werden, dieses Prinzip auf unsere Verhältnisse anwenden zu wollen. Das unmittelbare Ergebnis wäre voraussichtlich nur die Schaffung einer im Interesse der allgemeinen Wohlfahrt gewiß nicht zu wünschenden Überkonkurrenz auf diesem Gebiet.

Bei Entfall einer entsprechenden behördlichen Lenkung der Apothekenstandorte durch die Bedarfsprüfung besteht vor allem auch die Gefahr der Konzentration von öffentlichen Apotheken in Ballungszentren, wie beispielsweise Einkaufszentren, Verkehrsknotenpunkten, etc. festzustellen sein. Außerhalb solcher Konzentrationspunkte bestünde kaum ein (wirtschaftliches) Interesse von Konzessionswerbern an Apothekenneugründungen. Eine österreichweite gleichmäßige Aufteilung von öffentlichen Apotheken ist somit aus gesundheitspolitischer Sicht für die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung von größtem öffentlichen Interesse. Während in Ballungsgebieten ein Überangebot an Arzneimittelabgabestellen entstehen würde, wären andere Gebiete mit Arzneimitteln unterversorgt.

3. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß die Bedarfsprüfung dem öffentlichen Interesse an einer optimalen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dient und zur Zielerreichung geeignet und adäquat ist.

4. Anhand der durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entwickelten Kriterien, kann daher festgestellt werden, daß

* ein öffentliches Interesse an der flächendeckenden

Arzneimittelversorgung Österreichs besteht,

* die Bedarfsprüfung ein taugliches Mittel ist, die Errichtung neuer Apotheken dort zu bewirken, wo bisher noch keine Heilmittelabgabestellen vorhanden sind und dort zu verhindern, wo der Bedarf durch bestehende Apotheken bereits gedeckt wird.

* die Bedarfsprüfung ein adäquates Mittel ist, da kein

anderes gelinderes Mittel ersichtlich ist, mit dem auf die flächenmäßig möglichst umfassende Verteilung von Apotheken hingewirkt wird und gleichzeitig die

angestrebte Bestandsicherung der bestehenden Apotheken erreicht wird.

Die im Apothekengesetz verankerte Bedarfsprüfung ist daher nach Ansicht der Bundesregierung ein taugliches und adäquates Mittel zur Verfolgung des im öffentlichen Interesse gelegenen Schutzes der klaglos funktionierenden Arzneimittelversorgung der Bevölkerung, die wiederum der Gesundheit dient (vgl. VfSlg. 10386/1985; Schulev-Steindl, Wirtschaftslenkung und Verfassung, 147).

B. Zu den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes im einzelnen:

1. Wie unter Punkt A ausgeführt, ist zu prüfen, ob die angefochtene Bestimmung im öffentlichen Interesse geboten und ob sie zur Verfolgung dieses öffentlichen Interesses ein taugliches und adäquates Mittel darstellt.

Besonders hervorzuheben sind im vorliegenden Zusammenhang die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in dem Erkenntnis VfSlg. 10932/1986:

'Anders etwa als bei der Verleihung einer Apothekenkonzession, bei der das Ziel, die Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern, verlangen kann, auf eine mögliche Existenzgefährdung bestehender Apotheken Bedacht zu nehmen, dies vor allem deshalb, weil die Annahme gerechtfertigt ist, daß nur wirtschaftlich gesunde und starke Apotheken ein optimales Medikamentenlager halten können -, wird das Ziel, der Bevölkerung die Dienstleistung des Taxifahrens bestmöglich zu gewährleisten, durch eine Beschränkung der Zahl der Taxikonzessionen anscheinend geradezu inhibiert;'

Diese Ausführungen weisen darauf hin, daß der Verfassungsgerichtshof wohl auch die nunmehr vorgesehene Bedarfsprüfung im Apothekenbereich als verfassungskonform betrachtet und auf Grund ihrer unleugbaren Bedeutung für die Sicherung der Arzneimittelversorgung deutlich von anderen, sich auf andere Bereiche beziehenden Sachverhalten unterscheidet.

Die Argumentation des Verwaltungsgerichtshofes, die die Tätigkeit der Apotheker ganz allgemein anderen unternehmerischen Tätigkeiten gleichstellt, berücksichtigt nach Ansicht der Bundesregierung nicht die unterschiedlichen Voraussetzungen, die für die Ausübung der einzelnen Berufsgruppen definiert werden bzw. die Anforderungen, die im Rahmen der Berufsausübung im einzelnen gestellt werden. Für die Apotheken gilt die Besonderheit, daß sie dem besonderen Interesse an einer umfassenden Arzneimittelversorgung entsprechen sollen.

Bei den im Apothekenbereich festgelegten Verpflichtungen handelt es sich um sachspezifische Verpflichtungen, die in dieser Form wohl nicht mit anderen unternehmerischen Tätigkeiten verglichen werden können. Das öffentliche Recht, das dem Apotheker gewisse Aufgaben für die allgemeine Versorgung aufträgt, muß durch geeignete sachlich angemessene Maßnahmen die Voraussetzungen schaffen, damit die entsprechenden Aufgaben, deren Erfüllung zweifelsohne im öffentlichen Interesse liegt, in angemessener Weise wahrgenommen werden können.

2. Die in der Folge vom Verwaltungsgerichtshof auch unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958, BVerfG 7, geäußerte Meinung (vgl. Punkt 3.2.1. des Antrages), daß das Risiko im Zusammenhang mit Fehlgründungen von Apotheken offensichtlich nicht allzu hoch einzuschätzen bzw. - wie der Verwaltungsgerichtshof an späterer Stelle ausführt - kein Umstand ist, der geeignet wäre, die Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu gefährden, da es in einem solchen Fall für die Zeit, in der die Apotheke ihren Betrieb ordnungsgemäß aufrechterhält, zu einer Verbesserung der Heilmittelversorgung der betreffenden Bevölkerung wieder von jenen Apotheken wahrgenommen würden, die schon vor der Gründung der neuen Apotheke entsprechende Versorgungsstellen waren, scheint jene Auswirkungen zu vernachlässigen, die die Neugründung einer Apotheke im Hinblick auf bereits bestehende Unternehmen nach sich ziehen kann.

Die Frage der Übertragbarkeit der Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts auf Österreich ist nach Ansicht der Bundesregierung im übrigen differenziert zu sehen.

Eine nähere Auseinandersetzung mit dem oben zitierten Urteil zeigt, daß diesem - im Gegensatz zu jenen des Verfassungsgerichtshofes - ein ausführliches Gutachten zugrundelag. Im übrigen mag dahingestellt bleiben, ob sich die Prognose des Bundesverfassungsgerichts über die Entwicklung des Marktes auf dem Boden der Niederlassungsfreiheit als zutreffend erwiesen hat und eine behördliche Bedarfsprüfung und eine Prüfung der wirtschaftlichen Existenzfähigkeit auch bei Rückblick auf die bisherige Entwicklung als unzulässig harte Beschränkung der Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit angesehen werden würde, werden doch starke Konzentrationserscheinungen in den Städten und eine ungleichmäßige Versorgung des Landes beklagt (vgl. auch Stelzer, Das Wesensgehaltsargument und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 148; Puck, Organisation der Heilmittelversorgung durch Apotheken, in: Wenger-FS, 577 ff. (587 ff.)).

3. Auch die Aussage des Verwaltungsgerichtshofes, daß die verfahrensgegenständliche Bedarfsprüfung zur Erreichung des Zieles, die Heilmittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, nicht geeignet ist, weil die Gründung neuer Apothekenunternehmen für die Mehrzahl der Bewerber unangemessen erschwert bzw. unmöglich gemacht wird, wird unter Bezugnahme auf die oben stehenden Ausführungen, auf den einer Bedarfsprüfung zweifellos immanenten Aspekt, die Ansiedlung in Gebieten, wo die flächendeckende Versorgung noch nicht gewährleistet ist, zu fördern, vor allem aber auch auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, der das Vorhandensein gesunder leistungsfähiger Apotheken als wesentliches Element für die Heilmittelversorgung erkannt hat, von der Bundesregierung nicht geteilt.

4. Insgesamt ist den Überlegungen des Verwaltungsgerichtshofes nach Ansicht der Bundesregierung entgegenzuhalten, daß die Sicherung einer klaglos funktionierenden umfassenden Versorgung mit Arzneimitteln auch die Bedarfsprüfung für neu zu errichtende Apotheken rechtfertigt (vgl. VfSlg. 10386/1985 zur Frage, ob es zulässig ist, auf die Existenzgefährdung bestehender Apotheken abzustellen). Auch mit der Bedarfsprüfung für die neue Apotheke will der Gesetzgeber den Bestand und die Leistungsfähigkeit der bestehenden Apotheken sichern; darüber hinaus will er auf diese Weise - wenn auch nicht direkt - auf eine flächenmäßig möglichst umfassende Heilmittelversorgung hinwirken.

5. Die Bundesregierung verkennt nicht, daß der Verfassungsgerichtshof das durch die Apothekengesetznovelle 1990 eingeführte System der Bedarfsprüfung noch nicht zum Gegenstand einer meritorischen Entscheidung im Hinblick auf die neue Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gemacht hat. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, daß sich der Verfassungsgerichtshof erst in jüngster Zeit mit der Frage der Verfassungskonformität der Bedarfsprüfung auseinandergesetzt und mit Erkenntnis vom 11. Juni 1996, B831/96-8, die Behandlung einer Individualbeschwerde abgelehnt hat. Die Beschwerde war unter anderem auf Art6 StGG gestützt und dadurch begründet, daß die im Apothekengesetz festgeschriebene Personenzahl, die nach dem Apothekengesetz der Bedarfsprüfung zugrunde zu legen ist, willkürlich, unverhältnismäßig und sachlich nicht zu rechtfertigen sei. Dazu hat der Verfassungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis vom 11. Juni 1996 ausgeführt:

'Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, läßt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. z.B. VfSlg. 10386/1985, 10692/1985) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.'

Im übrigen ist inhaltlich zwischen §10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 502/1984 und der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 362/1990 jedenfalls kein Unterschied zu sehen, der eine andere verfassungsrechtliche Beurteilung begründen könnte. Beide Bestimmungen gehen von 5.500 Personen aus, die als bedarfsbegründend zu werten sind.

6. Wenn der Verwaltungsgerichtshof auf Seite 13, zu Punkt 3.4, seines Antrages auf große Vollziehungsprobleme der Bedarfsprüfung verweist, kann daraus nicht abgeleitet werden, daß es nicht der vorrangige Zweck der Bedarfsprüfung ist, ein flächendeckendes Netz leistungsfähiger Apotheken zu schaffen. Gleichheitsrechtliche Überlegungen gebieten weiters, daß bestehende und neue Apotheken in bezug auf ihre Leistungsfähigkeit in gleicher Weise geschätzt werden sollen.

Offensichtlich ist der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht, daß dann, wenn für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke der Bedarf nicht geprüft wird, dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Erwerbstätigkeit Rechnung getragen würde, bei bestehenden Apotheken hingegen die Bedarfsprüfung aufrecht bleiben dürfe.

Wie aber könnte ein Bedarfsprüfungssystem gedacht sein, das die von einer bestehenden Apotheke zu versorgende Personen zählen läßt, ohne abgrenzen zu lassen, welche Personen dann für die neue Apotheke übrigbleiben?

Die Prüfung der Frage, wieviel Personen durch die bestehende Apotheke zu versorgen sind, setzt ein Ermittlungsverfahren voraus, das dem derzeit durchzuführenden Verfahren entspricht.

Folge dieser Variante wäre weiters die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der bestehenden Apotheke und der beantragten Apotheke.

7. Aus den dargelegten Gründen vertritt die Bundesregierung die Auffassung, daß die im Apothekengesetz verankerte Bedarfsprüfung ein taugliches und adäquates Mittel zur Verfolgung des im öffentlichen Interesse gelegenen Schutzes der Bevölkerung an einer umfassenden Versorgung mit Arzneimitteln darstellt, die wieder der Gesundheit dient. Ein verfassungswidriger Eingriff in das durch Art6 StGG gewährleistete Recht liegt daher nicht vor."

3. Die Österreichische Apothekerkammer verteidigt die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen des ApG folgendermaßen:

"Zum dg. Ersuchen um Stellungenahme (eingelangt am 5. März) zum auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Antrag des Verwaltungsgerichtshofes, in §10 Apothekengesetz i.d.g.F. BGBl. Nr. 362/1990, im Abs1 die Wortfolge 'und 2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.' und die Abs2 bis 7 bzw. zum Eventualantrag, §10 Abs2 Z. 1 und Abs3 sowie im Abs5 die Wortfolge '3. oder' Apothekengesetz i.d.F. BGBl. Nr. 362/1990 als verfassungswidrig aufzuheben, beehrt sich die Österreichische Apothekerkammer, innerhalb offener Frist folgende Stellungnahme abzugeben:

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes des letzten Jahrzehnts (und weiter zurück) zu apothekengesetzlichen Normen der Apothekenneuerrichtung hat wesentlich zur bedarfsgerechten Apothekenniederlassung und zum optimalen Funktionieren des Systems der Arzneimittelversorgung in Österreich beigetragen. Der VwGH hat die Bedarfsprüfung des §10 Apothekengesetz entscheidend mitgeprägt. Der vorliegende Antrag des VwGH überrascht schon deshalb. Bedauerlicherweise werden jedoch zudem entscheidungsrelevante Aspekte vom VwGH nicht berücksichtigt und die Auswirkungen einer Antragsstattgebung unzutreffend eingeschätzt.

Nach Auffassung der Österreichischen Apothekenkammer sind die Anträge des Verwaltungsgerichtshofes inhaltlich nicht begründet.

Inhalt der Stellungnahme

...

A. (Zum Hauptantrag)

I. Art6 StGG und die Vorjudikatur

(zum VwGH-Vorbringen unter 2.1., 2.2. und 2.3.)

Der VwGH sah sich wegen Bedenken, ob §10 Apothekengesetz mit Art6 StGG vereinbar ist, veranlaßt, die Anträge an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Das im Art6 StGG verankerte Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsausübung steht unter einem Gesetzesvorbehalt; ein einfaches Gesetz kann aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Ermächtigung das Grundrecht einschränken.

Der Gesetzgeber ist nach der ständigen Judikatur des VfGH durch Art6 StGG ermächtigt, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter gewissen Voraussetzungen erlaubt oder unter gewissen Umständen verboten ist, sofern er dabei den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht verletzt und die Regelung auch sonst nicht verfassungswidrig ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt, dann zulässig, wenn sie durch ein öffentliches Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist.

Es wird nicht Aufgabe dieser Stellungnahme sein, überdimensionierte rechtliche Ausführungen zu Art6 StGG und §10 Apothekengesetz, insbesondere eine lückenlose Nachlese der umfangreichen allgemeinen bzw. apothekenspezifischen Vorjudikatur zu machen (jura novit curia); einige Zitate seien aber hervorgehoben.

So ist durch die dg. Vorjudikatur außer Zweifel gestellt, daß das Ziel, das klaglose Funktionieren der Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern, im öffentlichen Interesse liegt - ohne daß dies eines weiteren Nachweises bedarf. Es ist auch an sich gerechtfertigt, zur Erreichung dieses Zieles die infolge Errichtung neuer Apotheken mögliche Existenzgefährdung bestehender Apotheken zu berücksichtigen, da die bestehende Apotheke sonst in ihrer Betriebspflicht (§13) allenfalls nicht ordnungsgemäß nachkommen, so etwa nicht über das hiefür erforderliche Heilmittellager verfügen könnte (VfGH vom 7. März 1995, B251/83 = VfSlg. 10386).

Es kann, um das Ziel der Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern, auch zweckmäßig sein, die bestehenden öffentlichen Apotheken vor einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung durch Konkurrenzbetriebe zu schützen (VfGH vom 27.11.1995, B461/462 = VfSlg. 10692).

Die Ausführungen des VwGH (unter 2.2.), daß §10 ApG unter den nach der Judikatur des VfGH maßgebenden Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes bisher noch nicht geprüft wurde, ebensowenig wie das durch die ApG-Nov. 1990 eingeführte System der Bedarfsprüfung Gegenstand einer meritorischen Entscheidung des VfGH gewesen wäre, ist entgegenzuhalten, daß durch die Apothekengesetz-Novellen 1984 und 1990, die Bedarfsprüfung, welche der Verfassungsgerichtshof in seiner bisherigen Judikatur als verfassungskonform beurteilt hat, bloß konkretisiert wurde.

Im dg. Erkenntnis vom 13.12.1988, B1450/88 = VfSlg. 11937 (Apothekenkonzessionsentzug), wird festgestellt, daß allein wegen der besonderen Bedeutung der Apotheken für die Volksgesundheit die Verleihung einer Apothekenkonzession der Sache nach vom Vorliegen eines Bedarfes abhängig gemacht werden darf.

Im Erkenntnis vom 12. Oktober 1991, B249/91, wird festgehalten, daß der Verfassungsgerichtshof wiederholt (z.B. VfSlg. 8765/1980, 10386/1985, 10692/1985) ausgesprochen hat, daß Bedenken gegen die (damals) gesetzlich geforderte Berücksichtigung der Existenzfälligkeit bestehender Apotheken nicht bestünden; diese diene der klaglosen Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln und liege damit im öffentlichen Interesse. Das bedeutet - auch unter Bedachtnahme auf die seither eingetretene Änderung der Rechtslage (ApG-Nov. 1990, BGBl. Nr. 362) - aber nicht, daß auch bei bloßer Verlegung der Apotheken-Betriebsstätte innerhalb des festgesetzten Standortes eine Bedarfsprüfung unter dem Gesichtspunkt der Erwerbsausübungsfreiheit zulässig wäre. Bei einer dem Wortlaut und dem Sinn des §9 Abs2 i.V.m. §10 ApG entsprechenden Umschreibung des Standortes im Apothekenkonzessionsbescheid ist davon auszugehen, daß eine Verlegung der Apotheke innerhalb des Standortes keine gravierenden Folgen für die klaglose Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln hat; dann aber wäre eine Bedarfsprüfung aus öffentlichen Interessen nicht gerechtfertigt.

Das vorzitierte Erkenntnis legt §14 ApG somit in der Form aus, daß eine Bedarfsprüfung bei Verlegung der Apotheke innerhalb des festgesetzten Standortes nicht erfolgen soll (anders als bei Verlegung der Apotheke außerhalb des Standortes gemäß §14 Abs2 ApG, wo eine Bedarfsprüfung erfolgt).

Zuletzt wurde mit dg. Beschluß vom 11. Juni 1996, B831/96, die Behandlung der Beschwerde einer Apothekenneuerrichtungswerberin (in welcher die Bedarfsregelung der 5500 zu versorgenden Personen als verfassungsrechtlich bedenklich dargestellt wurde) mit dem Antrag, den auf Grundlage der durch das Apothekengesetz normierten Bedarfsprüfung ergangenen zweitinstanzlichen Bescheid wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte als verfassungswidrig aufzuheben, abgelehnt (mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg).

Auch hat der VfGH in anderen Fällen Bedarfsprüfungsregelungen als verfassungskonform erachtet. So wurde die Bedarfsprüfung nach dem Binnenschiffahrts-Konzessionsgesetz, die auf eine weitgehende Beschränkung des Motorbootverkehrs auf den österreichischen Seen abzielt, als verfassungskonform beurteilt. Daß die Bedarfsprüfung auch dem Schutz bestehender Betriebe vor neuer Konkurrenz dient, hindert diese Betrachtungsweise nicht (VfSlg. 12009).

Dem einfachen Gesetzgeber ist bei der Entscheidung, welche Ziele er mit seinen Regelungen verfolgt, innerhalb der Schranken der Verfassung ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der Verfassungsgerichtshof hat nicht zu beurteilen, ob die Verfolgung eines bestimmten Zieles etwa aus wirtschaftspolitischen oder sozialpolitischen Gründen zweckmäßig ist. Er kann dem Gesetzgeber nur entgegentreten, wenn dieser Ziele verfolgt, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen sind (VfSlg. 12009).

Verweisen dürfen wir auf das dg.

'Rauchfangkehrer'-Erkenntnis, in dem ausdrücklich ausgesprochen wurde, daß das Ziel, bestimmten Gefahren für Leben und Gesundheit zu begegnen, auch gesetzliche Regelungen zu rechtfertigen vermag, die die Erwerbsfreiheit relativ stark beeinträchtigen. Die öffentliche Inpflichtnahme der Rauchfangkehrer im Interesse des vorbeugenden Brandschutzes und des Umweltschutzes, die auch in einer Betriebspflicht ihren Ausdruck findet, rechtfertigt es, die Erwerbsfreiheit neuer Bewerber im Interesse des Schutzes bestehender Rauchfangkehrerunternehmen und der von ihnen betreuten Objekte einzuschränken. Das bestehende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit der Rauchfangkehrerunternehmen rechtfertigt auch deren Schutz vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Es ist kein übermäßiger Eingriff in die Erwerbsfreiheit, wenn Rauchfangkehrer im Hinblick auf ihre verwaltungspolizeilichen Aufgaben, zu deren ordnungsgemäßen Besorgung ihnen besondere Pflichten (wie z.B. eine Betriebspflicht für den ihnen zugewiesenen Kehrbezirk) übertragen sind, auf der anderen Seite in ihrer wirtschaftlichen Potenz gesichert werden. ... (VfSlg. 12296).

Ein Vergleich der im Rauchfangkehrer-Erkenntnis angeführten Kriterien, welche einen tauglichen und adäquaten Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit zulassen, zeigt unseres Erachtens, daß dem Apothekerstand unter dem Gesichtspunkt einer im öffentlichen Interesse gelegenen klaglosen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung - wie später noch unter VI. ausgeführt wird - im Hinblick auf die eminente Bedeutung des Rechtsgutes 'Gesundheit' noch wesentlich mehr Auflagen erteilt sind als den Rauchfangkehrern und damit auch aus diesem Grund ein umso höheres Interesse an der Aufrechterhaltung eines existenzfähigen und flächendeckend wirkenden Apothekerstandes besteht und die Bedarfsregelung bei Apotheken einen geeigneten und adäquaten verfassungskonformen Eingriff darstellt.

Auch in Verfahren, in denen Bedarfsprüfungssysteme anderer Rechtsbereiche als verfassungswidrig aufgehoben wurden, wird auf das im Gegensatz dazu verfassungskonforme Apothekenerrichtungssystem hingewiesen, wie etwa im Erkenntnis VfSlg. 10932/1986 (Gelegenheitsverkehrsgesetz), wo ausgeführt wird, daß bei der Verleihung einer Apothekenkonzession, bei der das Ziel, die Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern, verlangen kann, auf eine mögliche Existenzgefährdung bestehender Apotheken Bedacht zu nehmen, vor allem deshalb, weil die Annahme gerechtfertigt ist, daß nur wirtschaftlich gesunde und starke Apotheken ein optimales Medikamentenlager halten können...

Die Sondersituation der Apotheken hinsichtlich eines wirtschaftlichen Schutzes bestehender Unternehmen wurde vom VfGH auch mehrmals herausgestrichen (z.B. VfSlg. 11558/1987, 11625/1988). Aufgabe der öffentlichen Apotheke ist es, unmittelbar die Heilmittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

Im übrigen hat auch der VwGH noch im Erkenntnis vom 28. April 1992, 87/09/0002, Verfassungsrechtliches ausgeführt, VfSlg. 11937 zitiert, daß der Gerichtshof (allein) wegen der besonderen Bedeutung der Apotheken für die Volksgesundheit zum Ergebnis gelangt, daß die Verleihung einer Apothekenkonzession vom Vorliegen eines Bedarfes abhängig gemacht werden dürfe (Stelzer,

Das Wesensgehaltargument und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 148, Anm. 168, unter Bezugnahme auf Strejcek, Freiheit der Erwerbsbetätigung, 189, und Puck, Winkler FS, 233).

Die Stellungnahme wird im folgenden darlegen, daß die vom Verfassungsgerichtshof bei der Prüfung der Grundrechtskonformität einer Berufszugangsregelung anzulegenden Kriterien in einer Form, die §10 ApG als verfassungsrechtlich unbedenklich exculpiert, erfüllt sind, und also die Annahme gerechtfertigt ist, daß die Bedarfsprüfung im Sinne des §10 ApG in der Fassung

BGBl. Nr. 362/1990 nicht nur im öffentlichen Interesse einer flächendeckenden und optimalen Arzneimittelversorgung gelegen ist, sondern auch zur Zielerreichung geeignet und tauglich ist, neue Apotheken in erster Linie dorthin zu bringen, wo bisher noch keine bestehen sowie bestehende Apotheken in der Form zu sichern, daß sie ihre gesetzlichen Aufgaben bestmöglich erfüllen können; ebenso, daß die sachliche Rechtfertigung dieser apothekengesetzlichen Regelung vorliegt.

II. Bedarfsprüfung bei Apotheken im öffentlichen Interesse gelegen (zum VwGH-Vorbringen unter 3.2.)

Das Ziel, das klaglose Funktionieren der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu sichern, liegt - ohne daß dies eines weiteren Nachweises bedarf - im öffentlichen Interesse (VfSlg. 10386 u.a.).

Auch der VwGH bezweifelt in seinem Antrag nicht, daß - unter dem Gesichtspunkt der Volksgesundheit - ein besonders wichtiges öffentliches Interesse am klaglosen Funktionieren der Heilmittelversorgung der Bevölkerung besteht. Ziel jeder Regelung der Heilmittelversorgung der Bevölkerung muß es sein, die benötigten Arzneimittel in einwandfreier Beschaffenheit, rasch, überall, jederzeit und zu erschwinglichen Preisen für den Konsumenten verfügbar zu machen (vgl. Puck in FS Wenger, 577, 579).

Klagloses Funktionieren der Heilmittelversorgung bedeutet unseres Erachtens aber nicht nur die Bereithaltung eines entsprechenden Arzneimittelvorrates ('Breite und Tiefe' der Lagerhaltung!), sondern auch den weitgehenden Abbau von Risiken bei der Anwendung von Arzneimitteln - was die Abgabe und Beratung durch den Arzneimittelfachmann Apotheker verlangt.

