Wanderer, kommst du nach Spa sprachliche Mittel



Sammlung von 25 Kurzgeschichtenbr / Hier werden die seelische Not und Sorge geschlagener Menschen vor und nach 1945 aufgezeigt, die durch die Teilnahms- und Lieblosigkeit der Mitmenschen in grenzenlose Verlassenheit und Vereinsamung gest�rzt werden.
Die folgende Erz�hlung hat dieser Sammlung den Namen gegeben.
Inhalt:
Der Ich-Erz�hler, ein schwerverwundeter junger Soldat wird in ein Lazarett eingeliefert. W�hrend man ihn durch Korridore und Treppenaufg�nge tr�gt, erkennt er nach und nach an T�rschildern, Bildern und Statuen sein altes Gymnasium wieder, in dem er noch vor einem Vierteljahr die Schulbank gedr�ckt hat. (S.36)
Schlie�lich landet er im Zeichensaal, wo es nach Jod, Schei�e, Mull und Tabak riecht. Der Erz�hler meint zu tr�umen, und er sucht nach Beweisen, da� er wirklich in seiner Schule ist. Schlie�lich erf�hrt er, da� er sich tats�chlich in seiner Heimatstadt, dem brennenden Bendorf befindet. Als er sp�rt, da� er die Arme und ein Bein nicht bewegen kann, beginnt er zu schreien. Der Arzt sagt ihm, da� er gleich an die Reihe komme. (S.41)
W�hrend er zur Operation vorbereitet wird, erkennt er in seiner eigenen Handschrift den Satz an der Wandtafel: \"Wanderer kommst du nach Spa...\" (S.42)
Bevor dem Verwundeten das Bewu�tsein f�r immer entschwindet, sieht er, da� er keine Arme mehr hat und nur noch ein Bein..
Das Ende der Kurzgeschichte enth�llt: hier berichtet ein Toter die Geschichte seines Sterbens.
Symbolhafte Bedeutung hat das Wort des Simonides �ber den Opfertod des Leonidas und seiner Krieger an den Thermopylen: \"Wanderer, kommst du nach Sparta, erz�hle dorten, du habest uns hier liegen gesehen, wie das Gesetz es befahl.\"
Obwohl der Krieg der Spartaner gegen den Perserk�nig Xerxes schon l�ngst verloren war, wurde bis auf den letzten Mann weitergek�mpft.
B�ll wollte die Parallelen aufzeigen - auch Deutschland hatte den Krieg schon verloren - doch die Machthaber wollten nicht kleinbeigeben und so wurden noch Kinder in den Krieg geschickt.

Der Spruch enth�lt in seiner verst�mmelten Form eine bittere Anklage gegen den Geist der \"guten, alten humanistischen Gymnasien\" und die Bildungstradition des deutschen B�rgertums.
Der Tod \"f�r das Vaterland\" wird an einem Ort erlitten, wo es nach Jod und Schei�e stinkt.
\"Dulce et decorum est pro patria mori.\" \"s�� und ehrenvoll ist es f�r das Vaterland zu sterben\" prangt �ber den Toren der humanistischen Gymnasien.

Das KREUZ blieb , trotz aller Bem�hungen es zu entfernen, zur�ck, br�unlich und deutlich auf dem Rosa der Wand. Es erinnert weiterhin an den Todesschrei Christi, der den Opfertod erlitt, damit Frieden und N�chstenliebe unter den Menschen herrsche.

Das SCHREIEN ist symbolhafter Ausdruck der Hilflosigkeit und Not der Menschen im Krieg.
Am Ende der Erz�hlung steht der Schrei des Entsetzens, als er entdeckt, wie grausam er verst�mmelt ist.
Es ist auch ein Zeichen des Schmerzes und der Trauer �ber die verlorene Jugend.