Zielsetzung des Apothekengesetzes ist eben diese Sicherstellung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Der Gesetzgeber hat in Verfolgung dieses Zieles aus gesundheits- und rechtspolitischen Erwägungen die Arzneimittelversorgung privaten öffentlichen Apotheken - und subsidiär hausapothekenführenden Ärzten - übertragen. Eine öffentliche Apotheke ist dabei einerseits eine der öffentlichen Sanitätspflege dienende Einrichtung, andererseits ein kaufmännisches Unternehmen. Eine Fülle - wie später ausgeführt wird - von Pflichten (z.B. Betriebspflicht, Bereitschaftsdienst, Kontrahierungszwang, Werbeverbot, Betriebsanlage etc.) verlangt entsprechende Voraussetzungen, um die Apotheken in die Lage zu versetzen, diesen Verpflichtungen dauerhaft nachkommen zu können. Nur in ihrem Bestand gesicherte Apotheken sind in der Lage, die Arzneimittelversorgung ordnungsgemäß sicherzustellen, Bereitschaftsdienste in der Nacht und an Wochenenden zu leisten und optimale Arzneimittelversorgung zu garantieren.

Daß beim Betrieb von Apotheken vor allem das öffentliche Interesse an einer raschen und ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln im Vordergrund steht, hat der VfGH auch mit Erkenntnis vom 12. März 1993, V297/91 (= VfSlg. 13328), ausgedrückt. Diesem Zweck dient die Betriebspflicht der Apotheken nicht nur während der eigentlichen Betriebszeiten, sondern auch in dem damit verbundenen System einer auf mehrere in Betracht kommende Apotheken möglichst gleichmäßig aufgeteilten Dienstbereitschaften auch in Zeiten, in denen geschlossen gehalten wird.

Auch die Literatur anerkennt eine apothekenrechtliche Zielsetzung im Sinne einer lebensfähigen, gesunden Apotheke, die vor übertriebenem Existenzkampf und vor hemmungslosem Konkurrenzkampf geschätzt wird (Barfuß, Rechtspolitische Aspekte eines zeitgemäßen Apothekenwesens, österreichische Apotheker-Zeitung 1983, 957): 'Überzeugende Argumente für eine grundsätzliche Änderung dieses Systems gibt es in Österreich meines Erachtens nicht. Die Bedarfsprüfung sollte daher bestehen bleiben'.

In verschiedenen Abhandlungen haben Mayer (Zur Frage der Parteistellung im Apothekenrecht, ZfV. 1985, 372), Schwamberger (Apothekengesetz mit Kommentar, 1991, 109), Schmelz (Öffentliche Apotheke und Hausapotheke - Grundfragen des Apothekenrechts, in:

Schönherr-FS 1986, 390) und andere in der Bedarfsregelung kein verfassungsrechtliches Problem gesehen oder formuliert.

Der Gesetzgeber hat sich in Österreich auch mit der ApG-Nov. 1990 nicht für das System der sogenannten Niederlassungsfreiheit der Apotheker entschieden. Das Regelungsziel, öffentliche Apotheken dort errichten zu können, wo dies insbesondere die Nahversorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln erfordert, ohne dadurch die Schließung bestehender öffentlicher Apotheken, an denen regional gleichfalls weiterhin Bedarf besteht, zu bewirken, dürfte nunmehr realisierbar sein (Feigl, Was bringt die Apothekengesetznovelle 1990?, Österreichische Apotheker-Zeitung 1990, 480).

Die Apothekerkammer ist überzeugt, daß nur die Errichtung von Apotheken, deren Leistungsfähigkeit gegeben erscheint, im öffentlichen Interesse liegt.

Nun bezweifelt der Verwaltungsgerichtshof (u. 3.2.) allerdings, daß das durch die ApG-Nov. 1990 normierte Bedarfsprüfungssystem im öffentlichen Interesse geboten und zur Erreichung des klaglosen Funktionierens der Heilmittelversorgung geeignet ist sowie im Verhältnis zum verfolgten Ziel ein adäquates Mittel darstellt. Es gelingt ihm allerdings nach unserer Auffassung im Antrag nicht, seine Zweifel ausreichend zu begründen bzw. sind seine Ausführungen widerleg- oder relativierbar, wie im folgenden im einzelnen erläutert wird.

III. Die Niederlassung der Ärzte

(zum VwGH-Vorbringen u. 3.2.)

Der VwGH führt (unter 3.2.) aus, daß auch die Berufsausübung der Ärzte nicht durch Maßnahmen des Konkurrenzschutzes beschränkt ist und der VfGH - soweit der Gesetzgeber in Teilbereichen der ärztlichen Berufsausübung einen Konkurrenzschutz normiert hat - dies als Verstoß gegen Art6 StGG angesehen hat. Der VwGH meint, daß keine Grundlage für die Auffassung vorliege, daß der Beruf des selbständigen Apothekers - anders als andere Gesundheitsberufe oder andere unternehmerische Tätigkeiten - unter solchen wirtschaftlichen Gegebenheiten ausgeübt werde, daß die Leistungsfähigkeit der Unternehmen nur durch die Bedarfsprüfung bei der Neuerrichtung sichergestellt werden könne. Er meint, keine hinreichende Grundlage dafür finden zu können, daß die Apotheken ihren öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nur unter dem Schutz des Bedarfsprüfungssystems nachkommen könnten.

Diese Ausführungen des VwGH überzeugen als Begründung für den Antrag des VwGH keineswegs, weil die Sachlage nicht vergleichbar ist, wie schon das Beispiel des Gesundheitsberufes Arzt zu belegen vermag.

Zwar trifft es zu, daß ein Arzt nach dem Ärztegesetz seinen Berufssitz - und seit der Ärztegesetznovelle BGBl. Nr. 100/1994 allenfalls auch einen zweiten Berufssitz - frei wählen darf. Anders als die Apotheker trifft jedoch die Ärzte aufgrund des Ärztegesetzes keine 'Residenzpflicht' (Betriebspflicht). Der Gesetzgeber überläßt es dem Arzt, wann und wie oft er ordiniert. Eine Pflicht des Arztes zur Berufsausübung - ein 'Kontrahierungszwang' - besteht auch nur bei drohender Lebensgefahr eines Menschen (VfSlg. 13184/1992).

Keine ärztegesetzliche Bestimmung schreibt vor, daß freiberuflich tätige Ärzte ein Versorgungsauftrag, die ärztliche Betreuung der Bevölkerung sicherzustellen, trifft.

Niedergelassene Ärzte sind zur Krankenbehandlung nur bei drohender Lebensgefahr verpflichtet (für Kassenärzte nur vertragliche Bindung).

Anders ist die rechtliche Situation der Apotheke. Apotheken haben einen Versorgungsauftrag, die Betriebspflicht und einen Kontrahierungszwang unabhängig von drohender Lebensgefahr.

Der VwGH läßt auch unerwähnt, daß das österreichische Sozialversicherungsrecht eine Steuerung der Ärzteniederlassung im Sinne der Erreichung einer ausgewogenen geographischen Verteilung der Kassenärzte durch die §§338, 342 ASVG vorsieht. Gemäß §342 Abs1 ASVG haben die zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge insbesondere auch die Festsetzung der Zahl und der örtlichen Verteilung der Vertragsärzte mit dem Ziel, daß unter Berücksichtigung der örtlichen und Verkehrsverhältnisse sowie der Bevölkerungsdichte und -struktur eine ausreichende ärztliche Versorgung der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten und deren Angehörigen gesichert ist, zu enthalten.

Die Verteilung der Ärzte soll demnach so ausgewogen sein, daß die Leistungsbereitstellung keine regionale Disproportionalität aufweist (vgl. BR zur 33. ASVG-Novelle). Es soll also die örtliche Verteilung so erfolgen, daß der Versorgungsgrad im Geltungsbereich des Gesamtvertrages soweit wie möglich gleich ist.

Der Arzt ist somit, wenn er seine Tätigkeit auf Grundlage eines Kassenvertrages ausüben möchte - soferne er nicht in eine bereits bestehende Kassenplanstelle 'nachfolgt', in der freien Wahl seines Berufssitzes - aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus sogar sehr wesentlich - eingeschränkt.

Die Bedeutung der Kassenplanstelle hat durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 411, eine zusätzliche Bedeutung deshalb erhalten, weil durch die 53. ASVG-Novelle bei der Inanspruchnahme eines Wahlarztes (= Arzt ohne Kassenvertrag) dem Versicherten nur mehr ein Anspruch auf Kostenerstattung von 80 % des Betrages, der bei Inanspruchnahme eines Vertragsarztes vom Versicherungsträger aufzuwenden gewesen wäre, zusteht.

Anders ist die Situation bei Apotheken. Gemäß §§348 a ff. ASVG sind alle Apothekenkonzessionsinhaber a priori 'Gesamtvertragspartner' und also berechtigt, Arzneimittel für Rechnung der Krankenkassen abzugeben.

Es wäre im Hinblick auf den Versorgungsauftrag der Sozialversicherungsgesetze wenig gewonnen, die Niederlassungsregelung des Apothekengesetzes zu streichen, jedoch als Ersatz entsprechende sozialversicherungsrechtliche Normen zu schaffen, die sicherstellen, daß einerseits entsprechend dem Bedarf der Versicherten flächendeckend Apothekenplanstellen zur Verfügung stehen bzw. andererseits in Ballungszentren mit zu vielen Apotheken - im Hinblick auf die begrenzten Budgetmittel der Krankenkassen (eine große Vermehrung der Apothekenanzahl führt zu überproportionalen Arzneimittelkosten - vgl. u. VII.) - vorsorgen, daß nicht alle Apotheken Kassenverträge erhalten. Es wäre einem neu niedergelassenen Apotheker in Konsequenz aber wenig gedient, Arzneimittel nicht für Rechnung der Sozialversicherungsträger abgeben zu dürfen; schon gar nicht wäre es im Interesse der Versicherten gelegen, zwischen Kassenapotheken und Nicht-Kassenapotheken unterscheiden zu müssen.

Die Entscheidung zur Bedarfsprüfung im Krankenanstaltenbereich (VfSlg. 13023/1992), die die Verfassungswidrigkeit der Bedarfsregelung im Krankenanstaltengesetz für private erwerbswirtschaftlich geführte Krankenanstalten untereinander ausgesprochen hat, nicht aber im Verhältnis zu den gemeinnützigen Einrichtungen, die die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherstellen, hilft dem VwGH argumentativ in seinem nunmehrigen Antrag nicht weiter. Das KAG unterscheidet öffentliche und private Krankenanstalten, wobei die öffentlichen Krankenanstalten stärker reglementiert sind, um die Grundversorgung sicherzustellen. Hingegen obliegt die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gänzlich (inklusive 'Grundversorgung') privaten öffentlichen Apotheken und subsidiär hausapothekenführenden Ärzten (Anstaltsapotheken dienen gemäß §36 Apothekengesetz nur für die Arzneimittelversorgung der in Pflege der Krankenanstalt befindlichen oder allenfalls in der Krankenanstalt wohnenden Personen).

Es ist somit augenfällig, daß die Sachlage bei Apotheken anders als bei Ärzten ist und sohin diese Argumentation des VwGH nicht zu greifen vermag.

IV. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes 1958 und seine Prognosen

(zum VwGH-Vorbringen u. 3.2.1.)

Der VwGH führt (unter 3.2.1.) zur Erhärtung seines Standpunktes das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichtes vom 11. Juni 1958, welches als das Apothekenurteil des BVerfG in die Rechtslehre eingegangen ist, an.

Der VwGH führt aus, daß

  • das BVerfG auf Grundlage empirischer Untersuchungen der Heilmittelversorgung in mehreren europäischen Ländern, in denen das System der Niederlassungsfreiheit der Pharmazeuten besteht, zur Auffassung gelangte, die vom Gesetzgeber bei Niederlassungsfreiheit,

    der Apotheker befürchteten Gefahren hätten

    nicht so wahrscheinlich gemacht werden können, daß

    darauf die schärfste Niederlassungsbeschränkung

    gestützt werden könne;

  • es nicht zu erwarten sei, daß die Niederlassungsfreiheit zu 'einer schrankenlosen Vermehrung der Zahl der Apotheken, die in ihrer Auswirkung eine Verschlechterung

    der Arzneimittelversorgung bedeuten würde',

    führen könnte;

  • dort, wo es nach Einführung der Niederlassungsfreiheit zu einer großen Zahl von Neuerrichtungen gekommen sei, wirtschaftliche Fehlgründungen kaum festzustellen gewesen seien. Es sei - u.a. im Hinblick auf den hohen Investitionsbedarf - weiterhin unwahrscheinlich, daß die Gründungsfreudigkeit der Apotheker sich über alle wirtschaftliche Vorsicht und Vernunft hinwegsetzen werde; 'Wirtschaftsblindheit' könne beim Apothekerstand nicht unterstellt werden. Die Apotheker hätten

    die Fähigkeit, die Chance einer Geschäftsgründung zu beurteilen;

  • es schließlich nicht ersichtlich sei, daß die

    maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse und Rahmenbedingungen, von denen das Bundesverfassungsgericht ausging, von jenen in Österreich grundlegend

    verschieden wären.

Diese, im wesentlichen aus dem deutschen Apothekenerkenntnis abgeleiteten Ausführungen vermögen aber die Anträge des VwGH nicht zu begründen, weil

  1. die deutsche (und Schweizer) Situation nur der 50er Jahre und nicht der Status quo beschrieben wird, indem zwar die Prognosen des BVerfG des Jahres 1958 wiedergegeben werden, jedoch der VwGH keinerlei

    Reflexionen darüber anstellt, ob sich die Prognosen ex post als zutreffend herausgestellt haben oder nicht,

  1. auch sich die maßgeblichen tatsächlichen österreichischen Verhältnisse von den deutschen unterscheiden.

Zunächst wird darauf hingewiesen, daß das deutsche Urteil 1958 nicht zwangsläufig in dem Sinne war, daß nicht bei anderslautenden Beurteilungen und Prognosen der wahrscheinlichen Auswirkungen einer zukünftigen Niederlassungsfreiheit auch eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre.

Das BVerfG widmet 1958 in der Urteilsbegründung mehrere Seiten der Begründung der Prognose, daß es unwahrscheinlich sei, daß es zu einer 'schrankenlosen Vermehrung der Apotheken' komme. Heute steht jedoch fest, daß die Niederlassungsfreiheit tatsächlich eine gewaltige Gründungswelle ausgelöst hat, die bis heute weiter dauert, wobei sich teilweise die Gründungsinitiative auch verschoben hat und zum Teil auf Kräfte übergegangen ist, die in der Apotheke ein Unternehmen mit Gewinnchancen und nicht eine Einrichtung des Gesundheitswesens sehen, das eine öffentliche Aufgabe wahrzunehmen hat. Das BVerfG hat sich somit in diesem Punkt getäuscht (Schiedermair/Pieck, Apothekengesetz, erschienen 1981).

Diese Einschätzung belegt eine Aufstellung der Entwicklung der Apothekenanzahl in den Tabellen 1 und 2:

Es bestanden 1958 - im Jahr der vorgenannten BVerfG-Entscheidung - in Deutschland inklusive Westberlin 7744 öffentliche Apotheken. Ende 1995 betrug die Apothekenanzahl in den alten Bundesländern (die Apotheken der neuen Bundesländer sind in der Zahl nicht berücksichtigt) 18232.

Die Entwicklung der Apothekenanzahl seit 1958 ist aus der Tabelle ersichtlich, wobei für die Anzahl des Jahres 1958 als Index die Zahl 100 eingesetzt wurde.

Tabelle 1

(BRD)

     Jahr         Zeitraum             Anzahl           Index

             (nach ... Jahren)

     1958            0                  7744             100

     1963            5                  9645             125

     1968           10                 10691             138

     1973           15                 12525             162

     1978           20                 14929             193

     1983           25                 16704             216

     1988           30                 17742             229

     1993           35                 18193             235

Dem steht aber nur eine Bevölkerungszunahme von 54,4 Mio

(1958) auf 65,5 Mio (1993) Einwohner gegenüber (d.i. 1958 = Index

100; 1993 = Index 120 !).

Ähnlich ist das Bild im Teilausschnitt Bayern, dem

Nachbarbundesland, dessen apothekenrechtliche Regelung Anlaßfall

des Apothekenerkenntnisses 1958 war.

Tabelle 2

(Bayern)

     Jahr         Zeitraum             Anzahl           Index

             (nach ... Jahren)

     1958            0                  1352             100

     1963            5                  1646             122

     1968           10                  1843             136

     1973           15                  2177             161

     1978           20                  2641             195

     1983           25                  2964             219

     1988           30                  3230             239

     1993           35                  3351             248

Es konstatiert auch Pieck (aaO, 116) als Auswirkung der Niederlassungsfreiheit das Problem, daß neue Apotheken in erster Linie nach der Interessenlage des Apothekers errichtet wurden und werden, weil für den Neugründer keinerlei Verpflichtung besteht, bei seiner Entscheidung auch die öffentlichen Interessen und dabei insbesondere das Interesse der Bevölkerung an einer gleichmäßigen Apotheken-Verteilung zu berücksichtigen. So hat die Niederlassungsfreiheit eine Ballung von Apotheken in den Zentren der Großstädte, ferner in Städten mit reichem Kulturleben und nicht zuletzt auch in landschaftlich reizvollen Orten ergeben. In 'armen Gebieten' wäre es jedoch kaum zu Neugründungen gekommen.

Pieck beschreibt vor allem das Phänomen, daß sich für Apothekeninhaber in nicht lukrativen Standorten bei Ausscheiden aus dem Erwerbsleben wegen hohen Alters, Ablebens etc. kaum ein Nachfolger finden ließe. Das Motiv für die Fortsetzung ihrer beruflichen Tätigkeit über die normale Altersgrenze hinaus ist häufig auch die Unmöglichkeit, einen Pächter oder Übernehmer zu finden.

Pieck beschreibt weiters ein Phänomen, daß Unternehmer aufgetreten sind, die nach dem Managervorbild neue Apotheken betriebsfertig erstellen und Apotheker suchen, die eine aus solcher Initiative entstandene Apotheke übernehmen und die Erlaubnis beantragen. Solche Gründungen sind nicht als Einrichtungen des Gesundheitswesens konzipiert, sondern beruhen in aller Regel auf wirtschaftlichen Berechnungen, Rentabilitäts- und Wettbewerbsdenken und tragen daher zur Verbesserung der Arzneimittelversorgung nichts bei (aaO, 119).

Pieck sieht in der Niederlassungsfreiheit starke Nachteile, wie etwa die Gründung zu vieler Apotheken oder das Anwachsen von Fremdeinflüssen auf die Errichtung und den Betrieb von Apotheken.

Die Anzahl der Apothekenstillegungen in der BRD belegt zusätzlich die Problematik einer ungeregelten schrankenlosen Niederlassung. Von 1960 bis 1995 kam es in Deutschland zu 2008 Apothekenschließungen (seit 1991 sind die Schließungen in den neuen Bundesländern inkludiert). In den letzten Jahren ist die jährliche Anzahl der Apothekenstillegungen jeweils über 150 gelegen.

Insbesondere ist aber auch die vom VwGH vermutete Fähigkeit der Apotheker, die Chancen einer Geschäftsbegründung ausreichend betriebswirtschaftlich zu beurteilen, statistisch widerlegbar.

Zahlen der Deutschen Bundesapothekerkammer belegen, daß ein großer Anteil der deutschen Apotheken - 40 % - betriebswirtschaftlich unter Berücksichtigung kalkulatorischer Ansätze 'rote Zahlen' schreibt (PZ 1996).

Dieser Prozentsatz hat die Ursache allerdings nicht nur in der wirtschaftlichen Fehleinschätzung. Die Niederlassungsfreiheit in der BRD garantiert keine ausreichende Anzahl von Beschäftigungsmöglichkeiten für angestellte Apotheker, sodaß manchen von ihnen nur der Weg in die an sich sonst nicht angestrebte Selbständigkeit übrigblieb bzw. bleibt. Sie 'kaufen' sich ihren Arbeitsplatz durch die Eröffnung der eigenen Apotheke, und zwar auch dann, wenn der Ertrag der neuen Apotheke das tarifliche Mindesteinkommen als angestellter Apotheker nicht erreicht.

Die Zahl der 'Einmann'-Apotheken, welche ohne weiteres pharmazeutisches Personal (außer dem 'Erlaubnis'-Inhaber) betrieben werden, ist sehr hoch.

Weitere Nachteile dieser Entwicklung werden noch beschrieben (insbesondere unter VII.).

Das österreichische Apothekenneuerrichtungssystem hat diese Nachteile vermieden (vgl. später unter VIII.). Wir können auch von anderen Verhältnissen als in Deutschland sprechen; es wäre im übrigen die österreichische Ausgangssituation des Jahres 1997 für eine ungeregelte Niederlassung eher noch schlechter als die deutsche des Jahres 1958:

Die Anzahl potentieller Niederlassungswerber ist hierorts höher. Ein (österreichisches) Wirtschaftswunder oder die deutsche Aufbruchsstimmung des Jahres 1958 ist nicht in Sicht. Die Ertragslage der österreichischen Apotheke ist 1997 schon derart, daß Einbußen auf Grund von Systemänderungen mit Leistungsreduktionen und Apothekerfreisetzungen teilkompensiert werden würden.

Das deutsche Apothekenrecht kannte 1958 und früher ärztliche Abgabestellen für Arzneimittel im Gegensatz zu Österreich - nur in manchen Bundesländern. Seit 1978 dürfen jedoch in Deutschland ärztliche Abgabestellen nicht mehr errichtet werden und laufen vorher bewilligte Berechtigungen der Ärzte nur bis zu ihrer Praxisaufgabe, erlöschen also zu diesem Zeitpunkt. In Deutschland existiert somit kein ärztliches Dispensierrecht mehr. In Österreich 1997 ist nicht ausschließbar, daß die ärztlichen Hausapotheken nicht doch auf politischen Weg (vgl. u.B.) auch im Falle der freien Apothekenniederlassung zumindest in Teilbereichen (durch Änderung des §29 Abs4 ApG) perpetuiert werden. Dies hätte die Konsequenz, daß Apothekenniederlassungen in der Folge ausschließlich im städtischen Bereich erfolgten, weil im ländlichen Bereich allenfalls nicht weichende hausapothekenführende Ärzte eine Niederlassung einer Apotheke wirtschaftlich ausschließen würden.

V. Die EG-rechtliche Unbedenklichkeit der Bedarfsprüfung (Exkurs zu VwGH-Vorbringen u. 3.2.1.)

Das geltende EG-Recht läßt eine gesetzliche Steuerung der Niederlassung von Apotheken mit dem Ziel einer territorial ausgewogenen Arzneimittelversorgung zu. Das Recht der Europäischen Union beläßt die Regelung der Apothekenniederlassung in der Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten. Die Erwägungsgründe der Richtlinie 85/432/EWG führen ausdrücklich aus, daß diese Richtlinie nicht die Koordinierung aller Bedingungen für die Aufnahme der Ausübung der Tätigkeit des Apothekers fordert. Insbesondere die geographische Verteilung der Apotheken und das Abgabemonopol für Arzneimittel fallen weiterhin in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (vgl. insbesondere Puck, in Winkler-FS, 216 ff; Steindl, Die 'Apotheker'-Richtlinien der EG, Österreichische Apotheker-Zeitung 1992, 1 ff u.a.).

Für den Apothekerberuf 'reduziert' sich die 'Niederlassungsfreiheit' über die Anerkennungsrichtlinie auf die Übernahmefreiheit schon bestehender Apotheken und auf die gegenseitige Anerkennung der Diplome der Mitgliedstaaten, die die Mindesterfordernisse der Ausbildung der Richtlinie erfüllen. Eine Verpflichtung, europaweit auf die freie Niederlassung, wie sie in der BRD seit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes besteht, umzuschwenken, läßt sich aus dem Europäischen Gemeinschaftsrecht nicht herleiten (Ress, Niederlassungsfreiheit und nationale Konzessionssysteme - dargestellt am Beispiel der grenzüberschreitenden Apothekerzulassung; Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europa-Institut der Universität des Saarlandes/Nr. 203).

Die Darstellung des VwGH in seinem Antrag (unter 3.2.1.) könnte den - unzutreffenden - Eindruck erwecken, eine geregelte Apothekenneuerrichtung wäre in Europa die Ausnahme, die ungeregelte Niederlassung, also die Niederlassungsfreiheit wäre die Regel.

Vielmehr überwiegen aber die Mitgliedstaaten mit Niederlassungssystemen, die bestimmte geographische oder demographische Kriterien für die Apothekenneuerrichtung vorschreiben.

Die Niederlassungsfreiheit ist idealtypisch eigentlich nur in Deutschland verwirklicht, sonst mit faktischen Zugangsrestriktionen 'verwässert' wie in Großbritannien (es erhält nicht jede Apotheke einen Vertrag mit dem National Health Service, sondern nur dann, wenn die neue Apotheke erforderlich ist), Irland, ebenso de jure, aber nicht faktisch in den Niederlanden.

Alle anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union knüpfen an die Niederlassung (Neuerrichtung von Apotheken) das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen geographischer Art (das heißt, es werden Mindestentfernungen zu den nächstgelegenen Apotheken normiert) und/oder demographischer Art (es ist vorgeschrieben, daß eine bestimmte Anzahl an Personen zu versorgen ist, oder eine bestimmte Bevölkerungsanzahl verlangt) wie z.B. Belgien, Dänemark, Frankreich, Finnland, Italien, Portugal, Spanien u.a.

Dabei ist interessant, daß z.B. in Belgien seit 1818 unbeschränkte Niederlassungsfreiheit für Apotheken galt, jedoch 1970 eine Niederlassungsbeschränkung eingeführt wurde. In Frankreich wurde die seit 1803 bestehende Niederlassungsfreiheit im Jahr 1941 durch die geregelte Apothekenniederlassung ersetzt. In Italien war vorübergehend um die Jahrhundertwende einige Zeit freie Apothekenniederlassung. Nunmehr besteht eine geregelte und beschränkte Apothekenniederlassung, die einen Mindestabstand und Einwohnerrichtzahlen für die Neuerrichtung verlangt.

Auch die Niederlande haben eine Reihe von prohibitiven Maßnahmen eingeführt, die das Ziel verfolgen, die rechtlich an sich freie Neugründung zu begrenzen, insbesondere auch das Erfordernis einer besonderen Zulassung zur Arzneimittelabgabe für Versicherte der öffentlichen Krankenkassen.

...

Aus offenbar überall ähnlichen Überlegungen überwiegen somit in den Mitgliedstaaten der EU Systeme bedarfsgerechter Apothekenniederlassung. Ein politischer Wille der Europäischen Kommission, den Standard des Liberalisierungsniveaus bei Apotheken auszuweiten oder auf ein einheitliches europäisches Niederlassungsrecht für Apotheker hinzuwirken, ist nicht erkennbar.

In diesem Zusammenhang ist auch von Interesse, wie die europäischen Apotheker bzw. ihre Interessenvertretungen in der EU die Niederlassung sehen. Diesbezüglich ist die Feststellung in der 'Charta der europäischen Pharmazie' - das sind die Prinzipien, die der 'Zusammenschluß der Apotheker der Mitgliedstaaten der EU' beschlossen hat - enthalten, daß 'zum Schutz der öffentlichen Gesundheit ein rationelles Netz an Apotheken nach geographischen und demographischen Gesichtspunkten aufgebaut werden muß' (vgl. Steindl, Internationale Vereinigungen, Österreichische Apotheker-Zeitung 1990, 965).

VI. Die Apotheke - kein 'normaler' Gewerbebetrieb

Die Apotheke ist nicht irgendein Wirtschaftsbetrieb mit primärer 'Gewinnmaximierung', sie ist kein 'normaler' Gewerbebetrieb. Dies drückt auch schon der Motivenbericht zum Apothekengesetz 1906 aus, wenn der doppelte Charakter der Apotheke als einer für das öffentliche Sanitätswesen wichtigen Anstalt einerseits und einer kaufmännischen Unternehmung andererseits Erwähnung findet.

Eine Apotheke ist nach dem Motivenbericht einerseits eine Anstalt, welche den sanitären Interessen der Allgemeinheit zu dienen bestimmt ist, der Apotheker daher ein Organ der öffentlichen Sanitätspflege. Andererseits kann aber nicht verkannt werden, daß eine Apotheke als ein kommerzielles Unternehmen anzusehen ist ... (Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses VII. Session 1903).

Die Apotheke ist ein privates kaufmännisches Unternehmen mit öffentlicher Versorgungsaufgabe (Puck, Die Prüfung des Bedarfes bei öffentlichen Apotheken, FS Winkler, 216).

Es geht der Gesetzgeber von der Erkenntnis aus, daß das

Arzneimittel keine gewöhnliche Ware, sondern eines der

wichtigsten Hilfsmittel der ärztlichen Kunst ist ... Die

Gestaltung des Apothekenwesens geht ... mit Recht von der

Besonderheit des Arzneimittels aus, die den Beruf des Apothekers

charakteristisch prägt ... (BVerfGE 17, 232).

Im Hinblick auf die Besonderheit der Ware Arzneimittel können unseres Erachtens auch die Regeln des freien uneingeschränkten Marktes und Wettbewerbes auf Apotheken aus gesundheitspolitischen Gründen nicht angewendet werden. Unternehmerische Zielsetzung des Apothekers darf es schließlich nicht sein, möglichst viele Arzneimittel umzusetzen oder durch Einsatz von Marketingmaßnahmen und Werbung den Arzneimittelkonsum zu steigern.

Die Besonderheit des Arzneimittels prägt sowohl die Bestimmungen des Arzneimittelrechtes über den Apothekenvorbehalt wie den Apothekerberuf und die Apotheke.

In der Deregulierung und Liberalisierung, im Vertrauen auf die Marktmechanismen des freien Wettbewerbes, ist nicht überall das Allheilmittel zu finden. Gesundheit ist ein solches Allgemeingut, das nicht dem freien Spiel der Kräfte des Marktes und des Wettbewerbes überlassen werden darf. Liberalisierung ist in den Gesundheitsberufen nicht brauchbar. Es wäre verfehlt, im Gesundheitswesen der völligen Marktfreiheit das Wort zu reden.

Der Apothekerberuf ist zu den freien Berufen zu zählen und ein qualifizierter Beruf des Gesundheitswesens. Es sind ihm wichtige Aufgaben im Interesse der Volksgesundheit aufgetragen, hinter denen das Streben nach Gewinn, wie es sonst der gewerblichen Wirtschaft eigen ist, zurücktritt. Diese öffentliche Funktion im Interesse der Volksgesundheit muß auch in Zukunft bestehen bleiben und rechtlich gesichert sein. Schließlich umfaßt die Apothekerleistung gar nicht selten auch Tätigkeiten, die keine Honorierung durch den Patienten oder Versicherten erfahren. Dies beginnt etwa bei der Beratung in Gesundheitsfragen und reicht bis zur Leistung der Bereitschaftsdienste auch außerhalb der normalen Geschäftszeiten, wobei die Kosten der Bereitschaftsdienste von den Apotheken getragen werden.

Der Betrieb von Apotheken ist durch viele Vorschriften geregelt, die der klaglosen Versorgung der Bevölkerung rund um die Uhr dienen und die entsprechende Arzneimittelsicherheit gewährleisten. Eine derartige Regelungsdichte ist bei wohl keinem anderen Beruf gegeben.

  • Es besteht Betriebspflicht. Der Betrieb einer öffentlichen

Apotheke ist gemäß §13 Apothekengesetz ununterbrochen aufrecht zu erhalten.

  • Für die Errichtung der Betriebsanlagen öffentlicher

Apotheken bestehen durch die Apothekenbetriebsordnung kostenaufwendige und detaillierte, von Umsatz und Ertrag unabhängige Ausführungsbestimmungen sowohl hinsichtlich der Größe als auch der Ausgestaltung der Räumlichkeiten und der Ausstattung. Dabei sind erhebliche Flächenausmaße für an sich betriebswirtschaftlich unproduktive Flächen wie Labors verpflichtend, welche in gewerblichen Handelsbetrieben nicht anfallen. In der Praxis haben Apotheken eine Fläche von 200 m2, von der nur rund 1/4 für den Kundenverkehr genutzt werden kann, was u.a. beim Mietaufwand eine Rolle spielt. §6 Abs1 ApG weist im übrigen auf die Bedeutung des klaglosen Betriebes einer Apotheke für die Sanitätspflege ausdrücklich hin. Dementsprechend sind die Anforderungen einer Apotheke.

  • Der Gesetzgeber des Arzneimittelwesens hat in Verfolgung

des Zieles, daß nur einwandfreie Arzneimittel sicher und zweckmäßig in Verkehr gebracht werden, insbesondere durch das Arzneimittelgesetz entsprechende Vorschriften über die Entwicklung und Herstellung sowie die Beschaffenheit von Arzneimitteln etc. geschaffen. Das Arzneimittelsicherheitsrecht verlangt für Arzneispezialitäten vorab Zulassungsverfahren, aber auch die 'Nachmarktkontrolle'. Arzneispezialitäten (mit Ausnahme der im zentralen Verfahren EU-weit zugelassenen) müssen vom Gesundheitsministerium mit Bescheid zugelassen werden.

  • Sämtliche Produktions- und Distributionsstufen des Arzneimittels unterliegen der behördlichen Preisregelung, in dem sowohl der Fabriksabgabepreis oder Importpreis als auch die Spannen des Großhandels und der Apothekenpreis geregelt sind. Der Apotheker hat daher weitgehend nicht die Möglichkeit zur Preiskalkulation. Umsatzverluste aufgrund von Neugründungen könnten daher Kompensierungsversuche über einen Mehrverkauf an Arzneimitteln nach sich ziehen.

  • Der Anteil jener Arzneimittel, die nur über ärztliche

Verschreibung abgegeben werden dürfen, ist in Österreich sehr hoch, die geltenden österreichischen Rezept-Pflichtvorschriften sind im internationalen Vergleich recht streng. Mehr als 85 % der in Österreich in Verkehr befindlichen Arzneimittel dürfen nur aufgrund ärztlicher Verschreibung und nur durch eine pharmazeutische Fachkraft (Apotheker) abgegeben werden.

Weniger streng ist vergleichsweise die Rezeptpflicht in Deutschland. Dies führt in Verbindung mit der Niederlassungsfreiheit der Apotheken und der dadurch bewirkten höheren Apothekenanzahl sowie des in der Folge bestehenden Arzneimittelverkaufsdrucks zu einer von der pharmazeutischen Industrie im Ergebnis vermutlich nicht ungern gesehenen Entwicklung (mehr Outlets = mehr Abgabemöglichkeiten = höherer Arzneimittelumsatz), nämlich zu einem erheblich höheren Arzneimittelverbrauch in der BRD (vgl. dazu unter VII.).

  • Gemäß §25 Apothekenbetriebsordnung besteht expressis

verbis ein 'Kontrahierungszwang' für die Abgabe von Arzneimitteln, die ärztlich verschrieben worden sind. Hier darf nicht unerwähnt bleiben, daß die Anfertigung magistraler Zubereitungen (Einzelanfertigung aufgrund einer ärztlichen Verschreibung) selten und die Abgabe bestimmter verschriebener Arzneimittel dabei nicht immer betriebswirtschaftlich kostendeckend ist. Unter zunehmendem Kostendruck, welcher durch eine allfällige Niederlassungsfreiheit bei Apotheken dramatisch verschärft würde, wären in diesem Bereich für die Volksgesundheit absolut unerwünschte Ergebnisse zu erwarten, indem derartige Verschreibungen kaum mehr zu bedienen wären.

Im übrigen wird man aufgrund der gesetzlichen Bestimmung und Berufung der Apotheken zur Arzneimittelversorgung den apothekerlichen Kontrahierungszwang auch auf nicht verschreibungspflichtige (rezeptfreie) Arzneimittel ausdehnen müssen. Substrat für eine solche Feststellung bieten hier die §§1, 8, 13 Apg, §59 AMG, §§5, 22, 35 und 31 Apothekenbetriebsordnung; insbesondere aber analog heranziehbare Leitsätze höchstgerichtlicher Judikatur zum Kontrahierungszwang (vgl. auch Feigl, Das Apothekenunternehmen, 68).

Hervorzuheben ist die besondere Kundensituation. Das Arzneimittel zur Bekämpfung der Krankheit und im Extremfall zur Lebensrettung muß möglichst rasch verfügbar sein. Nur Rahmenbedingungen, die eine entsprechend breite und tiefe Arzneimittellagerhaltung wirtschaftlich ermöglichen, sichern die rasche Verfügbarkeit.

Zunehmend wird auch die Selbstmedikation wichtig, die einer besonderen Beratung durch den Arzneimittelfachmann Apotheker bedarf.

  • Das Arzneimittelgesetz sieht in den §§50 bis 56

Werbeverbote und Werbebeschränkungen für Arzneimittel vor. Die 'Berufssitte' der Apotheker (abgedruckt in Thor, Gesetze und Vorschriften für den österreichischen Apotheker, Abt. V/H) beschränkt zusätzlich die Werbemöglichkeiten für Apotheken. Dies mit Recht, da es sich bei Arzneimitteln um Waren besonderer Art handelt. Gesundheitspolitische Zielsetzung kann es nicht sein, den Umsatz von Arzneimitteln bzw. die in Verkehr zu bringende Menge von Arzneimitteln mit den in anderen Gewerben üblichen Werbemethoden über die rationale und zweckmäßige Versorgung hinaus zu erhöhen. Außerdem wird ein Großteil der Arzneimittel in Apotheken für Rechnung der Krankenkassen abgegeben.

Aufgrund dieser - und noch anderer - Vorschriften und Verpflichtungen erwachsen dem Inhaber einer Apotheke nicht nur bei der Errichtung, sondern vor allem auch für den laufenden Betrieb enorme Aufwendungen, welche über den eines normalen Gewerbebetriebes weit hinausgehen, zumal auch ein erheblicher Teil der Arbeitnehmer einer öffentlichen Apotheke im Interesse der Volksgesundheit aus akademischem Fachpersonal ( = Apotheker) bestehen muß (§2 der Pharmazeutischen Fachkräfteverordung BGBl. Nr. 40/1930 idgF BGBl. Nr. 221/1971). Im Vergleich zu anderen Branchen bzw. Gewerbebetrieben ist die Qualifikation somit sehr hoch, bedingt durch die dem Apothekerberuf vorangegangene Ausbildung, der Kompetenz, Verantwortung und Bedeutung der Dienstleistung entsprechend.

Im übrigen ist beabsichtigt, in der gemäß §62 a Arzneimittelgesetz (id.F. BGBl. Nr. 107/1994) zu erlassenden neuen Apothekenbetriebsordnung ausdrücklich zu normieren, daß in der Apotheke zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Arzneimittelabgabe und anderer pharmazeutischer Tätigkeiten, die den Apothekern vorbehalten sind, pharmazeutisches Fachpersonal (= Apotheker) im ausreichenden Ausmaß beschäftigt werden muß.

Die öffentlichen Aufgaben der Apotheke bzw. ihr Sonderstatus als Einrichtung der Sanitätspflege wurden bereits angesprochen. Diese werden auch immer wieder in der Beteiligung der Apotheken an besonderen gesundheitspolitischen Maßnahmen, wie etwa bei Impfprogrammen, der Substitutionsbehandlung von I.V.-Drogenabhängigen ('Methadonprogramm') - nur die tägliche Einnahme des Substitutionsmittel durch den Patienten in der Apotheke unter der Aufsicht des Apothekers garantiert einen Mißbrauchsausschluß (eine aufwendige, nicht adäquat honorierte, aber wichtige Aufgabe) - oder der Prophylaxe-Aktion nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl sichtbar.

Auch unter dem Aspekt der Katastrophen- und Krisenvorsorge ist dabei die Fähigkeit der Apotheker, Arzneimittel dezentral herstellen zu können, nicht zu vernachlässigen. Diese Fähigkeit wird, wenn auch im wesentlichen die pharmazeutische Industrie die Herstellung der Arzneispezialitäten übernommen hat, in der Apotheke weiterhin geübt etwa durch Herstellung apothekeneigener Arzneispezialitäten oder durch magistrale Zubereitungen 'nach Maß' sowie die Herstellung von Arzneimitteln nach den Arzneibüchern.

Dem Inhaber einer öffentlichen Apotheke werden im

öffentlichen Interesse äußerst detaillierte, bis ins kleinste Detail reichende gesetzliche Gebote und Verbote, die an sich eine gravierende, aber im Sinne der Zielsetzung des Apotheken- und Arzneimittelwesens verfassungsrechtlich gerechtfertigte Einschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit bedeuten, auferlegt, was auch im Vergleich zu normalen Gewerbebetrieben mit überdurchschnittlich höheren Kosten verbunden ist, welche erst einmal erwirtschaftet werden müssen. Da die Preise der Arzneimittel gesetzlich geregelte Höchstpreise sind, können diese Kosten auch nicht im Rahmen von betriebswirtschaftlich gerechtfertigten Kalkulationen auf den Verbraucher überwälzt werden.

Der Anwendung rein betriebswirtschaftlich gebotener Rationalisierungsmöglichkeiten ist - anders als in anderen Betriebsbereichen - aus gesundheitspolitischer Hinsicht eine Grenze gesetzt, die im Interesse der sicheren und optimalen Arzneimittelversorgung nicht zu überschreiten ist. Wegen der im gesundheitspolitischen Interesse erforderlichen Vielzahl der Betriebsvorschriften ist es Apothekern unmöglich, den Betrieb allein nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen. Es muß dem Apotheker möglich sein, den Patienten aus der Sicht des Rechtsgutes 'Gesundheit' zu beraten, auf rationellen Arzneimittelverbrauch hinzuwirken; dem Patienten auch das billigere Arzneimittel anzuraten, wenn es das im konkreten Fall besser geeignetere ist; den Patienten, ohne Arzneimittel zu verkaufen, an den Arzt zu verweisen; kurzum ohne ein unmittelbares Entgelt dafür zu erhalten, Leistungen im Interesse der Volksgesundheit zu erbringen. Wir gehen aber davon aus, daß eine derart verantwortliche Berufsausübung in einem anderen System, das dem selbständigen Apotheker den täglichen wirtschaftlichen Überlebenskampf weitgehend aufzwingt, schwer möglich wäre. Es ist in diesem Zusammenhang durchaus legitim, auch darauf hinzuweisen, daß Länder mit freier Niederlassung von Apotheken belegbar einen wesentlich höheren Arzneimittelverbrauch haben (vgl. unter VII.).

Es muß daher unseres Erachtens dem Gesetzgeber zur Erreichung des von ihm primär angestrebten Zieles, nämlich der Sicherung der flächendeckenden und umfassenden Arzneimittelversorgung der Bevölkerung, umgekehrt auch zugebilligt werden, ihnen einen - im Laufe der Zeit insbesondere durch die Apothekengesetznovelle 1990 nunmehr streng objektivierbaren - Existenzschutz zu gewähren. Die Bestimmung des §10 Abs2 Z2 und 3 ist in diesem Zusammenhang als geeignetes und adäquates Mittel zur Erhaltung bestehender öffentlicher Apotheken im Interesse der Arzneimittelversorgung.

Die Sicherung der Existenzfähigkeit öffentlicher Apotheken quasi als Gegenleistung für die von ihnen zu leistenden Aufgaben wurde vom Verfassungsgerichtshof (insbesondere VfSlg. 8765 und 10386) als verfassungskonform beurteilt.

Die im Rauchfangkehrererkenntnis (VfSlg. 12296) herausgearbeiteten Kriterien sind auch bei Apotheken gegeben. Dem Apothekerstand sind im Interesse einer klaglosen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung noch wesentlich mehr Auflagen als den Rauchfangkehrern erteilt, womit nach hierortiger Auffassung auch eine sachliche Rechtfertigung der Bedarfsprüfung im Hinblick auf Art6 StGG gegeben ist.

Sowohl selbständige als auch angestellte Apotheker sind daher angesichts der Pflichtenfülle absolut legitimiert, gesicherte wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen für ihre fachlichen Versorgungsleistungen zu behalten.

VII. Folgen einer Niederlassungsfreiheit

(zum VwGH-Vorbringen u. 3.2.3. und zum Antrag allgemein)

Der VwGH meint (u. 3.2.3.), daß das öffentliche Interesse an einer klaglosen Heilmittelversorgung der Bevölkerung es nicht gebietet, die Apothekenneugründung vom Bestehen eines Bedarfes abhängig zu machen. Aufgrund der großen Anzahl von Apothekern, die über die persönlichen Voraussetzungen zur selbständigen Berufsausübung verfügen und eine Unternehmensgründung anstreben, wäre die Bedarfsprüfung nicht notwendig, um Apotheker von der Niederlassung in Ballungsräumen abzuhalten und 'auf das Land zu zwingen'.

Dazu ist klarzustellen, daß eine Eliminierung einer Regelung einer bedarfsgerechten Apothekenniederlassung - also die vom VwGH gewollte Niederlassungsfreiheit - bedeutet, daß die Gesundheitsbehörden keinerlei gesetzliche Handhabe haben, um die gleichmäßige Verteilung der Apotheken sicherstellen zu können. Die Behörden oder die Apothekerkammer können auf den Ort der Niederlassung eines Apothekers keinen Einfluß nehmen.

Die Erfahrungen in Deutschland lassen davon ausgehen, daß die Anzahl der Neugründungen im Falle der Niederlassungsfreiheit auch in Österreich sehr hoch sein würde. In den derzeit 1034 öffentlichen Apotheken sind ca. 2700 Apothekerinnen und Apotheker im Rahmen eines Dienstverhältnisses tätig. Davon haben derzeit geschätzt mehr als 1500 bereits die persönliche Eignung - die Leistungsberechtigung gemäß §3 ApG, sind somit potentielle Niederlassungswerber. Schon kurzfristig sind aber alle 2700 Dienstnehmer potentielle Niederlassungswerber. Zusätzlich ist aber zu berücksichtigen, daß auch derzeit bereits bestehende Betriebe 'in vermeintlich ertragreichere Standorte' wandern könnten, das heißt, daß zB ein kleiner Landapotheker rasch in ein 'Ballungszentrum' abwandert und seine kleinere Apotheke im ländlichen Bereich aufgibt.

Vergleichsweise arbeiteten in Deutschland im Jahr 1958 in 7744 Apotheken nur ca. 6700 approbierte Apotheker in einem Angestelltendienstverhältnis. Einer bestehenden Apotheke stand somit 1958 in Deutschland weniger als ein potentieller Niederlassungswerber gegenüber. In Österreich stehen 1997 einer bestehenden Apotheke aber derzeit mindestens 1,5, in ein paar Jahren 2,7 potentielle Niederlassungswerber aus dem Angestelltenverhältnis gegenüber.

Unter Berücksichtigung der in Deutschland beobachteten Folgen der Niederlassungsfreiheit wird es in erster Linie zu Konkurrenzgründungen in Stadtzentren kommen. Die Errichtung von Konkurrenzapotheken in unmittelbarer Nähe einer bereits bestehenden Apotheke führt aufgrund der nachteiligen wirtschaftlichen Folgen verläßlich zu einer Freisetzung von angestellten Apothekern und bewirkt eine Tendenz in Richtung sogenannter 'Ein-Mann'-Apotheken, das heißt, der Konzessionsinhaber betreibt die Apotheke aufgrund des starken wirtschaftlichen Druckes im Hinblick auf die Umsatz- und Ertragsverluste ohne zusätzliches pharmazeutisches Fachpersonal sowie mit reduziertem Arzneimittellager.

Ein knappes Arzneimittellager bewirkt, daß der Kunde oder Patient häufig die Apotheke ein zweites Mal aufsuchen muß, um das verschriebene Arzneimittel zu bekommen, oder aber mehrere Apotheken aufsuchen muß. Auch hier wird evident, daß eine leistungsfähige größere Apotheke mehreren 'Zwergapotheken' vorzuziehen ist.

Ein mögliches, durchaus realistisches und in deutschen Städten feststellbares Szenario ist, daß aus einer aufgrund der geltenden Rechtslage an einem Platz bestehenden, bisher gut geführten und leistungsfähigen Apotheke mit Beschäftigungsmöglichkeiten für drei angestellte Apotheker, sukzessive in mehreren Schritten vier 'Ein-Mann-Apotheken' - Kleinapotheken - ohne zusätzliches pharmazeutisches Fachpersonal werden, plaziert an jeder Ecke des Platzes.

Wie die Erfahrungen aus anderen Ländern mit anderen Apothekensystemen zeigen - so Feigl (in FS 100 Jahre Pharmazeutischer Reichsverband, 1991, 121) -, ist die Versorgung der Bevölkerung durch mehrere 'Zwergapotheken', die aufgrund ihrer betriebswirtschaftlichen Schwäche sowohl hinsichtlich der Sach- als auch der Personalausstattung zu äußerster Sparsamkeit gezwungen sind und bei denen dann 'Rand- und Nebensortiments' häufig zu 'Hauptsortiments' werden müssen, erheblich schlechter, als die durch wenige, größere, betriebswirtschaftlich gesunde und weiterhin 'österreichtypische' Apotheken, die eine optimale Sach- und angemessene Personalausstattung mit pharmazeutischen Fachkräften aufweisen.

Eine Folge der Niederlassungsfreiheit und der zwingend zu erwartenden Konkurrenzgründungen, welche auf eine ausgewogene geographische Verteilung keine Rücksicht nehmen werden, ist somit der Verlust von Arbeitsplätzen für Apothekerinnen und Apotheker, die in der Folge - mangels Beschäftigungsmöglichkeit - wieder nur den selbständigen Betrieb einer Apotheke, also eine Apothekenneugründung, anstreben müssen.

Es darf in diesem Zusammenhang auch nicht die Niederlassungsregelung des Apothekengesetzes singular betrachtet werden, sondern muß als zusätzliches Element auch die entsprechende soziale und wirtschaftliche Absicherung der angestellten Apotheker mit erwähnt werden. Diesem Zweck dient vor allem die durch das Gehaltskassengesetz, BGBl. Nr. 254/1959 idgF. BGBl. Nr. 104/1985, geregelte Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich mit ihren Aufgaben.

Bemerkenswert und eine Besonderheit, auf die die österreichische Apothekerschaft mit Recht stolz ist, ist das Besoldungssystem für in Apotheken angestellte Apothekerinnen und Apotheker über die Pharmazeutische Gehaltskasse. Der angestellte Apotheker erhält sein Gehalt nicht von seinem unmittelbaren Arbeitgeber, sondern über das 'Besoldungssvstem' der Pharmazeutischen Gehaltskasse, in deren Rahmen ein detailliertes Gehaltsstufenschema für angestellte Apotheker besteht. Das Apothekenunternehmen zahlt nun für jeden beschäftigten Apotheker unabhängig vom Dienstalter einen gewissen fixen Betrag in die Pharmazeutische Gehaltskasse ein, die wiederum dem angestellten Apotheker ein Gehalt entsprechend seiner am Dienstalter anknüpfenden Einstufung in das Gehaltsstufenschema ausbezahlt (darüberhinaus erhält der angestellte Apotheker direkte Zahlungen seines Arbeitgebers entsprechend dem Kollektivvertrag sowie allenfalls frei vereinbarte Gehaltsbestandteile). Im Ergebnis kostet daher ein angestellter Apotheker mit vielen Dienstjahren dem Arbeitgeber - da die bei älteren Arbeitnehmern höheren Lohnkosten zu einem wesentlichen Teil auf die Einrichtung der Pharmazeutischen Gehaltskasse überwälzt werden können - annähernd gleich viel wie ein junger Kollege. Mit diesem sozial ausgewogenen System wird insbesondere garantiert, daß für die angestellten Apotheker ein hohes Maß an sozialer Absicherung über ihr gesamtes Erwerbsleben gegeben ist. Als Ergebnis existiert bei Apothekern keine - in anderen Branchen sonst fast übliche - 'Altersarbeitslosigkeit'.