Der SCHULHAUSMEISTER steht f�r die MENSCHLICHKEIT - bei ihm tranken sie einst in der Pause Milch, in seinem engen St�bchen geierte nicht die Schulordnung, sondern hier durften sie sogar rauchen\"!
Der alte Mann ist in der ganzen Geschichte, neben den durch das unpers�nliche \"sie\", \"der Arzt\" oder \"einer, der neben mir lag\" bezeichneten Figuren, der einzige Mensch, der einen Namen tr�gt: Birgeler.
Der Schwerverwundete erkennt ihn im Augenblick seines Todes. Im Sterben wird er mit seiner letzten Bitte \"MILCH\" noch einmal zum Kind.

Zeittafel
21.12.1917: geboren in K�ln, als Sohn eines Bildhauers
1928-1937: Gymnasium , Abitur

1937-1938: Buchh�ndlerlehre
1938-1939: Reichsarbeitsdienst
1939: Im Sommersemester Studium der Germanistik und klassischen Philologie an der
Universit�t K�ln.-
Im Sp�tsommer Einberufung zur Wehrmacht
1939-1945: Infanterist im Zweiten Weltkrieg

1945: Heimkehr nach K�ln
1949: \"Der Zug war p�nktlich\"

1951: Preis der Gruppe 47
1970-1972: Pr�sident des PEN Bundesrepublik Deutschland
1971-1974: Pr�sident des internationalen PEN
1972: NOBELPREIS f�r LITERATUR
1980: Unterzeichnung des \"Krefelder Appells\" gegen den Nachr�stungsbeschlu� der NATO vom 12. Dezember 1979
1981: Teilnahme an der Friedensdemonstration in Bonn am 10. Oktober
1985: starb an den Folgen einer Gef��erkrankung

1 1 Literatur als Wegweiser der sozialen Veränderungen: Heinrich Bölls Wanderer, kommst du nach Spa... Nichola...

 

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Literatur als Wegweiser der sozialen Veränderungen: Heinrich Bölls „Wanderer, kommst du nach Spa...“ Nicholas Iaquinto Syracuse University   Einleitung   Jede   Gesellschaft   baut   sich   auf   die   Konstellation   von   sozialen   Normen,   Werten   und   Identitäten.   Diese   sozialen   Konstrukte   beherrschen   die   Alltagsbeziehungen  sowie  die  nationale  Politik.  Aber  Kultur  ist  dynamisch.  Sie  erlebt   tägliche   Veränderungen,   so   wie   die   Gedanken   von   Individuen   schwanken.   Dieser   Effekt   ist   im   allmählichen   Verschwinden   nationalsozialistischer   politischer   Tendenzen  in  den  Jahrzehnten  nach  dem  Krieg  leicht  erkennbar.  Zur  selben  Zeit  gab   es   wachsende   Unterstützung   für   das   sozialdemokratische   Programm   in   Deutschland.   Manche   Forscher   nennen   die   Rolle   der   Besatzungsmächte   im   politischen  Diskurs  in  ihren  jeweiligen  Besatzungszonen,  aber  diese  Behauptungen   legen   insuffiziente   Bedeutung   auf   die   existierende   sozialdemokratische   Bewegung   in   Deutschland   vor   und   nach   dem   Zweiten   Weltkrieg.   Es   ist   deutlich   klar   durch   andere   Versuche   Länder   zu   demokratisieren,   dass   gefällige   innerstaatliche   sozialpolitische  Normen  eine  Bedingung  der  Demokratie  sind.     Daher   muss   man   fragen:   wie   verändern   sich   soziale   Konstrukte?   Ein   Stück   davon   ist   die   Rolle   einzelner   Personen.   Sogenannte   „Normen-­‐Gestalter“   sind   theoretische   Einheiten   oder   Akteure,   die   „durch   Reisen,   Schreiben   und   Zusammenkünfte...,   Ideen   verändern   und   bestimmten   Arten   von   Normen   unterstützen.“1   Traditionell   benutzen   Forschungsprojekte   quantitative   Untersuchungen   von   Umfragedaten   um   die   Veränderungen   dieser   sozialen   Konstrukte   zu   analysieren.   Aber   das   Chaos   der   Nachkriegszeit   und   die   qualitative   Struktur   vielen   Unternehmen   verhindern   diese   Methode.   Stattdessen   muss   eine   alternative   Methode   benutzt   werden,   um   den   Einfluss   qualitativer   Aktivitäten,   wie   die   Literatur,   zu   analysieren.   Diese   Fallstudie   behauptet,   dass   Heinrich   Böll   ein   solcher   Akteur   war   und   seine   1950   erschienene   Kurzgeschichte,   „Wanderer,   kommst   Du   nach   Spa...“2,   wie   ein   normen-­‐gestaltenden   Literaturstück   funktioniert.   Um   diesen   Status   zu   belegen   stellt   diese   Untersuchung   der   Erzählung   ihren   Einfluss   durch   Verkaufsdaten,   die   die   Verbreitung   des   Textes   repräsentieren,   und   die   Vergabe  von  wichtigen  Literaturpreisen,  die  den  literarischen  Erfolg  widerspiegeln,   dar.     Interpretation     Im   Rahmen   des   satirischen   Genres,   greift   Böll   die   herrschende   militärpolitische   Ideologie   des   Nazi-­‐Regimes   stark   und   unverzüglich   durch   „Wanderer...“   an.   Die   Charakteristika   satirischer   Kurzgeschichten   unterstützen   dieses   Ziel   und   Böll   füllt   diesen   Rahmen   mit   dem   Titel,   der   Handlungselementen   und  Motiven,  die  diese  Botschaft  den  Lesern  klar  übermitteln.                                                                                                                         1  Goldstein, Joshua S. et al., International Relations.  126. 2  Böll,  “Wanderer,  kommst  Du  nach  Spa…”