Die soziale Absicherung, die das Gehaltskassenrecht insbesondere den angestellten Apothekern bietet, kann in gewisser Hinsicht durchaus auch als Ausgleich für die beschränkte Neuerrichtung von Apotheken gelten (zum Gehaltskassengesetz, Richtlinien der Pharmazeutischen Gehaltskasse über die Gewährung von Zuwendungen aus dem Wohlfahrts- und Unterstützungsfonds der Pharmazeutischen Gehaltskasse etc. vgl. Thor, Gesetze und Vorschriften für den österreichischen Apotheker). Den angestellten Apothekern wird damit ein adäquates Maß an sozialer Absicherung und Partizipation am wirtschaftlichen Erfolg der selbständigen Apotheker gewährleistet. Dieses ausbalancierte sozialpartnerschaftliche System wurde von berufener Stelle mit den Worten charakterisiert: 'Nirgendwo in Österreich wurde der Gedanke der Sozialpartnerschaft weitreichender verwirklicht, als im Apothekenbereich. Wer diesem Gedanken positiv gegenübersteht, und ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, daß das bei mir der Fall ist, muß den Pharmazeuten zu der bei ihnen verwirklichten Ordnung seinen Respekt zollen.' (Tomandl, Österreichische Apotheker-Zeitung 1991, 857 f).

Es ist ernsthaft zu befürchten und durchaus eine realistische Einschätzung, daß ein diffizil und ausgewogenes System einen derartig einschneidenden Eingriff wie eine ungeregelte Apothekenniederlassung mit ihren zu erwartenden Folgen nicht überleben würde und die Vorteile dieser Leistungen der Pharmazeutischen Gehaltskasse verloren gehen würden. Die bestehenden Unterstützungs-, Altersversorgungs- und sonstigen Maßnahmen, die in erster Linie angestellten Apothekern zukommen, würden in dieser Form bei einer im Falle der Niederlassungsfreiheit absehbaren wesentlichen Änderung des derzeitigen Zahlenverhältnisses zwischen selbständigen und angestellten Apothekern nicht finanzierbar und nicht aufrechterhaltbar sein.

Auch ein selbständiger Apotheker, der in der Folge aufgrund Neugründungen etc. in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, würde auch keine Unterstützungsmaßnahmen - solche bestehen im Rahmen der Möglichkeiten der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich in verschiedener Form - oder sonstige Umverteilungsmaßnahmen innerhalb des Apothekerstandes (etwa Vergütungen aus dem Nachtdienstausgleichsfonds der Österreichischen Apothekerkammer) in Anspruch nehmen können.

Das System der bedarfsgerechten Apothekenneuerrichtung hilft hingegen sicherlich auch den Apothekenbetrieben, die wirtschaftlichen Grundlagen in der Form zu bieten, daß der Apothekenbetrieb auch Arbeitsplätze für Apotheker garantieren kann. Derzeit sind in einer typischen österreichischen Apotheke - zusätzlich zum selbständigen Apotheker oder Apothekerin - zwei bis drei Apothekerinnen oder Apotheker angestellt.

Im schlimmsten Fall einer freien Niederlassung mit einer zunehmenden Dominanz von 'Ein-Mann-Apotheken' stehen mittelfristig auch für viele Apothekerinnen und Apotheker, die den Beruf eigentlich nicht in Form der selbständigen Tätigkeit ausüben wollen, keine geeigneten pharmazeutischen Arbeitsplätze zur Verfügung; entsteht also de facto ein Zwang, weitere Apothekenbetriebe neu zu errichten.

Schon dieses belegt plausibel, daß es nicht gerechtfertigt und nicht zweckmäßig wäre, die Niederlassung von Apotheken wie die Niederlassung von Gewerbebetrieben zu handhaben. Anders als der VwGH (unter 3.2. - Seite 10, Zeile 12 f) vermeint, bestehen zwischen Apotheke und Gewerbebetrieb wie ausgeführt sehr wohl erhebliche Unterschiede, die eine unterschiedliche Regelung rechtfertigen.

Nur in einem funktionierenden System, das die Ausübung des Erwerbszweiges 'selbständiger Apotheker' einerseits im Wege der Übernahme schon bestehender Apotheken als Konzessionsinhaber oder Pächter, andererseits im Wege bedarfsgerecht - wenn auch beschränkter - Apothekenneuerrichtungen sichert, ist auch die Ausübung des Erwerbszweiges 'angestellter Apotheker' mit den vorerwähnten standesinternen sozialen Absicherungen auf hohem Niveau möglich und eine vertretbare bzw. erhaltenswerte Zielsetzung einer Regelung.

Weitere Aspekte außer der ungleichmäßigen Verteilung der Apotheken sprechen gegen eine freie Apothekenniederlassung ohne behördliche bedarfsgerechte Lenkung von Neugründungen, wobei diese Nachteile nicht auf Spekulationen beruhen, sondern in Ländern mit Niederlassungsfreiheit zu beobachten sind. Dazu gehören

* der Systemwandel zu Kleinstapotheken (Ein-Mann-Apotheken) statt wirtschaftlich gesunder und pharmazeutisch leistungsfähiger Apotheken mit optimaler Sachausstattung und hochqualifizierten Mitarbeitern mit leistungsgerechtem Entgelt.

'Wer einmal in England oder in Amerika in einer 'Drugstore'- Apotheke seine Medikamente besorgt hat und den damit verbundenen unzumutbaren bzw. so gut wie nicht vorhandenen Servicegrad miterleben mußte, wer die Entwicklung in Deutschland verfolgt hat, wo es aufgrund der Freigabe des Konzessionssystems zu 'Umverteilungsapotheken' in besonders stark frequentierten Stadtvierteln, an Verkehrsknotenpunkten etc. gekommen ist, währenddessen die Versorgung im ländlichen Gebiet erheblich zu wünschen übrig läßt, wird wohl nicht umhinkommen, das österreichische System sowohl aus der Sicht der zu versorgenden Bevölkerung als auch aus der Sicht der Konzessionswerber sowie der Inhaber bestehender Apotheken als zweckentsprechend und ausgewogen anzusehen.' (E. und W. Völkl, Österreichische Apotheker-Zeitung 1996, 607)

* die Wandlung der Apotheke zu einem vermehrt kaufmännischen Unternehmen mit tiefgreifenden Folgen für das gewachsene System der Heilmittelversorgung, wie etwa der Verlust auf die individuell auf den speziellen Patienten abgestimmte magistrale Zubereitung, die aus Kosten- und Personalgründen nicht aufrecht zu erhalten wäre, u.a.m.

Schon 1906 bezeichnet der Bericht des Sanitätsausschusses zum Entwurf des ApG die Freigebung (nämlich die Niederlassungsfreiheit) als eine 'grundstürzende Reform der Pharmazie'. Es sei jedoch zu fürchten, daß sich die Apotheken von Anstalten im System der öffentlichen Sanitätspflege zu rein gewerblichen Unternehmen wandeln würden und 'daß hiedurch der ganze Stand in seiner Existenz erschüttert, in seiner fachlichen und wissenschaftlichen Entwicklung bei dem steten Hasten und Trachten nach einer auskömmlichen Existenz derart gefährdet wird, daß sich die Pharmazie nicht auf dem Niveau erhalten könnte, auf welches sie einerseits durch das Wissen, die wissenschaftliche Bildung, andererseits vermöge des darin investierten Kapitals gestellt wurde." (2620 Blg. AH 17. Session 1906, 7)

* der Konkurrenzkampf mit dem Problem, daß diejenigen Apotheker, die das Interesse der optimalen Arzneimittelversorgung und der Volksgesundheit in jeder Beziehung strikt verfolgen, gegenüber jenen stark benachteiligt sind, welche eigene ökonomische Überlegungen in den Vordergrund stellen, somit

* ein Drang als Folge wirtschaftlicher Probleme und Notlage, gegen die Berufspflichten zu verstoßen. Es ist zu befürchten, daß mit zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten aufgrund immensen Anwachsens von Apothekenneugründungen Verfehlungen hinsichtlich der Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel ohne ärztliche Verschreibung zunehmen (Kunden würden z.T. eher Apotheken aufsuchen, in denen verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Rezept erhältlich sind) oder wirtschaftlich bedingte Verkaufsaktionen, die nicht jedenfalls der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung dienen, erfolgen.

In den neugegründeten oder 'abgemagerten' bestehenden, ökonomisch schwachen Kleinstapotheken wird häufig von der vorgeschriebenen Beschäftigung pharmazeutischen Fachpersonals für die Herstellung und Abgabe von Arzneimitteln abgesehen, sondern rechtswidrig hiefür vielfach unausgebildetes Hilfspersonal verwendet. Die in Deutschland laufend wachsende Zahl von Disziplinarverfahren liefert hiefür ausreichend Hinweise.

* Eine Erhöhung der Apothekenanzahl führt zu einer Erhöhung des Arzneimittelverbrauches und einer Steigerung der öffentlichen Gesundheitsausgaben. Eine umfassende Studie des Industriewissenschaftlichen Institutes an der Wirtschaftsuniversität Wien (Leitung Univ.-Prof. Dr. Clement) hat den durchschnittlichen Arzneimittelverbrauch in 15 europäischen Ländern sowohl auf Basis der Fabriksabgabepreise als auch auf Basis der pro Person abgegebenen Packungen untersucht. Auffällig war, daß Länder mit Niederlassungsfreiheit oder mit niedrigen Verteilungskriterien für Apotheken einen zum Teil deutlich höheren Arzneimittelverbrauch je Einwohner zu verzeichnen haben. So betrug der durchschnittliche Arzneimittelverbrauch je Einwohner im Jahr 1993 in der Schweiz S 1.856,-- (Niederlassungsfreiheit), in der BRD S 1.837,-- (Niederlassungsfreiheit), in Österreich jedoch nur S 1.224,-- (auf Basis der Fabriksabgabepreise). Andererseits ergab sich, daß Länder mit besonders niedrigen Arzneimittelpreisen (z.B. Frankreich) eine überdurchschnittlich hohe Verbrauchsquote aufweisen (so stehen durchschnittlich 18 Arzneimittelpackungen in Österreich 51 Packungen in Frankreich gegenüber). Besonders hoch ist der Arzneimittelverbrauch auch in den sehr liberalen USA. Es 'boomen' z.B. in den USA die Antidepressiva (WirtschaftsBlatt vom 19.2.1997).

* Die Vermehrung von Fremdeinflüssen auf die Errichtung und den Betrieb von Apotheken wurde in der Literatur wie unter IV. ausgeführt, erwähnt.

Vergleichsweise hat die Regellosigkeit im Bereich der gewerblichen Einzelhandelsgeschäfte in den letzten Jahrzehnten zum 'Greißlersterben' geführt. Nicht nur in Österreich sind klein- und mittelständische Läden vom Aussterben bedroht. Überregionale Verbrauchermärkte und Einkaufszentren lassen im Ergebnis den gewerblichen Nahversorgern weitgehend keine Überlebenschance. Diese Form der Konzentration als Ergebnis ungeregelter Niederlassung führt nicht nur zu einem Verlust von Arbeitsplätzen, zu einem dem Preis entsprechend minimierten Service, sondern vor allem auch zu einer schlechteren Versorgung von weniger mobilen Konsumenten.

Die Niederlassungsregelung des Apothekengesetzes

gewährleistet durch eine bedarfsgerechte Apothekenverteilung unter besonderer Berücksichtigung der Wohnbevölkerung - im Zusammenhalt mit ärztlichen Hausapotheken in weniger dicht besiedelten Regionen - die Nahversorgung im Arzneimittelbereich. Gerade im Arzneimittelbereich ist die Apotheke als Nahversorger besonders wichtig, da Apothekenkunden im überproportionalen Ausmaß ältere Menschen, Pensionisten mit eingeschränkter Mobilität sind und 70 % der Kunden mit einer ärztlichen Verschreibung in die Apotheke kommen. Noch sind die Apotheken gutorganisierte und leistungsfähige Betriebe, die für Familien und Senioren leicht erreichbar sind. Eine freie Niederlassung von Apotheken führte jedoch vermehrt zu kommerziell bestimmten Standorten und schwächte damit die Nahversorgung, was gesundheitspolitisch unerwünscht sein muß.

Als Folge einer Niederlassungsfreiheit wären somit

nachhaltige und irreversible unerwünschte Auswirkungen zu erwarten, die in Dimension und Ausmaß angesichts der Erfahrungen in Deutschland die Eingehung eines derartigen Experimentes mit dem bestehenden funktionierenden System der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung aus hierortiger Sicht - und zwar sowohl der selbständigen Apotheker als auch der angestellten Apotheker - keineswegs als anstrebenswert oder sinnvoll erscheinen lassen.

VIII. §10 ApG ein - geeignetes Mittel

(zum VwGH-Vorbringen insbes. u. 3.4.)

Der VwGH bezweifelt (unter 3.4.), daß die derzeitige Rechtslage zur Erreichung des Zieles, die Heilmittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, geeignet ist. Die Gründung neuer Apothekenunternehmen werde für die Mehrzahl der Bewerber unangemessen erschwert bzw. unmöglich gemacht.

Diesen Ausführungen können wir nicht beipflichten. Die Bestimmungen des Apothekengesetzes sind in ihrer Gesamtheit vielmehr ein taugliches Reglement, eine möglichst flächendeckende funktionierende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu sichern. Die Regelung des Apothekengesetzes für die Neuerrichtung von Apotheken hat in Verbindung mit anderen Normen durch ein kombiniertes System von öffentlichen Apotheken samt Filialapotheken, ärztlichen Hausapotheken und Anstaltsapotheken optimale Vorsorge für eine tatsächlich flächendeckende Versorgung der Bevölkerung getroffen. Das Bedarfsprüfungssystem bewirkt, daß neue Apotheken, ob nun öffentliche Apotheke, Filialapotheke oder auch ärztliche Hausapotheke tatsächlich nur dort geschaffen werden, wo eben noch keine ausreichende Arzneimittelversorgungseinrichtung besteht. Mit diesem System wird äußerst effizient erreicht, daß Neugründungen nicht in Form von 'Umverteilungsapotheken' in Ballungszentren erfolgen, sondern dort, wo unter dem Gesichtspunkt der Heilmittelversorgung für die regionale Bevölkerung bis dahin ein 'weißer Fleck' auf der Apothekenlandkarte bestanden hat. Es wäre nicht im Interesse der flächendeckenden Arzneimittelversorgung, wenn die Apothekengründung an der vierten Ecke einer Kreuzung, an der bereits drei andere Apotheken liegen, oder in 50 m Entfernung neben einer anderen bestehenden Apotheke in einer innerstädtischen Hauptstraße erfolgt, sondern vor allem in neu ausgebauten Stadtrandgebieten und bisher nicht versorgten ländlichen Bereichen. Apotheken sollen in erster Linie in Wohngebieten plaziert werden und nicht in umsatzträchtigen Verkehrszentren. Rein kommerziell bestimmte zusätzliche Standorte schwächen die Nahversorgung und sind daher aus gesundheitspolitischer Sicht keineswegs als positiv einzustufen.

Daß das Niederlassungssystem des Apothekengesetzes eine flächendeckende, wohnsitzbezogene 'Apothekenlandschaft' bewirkt, ist Realität, wie z.B. das Beispiel Wels für den städtischen (die u. a. Skizze eines oö. Kollegen ist aussagekräftig), das Beispiel Wien für den großstädtischen Bereich zeigt. Ohne Niederlassungsregelung würden sich die Apotheken in den Stadtzentren zusammendrängen, wie deutsche Städte dies belegen.

...

Im Gegensatz dazu bewirkt die vom VwGH offenbar neuerdings bevorzugte und angestrebte Alternative der Niederlassungsfreiheit - belegbar aufgrund der Erfahrungen in Ländern mit Niederlassungsfreiheit wie Deutschland - die unter IV. bereits näher ausgeführten Probleme der hohen Vermehrung der Apotheken, der Gründung von Apotheken in Ballungszentren, der Stillegung von Apotheken aufgrund wirtschaftlicher Probleme in Folge von Konkurrenzgründungen in unmittelbarer Nähe oder der Stillegung aufgrund der Nichtübernahme bestehender Unternehmen durch Nachfolger. Niederlassungswerber eröffnen im Zweifel lieber eine zusätzliche Apotheke in städtischen Zentren, anstelle eine bestehende Apotheke im ländlichen Bereich zu übernehmen.

Die Alternative einer Niederlassungsfreiheit ist somit für die Erreichung des Zieles einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung nicht von Vorteil, hat aber für die bestehende Struktur der öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken schon mittelfristig - wie u. IV. ausgeführt - einschneidende wirtschaftliche Folgen und ist realistisch zu befürchten, daß die Leistungsfähigkeit der bestehenden Apotheken massiv beeinträchtigt würde.

Die Entwicklung der Anzahl der öffentlichen Apotheken in Österreich gibt nachstehende Tabelle 3 wieder. Als Ausgangspunkt wurde - um einen Vergleich zu den deutschen Zahlen unter IV. zu ermöglichen - das Jahr 1958 gewählt.

Tabelle 3

(Österreich)

     Jahr         Zeitraum             Anzahl           Index

                (nach Jahren)

     1958            0                  733              100

     1963            5                  760              104

     1968           10                  790              108

     1973           15                  820              112

     1978           20                  854              117

     1983           25                  911              124

     1988           30                  941              128

     1993           35                  994              136

Die Einwohnerzahl betrug im Jahr 1958: 6,987 Mio. - (Index: 100)

1983: 7,567 Mio. - (Index: 108)

1993: 7,991 Mio. - (Index: 114)

Von 1985 bis 1990 wurden 32 öffentliche Apotheken eröffnet, von 1991 bis 1996 insgesamt 76.

Ein direkter Vergleich der Relation 'Apotheke pro Einwohner' zwischen Deutschland und Österreich hätte zu berücksichtigen, daß in Österreich zusätzlich das Institut 'ärztliche Hausapotheke' existiert und Aufgaben der Arzneimittelversorgung übernimmt (§§29 ApG).

Im Jahr 1993 bestanden 972 ärztliche Hausapotheken (in allen Bundesländern außer Wien), mit 31.12.1996 sind es 993.

Der Anteil der Apotheker (inkl. selbständige Apotheker) am Beschäftigungsstand der Apotheke betragen in der BRD ca. 28 %, in Österreich beträgt der Anteil jedoch ca. 40 %.

Wenn der VwGH (unter 3.4.) angesichts der Ermittlung der Anzahl der zu versorgenden Personen als Voraussetzung einer Apothekenneuerrichtung von nahezu unlösbaren Ermittlungsaufgaben spricht, so ist dem entgegenzuhalten, daß die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu §10 Apothekengesetz teilweise durch überzogene Anforderungen an die Verfahren diese Ermittlungsprobleme selbst mitverursacht haben könnte. Dies zeigt etwa beispielsweise das Erkenntnis des VwGH vom 19.4.1993, 91/10/0257, mit dem der VwGH der Behörde, für ihre Annahme, von den Einwohnern eines Stadtteiles sei eine gewisse Anzahl dem Versorgungspotential der neuen Apotheke zuzurechnen, zusätzliche entsprechende Ermittlungen (z.B. durch Anwendung von Methoden der empirischen Sozialforschung) abverlangt.

Diese Forderung nach solchen empirischen Ermittlungsmethoden kritisiert etwa Schwamberger (Ecolex 1993, 643) mit Recht als zu weitgehend und für eine Bedarfsprüfung für Apotheken gar nicht notwendig. Die Entscheidung über den Bedarf nach einer öffentlichen Apotheke ist mit einer Prognose verbunden. Die bisherigen Ergebnisse einer nachträglichen Rechtfertigung einer Prognose lassen durchaus den Schluß zu, daß die Behörden die örtlichen Verhältnisse, auf die das Apothekengesetz Bezug nimmt, meist gut kennen. Dies belegt auch eine ex post Betrachtung aller in den letzten Jahren errichteten Apotheken hinsichtlich Standort und Leistungsfähigkeit.

Eine weiterer Grund, daß so viele Apothekenneuerrichtungsverfahren bis zum Verwaltungsgerichtshof gelangen, ist der Umstand, daß mit Entscheidung des VwGH auch den hausapothekenführenden Ärzten Parteistellung im Apothekenneuerrichtungsverfahren eingeräumt wurde (VwGH v. 19.12.1989, Zl. 87/08/0259, ZfVB 1990/4/164). Die Lehre hat zur Frage der Parteistellung hausapothekenführender Ärzte - entgegen Schwamberger, ZfV 1986, 545 ff - überwiegend eine andere Rechtsansicht vertreten (Mayer, Zur Bedarfsfrage der Parteistellung im Apothekenrecht, ZfV 1985, 367 ff; Schmelz, Öffentliche Apotheke und Hausapotheke in Schönherr-FS 1986, 389 ff). Hausapothekenführende Ärzte nehmen daher häufig (wegen §29 Abs4 ApG) die Rechtsmittelmöglichkeiten wahr, um die Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke zu verzögern.

Insgesamt ist aus der Sicht der Apothekerkammer und wohl auch der Verwaltungsbehörden davon auszugehen, daß die Bedarfsprüfungsregelungen in der Praxis sehr wohl anwendbar sind.

Die Ermittlung der Einwohneranzahl ist über die Gemeinden problemlos möglich, welche über die aktuellen Zahlen verfügen. Hinsichtlich des 'Verkehrspublikums' existieren ausreichend Statistiken, z.B. Fremdenverkehrsstatistiken, Statistiken über Pendlerverhalten etc. Das zur Verfügung stehende Kartenmaterial, Stadtpläne, die Darstellung des Verkehrsnetzes usw., ermöglichen exakte Zuordnungen der Bewohner, lassen - im Zweifelsfall ergänzt aufgrund der Orts- und Lokalkenntnis der Ermittlungsbehörde eine nachvollziehbare klare Begründung der Entscheidung zu. Die Stellungnahme der Österreichischen Apothekerkammer gemäß §10 Abs7 ApG bietet dabei eine wichtige Hilfestellung zur Beurteilung des Bedarfes nach einer neuen Apotheke. Im Hinblick darauf, daß die Apothekerkammer sowohl die angestellten als auch die selbständigen Apotheker als Mitglieder hat und die Stellungnahmen der Landesgeschäftsstellen von beiden Abteilungen zu unterfertigen sind, ist schon deswegen Gewähr für eine objektive Darstellung gegeben.

Es wird sehr wohl die Auffassung vertreten, daß das Apothekengesetz in seiner derzeitigen Form durchaus vollziehbar ist - die Judikatur zur ApG-Nov. 1984 und 1990 ist entwickelt und aufbereitet (vgl. insbes. Puck). Im übrigen ermöglicht es die verfassungskonforme Interpretation Lösungen auf Grundlage des geltenden Apothekengesetzes in offenen Fragen für anhängige Fälle im Sinne der Neuerrichtungswerber zu finden (z.B. Berücksichtigung des Verkehrspublikums etc.). E. u. W. Völkl (Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu §10 Apothekengesetz, ÖAZ 1996, 555 ff und 604 ff) äußern im übrigen, daß der VwGH 'sich zur Begründung der an ihn im Rahmen von Beschwerden herangetragenen Bescheide zunehmend kritisch äußert, vor allem aus dem Grund, weil die zugrundeliegenden Erhebungen teilweise zu ungenau sind oder aber die Begründungen zu oberflächlich, woraus der überwiegende Teil seiner aufhebenden Erkenntnisse resultiert.' Auch ein solcher Befund spräche nicht gegen die Vollziehbarkeit des §10 ApG an sich; ebensowenig die Anzahl der Anrufungen des Höchstgerichtes, wenn im Ergebnis bedarfsgerecht errichtete Apotheken die Folge sind.

Daß aber die Bedarfslage von den Behörden 'materiell' richtig beurteilt wurde, beweisen die im letzten Jahrzehnt neueröffneten Apotheken; in allen Fällen war die Errichtung bedarfsgerecht, im Sinne der Verbesserung der Nahversorgung und Verbesserung der Verteilung der Apotheken sowie der Erhaltung der angemessenen Lebensfähigkeit bestehender Apotheken. Das Schwergewicht der Apothekeneröffnungen lag in den letzten 10 Jahren dabei in Orten, die bisher ohne öffentliche Apotheke waren, gefolgt von Neueröffnungen in Kleinstädten, zuletzt erst in den Landeshauptstädten bzw. Wien (vgl. Broschüre der Österreichischen Apothekerkammer 'Die österreichische Apotheke in Zahlen', 1997).

...

In Österreich wurden 1996 nur 82 öffentliche Apotheken ohne weitere pharmazeutische Mitarbeiter (außer dem Konzessionsinhaber) betrieben, das sind nicht ganz 8 % der öffentlichen Apotheken.

Vergleichsweise beträgt der Anteil der 'Ein-Mann-Apotheken' in Deutschland über 40 %.

Die Statistik der Apothekenerrichtung seit 1958 belegt eine kontinuierliche und angemessene Vermehrung der Apotheken, mit der die Leistungsfähigkeit der bestehenden Apotheken im wesentlichen bewahrt wurde. Anders ist die Situation in Deutschland, wo zwar die Apothekenanzahl gewaltig gesteigert wurde, jedoch die Leistungsfähigkeit der bestehenden und zum Teil der neu gegründeten, insbesondere aber die ausgewogene geographische Verteilung erheblich beeinträchtigt ist.

IX. §10 ApG ein adäquates Mittel

Der VwGH meint (unter 3.2.2.), zur Regulierung des Wettbewerbes genügten weit weniger in die Erwerbsausübungsfreiheit eingreifende Mittel, insbesondere Ausübungs- und Preisregelungsvorschriften. Das Verbot der Kumulierung (§2 ApG) in Verbindung mit dem Grundsatz der alleinigen rechtlichen und wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Konzessionärs im Apothekenunternehmen (§12 ApG) wären auch ausreichende Vorkehrungen dagegen, daß kapitalkräftige Unternehmen überregionale Bedeutung und eine marktbeherrschende Stellung erlangen. Zur Verhinderung des Verdrängungswettbewerbes wäre die angegriffene Regelung nicht erforderlich.

Diese Einschätzung wird nicht geteilt. Erfahrungen aus Deutschland belegen, daß mit der Niederlassungsfreiheit eine erhebliche Zunahme von Fremdeinflüssen einherging (vgl. unter IV.). Pieck konstatiert, daß die Niederlassungsfreiheit im Ergebnis auch dazu geführt habe, daß die Rechtsverhältnisse zahlreicher Apotheken in dem einen oder anderen Punkt nicht dem Apothekengesetz entsprechen (aaO, 119).

Im Hinblick auf die im Falle der Niederlassungsfreiheit zu erwartende Situation, daß es aufgrund von Konkurrenzgründungen unseres Erachtens nahezu zwingend zu Kündigungen von Apothekerdienstverhältnissen (andere Kostenfaktoren des Betriebes können nicht reduziert werden) und in der Folge aus Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten der freigesetzten Apotheker zu weiterer Apothekengründung kommt ('Freisetzungs-Gründungs-Spirale'), vermag angesichts der derzeit hohen Anzahl von Apothekerinnen und Apothekern in Apothekendienstverhältnissen und potentieller Niederlassungskandidaten auch ein Weiterbestand des Kumulierungsverbotes keinen ausreichenden Schutz gegen ein Kippen des Systems bieten. Im übrigen verhindert §12 ApG ja nicht den Mehrbesitz von Apotheken, sodaß bei freier Niederlassung eine 'Art' Kettenbildung unter den Einschränkungen des §12 ApG durchaus wahrscheinlich ist.

Es wäre auch absolut illusorisch, zu glauben, es ließe sich angesichts der behördlichen Preisregelung der Arzneimittelpreis durch Erhöhung der Apothekenspanne elastisch nach oben verändern, um den Auswirkungen von Apothekenkonkurrenzgründungen im Falle einer Niederlassungsfreiheit auf die Kosten- und Ertragsstrutur in der Form zu entgegnen, daß die Leistungsfähigkeit oder auch nur die Überlebensfähigkeit bestehender Apotheken sicherbar wäre. Einerseits ist die Arzneimittelpreisentwicklung stabil und bewegt sich die reine Preissteigerung bei Arzneimitteln in Österreich schon seit Jahren immer rund um die 'Null-Linie'. Andererseits kam es in den letzten Jahrzehnten und Jahren mehrfach zu konkreten Einsparungsmaßnahmen der Krankenkassen über Spannenkürzungen etc. (1978, 1986, April 1995, Februar 1997), welche zu Lasten der Apotheken gingen. Aufgrund der zunehmenden Gebarungsprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung würde sich vielmehr die Problematik der Arzneimittelkosten schon aufgrund Erhöhung der Apothekenanzahl durch die vielen zusätzlichen Apothekenneuerrichtungen akut verschärfen. Es ist (an Hand der Umsatzentwicklung nach Apothekeneröffnung in Orten, in welchen vorher nur eine Apotheke bestand) untersucht und belegt, daß der Arzneimittel(gesamt)umsatz sich mit der Apothekenanzahl beträchtlich erhöht.

Die Bedarfsprüfung ist nicht nur ein taugliches Steuerungsinstrument, um

* eine ausgewogene Verteilung der Apotheken und

ärztlichen Hausapotheken zu erzielen,

* leistungsfähige Apotheken zu erreichen und zu sichern,

* die Arzneimittelversorgung in gesundheitspolitisch

optimaler Quantität und Qualität zu erhalten,

* ausreichend Beschäftigungsmöglichkeiten für

angestellte Apothekerinnen und Apotheker

zu schaffen und zu erhalten,

* ein Absinken der Mitarbeiterqualität und

* die sonstigen unter VII. angeführten Nachteile zu

vermeiden;

sie ist auch ein adäquates Mittel:

Dies angesichts der besonders wichtigen öffentlichen Interessen der Arzneimittelversorgung durch Apotheken und ärztliche Hausapotheken und im Hinblick darauf, daß keine Alternative besteht - die ungeregelte Apothekenniederlassung ('Niederlassungsfreiheit') ist zur Zielerreichung angesichts der Vorausführungen als nicht geeignet einzustufen -, um den angestrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber die Grundrechte weniger einschränkenden Weise zu erreichen.

Vor dem ausgeführten Hintergrund erweisen sich die verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes als unzutreffend. Der Gesetzgeber hat den ihm bei der Ausgestaltung des Niederlassungsrechtes der Personen, denen die Arzneimittelversorgung obliegt, durch das Verfassungsrecht (Art6 StGG) eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht überschritten.

X. 5500 zu versorgende Personen als Neuerrichtungsvoraussetzung

Wenn der VwGH ausführt, daß der VfGH das durch die Apothekengesetznovelle 1990 eingeführte System der Bedarfsprüfung noch nicht zum Gegenstand einer meritorischen Entscheidung im Hinblick auf die neue Rechtsprechung des VfGH gemacht hat, so ist dem entgegenzuhalten, daß zum einen der VfGH zuletzt mit der Frage der Verfassungskonformität der Bedarfsprüfung konfrontiert wurde und mit Entscheidung vom 11. Juni 1996 die Behandlung einer Individualbeschwerde abgelehnt hat. Die Beschwerdeführerin hatte dabei die in §10 Abs2 ff. Apothekengesetz enthaltene vom Gesetzgeber geforderte Mindestanzahl von 5500 zu versorgenden Personen als willkürlich und zu hoch gegriffen kritisiert.

Zum anderen ist mit der Apothekengesetznovelle 1984 nur der bis dahin unbestimmte Gesetzesbegriff konkretisiert worden, indem von 5500 Personen ausgegangen wird, welche als bedarfsbegründend bestimmt wurden. Erwähnenswert ist dabei zum anderen, daß die Neuformulierung der Bedarfsregelung durch die ApG-Nov. 1984 im wesentlichen die Judikatur des VwGH übernommen hat, was auch in den EB zur ApG-Nov. Ausdruck findet.

Mit der Apothekengesetznovelle 1990 ist gegenüber 1984 nur insofern eine Änderung erfolgt, als die Existenzfähigkeit von öffentlichen Apotheken, die durch eine Neuerrichtung betroffen sind, nicht mehr aufgrund des voraussichtlichen Umsatzverlustes (ermittelt über 'Rezeptzählungen') und anhand branchenspezifischer Kennzahlen untersucht wird (daher bestand die Möglichkeit, daß die Rezeptzählung auf Grund von Beeinflussungen der Rezepteinreichung von Rechtsmittelwerbern ein unzutreffendes Bild des Umsatzausfalles ergibt), sondern unter dem nunmehr objektivierten Gesichtspunkt, ob den bestehenden Apotheken nach der Neuerrichtung einer Apotheke auch weiterhin ein für die Erhaltung ihrer Leistungsfähigkeit erforderliches Versorgungspotential von 5500 zu versorgenden Personen erhalten bleiben wird. Die Existenzgefährdungsprüfung wurde vom VfGH bereits als verfassungsrechtlich unbedenklich gebilligt (VfSlg. 8765 und 10386).

Auch die ApG-Nov. 1990 bemühte sich unter Berücksichtigung der VwGH-Judikatur, die Kriterien der Bedarfsprüfung klarer zu fassen. Anlaß waren administrative und politische Probleme mit Existenzgefährdungseinsprüchen anläßlich der Neuerrichtung öffentlicher Apotheken u.a. Die Erläuterungen zur ApG-Nov. 1990 führen aus, daß im Rahmen dieser Bedarfsfeststellung neu zu errichtende und bestehende öffentliche Apotheken gleich zu behandeln sind, sich an der Mindestanzahl der zu versorgenden Personen nichts ändert und die bisherige Existenzgefährdungsprüfung bestehender öffentlicher Apotheken unterbleiben kann. Am System der Versorgung der Bevölkerung durch öffentliche Apotheken, ärztliche Hausapotheken und Anstaltsapotheken wird festgehalten (1336 Blg. Sten.Prot. NR VII. GP). Wäre absehbar, daß infolge einer vorgesehenen Neuerrichtung einer Apotheke das Versorgungspotential einer umliegenden, bestehenden öffentlichen Apotheke unter 5500 zu versorgende Personen fiele, wäre der Bedarf an der neu zu errichtenden Apotheke zu verneinen, da eine um den Preis des Verlustes der Bedarfsdeckungsfähigkeit und damit betriebswirtschaftlichen Versorgungsbereitschaft einer bestehenden Apotheke errichtete neue Apotheke letztlich in der Regel die regionale Versorgung - insbesondere Nahversorgung - insgesamt verschlechtern wird (Feigl, Was bringt die Apothekengesetznovelle 1990?, Österreichische Apotheker-Zeitung 1990, 475).

Die Zahl von 5500 Personen als Voraussetzung einer leistungsfähigen Apotheke wurde nicht willkürlich festgesetzt. Anhand der aus dem unter Zugrundelegung der Daten aller österreichischen Apotheken durchgeführten Apothekenbetriebsvergleich gewonnenen Wirtschaftsdaten wurde ein Versorgungspotential von 5500 Personen als geeignete, auch wirtschaftliche Existenzgrundlage für eine öffentliche Apotheke ermittelt. Die EB zur Regierungsvorlage der ApG-Nov. 1984 (395 Blg. Sten. Prot.) führen dazu aus, daß die Anzahl der zu versorgenden Personen der bisher bewährten Verwaltungsübung und Judikatur des VwGH entsprechen und davon auszugehen sein wird, daß für die Annahme eines Bedarfes mindestens 5500 Personen erforderlich sein müssen, von denen der Großteil in dem Ort, in dem die Apotheke errichtet werden soll, ansässig sein muß. Nur unter dieser Voraussetzung scheine eine in jeder Hinsicht einwandfreie Arzneimittelversorgung gewährleistet.

Die Personenzahl des §10 ApG wurde im Rahmen der ApG-Novelle 1990 überprüft und auf Grund nachstehender Berechnung unverändert beibehalten:

Der Arzneimittelverbrauch pro Einwohner und Jahr betrug in Österreich im Jahre 1989 S 1.662,--, was bei 5500 zu versorgenden Personen einen Umsatz von S 9,1 Mio. mit Arzneimitteln ergibt. Unter Berücksichtigung eines 8-%igen Nebensortimentumsatzes betrug der Gesamtumsatz daher S 9,8 Mio.

Der aus einem Gesamtumsatz von rund S 10 Mio. bei objektiv rationeller Betriebsführung zu erzielende Reingewinn vor Steuern betrug S 800.000,--. Diese Summe entsprach exakt dem für einen angestellten Apothekenleiter aufzuwendenden Betrag.

Die Personenanzahl ist weiterhin aktuell und sichert den neu zu errichtenden als auch den bestehenden Apotheken die zur Aufrechterhaltung des Betriebes nach objektiv-rationellen Gesichtspunkten erforderlichen Ressourcen (Steindl/Völkl, Ist das österreichische Apothekenerrichtungssystem verfassungsgemäß?, Österreichische Apotheker-Zeitung 1997, 231).

B. (Zum Eventualantrag)

(zum VwGH-Vorbringen u. 4. ff)

Die Hauptargumentation des VwGH liegt darin, daß §10 Abs2 Z. 1 ApG - die Prüfung der Personenanzahl für die neu zu errichtende Apotheke - nicht erforderlich wäre, um ein flächendeckendes Netz von Apotheken herzustellen oder zu erhalten. Dem Zweck, übermäßigen Wettbewerb hintanzuhalten und das -Bestehen wirtschaftlich solider Apothekenbetriebe zu gewährleisten, werde durch die Normierung eines räumlichen Mindestabstandes der Betriebsstätten (§10 Abs2 Z. 2 ApG) und eines Mindestversorgungspotentials der bestehenden Apotheken (§10 Abs2 Z. 3 ApG) hinreichend entsprochen. §10 Abs2 Z. 1 ApG bedürfte es nicht, um Apothekenunternehmen von der Niederlassung in Ballungsräumen abzuhalten und auf das Land zu zwingen.

Im Hinblick auf die geringe Anzahl von nach den Grundsätzen des §10 Abs2 Z. 2 und 3 ApG in Betracht kommenden Apothekenstandorten würde die Regelung des §10 Abs2 Z. 1 ApG der Errichtung eines flächendeckenden Netzes öffentlicher Apotheken nicht dienen, sondern ihr entgegenstehen.

Die angegriffene Regelung ziele - jedenfalls in ihrer Auswirkung - lediglich auf den Schutz des Unternehmers 'vor sich selbst', nämlich vor den Folgen seiner allenfalls verfehlten Prognose über die wirtschaftlichen Chancen einer Unternehmensgründung ab (5.1.5.).

Auch hier können wir dem VwGH im Ergebnis nicht beipflichten. Deutsche Erfahrungen belegen, daß Apotheker offenbar nicht im ausreichenden Maße die wirtschaftlichen Grundlagen einer Apothekengründung bewerten (vgl. die Ausführungen unter IV.).

Insgesamt bestehen aber zum Inhalt des Eventualantrages des VwGH vor allem verfassungsrechtliche Bedenken im Zusammenhang mit der Verschiedenbehandlung bestehender und neu zu errichtender Apotheken. Diesen Aspekt spricht der VwGH unter 5.4. offenbar auch an, indem er ausführt, daß der Eventualantrag unter der weiteren Annahme, daß der Wegfall des §10 Abs2 Z. 1 ApG bei Beibehaltung des §10 Abs2 Z. 2 und 3 ApG und die damit im Zusammenhang stehenden Vorschriften als dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht widersprechend angesehen werden könnten, stehe.

Auch eine ohne Prüfung des Versorgungspotentials erfolgte Apothekenneugründung würde schon im Moment ihrer rechtlichen Entstehung den Existenzfähigkeitsschutz zu genießen haben. Dies auch dann, wenn die neue Apotheke aber kaum lebensfähig oder wirtschaftlich verfehlt ist?

Zwar käme es bei Erhaltung des Existenzfähigkeitsschutzes des §10 Abs2 Z. 3 ApG und des Mindestabstandes zwischen den Betriebsstätten vermutlich zu weniger Kündigungen von angestellten Apothekerinnen und Apothekern als bei völliger Niederlassungsfreiheit. Dennoch sind wirtschaftliche Fehlgründungen zu erwarten, welche das bestehende System - auch jenes der standesinternen sozialen Absicherung und 'Umverteilung' - empfindlich stören würden. Die zu erwartenden neuen Kleinstapotheken würden aufgrund ihrer wirtschaftlich problematischen Situation nicht die optimale und rationelle Arzneimittelversorgung wahrnehmen können. Es würde insbesondere auch zu einem weiteren Anstieg der öffentlichen Gesundheitsausgaben kommen (dies auch schon deshalb, weil der von den einzelnen Apotheken den Krankenkassen zu gewährende Preisnachlaß von der jeweiligen Umsatzhöhe des Apothekenbetriebes abhängt; eine Reduktion des Umsatzes der Apotheken würde daher zu niedrigeren Preisnachlässen der einzelnen Apotheken führen; außerdem bewirkt eine Erhöhung der Apothekenanzahl zusätzlich eine Erhöhung des Gesamtumsatzes mit Arzneimitteln und schon aus diesem Titel allein eine Erhöhung der Gesamtausgaben für Arzneimittel).

Wir gehen aber davon aus, daß nur die Errichtung von leistungsfähigen Apotheken im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Wir haben auch berechtigt Sorge, daß eine Teilöffnung des Systems bereits der erste Schritt in Richtung völliger Niederlassungsfreiheit wäre und sprechen uns in dem Zusammenhang für Zurückhaltung gegenüber irreversiblen verfassungsrechtlichen 'Experimenten' in funktionierenden Rechtsbereichen aus, wenn absehbar und belegbar ist, daß die Liberalisierung gravierende Nachteile mit sich bringt.

Die Streichung der Prüfung der Lebensfähigkeit bzw. des Versorgungspotentials neu zu errichtender Apotheken im Sinne des Eventualantrages betreffe insgesamt auch entscheidend die ärztlichen Hausapotheken, indem vermehrt auch Apothekeneröffnungen in bisher von Hausapotheken versorgten Orten erfolgten, soferne gleichzeitig die bestehende Rechtslage des §29 Apothekengesetz - für die Apotheker eine berufspolitische conditio sine qua non - aufrechterhaltbar ist. Demnach ist die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Kilometer nicht überschreitet.

Die Österreichische Ärztekammer hat allerdings bereits angekündigt, für den Fall der Liberalisierung die Berechtigung für alle niedergelassenen Ärzte, Arzneimittel abzugeben, zu fordern (Österreichische Ärztezeitung vom 10. März 1997, 16; APA-Aussendung, wiedergegeben in verschiedenen Tageszeitungen). Aus guten sachlichen und gesundheitspolitisch entscheidenden Gründen gehen wir davon aus, daß der Gesetzgeber einer medialen und politischen Mobilmachung der Ärzteschaft in diese Richtung nicht stattgeben und die Dispensierfreiheit der Ärzte nicht normieren wird. Ausschließbar ist es allerdings nicht.

Den Einwänden des VwGH hinsichtlich der Probleme der Ermittlungsaufgaben bei der Bedarfsprüfung ist entgegenzuhalten, daß eine Streichung der Prüfung der Personenanzahl für die neu zu errichtende Apotheke keine Verfahrenserleichterung zur Folge hätte. Auch schon die Prüfung des den bestehenden Apotheken verbleibenden Versorgungspotentials verlangt eine Abgrenzung und Zuordnung der zu versorgenden Personen, also ein Ermittlungsverfahren, das dem derzeitigen entspricht.

Den Ausführungen des VwGH unter 5.3., daß die Gründung wirtschaftlich nicht auf Dauerlebensfähiger Apothekenunternehmen kein Umstand ist, der geeignet wäre, die Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu gefährden, weil nach dem Ausscheiden des nicht lebensfähigen Unternehmens aus dem Markt dessen Versorgungsaufgabe wieder von den anderen Apotheken übernommenen würde, ist wenig abzugewinnen.

Die 'Fehlgründung' wird ihre öffentlichen Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllen können und werden angesichts der 'Überlebensprobleme' in Teilbereichen jene unter VII. aufgelisteten, gesundheitspolitischen Negativa auftreten.

Wir halten somit auch die Bestimmung des §10 Abs2 Z. 1 ApG als im öffentlichen Interesse gelegen, als ein taugliches und adäquates Mittel zur Zielerreichung; als nicht verfassungsrechtlich bedenklich.

In den beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fällen ist es nach hierortiger Auffassung überall möglich, im Wege einer verfassungskonformen Interpretation des §10 Apothekengesetz, verfassungswidrige Grundrechtseingriffe zu vermeiden.

Zusammenfassung

Die Stellungnahme versucht, die enorme Tragweite der Auswirkungen einer Niederlassungsfreiheit wiederzugeben. Sie versucht, die Bedeutung der bedarfsgerechten Apothekenneuerrichtung innerhalb des Gesamtsystemes der österreichischen Arzneimittelversorgung aufzuzeigen.

Der eminenten gesundheitspolitischen Bedeutung der geordneten Arzneimittelversorgung, deren öffentliches Interesse außer Zweifel steht, wird das bestehende System des Apothekengesetzes am besten gerecht.

Die Bedarfsprüfung erfüllt dabei entscheidende Funktionen zur Sicherung einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung durch Apotheken und ärztliche Hausapotheken.

Um dem Versorgungsauftrag mit der Fülle an Verpflichtungen (Betriebspflicht, Kontrahierungszwang, Bereitschaftsdienst etc.) auf Dauer nachkommen zu können, ist ein gesetzlicher Rahmen des Umfanges des §10 ApG verlangt, welcher die Lebensfähigkeit aller Apothekenunternehmen gewährleisten kann.

Die gesetzlichen Aufgaben sind bei Apotheken weiter gefaßt als bei gewerblichen Unternehmen, welche Bedarfsregelungen kennen (§§108, 130 Gewerbeordnung 1994), das geschätzte Rechtsgut ist höherrangig.

Die Bedarfsprüfung ist ein taugliches Instrument der Sicherung einer ausgewogenen Verteilung der Apotheken und ärztlichen Hausapotheken und der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung in der bestehenden Qualität (Einsatz von Apothekern, umfassendes Arzneimittellager, magistrale Arzneimittelherstellung etc.).

Der angestrebte Zweck, die Erhaltung des österreichischen Arzneimittelversorgungssystemes in der bisherigen Qualität, kann mit der Alternative einer ungeregelten Apothekenniederlassung nicht erreicht werden. Die aufgezeigten, in Ländern mit Niederlassungsfreiheit beobachteten, negativen Auswirkungen der uferlosen Apothekenvermehrung, ohne daß dadurch die Flächendeckung erreicht wird, die Zunahme des Arzneimittelverbrauchs, der Anstieg der öffentlichen Gesundheitsausgaben, die zu erwartende Verschlechterung der Nahversorgung etc. erhärten die Einschätzung, daß die Bedarfsprüfung ein adäquates Mittel des Berufszuganges darstellt.

Die EG-rechtliche Unbedenklichkeit wurde belegt.

Auch der Pharmazeutische Reichsverband für Österreich, die kollektivvertragliche freiwillige Interessenvertretung der angestellten Apotheker, setzt sich für die Bedarfsregelung ein ('Pharmazie Sozial' 1997, 8).

Die Österreichische Apothekerkammer spricht sich sowohl aus der Sicht der selbständigen Apotheker als auch aus der Sicht der angestellten Apotheker - ersichtlich auch aus der Rechtfertigung dieser Stellungnahme durch den Obmann der Abteilung der angestellten Apotheker - aus guten Gründen für eine Beibehaltung des bestehenden Systems der Arzneimittelversorgung in Österreich aus und sieht die Anträge des Verwaltungsgerichtshofes als nicht ausreichend begründet an."

4. Auch die Österreichische Ärztekammer tritt dafür ein, die bekämpften Stellen des ApG nicht als verfassungswidrig aufzuheben:

"Die Österreichische Ärztekammer tritt dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes, in §10 Apothekengesetz im Abs1 die Wortfolge 'und 2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.' und die Abs2 bis 7 als verfassungswidrig aufzuheben, ebenso entgegen, wie dem Eventualantrag, §10 Abs2 Z1 und den Abs3 sowie im Abs5 die Wortfolge '3. oder' als verfassungswidrig aufzuheben.

Die angegriffenen Bestimmungen sind bei verfassungskonformer Auslegung durchaus geeignet, den Wesensgehalt des Grundrechtes der Erwerbsausübungsfreiheit nur so weit zu beschränken, als dies durch das öffentliche Interesse geboten ist. Auch die von der jüngeren Judikatur des Verfassungsgerichtshofes entwickelten Grundsätze, wonach eine Beschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit nur zulässig sei, wenn sie neben dem vorliegenden öffentlichen Interesse auch zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist, werden nach ho. Auffassung erfüllt.

Dazu erlauben wir uns folgendes auszuführen:

Durch die Apothekengesetznovelle 1990 wurde die bis dahin bestehende und ebenfalls als verfassungskonform angesehene Existenzgefährdungsprüfung anhand eines voraussichtlichen Umsatzverlustes bestehender öffentlicher Apotheken und anhand branchenspezifischer Kennzahlen, ersetzt. Die diesbezügliche Absicht des Gesetzgebers lag in einer weiteren Objektivierung des Konzessionserteilungsverfahrens, sowohl hinsichtlich der positiven Bedarfsvoraussetzungen, als auch der Existenzgefährdungsprüfung im Rahmen eines Gesamtsystems, welches auch eine ausgewogene Verteilung öffentlicher Apotheken zum Ziel hatte. Die in §10 genannte Zahl von 5.500 zu versorgenden Personen wurde dabei nicht willkürlich gewählt, es lagen ihr vielmehr konkrete Berechnungen zugrunde, nach deren Maßgabe sowohl neu zu errichtende, als auch bestehende Apotheken ihren Betrieb nach objektiv-rationellen Gesichtspunkten aufrechterhalten können.

Österreich befindet sich mit dieser Regelung in bester europäischer Gesellschaft, da geographische bzw. demographische Anknüpfungspunkte in allen anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union für eine Neuerrichtung von Apotheken vorgesehen sind, darüber hinaus aber auch bei der Mehrzahl der Mitgliedsstaaten auf den Bedarf nach Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke abgestellt wird. Eine solche Regelung ist auch EU-rechtlich unbedenklich, da die Europäische Union es den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen hat, die Niederlassungsregeln und die Regelung des Abgabemonopols für Arzneimittel innerstaatlich festzulegen.

In einer vor kurzem veröffentlichten Betrachtung der Verfassungsmäßigkeit des österreichischen Apothekenerrichtungssystems in der Österreichischen Apothekerzeitung wird darauf hingewiesen, daß eine ex post Betrachtung der Neubewilligung öffentlicher Apotheken im letzten Jahrzehnt praktisch in allen Fällen eine bedarfsgerechte Errichtung ergab. D.h., daß die angegriffenen Bestimmungen des Apothekengesetzes durchaus geeignet sind, die Existenzsicherung bestehender, wie auch neu zu errichtender Apotheken zu gewährleisten. Neben diesen positiv zu bewertenden Auswirkungen ist es durch die Bedarfsregelung des Apothekengesetzes gelungen, daß von der Intention des Gesetzgebers mitumfaßte Ziel des klaglosen Funktionierens der Heilmittelversorgung der österreichischen Bevölkerung im ganzen Bundesgebiet zu sichern. Mit den gegebenen Zulassungsvoraussetzungen wird entweder direkt, oder indirekt, jedenfalls aber äußerst effizient erreicht, daß öffentliche Apotheken und ärztliche Hausapotheken tatsächlich nur in Regionen geschaffen werden, in denen bisher noch keine ausreichende Arzneimittelversorgung besteht.