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Interpretation:  Kurzgeschichte  und  Satire   Als   Literaturgattung   haben   Kurzgeschichten   einige   Merkmale,   die   ein   perfektes   Mittel   für   die   Mitteilung   von   sozialkritischen   Kommentaren   erschaffen,   besonders   in   der   Nachkriegszeit.   Diese   Geschichten   sind   kurz   und   alltäglich.3   Was   noch:  die  deutsche  Sprache  litt  unter  der  Assoziation  von  vielen  einfachen  Wörtern   mit   dem   Nazismus.4   Kurzgeschichten   waren   im   zeitlichen   Kontext   linguistisch   und   praktisch  günstiger  als  Romane  zu  schreiben  und  zu  lesen.  Die  Gattung  vereinfacht   die   Mitteilung   sozialer   Kritik   auch   außerhalb   dieser   situationsbedingten   Vorteile.   Die   Linearität   der   Handlung   und   Mehrdeutigkeit   der   Interpretation   stammen   von   der   Kürze   und   erlauben   eine   prägnante,   aber   auch   inhaltsreiche   und   umfassende   Darstellung   mehrerer   Themen.   Bölls   Wahl   dieser   Gattung   brachte   die   innewohnenden  literarischen  Vorteile  zusammen  mit  den  Beschränkungen  der  40er   und  50er  Jahre  um  seine  Perspektive  über  Militarismus  darzustellen.     Ähnlicherweise   benützt   das   Genre   der   Kurzgeschichte   Satire   und   Ironie   um   eine   zentrale   Kritik   hervorzuheben.   Die   Juxtaposition   von   verschönerten   Erwartungen   mit   der   zerstörten   Realität   konstruiert   den   Kern   dieser   Satire   und   bildet  Bölls  negative  Einschätzung  des  Militarismus.         Interpretation:  Titel,  Handlung  und  Motiven   Böll   fängt   seine   Kritik   des   Militarismus   gleich   mit   seiner   Titelauswahl   an.   „Wanderer,  kommst  Du  nach  Spa...“  ist  eine  Verkürzung  des  griechischen  Epitaphs,   der  der  Schlacht  der  Spartaner  bei  den  Thermopylen  gedenkt.  Im  Ganzen  lautet  die   Inschrift  auf  dem  Grabmal  folgendermaßen:       „Wanderer,  kommst  Du  nach  Sparta,  verkündige  dorten,  du  habest     Uns  hier  liegen  gesehen,  wie  das  Gesetz  es  befahl.“   Nicht   nur   wegen   dem   Status   dieses   Grabmals   als   Kernprinzip   der   soldatischen   Mentalität,  sondern  auch  wegen  Friedrich  Schillers  Elegie,  Der  Spaziergang,  worin  er   das  Epitaph  ins  Deutsche  übersetzte,  war  dieser  Satz  berühmt  im  deutschsprachigen   Raum.5   Dazu   gab   es     die   Ausnützungen   des   Mythos   in   Hermann   Görings   Vergleich   der   deutschen   Soldaten   bei   Stalingrad   mit   den   Spartaner   bei   den   Thermopylen   in   seiner   Propagandarede   über   den   Rundfunk.6   Bevor   die   Leser   anfingen   Bölls   Erzählung   zu   lesen,   war   es   ihnen   klar,   dass   das   Kernthema   dieser   Kurzgeschichte   Militarismus  war.         Der   Abkürzung   des   Epitaphs   ist   auch   höchst   bedeutsam.   Spa   ist   nicht   nur   eine   verkürzte   Form   von   Sparta   sondern   auch   eine   Stadt   in   Belgien,   wo   im   ersten   Weltkrieg   das   Hauptquartier   des   deutschen   Heers   sich   fand.   Aber   statt   des   belgischen  Modebades  der  18.  und  19.   Jahrhunderts,   war   es   ein   eindeutiges   Symbol   der  deutschen  militaristischen  Aggression  in  Spa.     In  den  ersten  Sätzen  der  Kurzgeschichte  hören  wir  die  Schreie  einer  fremden   Stimme:   „Da   nützt   kein   Verdunkeln   mehr,   wenn   die   ganze   Stadt   wie   eine   Fackel                                                                                                                   3  Texte und Materialen für den Unterricht. 2.   4  Conard,  “War  Stories.”  18.   5  Sander,  “Wanderer,  kommst  Du  nach  Spa…”  46.   6  Ibid.