In der Konzentration der Argumentation des Verwaltungsgerichtshofes auf wirtschaftliche Erfolgsaussichten bestehender wie neu zu errichtender Apotheken kommt die Betrachtung der Auswirkungen auf die Heilmittelversorgung der Bevölkerung, welche bei Aufhebung der derzeitigen Regelung zu befürchten wäre, naturgemäß zu kurz. Gänzlich unerwähnt in den Betrachtungen des Verwaltungsgerichtshofes bleibt zunächst der überaus enge Konnex der Anforderungen, welche an Apotheken gestellt werden, im Zusammenhang mit sämtlichen ärztlichen Tätigkeitsbereichen. Da eine ärztliche Therapie in der überwiegenden Anzahl der Fälle unmittelbar mit der Verabreichung von Medikamenten verbunden ist, kann die Betrachtung von Arzneimittelabgabestellen nicht nur im Hinblick auf selbstreglementierende Marktfaktoren erfolgen, sondern ist stets auch der direkte Bezug zu den Gesundheitsbedürfnissen der Bevölkerung herzustellen.

Auch der Verwaltungsgerichtshof bezweifelt nicht (3.2.), daß - unter dem Gesichtspunkt der Volksgesundheit - ein besonders wichtiges öffentliches Interesse am klaglosen Funktionieren der Heilmittelversorgung der Bevölkerung besteht und das Ziel jeder diesbezüglichen Regelung sein muß, die benötigten Arzneimittel in einwandfreier Beschaffenheit rasch, überall, jederzeit und zu erschwinglichen Preisen für den Patienten verfügbar zu machen. Dem Verwaltungsgerichtshof ist auch im weiteren zu folgen, daß kein Grundsatz bestehe, wonach für die Volksgesundheit bedeutende freie Berufe nur in einer durch Eingriffe in die Erwerbsfreiheit geschätzten Sphäre ordnungsgemäß und in einer dem Gemeinwohl Rechnung tragenden Weise ausgeübt werden könnten. Die darauffolgende Bezugnahme auf die Berufsausübung der Ärzte kann jedoch in dieser Allgemeinheit nicht vorgenommen werden, da die österreichischen Sozialversicherungsgesetze Bestimmungen über die Invertragnahme von Ärzten enthalten und in diesem Zusammenhalt sehr wohl eine Bedarfssteuerung und eine geographische Verteilung ärztlicher Niederlassungen bewirkt wird. Eine vergleichsweise Regelung der Apothekenzulassung im ASVG läßt sich jedoch nicht vornehmen, da es nicht gewünscht sein kann, daß sich die Patienten Österreichs zukünftig darauf umzustellen hätten, (wie in Großbritannien) für den Bezug von Arzneimitteln auf Rechnung der Krankenversicherungsträger nur bestimmte 'Vertrags'-Apotheken aufsuchen zu dürfen, während andere öffentliche Apotheken nur gegen private Geldleistung in Anspruch genommen werden können.

Die im Verfassungsgerichtshoferkenntnis vom 6.3.1990, B802/89, betreffend das Rauchfangkehrergewerbe ausgeführten Grundsätze zur Rechtfertigung gesetzlicher Regelungen, die in die Erwerbsfreiheit eingreifen, treffen genauso auf die Berufsausübung selbständiger Apotheker zu. So umfaßt die Heilmittelversorgung zunächst das Ziel, bestimmten Gefahren für Leben und Gesundheit zu begegnen, womit auch relativ starke Beeinträchtigungen der Erwerbsfreiheit als zulässig erachtet werden. Auch die Apotheken sind durch Betriebspflicht und Kontrahierungszwang öffentlich in Pflicht genommen und erscheint es sohin gerechtfertigt, die Erwerbsfreiheit neuer Bewerber im Interesse des Schutzes bestehender Apotheken und der von ihnen betreuten Bevölkerungsanteile einzuschränken, wobei das bestehende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit der Apotheken auch deren Schutz vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten rechtfertigt. Beim wirtschaftlichen Zusammenbruch eines Apothekenunternehmens könnte es ebenso zu einer Situation kommen, in der die genannten öffentlichen Interessen - zumindest zeitweise - gefährdet wären. Auch bei Apothekern ist es nicht ausgeschlossen, daß im Falle eines uneingeschränkten Wettbewerbs (Apothekenpreise sind Höchstpreise) eine freie Konkurrenz zu Lasten der gewissenhaften Besorgung apothekenrechtlicher und arzneimittelrechtlicher Aufgaben durch die Apotheker gehen könnte, wodurch öffentliche Interessen ebenfalls gravierend beeinträchtigt würden.

Durch die behördliche Preisregelung sämtlicher Produktions- und Distributionsstufen der Arzneimittel besteht auch keine Gefahr eines Mißbrauchs der monopolähnlichen Stellung bestehender Apotheken.

Der Verfassungsgerichtshof führt in seiner Entscheidung vom 7.3.1985, B251/83, aus, daß unter dem Ziel des klaglosen Funktionierens der Heilmittelversorgung der Bevölkerung es an sich gerechtfertigt sei, zur Erreichung dieses Zieles die infolge Errichtung neuer Apotheken mögliche Existenzgefährdung bestehender Apotheken zu berücksichtigen, da die bestehende Apotheke sonst ihrer Betriebspflicht allenfalls nicht ordnungsgemäß nachkommen könnte. Unter den Kautelen, daß der sachliche Grund, auf die mögliche Existenzgefährdung bestehender Apotheken Bedacht zu nehmen, ausschließlich in der Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten liegt, sieht der Verfassungsgerichtshof in der genannten Entscheidung explizit das Erfordernis eines angemessenen Ertrages, um bei pharmazeutisch ordnungsgemäßer und wirtschaftlich rationeller Betriebsführung das Bestehen einer Apotheke zu sichern.

Deshalb erscheint es verwunderlich, daß für den Verwaltungsgerichtshof die wirtschaftlichen Belastungen nicht erkennbar sind, die aus öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen resultieren (3.2.). Tatsächlich besteht beim Betrieb von Apotheken eine derartige Regelungsdichte, wie sie bei kaum einem anderen freien Beruf in Österreich gegeben ist; beispielhaft zu nennen wären hier Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes, des Rezeptpflichtgesetzes, der Apothekenbetriebsordnung und des Apothekengesetzes selbst. Deren nähere Ausführung wurde hier zu weit führen. Herauszugreifen sind an dieser Stelle lediglich der bestehende Kontrahierungszwang und die Betriebspflicht inklusive eines allfälligen Dauerbereitschaftsdienstes rund um die Uhr sowie die Bestimmungen über die Genehmigung der Betriebsanlage und Einrichtung von Apotheken.

Kostenaufwendige und detaillierte - vom Umsatz und Ertrag jedoch unabhängige - Bestimmungen hinsichtlich der Größe und Ausgestaltung der Räumlichkeiten sowie deren Ausstattung, Verpflichtungen zur Lagerhaltung sowie über die normale Geschäftszeiten hinausgehende Öffnungszeiten sind kaufmännnischwirtschaftliche Faktoren, die jedes Apothekenunternehmen, aber auch jede ärztliche Hausapotheke, gegenüber anderen Gewerbebetrieben ohne solche umfassenden Vorschriften deutlich belasten. Durch die bereits oben erwähnte Preisregelung ist in ganz Österreich, unabhängig von regionalen Gegebenheiten, in öffentlichem Interesse gewährleistet, daß keine finanzielle Benachteiligung von Bewohnern ländlicher Gebiete entsteht. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch, daß Apotheken und ärztliche Hausapotheken in bestimmten Situationen eine betriebswirtschaftliche Kalkulation ihrer Preise von Gesetzes wegen verwehrt ist.

Nicht zuletzt bleibt durch die derzeit bestehenden Existenzsicherungsmaßnahmen die Möglichkeit, auch preislich uninteressante Waren zu vertreiben, bzw. Beratungsleistungen zu erbringen, was bei einer rein wirtschaftlich orientierten Gebarung nicht möglich wäre. Auch die Anfertigung bestimmter magistraler Zubereitungen oder Abgabe bestimmter Arzneimittel ist betriebswirtschaftlich nicht immer kostendeckend. Entsprechende Kostenbelastungen können jedoch wegen der gesetzlich geregelten Höchstpreise nicht im Rahmen von betriebswirtschaftlich gerechtfertigten Kalkulationen auf den Verbraucher überwälzt werden.

Die rein auf wirtschaftliche Gegebenheiten abstellende Betrachtung des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Antrag (3.2.1.), zeigt sich auch im Zitat des Bundesverfassungsgerichtshofurteils vom 11.6.1958, in dem auf die Fähigkeit des wirtschaftstreibenden Apothekers abgestellt wird, die Chancen einer Geschäftsgründung richtig zu beurteilen. Auch nach ho. Auffassung ist weder Pharmazeuten, noch Ärzten die zitierte 'Wirtschaftsblindheit' zu unterstellen. Die Bedarfsregelung hat jedoch nicht den ausschließlichen Zweck, gründungswillige Apotheker vor wirtschaftlichem Ruin zu bewahren. Tatsächlich zeigt die Realität in Österreich, daß in derzeit gut existenzfähigen Apotheken eine weitaus größere Anzahl Pharmazeuten beschäftigt werden kann, als die auf den ersten Blick klein anmutende Anzahl bestehender Apotheken vermuten ließe. Im Falle der unbeschränkten Eröffnung neuer Apotheken ist, wie auch die Erfahrungen in Deutschland gezeigt haben, zunächst mit einer dichteren Belegung wirtschaftlich erfolgversprechender Standorte zu rechnen. An diesen Orten bestehende und gut fluktuierende Apotheken müßten den folgenden Konkurrenzdruck mit einer Freisetzung angestellter Pharmazeuten beantworten, wodurch sich die Niederlassungswilligkeit berufsberechtigter Pharmazeuten zusätzlich verstärken würde. Ein durch die Behebung der Bedarfsprüfung erzielbarer Beschäftigungseffekt würde sich dadurch bereits mittelfristig ins Gegenteil verkehren.

Im übrigen bestehen nach unserer Ansicht sehr wohl Unterschiede zu den maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen und Rahmenbedingungen, von denen das deutsche Bundesverfassungsgericht im Jahr 1958 ausging. Insbesondere geographische und demographische Gegebenheiten bedingen in Österreich einen etwa 50 % -igen Anteil ärztlicher Hausapotheken an der Anzahl der Arzneimittelabgabestellen. Die ärztlichen Hausapotheken bilden entsprechend den regionalen Beschaffenheiten auch in anderen europäischen Ländern einen wesentlichen Versorgungsfaktor, wofür besonders die Schweiz und Irland als treffende Beispiele zu nennen sind. Eine lediglich auf die Niederlassungsfreiheit selbständiger Apotheker in der geographischen und demographischen Struktur Deutschlands konzentrierte Betrachtungsweise ist daher auf Österreich nicht direkt übertragbar. An dieser Stelle wird auch darauf hingewiesen, daß die regionale Versorgung in Österreich vorbildhaft ist und gegenüber Deutschland eine bessere Flächendeckung in ländlichen Gebieten erreicht werden konnte.

Auch nach ho. Auffassung besteht zwar kaum Gefahr, daß sich kapitalkräftige Unternehmen eine überregional bedeutende, marktbeherrschende Stellung sichern könnten (3.2.2. und 5.1.2.), sondern vielmehr die Sorge, daß sich die aus den bestehenden öffentlichen Apotheken freigesetzten Pharmazeuten und ganz besonders auch solche aus dem EU-Raum verstärkt um die Errichtung einer neuen Apotheke in Österreich bemühen werden. Somit ist die Gefahr eines Verdrängungswettbewerbs durchaus gegeben, welcher letztlich auch mit marktwirtschaftlichen Mitteln geführt werden muß, was sich zunächst in einer deutlichen Erhöhung von Ausgaben für Werbung und sonstige kundenlockende Maßnahmen niederschlagen wird.

In 3.2.3. kann der Verwaltungsgerichtshof nicht sehen, daß das System des §10 Apothekengesetz unter dem Gesichtspunkt einer flächendeckenden Heilmittelversorgung geboten wäre. Angesichts der genannten 'großen Anzahl von Pharmazeuten, die eine Untemehmensgründung anstreben' erscheint es doch verwunderlich, daß es nach wie vor Regionen gibt, in denen auch auf derzeitiger gesetzlicher Basis die Eröffnung einer neuen öffentlichen Apotheke möglich wäre, aber offenbar aus wirtschaftlichen Gründen nicht so erstrebenswert erscheint. Nach ho. Auffassung liegen daher sogar gewichtige Gründe für die Annahme vor, daß die Bedarfsprüfung notwendig sei, um Apotheker von der Niederlassung in Ballungsräumen abzuhalten und sie 'auf das Land zu zwingen'. Die im Anschluß gestellte Schlußfolgerung, wonach 'das öffentliche Interesse an einer klaglosen Heilmittelversorgung der Bevölkerung es nicht gebietet, die Gründung neuer Apothekenunternehmen vom Bestehen eines Bedarfs abhängig zu machen', kann der Verwaltungsgerichtshof nur deshalb treffen, weil nach jahrelangem Bestehen der Bedarfsregelung durch das sehr wirksame Zusammenspiel von öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken der optimale Arzneimittelzugang für die Bevölkerung weitgehend sichergestellt ist.

Zu den Ausführungen in 3.4. des Verwaltungsgerichtshofantrags erlaubt sich die Österreichische Ärztekammer darauf hinzuweisen, daß die Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich des zuzurechnenden Versorgungspotentials und des Fehlens von statistischen Daten an den Problemen der Vollziehung nicht ganz unbeteiligt ist. Dazu wird auf die Glossen von Helmut Schwamberger zu den Erkenntnissen VwGH 91/10/0257 und 93/10/0056 verwiesen. In diesen und einigen anderen Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der zu versorgenden Bewohner stets genaueste Analysen und Ermittlungen verlangt, teilweise auch die Anwendung von Methoden der empirischen Sozialforschung. Gerade eine solche überspitzte Interpretation der Bedarfsbestimmungen des Apothekengesetzes führte zu einer überlangen Dauer der Verfahren und wurden so manche Antragsteller geradezu verleitet, in den Auslegungen des Verwaltungsgerichtshofes auch einen für ihre Bedürfnisse geeigneten Angriffspunkt zu suchen und zu finden. Nach ho. Auffassung besteht bei einem vernünftigen Maß und Gebrauch eines zuzubilligenden Ermessens im Rahmen der jetzigen Regelung für die beteiligten Verwaltungsbehörden durchaus die Möglichkeit, vorgebrachte Anträge und Einsprüche richtig zu gewichten und zuzuordnen.

Im Rahmen dieser Stellungnahme wurde bereits mehrfach auf die Bedeutung der ärztlichen Hausapotheken für die dezentrale Versorgung der Bevölkerung hingewiesen. In 5.1.5. wischt der Verwaltungsgerichtshof in einem einzigen Absatz (!) die mit der angegriffenen Vorschrift des Apothekengesetzes einhergehende Reflexwirkung auf den Bestand ärztlicher Hausapotheken beiseite. Die 1967 vom Verfassungsgerichtshof ausgesprochene und seither viel strapazierte 'Subsidiarität' der ärztlichen Hausapotheken mag zwar in der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers gelegen haben, in der Realität kann jedoch nach ho. Auffassung angesichts von 980 bestehenden ärztlichen Hausapotheken nicht von einem 'untergeordneten Mittel zur Heilmittelversorgung der Bevölkerung' gesprochen werden. Die massiven Auswirkungen einer Behebung der angegriffenen Apothekenbedarfsregelung auf ärztliche Hausapotheken finden in den Überlegungen des Verwaltungsgerichtshofes jedoch keinerlei Raum, so daß dazu auszuführen ist, daß die Etablierung öffentlicher Apotheken in den wirtschaftlich noch interessanten ländlichen Gebieten die sofortige Schließung vorhandener ärztlicher Hausapotheken aufgrund der weiterbestehenden Bestimmungen des §29 Abs4 Apothekengesetz zur Folge hätte.

Durch die Auflassung von ärztlichen Hausapotheken werden die niedergelassenen Ärzte nur noch mit dem standardmäßigen Notapparat ausgerüstet sein, was bedeutet, daß für bettlägerige Patienten und Senioren sowie solche Personen, die kein Privatauto besitzen, die Besorgung der notwendigen Arzneimittel unmöglich oder zumindest mit erheblichen Erschwernissen verbunden ist, zumal auch in vielen Talschaften die Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen den Gemeinden mangelhaft ist. Die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln könnte bei einer derartigen Entwicklung keineswegs als ausreichend angesehen werden.

Die Einrichtung einer ärztlichen Hausapotheke ist mit hohen Investitionskosten - allein schon wegen der sanitäts - und baupolizeilichen Auflagen - verbunden, weshalb die Einstellung der ärztlichen Hausapotheken für viele hausapothekenführende Ärzte empfindliche wirtschaftliche Nachteile mit entsprechenden Konsequenzen für die ärztliche Praxis an sich bedeuten würde. In manchen Talschaften wird darüber hinaus auch 'aufgrund der geographischen Lage (Streusiedlungen) die Existenz der ärztlichen Praxen gefährdet, da es bei Neugründung einer öffentlichen Apotheke innerhalb von 4 Straßenkilometern zu einer Schließung aller ärztlichen Hausapotheken kommen würde und bei kleinen Praxisstrukturen nur die hauptsächlich im Apothekenstandort situierten Arztpraxen von den Patienten aufgesucht würden (Arztbesuch im Zusammenhang mit notwendiger Medikamentenbesorgung).

Eine Behebung der Bedarfsprüfung für Apotheken ist daher ohne eine weitergehende Anpassung der mitbetroffenen Bestimmungen für ärztliche Hausapotheken undenkbar. Die aufgezeigten Ergebnisse könnten nach ho. Ansicht nur durch ein allgemeines Dispensierrecht für niedergelassene Ärzte hintangehalten werden.

Zusammenfassend vertritt die Österreichische Ärztekammer die Auffassung, daß eine Behebung der Bedarfsprüfung des §10 Apothekengesetzes, sowohl im Umfang des Hauptantrages, wie auch im Umfang des Eventualantrages des Verwaltungsgerichtshofes bedeuten würde, die ordnungsgemäße Heilmittelversorgung durch eine Niederlassungsfreiheit für öffentliche Apotheken zu beeinträchtigen oder gar zu gefährden. Angesichts der Folgewirkung auf ärztliche Hausapotheken sind die mitbedingten Verschlechterungen der medizinischen Versorgung der Bevölkerung jedenfalls schon heute absehbar."

5. Der "Pharmazeutische Reichsverband für Österreich, Organisation der angestellten Apotheker Österreichs" gab - unaufgefordert - eine mit 28. Mai 1997 datierte Stellungnahme ab. Darin berichtigt er insbesondere die von der Österreichischen Apothekerkammer erstattete Äußerung (s.o. III. 3):

"In der Stellungnahme der Apothekerkammer wird auf Seite 45 mit einem Zitat ('pharmazie sozial' Seite 8; Nr. 1/97; ...) unsere Organisation vereinnahmt und 'unsere Haltung zur Bedarfsprüfung nach Apothekengesetz' undifferenziert, aber auch unrichtig dargestellt. Dies bedarf der Korrektur.

I. Einleitung

Wir differenzieren stärker, als die Stellungnahme der Kammer erscheinen läßt, und besitzen zu dieser Materie heute noch geltende Beschlüsse der gesamten Organisation der angestellten Apotheker. Derzeit sind Listenführer von einzelnen Namenslisten in den Funktionen der Apothekerkammer auf Seite der Angestellten tätig, die keine organisierte Basis und darauf aufbauende verbindliche Beschlüsse haben.

Insbesondere hat unsere Organisation bereits bei den Vorberatungen zu den Novellen des ApoG ab 1981 innerhalb der Apothekerkammer (Rechts- und sozialpolitischer Fachausschuß und Organsitzungen) besonders gegen

  1. die doppelt negative Formulierung des Bedarfes nach Apothekenrecht und die zu kausale Regelung 5.500 Personen, im 4km-Kreis und 500 m Abstand

und

  1. die Einflußnahme eines Nachbarn (Apotheker oder hausapothekenführender Arzt) durch die Parteistellung auf die Niederlassungsbestrebungen eines anderen

    Bewerbers

votiert. Unsere Vorstellungen wurden trotz Mehrheit der angestellten Apotheker unter den Mitgliedern der Apothekerkammer nicht wirklich berücksichtigt.

Wir wollten ein behördliches Verfahren (zu den Bedarfsbeurteilungskriterien siehe unten) allein zwischen Neukonzessionswerber und Zulassungsbehörde, bei dem ab einer bestimmten Situation (Bedarf an einer Apotheke und Schutz der bestehenden) jedenfalls eine Konzession vergeben wird.

Dies erschien uns einerseits für die niederlassungswilligen angestellten Apothekerinnen und Apotheker gerechtfertigt - auch im Hinblick auf die bestehende Apotheke - und andererseits wird ein solches Verfahren auch dem Grundsatz der Erwerbsfreiheit besser gerecht. Dem öffentlichen Interesse an einer Arzneimittelversorgung steht uAn auch das öffentliche Interesse an einer möglichen Ausübung der Erwerbsfreiheit zur Seite, weil sich beide Interessen im Gesetzesvorbehalt zu Art6 StGG treffen.

Wir halten die Idee einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch die Österreichischen Apotheker für absolut vorrangig. Damit begründen wir unsere Akzeptanz eines bedarfsorientierten Systems der Niederlassung im Apothekengesetz. Eigentlich sollte dieses Apothekergesetz heißen, weil diese die Garanten der sicheren und jederzeitigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sind.

Durch viele regional gestreute Neuerrichtungen von Apotheken im Laufe der letzten Jahrzehnte - mit Ausnahme von einzelnen Gebieten, die durch Ärzte mit Abgabeerlaubnis versorgt sind - ist diese Flächendeckung uAn gegeben. Sie wurde ohne Dirigismus aufgrund freiwilliger Ortswahl niederlassungswilliger ApothekerInnen erreicht.

II. Rechtliche Ausführungen

Das öffentliche Interesse an der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch Apotheker (vorbehaltene Tätigkeiten und Waren) im rechtlichen Sinne (als Grund für die Beschränkung des Art6 StGG durch das ApoG) ist aber weit entfernt vom (wirtschaftlichen) Interesse des Nachbarapothekers oder arzneimittelabgebenden Arztes, der einen Einspruch erheben kann. Hier wird rechtlich ermöglicht, das öffentliche Interesse 'vor den eigenen Wagen zu spannen' und den durch das Grundrecht geschützten bzw zu schützenden Bewerber zu behindern.

Die Parteistellung nach §48 Abs2 ApoG des anderen

(eigentlich Konkurrenten) ist uEn nicht mehr durch das öffentliche Interesse gedeckt, fußt nicht auf einem rechtlichen Interesse und wird nicht zu Gunsten des Bewerbers um eine Konzession, also im Sinne des Grundrechtes des Art6 StGG, eingesetzt. Es liegt nämlich im (wirtschaftlichen) individuellen Interesse des Einsprechenden, daß die Versorgung - auch des benachbarten Gebietes - nur durch ihn erfolgt. Seine Rechtsstellung als Konzessionär oder niedergelassener Arzt wird ja durch die Vergabe einer neuen Konzession zur Versorgung zusätzlicher Personen nicht berührt!

Außerdem dürfen wir mitteilen, daß Fälle beschrieben werden, in denen das aus der Parteistellung erfließende Recht, am Verfahren (verlängernd/verzögernd) mitzuwirken, entgeltlich abgelöst wird, indem der Neukonzessionär gewisse Zeit eine am Umsatz orientierte Summe bezahlt und im Gegenzug der bestehende Betrieb keine Berufung oder Beschwerde erhebt.

Die Einräumung eines Parteirechtes im Verfahren eines Neukonzessionärs - primär zur finanziellen Sicherung des bestehenden Unternehmens - mit der Argumentation, dies liege im öffentlichen Interesse der Arzneimittelversorgung, wird von uns abgelehnt, weil es wie ein Kontrollrecht über das Verfahren des Neukonzessionärs mit der Gesundheitsbehörde ausgeübt werden kann und vielfach wird. Es ist nämlich nicht abwehrend konstruiert und auf die eigene rechtliche Position der bestehenden Apotheke (die Apothekenkonzession) beschränkt. Es erlaubt auch einen Einspruch gegen die Feststellung des Bedarfes an der neuen Apotheke, ohne in einer Rechtsposition betroffen zu sein.

Zusätzlich kann es auch als Steuerungsrecht zur Auswahl des neuen Nachbarn verwendet werden, indem gegen das Neuansuchen ein Einspruch erhoben wird. In praxi wird von einer anderen (eventuell vergesellschafteten) Person ebenfalls ein Neuansuchen abgegeben, gegen das nicht eingesprochen wird. Weiters ist es kein Geheimnis, daß Konzessionsverfahren zwischen 3 und 8 Jahre dauern und dadurch der Neukonzessionswerber zur finanziellen Ablöse durch die Gründungskosten 'gezwungen' wird. Schließlich muß er seit der Novelle die Innehabung einer Betriebsstätte glaubhaft machen und daher wirtschaftlich sichern (Mietkosten!), eine unzulässige (finanzielle) Behinderung der Erwerbsfreiheit.

Seine Chance auf Niederlassung ist sowieso schon durch eine doppelt negative Bedarfsbeurteilung erschwert, wie der VwGH zutreffend festhält. Dem Art6 StGG und dem damit verfolgten Zweck der freien Erwerbstätigkeit wäre eine positive Bedarfsbeurteilung: 'Ein Bedarf besteht, wenn 'Zahl' und 'Abstand' gegeben sind.' besser entsprechend. Sie wäre sachlich richtig und dem Grundrecht adäquat.

Unsere Vorstellung bei den Novellen zum Apothekengesetz ging davon aus, daß für eine Bedarfsfeststellung in einer generellen Norm keine fixen Zahlen und keine fixen km oder m zur Feststellung des Versorgungspotentials enthalten sein dürfen und sollen, um demo- oder geographische Gegebenheiten im einzelnen besser berücksichtigen zu können.

Im vorliegenden Fall, der zur Beschwerde führte, sind 4 km 'Polygonstrecke' zur Erfassung der zu versorgenden Personen völlig unsinnig, weil der Abstand zur nächsten Apotheke über 10 km beträgt. Diese Art der Regelung erscheint uns daher unsachlich. Sie geht auf einen Apotheker-Ärzte-Kompromiß zurück.

In einem dicht verbauten Gebiet mit hohen Häusern ist wiederum die Regelung des 500m-Abstandes nicht adäquat, weil ja dann der bedarfsgerecht neu zugelassene Konzessionär mit seiner Apotheke vom Zentrum des Bedarfes an den Rand gedrängt wird. Diese Regelung mit dem Abstand von 500 Metern zwischen den Betriebsstätten, der zuletzt auf die apothekenrechtlichen Standorte ausgedehnt wurde, kann unseres Erachtens überhaupt nicht mit einem öffentlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung begründet werden. Es bewirkt dies - abgesehen von der damit erzeugten Konkurrenzfreiheit für den bestehenden Betrieb innerhalb des gemeinsamen Bedarfsgebietes - eine krasse wirtschaftliche Benachteiligung für den Neukonzessionär in der Auswahl der günstigsten Betriebsstätte. Wir sehen hier den Gleichheitsgrundsatz berührt.

Die Parteistellung kann auch ausgenützt werden, wenn auf der grünen Wiese eine neue Wohnsiedlung mit zusätzlicher Bevölkerung gebaut wird und der Nachbar gar keine 'von ihm versorgten Personen verliert'. Dies ist ebenfalls unsachlich. Wir sehen in der Summe aller mit der Bedarfsfeststellung zusammenhängenden materiellen Regelungen des Apothekengesetzes eine mit dem Grundrecht auf Erwerbsfreiheit in Widerspruch stehende einfachgesetzliche Rechtslage.

Diese unsachliche Lage ist durch die Parteistellung des 'Konkurrenten' über das im öffentlichen Interesse liegende und mit dem Grundrecht noch zu vereinbarende Maß an Beschränkung der Erwerbsfreiheit hinaus besonders erschwert.

Dem Grundsatz der Erwerbsfreiheit widersprechend sehen wir:

  1. §10 Abs2 Apothekengesetz, der einen bestehenden

    Bedarf nicht positiv zugunsten des Neubewerbers

    formuliert.

  1. §48 Abs2 Apothekengesetz, der die Behörde

    auffordert, außenstehende Personen einzuladen, gegen den Bedarf an der neu zu errichtenden Apotheke,

    anstatt gegen ihre allfällige rechtliche

    Beeinträchtigung einzusprechen.

Wenn schon - wie der VwGH uEn richtig feststellt - der Gesetzgeber 1906 den niederlassungswilligen Apothekern in einer Zeit wesentlich geringerer Dichte und noch geringerer Motorisierung freigestellt hat, den gewünschten Ort der Niederlassung zu wählen, dann kann das behauptete Moment regionaler Steuerung der apothekenrechtlichen Bedarfsregelung heute bei höherer Dichte an Apotheken nicht mehr durchdringen. Damit ist auch eine Stellungnahme des Nachbarn, die sich auf die Arzneimittelversorgung allein beziehen sollte, entbehrlich.

Das einzige Anwendungsgebiet zur weiteren Flächendeckung wäre dann noch die Niederlassung in Konkurrenz zu hausapothekenführenden Ärzten. Dies entspräche genau dem Grundsatz des Apothekengesetzes, der den Apothekern den Vorrang in der Arzneimittelversorgung einräumt. Dieser die Erwerbsfreiheit der Apotheker begünstigende Grundsatz wurde aber durch eine Vereinbarung der beiden Kammern zu Lasten der Erwerbsfreiheit der Apotheker ('cordon sanitair') eingeschränkt.

Denn die Einspruchsmöglichkeit für eine Person (Arzt), die einen anderen Beruf ausübt, gegen die Erwerbsfreiheit der Apotheker, läßt sich uEn überhaupt nicht mit der durch Art6 StGG gewährleisteten Erwerbsfreiheit vereinbaren."

6. Die Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Zl. 96/10/0081 Mag. I S erstattete als beteiligte Partei im Gesetzesprüfungsverfahren G243/97 nachstehende Äußerung:

"I. Antrag des Verwaltungsgerichtshofes

.....

II. Begründung des Verwaltungsgerichtshofes

.....

III. Äußerung

....."

"3.1. Verfassungskonformität der Bedarfsprüfung

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinen Ausführungen über die Erwerbsfreiheit fälschlicherweise davon aus, daß sich der Gesetzgeber mit dem negativen Bedarfsmerkmal des Mindestversorgungspotentials der neuen Apotheke nur auf deren Existenzfähigkeitt bezieht. Tatsächlich bezieht sich dieses Bedarfsmerkmal jedoch auch und vor allem darauf, die einwandfreie Beschaffenheit und jederzeitige Verfügbarkeit von Heilmitteln der Bevölkerung durch bereits bestehende und neue Apotheken zu garantieren.

Bei Gefährdung der Existenzfähigkeit der neuen Apotheke ist davon auszugehen, daß die neuen Apotheken an den Lager- und Kühlkapazitäten und an der Qualität von Heilmitteln sparen würden, um deren Kosten möglichst niedrig zu halten. Außerdem würden neue Apotheken, deren wirtschaftliche Erfolgsaussichten negativ sind, durch über den Preis geführten Wettbewerb mit bereits bestehenden Apotheken jedenfalls bei nicht preisgebundenen Produkten, die in den Apotheken ebenfalls angeboten werden, die Existenzfähigkeit bereits bestehender Apotheken gefährden.

Das negative Bedarfsmerkmal des Mindestversorgungspotentials der neuen Apotheken bildet somit nur ein Element der Maßnahmen, die die Existenzfähigkeit der bereits bestehenden Apotheken sichern sollen. Eine derartige Maßnahme ist nicht nur - wie vom Verwaltungsgerichtshof selbst konzediert - im öffentlichen Interesse der Heilmittelversorgung der Bevölkerung gelegen, sondern, wie oben beschrieben, auch ein taugliches, adäquates und auch sonst sachgemäßes Mittel, die Existenzfähigkeit bereits bestehender Apotheken und somit die Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern.

Der Gesetzgeber ist kraft des dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung nach Art6 StGG beigefügten Gesetzesvorbehaltes ermächtigt, die Erwerbsausübungsfreiheit zu beschränken, wenn das öffentliche Interesse die Beschränkung gebietet, und wenn sie zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist (so die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, vgl. VfSlg. 13177 mit weiteren Nachweisen). Der Verfassungsgerichtshof hat ausgesprochen, daß die Verleihung einer Apothekenkonzession der Sache nach vom Vorliegen eines Bedarfes abhängig gemacht werden darf (13.12.1988, B1450/88).

Die allgemeinen Verweise des Verwaltungsgerichtshofs auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs über die Freiheit der Erwerbsausübung und deren Einschränkung sind als verfehlt anzusehen. Der Verwaltungsgerichtshof verweist nämlich durchwegs auf Entscheidungen, die sich etwa auf das öffentliche Interesse auf Wettbewerbsordnung (so VfSlg. 11558) oder ähnliche öffentliche Interessen beziehen.

Insbesondere ist der gegenständliche Fall von den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes betreffend Konzessionen für die Taxi-, Mietwagen- und Ausflugsgewerbe (VfSlg. 10932) und für das Güterbeförderungsgewerbe (VfSlg. 11483) zu differenzieren. In diesen Erkenntnissen wurde die Verfassungsmäßigkeit von Bedarfsprüfungen vom Verfassungsgerichtshof insbesondere deshalb verneint, weil Aspekte der Verkehrssicherheit nicht vermochten, die Notwendigkeit einer Bedarfsprüfung zu begründen. Die Verkehrssicherheit konnte in diesen Fällen auch durch andere Maßnahmen und Regelungen gewährleistet werden.

Dies ist bei der Heilmittelversorgung der Bevölkerung durch Apotheken jedoch nicht der Fall. Wie in Punkt 3.2 unten noch auszuführen sein wird, stellt gerade die unterschiedslose Eröffnung neuer Apotheken, deren Existenzfähigkeit nicht gegeben ist und die die Existenzfähigkeit bereits bestehender Apotheken gefährden, eine Gefahr für die Verkehrssicherheit, nämlich für die rasche Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ einwandfreien Heilmitteln, dar. Diese Gefahr der (wegen der hohen Kosten der Lagerhaltung) lückenhaften und zu langsamen Versorgung mit minderwertigen (billigeren) Heilmitteln kann auch durch keine andere Maßnahme oder Regelung als die Erhaltung der Existenzfähigkeit aller, also der bereits bestehenden und der neuen Apotheken gewährleistet werden.

Tatsächlich kann jedoch als vergleichbare Qualität eines öffentlichen Interesses lediglich die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit einer Bedarfsprüfung im Bestattungsgewerbe gesehen werden. Dies aus folgenden Gründen: Wie beim Bestattungsgewerbe sind bei Apotheken dem Wettbewerb natürliche Grenzen gesetzt. Wird beim Bestattungsgewerbe diese natürliche Grenze durch die Anzahl von Todesfällen gesetzt (VfSlg 11503), so sind für den Wettbewerb bei Apotheken die auftretenden Krankheitsfälle als natürliche Grenze anzusehen.

Der Verfassungsgerichtshof hat in der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Bedarfsprüfung im Bestattungsgewerbe seine Entscheidung, daß die Bedarfsprüfung verfassungsmäßig ist, im wesentlichen auf Gründe gestützt, die den in der gegenständlichen Frage maßgebenden Gründen entsprechen:

Das öffentliche Interesse an einer funktionierenden Heilmittelversorgung und damit an der Bekämpfung und Hintanhaltung von Krankheiten im Dienste der Volksgesundheit ist von einer wesentlich höheren Intensität als in den vom Verwaltungsgerichtshof zur Unterstützung seiner Ansicht herangezogenen Fällen. Die Heilmittelversorgung der Bevölkerung muß unter allen Umständen gewährleistet sein. Würden diese Leistungen nicht durch private Unternehmer erbracht, müßte die öffentliche Hand dafür vorsorgen.

Es liegt auch im öffentlichen Interesse Wettbewerbs,- Werbe- und sonstige Konkurrenzstrategien auf diesem Gebiet auszuschalten. Personen, die unter dem Einfluß oft schwerwiegender (psychischer und physischer) Krankheiten und Schmerzen stehen, sind in der Regel in einer auch psychisch belastenden Ausnahmesituation, die nicht aus Gewinnstreben ausgenützt werden sollte.

Aus den erwähnten Gründen steht eine möglicherweise bewirkte Monopolstellung des Unternehmens in einer sachlichen Beziehung zu den angestrebten Zielen. Ein Mißbrauch dieser Stellung ist weitgehend durch Preisregelungen ausgeschlossen.

Daher stellt bei den Apotheken - wie beim Bestattungsgewerbe - die Bedarfsprüfung ein geeignetes, adäquates und auch sonst sachlich gerechtfertigtes Mittel dar, um zu gewährleisten, daß die unverzichtbaren Leistungen in angemessener Weise erbracht werden.

Sollten sich dadurch im Einzelfall Härtefälle für Personen, die beabsichtigen eine neue Apotheke zu eröffnen, ergeben, so hindert dies (siehe dazu die Ausführungen unten in Punkt 3.3) nicht die sachgemäße, nicht gleichheitswidrige Natur der Bedarfsprüfung.

3.2 Qualität der Heilmittelversorgung

Der Verwaltungsgerichtshof übersieht bei seinen Ausführungen, daß die Heilmittelversorgung der Bevölkerung nicht in der Versorgung mit Heilmitteln schlechthin besteht. Vielmehr müssen die benötigten Heilmittel in einwandfreier Beschaffenheit, rasch, überall, jederzeit und zu erschwinglichen Preisen für den Konsumenten verfügbar sein (wie der Verwaltungsgerichtshof selber als Ziel der Regelung jeder Heilmittelversorgung der Bevölkerung ansieht; siehe dazu oben Punkt II.).

Gerade aber die Qualität und die rasche und jederzeitige Verfügbarkeit (die durch geeignete Personal-, Lager- und Kühlkapazitäten nur auf kostspielige Weise erreicht werden kann) sind jene wichtigen Faktoren, deren Aufrechterhaltung bei einem ohne Bedarfsprüfung zu erwartenden Verdrängungswettbewerb im Interesse einer Kostensenkung von den neuen Apotheken zuerst geopfert würden.

Als Folge der Aufhebung der Bedarfsprüfung wäre auch ein Wiederaufleben der Verbreitung der Hausapotheken zu erwarten. Wie die frühere Erfahrung mit dem System der Hausapotheken zeigt, stellt auch dies einen weiteren Faktor des Qualitätsverlustes der Heilmittelversorgung der Bevölkerung dar. Dieser weitere Qualitätsverlust wird sich kumulativ mit dem in diesem Punkt oben beschriebenen Qualitätsverlust durch Verdrängungswettbewerb und Sparmaßnahmen auswirken und die Heilmittelversorgung der Bevölkerung ernsthaft gefährden.

3.3. Härtefälle und Wirtschaftspolitik

Der Verwaltungsgerichtshof argumentiert wiederholt mit 'zahlreich an den Verwaltungsgerichtshof herangetragenen Fällen', und beruft sich insbesondere im Anlaßfall des Beschlusses vom 27. Jänner 1997 zur Zl. A5/97 darauf, daß ein Versorgungspotential von

5.342 Personen innerhalb der Entfernung von vier Straßenkilometern von der neuen Apotheke festgestellt werden konnte. Der Verwaltungsgerichtshof beanstandet, daß ein derartig geringfügiges Unterschreiten des Mindestversorgungspotentials die Erteilung einer Konzession nicht erlaube, obwohl keine Existenzgefährdung der benachbarten Apotheken eintreten könnte.

Obwohl dies im Einzelfall konkret betrachtet zutreffen mag, vermögen diese Einzelfälle, die nach dem Verwaltungsgerichtshof offensichtlich umfassend die Geeignetheit und Adäquanz der Bedarfsprüfung als Mittel zur Erreichung des angestrebten Zieles der Heilmittelversorgung der Bevölkerung (Verhältnismäßigkeit) in Frage stellen soll, nicht die Verfassungswidrigkeit der Bedarfsprüfung zu begründen.

Zulässig ist jedenfalls, daß der Gesetzgeber bei einer Regelung von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht und auf den Regelfall abstellt. Daß dabei Härtefälle, wie der Anlaßfall des Beschlusses vom 27. Jänner 1997 zur Zl. A5/97, in dem nur eine geringfügige Unterschreitung des Mindestversorgungspotentials von 5.500 Personen vorlag, entstehen können, machen Gesetze nicht gleichheitswidrig (Verfassungssammlung 3568, 7891, 8767, 8942; VfGH 25.9.1995, B1224/94).

Der Gesetzgeber schuf lediglich eine einfache und leicht handzuhabende Regelung und handelte keineswegs exzessiv in der Annahme eines Mindestversorgungspotentials von 5.500 Personen als Grenze für die Existenzfähigkeit einer neuen Apotheke. Härtefälle wie die Nichterteilung einer Apothekenkonzession bei einer nur geringfügigen Unterschreitung derartiger Grenzen vermögen dabei nicht die Verfassungswidrigkeit der Bedarfsprüfung zu begründen. Derartige 'Härtefälle' würden ohnehin in jedem Fall eintreten, egal ob das Mindestversorgungspotential bei 1.000, 5.500 oder 10.000 Personen gewählt würde.

Schließlich ist auf die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen, daß der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen hat, ob die Verfolgung eines Zieles etwa aus wirtschaftspolitischen oder sozialpolitischen Gründen zweckmäßig ist. Er kann dem Gesetzgeber nur entgegentreten, wenn dieser Ziele verfolgt, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen sind (VfSlg. 11503, 11558). Die Argumentation des Verwaltungsgerichtshofs - insbesondere soweit sie in diesem Punkt dargestellt wurde - stützt sich jedoch nur auf wirtschaftspolitische Bedenken. Das Vorliegen des öffentlichen Interesses wird vom Verwaltungsgerichtshof selbst bestätigt (siehe dazu die Ausführungen in Punkt 3.1 oben).

3.4 Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Im Gegensatz zur Ansicht des Verwaltungsgerichsthofs unterscheiden sich die maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse und Rahmenbedingungen, von denen das Bundesverfassungsgericht in seinem vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Urteil vom 11.6.1958 ausging, von jenen in Österreich grundlegend. Das Bundesverfassungsgericht kam in jenem Urteil zu dem Schluß, die vom Gesetzgeber bei der Niederlassungsfreiheit von Apothekern befürchteten Gefahren hätten nicht wo wahrscheinlich gemacht werden können, daß eine Absperrung qualifizierter Apotheker von der selbständigen Ausübung des Apothekerberufes - im Hinblick auf sonstige Regeln des Apotheken- und Arzneimittelrechtes, auf die der Verwaltungsgerichtshof nicht eingegangen ist - zulässig wäre.

Die deutsche Rechtslage unterscheidet sich in dieser Hinsicht von vielen europäischen Staaten, in denen die Erwerbsausübungsfreiheit für Apotheker weiterhin eingeschränkt bleibt.

Die maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse und Rahmenbedingungen, von denen das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil ausging, unterscheiden sich jedoch insbesondere in topographischer Hinsicht von jenen in Österreich grundlegend. In Deutschland herrscht eine durchwegs dichte und fast übergangslose Besiedelung vor. Über weite Strecken gehen Siedlungen ineinander über, ohne daß Grenzen zwischen Gemeinden erkennbar wären.

Die Zugänglichkeit zur Heilmittelversorgung durch Apotheken unterliegt daher völlig anderen tatsächlichen Gegebenheiten, als in Österreich, in dem es neben dicht besiedelten Gebieten auch in kaum vergleichbaren Ausmaß zu Deutschland weite und zum Teil schwer zugängliche Gebiete - man denke etwa an die Gebirgsregionen - gibt. Die Konsequenzen der beschränkten (weil billigeren) Lagerhaltung lediglich von Heilmitteln mit hohem Umsatz und die damit verbundene geringere Verfügbarkeit selten benötigter und dennoch oft lebenswichtiger Heilmittel durch neue Apotheken oder gar des Wegfalls von bereits bestehenden Apotheken durch den Verdrängungswettbewerb hätte insbesondere in solchen Gebieten einen nachhaltigen schädigenden Einfluß auf die Volksgesundheit. Die maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse und Rahmenbedingungen, von denen das Bundesverfassungsgericht in seinem vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Urteil ausging, sind daher mit jenen in Österreich nicht vergleichbar; die Rechtsansicht des Bundesverfassungsgerichtshofes in diesem Zusammenhang ist in Österreich deshalb unbeachtlich.

3.5 Nachträglicher Eingriff in die Erwerbsfreiheit

Schließlich muß bei der Abwägung der Verfassungswidrigkeit der vom Antrag umfaßten Bestimmungen des ApG in Betracht gezogen werden, daß eine Aufhebung dieser Bestimmungen einen nachträglichen Eingriff in die befugterweise ausgeübte Berufstätigkeit der bereits bestehenden Apotheken darstellt. Derartige nachträgliche Eingriffe bedürfen besonders schwerwiegender Gründe (VfSlg. 13177).

Die bereits bestehenden Apotheken, die sich der Heilmittelversorgung der Bevölkerung mit in einwandfreier Beschaffenheit, rasch, überall, jederzeit und zu erschwinglichen Preisen für den Konsumenten verfügbaren Heilmitteln verschrieben haben, konnten sich bisher auf die Wahrung ihrer Existenzfähigkeit durch den Gesetzgeber verlassen und haben zu diesem Zweck kostenintensive Personal-, Lager- und Kühlbedingungen geschaffen, die eine derartige Heilmittelversorgung garantieren.

Durch den Wegfall der Bedarfsprüfung, der neuen Apotheken die Eröffnung wesentlich vereinfachen würde, ist die Existenzfähigkeit der bereits bestehenden Apotheken gefährdet, da diese hohen Kosten wirtschaftlich nicht mehr tragbar sein würden. Ein derartiger Eingriff würde daher einen nachträglichen Eingriff in das Recht auf Erwerbsfreiheit der bereits bestehenden Apotheken darstellen, da im berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage von den bereits bestehenden Apotheken die oben beschriebenen substantiellen Dispositionen getroffen wurden.

3.6 Zusammenfassung

Der Gesetzgeber hat durch die vom Antrag umfaßten Gesetzesstellen kraft des dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung nach Art6 StGG beigefügten Gesetzesvorbehaltes die Erwerbsausübungsfreiheit im verfassungsgesetzlich zulässigen Rahmen beschränkt.

Das öffentliche Interesse, die Versorgung der Bevölkerung mit benötigten Heilmitteln in einwandfreier Beschaffenheit, die rasch, überall, jederzeit und zu erschwinglichen Preisen für den Konsumenten verfügbar sein müssen, gebietet diese Beschränkung.

Die Voraussetzung des Mindestversorgungspotentials neuer Apotheken ist als notwendiges Element der Bedarfspüfung zur Zielerreichung nicht nur geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen, sondern conditio sine qua non. Ohne die Voraussetzung des Mindestversorgungspotentials neuer Apotheken ist die Existenzfähigkeit der bereits bestehenden Apotheken und damit die Heilmittelversorgung der Bevölkerung nicht mehr garantiert. Ein anderes, gelinderes Mittel ist daher nicht vorstellbar, da die Bedarfsprüfung nach dem ApG ein einheitliches System bildet, das durch seine Aufweichung bei Wegfall auch nur eines Elementes wirkungslos würde."

IV. Der Verfassungsgerichtshof

hat erwogen:

A. Zur Zulässigkeit

1. Der Verfassungsgerichtshof hegt keine Zweifel daran, daß der Verwaltungsgerichtshof sowohl die mit dem Primärantrag als auch mit dem Eventualantrag angefochtenen Bestimmungen des ApG bei seiner Entscheidung in den Anlaß-Beschwerdeverfahren anzuwenden hätte.

Der Vertreter des Beteiligten Mag. M B brachte zunächst schriftlich und dann auch in der fortgesetzten mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 1997 vor, der Anfechtungsumfang sei vom antragstellenden Verwaltungsgerichtshof zu eng gefaßt worden. Außer dem bekämpften §10 ApG werde nämlich die Bedarfsfrage auch in den §§9, 14 und 48 ApG behandelt.

Der Verfassungsgerichtshof teilt diese Meinung nicht. Für den Fall, daß er §10 ApG im angefochtenen Umfang - dem Primärantrag folgend - aufheben sollte, würden die vom Beteiligten zitierten - nicht bekämpften - Gesetzesbestimmungen inhaltsleer. Würde er jedoch dem Eventualantrag entsprechen, so bekämen diese Gesetzesbestimmungen insofern einen veränderten Inhalt, als sich der Inhalt des Begriffes "Bedarf" dann aus dem §10 ApG idF der Kundmachung über die durch den Verfassungsgerichtshof erfolgte Aufhebung ergäbe.

Da außer der Präjudizialität auch die weiteren Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die zu I.2 angeführten Anträge zulässig.

2. a) Beim Verwaltungsgerichtshof sind außer den zu I.2 zitierten noch weitere Beschwerdeverfahren anhängig, in denen §10 ApG offenbar präjudiziell ist. So hat dieser Gerichtshof zu Zlen. A85/97 (97/10/0064), A76/97 (97/10/0049), A102/97 (97/10/0103), A107/97 (97/10/0125), A115/97 (97/10/0172) und A120/97 (97/10/0207) weitere (beim Verfassungsgerichtshof unter G299/97, G316/97, G356/97, G431/97, G468/97 und G480/97 protokollierte Gesetzesprüfungsanträge) gestellt, die den oben zu I.2 zitierten gleichen, die aber im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen in die anderen Gesetzesprüfungsverfahren nicht mehr einbezogen werden konnten. Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch angeordnet, daß die als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzesbestimmungen nicht mehr anzuwenden sind (Pkt. I.1.b des Spruches) und hat solcherart die Anlaßfallwirkung auch für alle beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Rechtssachen herbeigeführt.

Eine weitere Behandlung dieser Anträge erübrigt sich folglich (vgl. z.B. VfSlg. 11918/1988; VfGH 28.9.1996 G50/96 u.a. Zlen., VfGH 10.12.1996 G84/96 u.a. Zlen., VfGH 10.12.1996 G164/96 u.a. Zlen., VfGH 28.11.1996 G195/96 u.a. Zlen.).

b) Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B1189/97 und B2420/97 Beschwerden im Zusammenhang mit Apothekenkonzessionsverfahren anhängig. Bei Entscheidung darüber hätte der Verfassungsgerichtshof u.a. §10 ApG anzuwenden. Im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen war es nicht mehr möglich, aus Anlaß dieser beiden Beschwerden formell ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten.

Das zu B1189/97 geführte Beschwerdeverfahren wird als Quasianlaßfall behandelt werden.

Dies ist jedoch in dem zu B2420/97 protokollierten Verfahren deshalb nicht möglich, weil die Beschwerde erst nach der ersten mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 1997 eingelangt ist.

Auch für diese Rechtssache wurde die Anlaßfallwirkung durch den in der vorstehenden lita erwähnten Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes herbeigeführt.

B. In der Sache selbst

1. Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes, in §10 Apothekengesetz im Abs1 die Wortfolge "und 2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht." sowie die Abs2 und 7 dieser Bestimmung aufzuheben, ist unbegründet.

a) §10 Abs1 ApG knüpft die Erteilung einer Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke einerseits an die Voraussetzung, daß in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat, und andererseits an die Voraussetzung, daß Bedarf an einer neu zu errichtenden Apotheke besteht. Nach Abs2 dieser Bestimmung besteht ein Bedarf nicht, wenn

1. die Zahl der von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt oder

2. die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder

3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5.500 betragen wird.