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brennt…“7   Diese   Stadt,   Benndoft,   brennt   hiermit   auch   symbolisch.   Aber   die   Kernaussage  geht  auch  nicht  weniger  informierten  Lesern  verloren.  Unsicher  ob  er   in   seiner   alten   Schule   ist,   deutet   er   an,   dass   die   „Hausordnung   für   humanistische   Gymnasien   in   Preußen“   wahrscheinlich   die   Ausstellung   einer   Serie   von   Gemälden,   Denkmälern   und   historischen   Figuren   mit   einschließt.8   Die   humanistische   Schule,   die   jetzt   ein   Kriegslazarett   ist,   symbolisiert   auch   die   Verbindung   zwischen   nazifiziertem   Humanismus,   Beschönigung   des   Militarismus   und   der   daraus   resultierenden  Zerstörung.     Während   der   Erzähler   die   Treppen   hoch   gebracht   wird,   bemerkt   er   den   Parthenonfries,  eine  Abbildung  des  Hoplit  und  des  mythologischen  Hermes  aus  der   griechischen   Antike.9   Jedoch   sind   diese   Figuren   nur   „eigentlichen   Inhalts   beraubte   Hülsen...,   [die]   die   Militarisierung   das   Schulsystem   durch   das   Nazi-­‐Regime   wiederspieg[eln].“10   Diese   Sammlung   erzieht   Jungen,   die   anmutig   wie   der   Dornauszieher  aber  tüchtig  und  heldisch  wie  der  Hoplit  sein  sollen.  Dazu  sollen  sie   Nationalstolz   und   militärpolitische   Führungsfähigkeiten   zeigen   wie   Militärfiguren   „vom  Großen  Kurfürsten  bis  Hitler.“11  Auch  der  Tod  wird  durch  das  Kriegerdenkmal   idealisiert.   Letztendlich   repräsentiert   das   Bild   von   Togo   die   Verherrlichung   des   Kolonialismus.   Deutsche   Aggressionspolitik   hat   nicht   nur   die   Zerstörung   und   den   Tod   im   Allgemeinen   zur   Folge   gehabt,   sondern   auch   „das   Thema   des   Opfertodes   unschuldiger   Kinder   im   Krieg“   hineingebracht.12   Zusammen   bilden   diese   Motive   eine   Weltanschauung,   die   ein   heldisches   Resultat   erwarten.   Stattdessen   zeigt   uns   Böll  die  realen  Konsequenzen  dieser  Perspektive.     Das  heißt  Böll  bietet  dem  Leser  eine  neue  Perspektive  auf  den  Militarismus   an.   Aber   wie   einflussreich   das   Werk   und   dadurch   dessen   Normengestaltung   ist,   muss  noch  etabliert  werden.       Normengestaltende  Charakteristika   Bölls   damaliger   Verlag,   Friedrich   Middelhauve,   spezialisierte   sich   auf   wissenschaftliche   Veröffentlichungen   aber   versuchte,   ohne   viel   Erfolg,   im   literarischen   Markt   Fuß   zu   fassen.   Wegen   der   schlechten   Vermarktung   und   Behandlung   von   seinen   Werken   verließ   Böll   den   Verlag,   aber   nicht   bevor   im   Oktober   1950   der   Sammelband   von   fünfundzwanzig   Kurzgeschichten,   der   auch   „Wanderer...“   enthielt   veröffentlicht   wurde.   Nur   wenige   Exemplare   wurden   verkauft,  aber  diese  Enttäuschung  muss  im  Kontext  des  schlechten  Verlages  stehen.     Die   wenige   Exemplare   der   Erstausgabe   bleiben   nicht   die   einzige   Veröffentlichung  dieser  Kurzgeschichte.  „Wanderer,  kommst  Du  nach  Spa...“  wurde   in   November   auch   in   den   „Frankfurter   Heften“   gedruckt.   Die   sozialdemokratische   sowie   linkskatholische   Kulturpolitik   dieser   Zeitschrift   stand   in   starker   Opposition   zur   Politik   der   frühen   Bundesrepublik   und   bot   ein   perfektes   Publikum   für   Bölls                                                                                                                   7  Böll,  “Wanderer.”   8  Ibid.   9  Ibid.   10  Sander,  “Wanderer,  kommst  Du  nach  Spa…”  49.   11  Böll,  “Wanderer.”   12  Sander,  “Wanderer,  kommst  Du  nach  Spa…”  48.