Die Abs2 bis 7 dieser Norm treffen hiezu nähere

Bestimmungen; insbesondere erläutern sie den Begriff der zu versorgenden Personen.

b) Diese Rechtslage ist erst durch die Apothekengesetznovelle 1990, BGBl. 362, geschaffen worden. Die davor geltende (auf der Apothekengesetznovelle 1984, BGBl. 502, beruhende) Fassung des §10 ApG unterschied bei der Konzessionserteilung zwischen der Bedarfsprüfung einerseits und der Gefährdung der Existenzfähigkeit bestehender öffentlicher Apotheken andererseits (§10 Abs1). Bei der Prüfung des Bedarfes war die Anzahl der zu versorgenden Personen und die Entfernung zur nächstgelegenen Apotheke zu berücksichtigen. Ein Bedarf wurde damals als nicht gegeben erachtet, wenn die Zahl der von der neuen Apotheke zu versorgenden Personen weniger als 5.500 und (!) die Entfernung zur nächstgelegenen Apotheke weniger als 500 m betrug. Nach dieser Rechtslage konnte ein Bedarf somit durchaus vorliegen, wenn die Zahl der zu versorgenden Personen unter 5.500 lag, die Entfernung zur nächsten Apotheke aber mehr als 500 m ausmachte oder wenn umgekehrt die Zahl der zu versorgenden Personen mehr als 5.500, die Entfernung zur nächsten Apotheke aber weniger als 500 m ausmachte.

Die Gefährdung der Existenzfähigkeit der bestehenden öffentlichen Apotheken wurde hingegen gesondert in Abs3 geregelt. Sie war anzunehmen, wenn der Fortbestand der bestehenden Apotheke durch die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke bei pharmazeutisch ordnungsgemäßer und wirtschaftlich rationeller Betriebsführung nicht gewährleistet erschien. Bei zwingendem Bedarf der Bevölkerung nach Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke konnte die Konzession trotz Gefährdung der Existenzfähigkeit einer bestehenden öffentlichen Apotheke erteilt werden (§10 Abs4).

c) Die Apothekengesetznovelle 1990, BGBl. 362, hat nicht nur den Aufbau, sondern auch den Inhalt des §10 ApG wesentlich verändert. Formal trennt das Gesetz nicht mehr zwischen der Bedarfsprüfung (hinsichtlich der zu errichtenden Apotheke) und der Existenzprüfung (hinsichtlich der bestehenden Apotheken). Sieht man vom Erfordernis des Berufssitzes eines Arztes ab, ist die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke nach dieser Rechtslage zu erteilen, "wenn ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht" (§10 Abs1 Z2 ApG). §10 Abs2 regelt dann näher, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Bedarf zu verneinen ist. Der Verfassungsgerichtshof geht - schon aus Gründen einer verfassungskonformen Deutung der Rechtslage - davon aus, daß es sich dabei um eine abschließende Regelung handelt und daher dann, wenn diese Voraussetzungen nicht zutreffen, der Bedarf als bestehend anzusehen, die Konzession somit zu erteilen ist.

Nach den Materialien (1336 BlgNR, 17. GP, S 4) besteht die Neuerung darin, daß für bestehende Nachbarapotheken die Existenzgefährdungsprüfung entfällt, die Kriterien der Bedarfsprüfung klarer gefaßt werden und bei der Bedarfsprüfung für die neu zu errichtende Apotheke der Bedarf an bereits bestehenden Nachbarapotheken entsprechend zu berücksichtigen ist. "Im Rahmen dieser Bedarfsfeststellung sind neu zu errichtende und bestehende öffentliche Apotheken gleich zu behandeln. Die Prüfung der Existenzgefährdung bestehender öffentlicher Apotheken kann daher unterbleiben."

In Wahrheit ist aber die Prüfung der Existenzgefährdung der bestehenden Apotheken inhaltlich nicht entfallen, sondern lediglich rechtstechnisch anders eingekleidet worden, nämlich als negatives Bedarfskriterium: Wenn das Gesetz den Bedarf für eine neue öffentliche Apotheke verneint, sofern durch die Neuerrichtung das Versorgungspotential der bestehenden umliegenden öffentlichen Apotheken unter ein bestimmtes Niveau sinkt oder wenn der Mindestabstand zur nächsten öffentlichen Apotheke nicht gewahrt ist, dann handelt es sich inhaltlich primär um Schutznormen zugunsten bestehender Apotheken, denen eine bestimmte Nachfrage gesichert bleiben soll. Zu Recht spricht der Verwaltungsgerichtshof in seinem Antrag von einer Existenzgefährdungsprüfung nach einem standardisierten Verfahren.

Inhaltlich betrachtet enthält §10 Abs2 ApG daher zwei verschiedene Gedanken. Zum einen ein Bedarfskriterium für neu zu errichtende öffentliche Apotheken; hier geht der Gesetzgeber davon aus, daß ein Bedarf nur besteht, wenn die Zahl der von der geplanten Apotheke zu versorgenden Personen zumindest 5.500 erreicht. Gleichzeitig wird damit der künftigen Apotheke ein Mindestversorgungspotential und damit wohl auch eine gewisse Leistungsfähigkeit gesichert. Der zweite Gedanke ist hingegen der Existenzschutz für bestehende öffentliche Apotheken. Dieser kommt in den Ziffern 2 und 3 des Abs2 zum Ausdruck: die Errichtung der neuen Apotheke ist nur außerhalb eines Mindestabstandes von 500 m zu bestehenden Apotheken zulässig; es darf sich dadurch auch der von den umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken jeweils zu versorgende Personenkreis nicht unter die Zahl von 5.500 verringern. Wenn das Gesetz daher in §10 Abs1 Z2 ApG von "Bedarf" spricht, so ist damit die (abschließende) Regelung des Abs2 gemeint, also inhaltlich einerseits tatsächlich der Bedarf nach einer neuen Apotheke, andererseits aber auch der Existenzschutz der bestehenden Apotheken.

d) Eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur zulässig, wenn das öffentliche Interesse sie gebietet, sie zur Zielerreichung geeignet und adäquat ist und sie auch sonst sachlich gerechtfertigt werden kann (vgl. VfSlg. 10179/1984, 10386/1985, 10932/1986, 11276/1987, 11483/1987, 11494/1987, 11503/1987, 11749/1988). Das gilt insbesondere für Vorschriften, die eine Bedarfsprüfung vorsehen (vgl. zB VfSlg. 11276/1987, 11625/1988, 12098/1989, 12873/1991).

Errichtet das Gesetz eine Schranke schon für den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit, die der Betroffene, der alle subjektiven Voraussetzungen erfüllt, aus eigener Kraft nicht überwinden kann - eine Schranke, wie sie etwa die Bedarfsprüfung darstellt -, so liegt grundsätzlich ein schwerer Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit vor, der nur angemessen ist, wenn dafür besonders wichtige öffentliche Interessen sprechen und wenn keine Alternativen bestehen, um den erstrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber das Grundrecht weniger einschränkenden Weise zu erreichen (zB VfSlg. 11483/1987, 11749/1988, 12643/1991, 13023/1992).

e) In seiner bisherigen Judikatur hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß Bedenken gegen die gesetzlich geforderte Berücksichtigung der Existenzfähigkeit bestehender Apotheken bei der Konzessionserteilung an neu zu errichtende Apotheken nicht bestehen. Diese Anforderung diene der klaglosen Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln und liege damit im öffentlichen Interesse (VfSlg. 8765/1980, 10386/1985, 10692/1985, 11937/1988, 12873/1991). Konkret nahm der Verfassungsgerichtshof an, daß die bestehenden öffentlichen Apotheken sonst ihrer Betriebspflicht allenfalls nicht ordnungsgemäß nachkommen, so etwa nicht über das hiefür erforderliche Heilmittellager verfügen könnten (VfSlg. 10386/1985). Er hat auch im Erk. VfSlg. 10386/1985 die Annahme für gerechtfertigt gehalten, daß nur wirtschaftlich gesunde und starke Apotheken ein optimales Medikamentenlager halten können.

Der Verfassungsgerichtshof sieht sich auch durch die Argumente des Verwaltungsgerichtshofes im Primärantrag nicht veranlaßt, von dieser Position abzurücken. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat - und auch der Verwaltungsgerichtshof nicht bezweifelt -, liegt das Ziel, das klaglose Funktionieren der Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern, jedenfalls im öffentlichen Interesse. Dieses Ziel besteht darin, wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls (unter Zitierung von Puck in FS Wenger, 577, 579) zutreffend ausführt, die benötigten Arzneimittel in einwandfreier Beschaffenheit, rasch, überall, jederzeit und zu erschwinglichen Preisen für den Konsumenten verfügbar zu machen.

Der Verfassungsgerichtshof hält es für plausibel, daß dieses Ziel angesichts des konkreten rechtlichen und wirtschaftlichen Umfeldes, in dem Apotheken zu arbeiten haben, Betriebe mit einer bestimmten Mindestgröße voraussetzt. Nur solche Betriebe sind bei einer Durchschnittsbetrachtung wirtschaftlich in der Lage, geschultes Personal aufzunehmen, das zur raschen Versorgung erforderliche Heilmittellager zu unterhalten, die erforderliche und erwartete Beratung der Kunden durchzuführen, die detaillierten Regeln über die Betriebspflicht und den Bereitschaftsdienst zu beachten und die erforderliche Fortbildung zu gewährleisten.

Dazu kommt, daß öffentliche Apotheken bei ihrer betrieblichen Tätigkeit in einem überdurchschnittlichen Ausmaß in ein Netz von öffentlichrechtlichen Verpflichtungen eingebunden sind und besonderen Beschränkungen etwa hinsichtlich der Betriebszeiten, des Bereitschaftsdienstes, der Werbung oder der Preisbildung unterliegen (vgl. auch VfSlg. 13328/1993). Alle diese Anforderungen und Restriktionen sind offenbar auf den gemeinsamen Nenner zurückzuführen, daß durch die öffentlichen Apotheken der "klaglose Betrieb für die öffentliche Sanitätspflege" (so die Formulierung des §6 Abs1 ApG) gesichert sein soll. Anders als der Verwaltungsgerichtshof ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, daß sich öffentliche Apotheken dadurch auch von anderen Berufen des Gesundheitswesens, etwa den freiberuflich tätigen Ärzten, unterscheiden, die derartigen Verpflichtungen und Beschränkungen nicht oder nur in gelinderem Maße unterliegen.

Die öffentliche Inpflichtnahme für bestimmte, im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben und die Betriebspflicht hat der Verfassungsgerichtshof bei Rauchfangkehrern als ausreichende Rechtfertigung dafür angesehen, diesen Unternehmen Schutz vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten auch in Form von weitgehenden Zugangsbeschränkungen zu gewähren. Er hat es in diesem Zusammenhang für nicht ausgeschlossen erachtet, daß im Fall eines uneingeschränkten Wettbewerbs eine freie Konkurrenz zu Lasten der gewissenhaften Besorgung der feuerpolizeilichen Aufgaben gehen könnte, wodurch öffentliche Interessen ebenfalls gravierend beeinträchtigt werden würden (VfSlg. 12296/1990). Diese Überlegungen treffen aber auf öffentliche Apotheken, denen im Interesse eines klaglosen Betriebes für die öffentliche Sanitätspflege nicht nur eine Betriebspflicht, sondern darüber hinaus zahlreiche weitere Verpflichtungen und Restriktionen auferlegt sind, umso mehr zu.

f) Der Verfassungsgerichtshof ist daher zusammenfassend der Meinung, daß Regelungen, die im Bereich der Heilmittelversorgung der Bevölkerung die Zulassung zur Erwerbsausübung (auch) von dem Umstand abhängig machen, ob eine Existenzgefährdung bestehender öffentlicher Apotheken eintritt, im öffentlichen Interesse liegen, zur Zielerreichung - nämlich der Sicherung einer bestmöglichen Heilmittelversorgung der Bevölkerung - geeignet sind und für sich allein auch nicht unverhältnismäßig in die Erwerbsausübungsfreiheit eingreifen. Die Regelungen des §10 Abs2 Z2 und 3 ApG, die den bestehenden öffentlichen Apotheken einen gewissen Existenzschutz gewähren, widersprechen daher nicht dem Art6 StGG. Der diesbezügliche Antrag des Verwaltungsgerichtshofes war sohin abzuweisen (s. Pkt. II des Spruches).

2. Der Verfassungsgerichtshof ist jedoch der Meinung, daß Gleiches nicht für die Regelung des §10 Abs2 Z1 ApG gilt.

a) Wenn der Gesetzgeber in §10 Abs2 Z1 ApG einen Bedarf an einer neu zu errichtenden Apotheke verneint, sofern die Zahl der von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als

5.500 beträgt, so wird damit primär eine Zutrittsschranke zu einer Erwerbstätigkeit errichtet. Das ist nach der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein schwerer Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit, der nur angemessen ist, wenn dafür besonders wichtige öffentliche Interessen sprechen und wenn keine Alternativen bestehen, um den erstrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber das Grundrecht weniger einschränkenden Weise zu erreichen. Schon im Erk. VfSlg. 10386/1985 hat der Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertreten, es sei davon auszugehen, daß es an sich im Interesse der Bevölkerung liegt, die Medikamente benötigt, wenn eine weitere Apotheke eröffnet und so der Weg zur nächsten Medikamentenverkaufsstelle verkürzt wird. Es müßten daher besondere - streng zu prüfende - Umstände vorliegen, die diese Neueröffnung dennoch als dem öffentlichen Interesse widerstreitend erscheinen lassen. Der Gerichtshof ist damals davon ausgegangen, daß derartige Umstände nur darin liegen könnten, daß eine der Apotheken infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten außerstande wäre, die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung zu gewährleisten, weshalb es für die Bevölkerung günstiger wäre, wenn eine neue Apotheke nicht errichtet wird.

b) Der Verfassungsgerichtshof bleibt im Prinzip bei dieser Meinung. Er kann allerdings nicht erkennen, warum das öffentliche Interesse an der Heilmittelversorgung durch die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke gefährdet sein könnte, wenn die ordnungsgemäße Heilmittelversorgung durch die bisher bestehenden öffentlichen Apotheken infolge der Neuerrichtung nicht beeinträchtigt wird. Bleibt der Versorgungsbereich der bestehenden öffentlichen Apotheken gesichert (und damit der bisherige Standard der Heilmittelversorgung gewährleistet), so kann die Zulassung weiterer öffentlicher Apotheken letztlich nur zu einer Verbesserung der Heilmittelversorgung führen. In jenen Bereichen, die derzeit nicht durch eine öffentliche Apotheke versorgt sind (und nach der gesetzlichen Lage durch eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke auch nicht versorgt werden können, weil die Zahl von 5.500 Personen nicht erreicht wird), wäre dann die Möglichkeit der Gründung einer neuen öffentlichen Apotheke gegeben.

Daß es sich dabei um ein beachtliches Reservoir handelt, ergibt sich schon aus der einfachen Überlegung, daß bei einer Gesamtbevölkerung Österreichs von rund 8 Mio die Zahl der öffentlichen Apotheken mindestens 1.450 betragen müßte, die tatsächliche Zahl der öffentlichen Apotheken im Jahr 1996 aber nur 1.034 betragen hat. Allein von der Zahl der Wohnbevölkerung her gerechnet wäre die Zahl der öffentlichen Apotheken somit noch um rund 40 % vermehrbar, ohne daß - gemessen am Maßstab des gesetzlich vorgesehenen Versorgungspotentials - eine Existenzgefährdung der bestehenden öffentlichen Apotheken eintritt. Die vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger in seiner Stellungnahme vorgelegten Zahlen für Niederösterreich zeigen, daß im ländlichen Bereich die Defizite offenbar noch größer sind. Nach der Einwohnerzahl dieses Bundeslandes im Jahr 1996 (1,587 Mio) wären dort 288 öffentliche Apotheken möglich. Die tatsächliche Zahl betrug hingegen 176, so daß eine Ausweitung um über 60 % in Betracht käme. Damit ist auch die im Verfahren verschiedentlich vorgebrachte Behauptung widerlegt, das gegenwärtige System der Bedarfsprüfung garantiere eine flächendeckende Versorgung mit öffentlichen Apotheken (so etwa die Äußerung der Österreichischen Apothekerkammer in ihrer Stellungnahme vom 25. April 1997 sowie die Äußerung der Bundesregierung vom 16. September 1997). Die starre Regelung des §10 Abs2 Z1 ApG bewirkt offensichtlich das genaue Gegenteil.

c) Die Existenzfähigkeit einer solchen neu geschaffenen Apotheke wird allerdings nicht durch den Gesetzgeber "garantiert", sondern der Einschätzung des Konzessionswerbers überlassen. Er hat zu entscheiden, ob er die mit der Errichtung einer öffentlichen Apotheke verbundenen Verpflichtungen erfüllen und gleichzeitig ein wirtschaftlich lebensfähiges Unternehmen führen kann. Gerade dagegen sind aus dem Gesichtspunkt des Grundrechtes der Erwerbsfreiheit keine Bedenken zu erheben, sofern nur die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln durch die bestehenden öffentlichen Apotheken gesichert erscheint. Der Verfassungsgerichtshof stimmt in diesem Punkt mit dem Verwaltungsgerichtshof überein, daß die zitierte Regelung nicht etwa dem Interesse der Bevölkerung an einer klaglosen Versorgung mit Heilmitteln dient, sondern eher dem Schutz des Konzessionswerbers vor unrentablen Investitionen. Für einen solchen Schutz sind jedoch keine öffentlichen Interessen erkennbar.

d) Eine Aufhebung des §10 Abs2 Z1 ApG führt auch nicht - wie dies zB in den Stellungnahmen der Bundesregierung und der Österreichischen Apothekerkammer geäußert wird - zu einer unsachlichen Differenzierung zwischen bestehenden und neu zu errichtenden Apotheken, sondern vielmehr zu einem Abbau der Unterschiede zwischen Konzessionsinhabern und Konzessionswerbern. Während nach der derzeit geltenden Rechtslage die Neuerrichtung einer Apotheke rechtlich gar nicht möglich ist, sofern ihr Versorgungspotential weniger als 5.500 Personen beträgt, und der Konzessionswerber in solchen Fällen niemals die Gleichstellung mit dem Konzessionär einer bestehenden Apotheke erreichen kann, hat er bei Wegfall dieses Mindestversorgungspotentials immerhin die Möglichkeit, die Konzession zu erhalten und dem Erwerb im erlernten Beruf nachzugehen. Nach der Errichtung sind hingegen die bestehende und die neu errichtete öffentliche Apotheke durchaus gleichgestellt. Auch die neu errichtete Apotheke, deren Versorgungspotential unter 5.500 Personen liegt, genießt insoweit Bestandsschutz, als in ihrem Bereich eine weitere Errichtung nicht in Betracht kommt. Sie hat damit die gleiche Stellung wie eine bestehende öffentliche Apotheke, deren Versorgungspotential aus irgendeinem Grund unter die Zahl von 5.500 Personen gesunken ist. Eine solche Entwicklung berechtigt die Behörde nach der (offenbar erschöpfenden) Regelung des §19 ApG nicht zur Zurücknahme der Konzession. Der Gesetzgeber selbst sieht daher diesen Umstand nicht als eine so schwerwiegende Gefährdung der klaglosen Heilmittelversorgung an, daß er die Schließung einer solchen Apotheke fordert, sondern überläßt es offenbar dem Konzessionär, für den ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheke zu sorgen. Dann besteht aber auch kein Anlaß, die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke, die von vornherein ein Versorgungspotential von weniger als 5.500 Personen aufweist, generell auszuschließen.

e) Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, daß nach der derzeit geltenden Gesetzeslage die Errichtung neuer öffentlicher Apotheken automatisch die Schließung von ärztlichen Hausapotheken im Umfeld der neu errichteten öffentlichen Apotheke zur Folge hat (§29 Abs4 ApG) und daher die Aufhebung des §10 Abs2 Z1 ApG auf längere Sicht zur Reduzierung der Zahl der ärztlichen Hausapotheken führen kann. Er hat allerdings schon im Erk. VfSlg. 5648/1967 zum Verhältnis von öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken Stellung genommen und dort - näher begründet und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - die Auffassung vertreten, daß nach der - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden - Konzeption des Apothekengesetzes die Heilmittelversorgung der Bevölkerung primär Aufgabe der öffentlichen Apotheken (bzw. der in ihnen tätigen wissenschaftlich vorgebildeten Magistern der Pharmazie) sei, die ärztliche Hausapotheke hingegen Surrogatfunktion für die Fälle habe, in denen eine öffentliche Apotheke nicht vorhanden ist. Die verfassungsrechtlich relevante Frage ist daher nicht, ob die Heilmittelversorgung der Bevölkerung auch durch ärztliche Hausapotheken zufriedenstellend gesichert ist, sondern ob die die Errichtung neuer öffentlicher Apotheken beschränkenden Vorschriften durch das öffentliche Interesse geboten und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind.

Der Verfassungsgerichtshof kann nicht erkennen, daß die Substitution einer (oder auch mehrerer) ärztlicher Hausapotheken durch eine öffentliche Apotheke, mag diese auch ein Versorgungspotential von weniger als 5.500 Personen aufweisen, typischerweise eine Verschlechterung der Heilmittelversorgung insgesamt zur Folge haben müßte. Selbst wenn es sich dabei um eine kleinere Apotheke handelt, ist doch zu bedenken, daß diese allen für öffentliche Apotheken geltenden Verpflichtungen, speziell auch der Betriebspflicht und den Regelungen über Öffnungszeiten und den Bereitschaftsdienst unterliegt; Regelungen, die für ärztliche Hausapotheken nicht anwendbar sind (§31 ApG). Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke berechtigt den Arzt überdies primär lediglich zur Verabreichung von Arzneimitteln an die in seiner Behandlung stehenden Personen, an andere Personen hingegen nur, wenn die Medikamente von einem anderen Arzt verordnet wurden und aus einer öffentlichen Apotheke nicht mehr rechtzeitig beschafft werden könnten (§30 ApG). Die gewiß nicht zu vernachlässigende Beschaffung von apotheken-, aber nicht rezeptpflichtigen Medikamenten ist damit nicht möglich.

f) Daß - wie dies in verschiedenen Äußerungen im Verfahren anklingt - eine Vermehrung der Zahl der öffentlichen Apotheken insgesamt zu einer Steigerung der Nachfrage nach Heilmitteln führen und daher die Kosten des Gesundheitssystems erhöhen wird, erscheint dem Verfassungsgerichtshof angesichts der immer wieder betonten, schon derzeit gegebenen zufriedenstellenden Versorgung mit Heilmitteln wenig plausibel. Sollte diese Nachfragesteigerung aber darauf zurückzuführen sein, daß bisher hinsichtlich der Heilmittel unterversorgte Gebiete (vor allem im ländlichen Raum) nunmehr besser versorgt werden, ist dies ein im öffentlichen Interesse an einer klaglosen Gesundheitspflege liegender Effekt, der unter dem Blickwinkel des Art6 StGG keinesfalls Bedenken erweckt.

g) Daß die Vollziehung einer Norm, die auf ein Potential von

5.500 zu versorgenden Personen abstellt, angesichts der konkreten Gesetzesformulierung Schwierigkeiten bereitet, mag zutreffen (die dazu geäußerten Meinungen dazu sind durchaus unterschiedlich). Diese Schwierigkeiten sind aber bereits nach der geltenden Rechtslage gegeben. Daß sie so gewichtig sind, daß das Gesetz selbst unvollziehbar würde, wurde im Verfahren nicht vorgebracht und ist auch dem Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar. Der Gesetzgeber wäre freilich gewiß nicht gehindert, den Existenzschutz bestehender öffentlicher Apotheken mit Hilfe leichter handhabbarer Kriterien zu regeln.

h) Ist die Regelung des §10 Abs2 Z1 ApG wegen Verstoßes gegen Art6 StGG verfassungswidrig, dann ist auch die ausschließlich darauf Bezug nehmende Vorschrift des Abs3 dieser Bestimmung sowie die auf Abs3 Bedacht nehmende Wortfolge in Abs5 als verfassungswidrig aufzuheben.

3. a) Punkt I.1.b des Spruches beruht auf Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG (s. auch oben IV.A.2).

b) Eine Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstellen war nicht zu setzen, weil das Gesetz auch in der Fassung des Punktes I.1.a des Spruches dieses Erkenntnisses vollziehbar ist.

c) Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.

d) Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG.

Was versteht man unter einem Kontrahierungszwang?

Der so genannte Kontrahierungszwang ist die gesetzlich auferlegte Pflicht zur Annahme eines Vertragsangebotes. Zum Beispiel müssen Verkehrsbetriebe grundsätzlich jedermann nach den Bedingungen des öffentlichen Tarifs befördern.

Welche dieser Verträge unterliegen dem Kontrahierungszwang?

Einem Kontrahierungszwang unterliegen in der Regel Unternehmen, welche Verträge zur Daseinsvorsorge abschließen, wie z.B. Stromanbieter (§ 17 EnWG), Postdienstleister wie die Deutsche Post AG (§ 3 PDLV) oder hinsichtlich der Beförderungspflicht öffentlicher Eisenbahnen und anderer Verkehrsunternehmen wie Taxi, Busse ...

Wo gibt es einen Kontrahierungszwang?

Der Kontrahierungszwang als Pflicht zur Annahme von Interessenten greift insbesondere in folgenden Bereichen:.
Versicherungen. ... .
Deutsche Post. ... .
Öffentliche Verkehrsmittel. ... .
Sparkassen. ... .
Apotheken. ... .
Energieversorger. ... .
Privatpersonen..

Wie viel kostet es eine Apotheke zu eröffnen?

Während die durchschnittlichen Kosten einer Apotheken-Neugründung im Schnitt bei 480.000 Euro liegen, werden bei der Übernahme einer Apotheke durchschnittlich 385.000 Euro investiert.