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„Wanderer“   an.   In   dem   Sinn   fügt   diese   publikums-­‐orientiertere   und   besser   vermarktete   Verbreitung,   die   an   bis   zu   70.000   Bestellerexemplare   ging,   die   erwartete  Unterstützung  des  Hauptthemas  hinzu.13     Das   Verhältnis   zwischen   „Wanderer...“   und   prestige-­‐trächtigen   Literaturpreisen  ist  weniger  direkt  als  die  unterstützende  Rolle  der  Verkaufsdaten.   Keine   Kurzgeschichte   des   Sammelbandes   wurde   geehrt.   Aber   Böll     wurde   nur   Monate   nach   der   Veröffentlichung   seines   „Wanderers“   auf   der   Tagung   der   Gruppe   47   im   Mai   1951   für   seine   Lesung   der   Erzählung   „Die   schwarzen   Schafe“   mit   dem   Preis  der  Gruppe  47  geehrt.     Nach   einer   Diskussion   im   Dezember   1950   mit   Jahnheinz   Jahn,   der   ein   Mitglied  der  Gruppe  Junger  Autoren  war  und,  wie  Böll,  unzufrieden  mit  der  letzten   Tagung  dieser  Gruppe  war,  entschieden  die  beiden  sich  zu  versuchen  eine  Einladung   zur  Tagung  der  Gruppe  47  zu  bekommen.14  Noch  ein  früheres  Mitglied  der  Gruppe   Junger   Autoren,   Alfred   Andersch,   war   instrumentell   für   Hans   Werner   Richters   Entscheidung,   Böll   auf   der   Tagung   im   Mai   1951   einzuleiten.15   Andersch   und   Richter   waren   die   Gründer   der   Sozialdemokratie   nahe   stehenden   Zeitschrift,   „Der   Ruf,“   worin   einige   von   Bölls   Erzählungen   abgedruckt   worden   waren.   Diese   drei   Personen   fördern   eine   bestimmte   politische   Ausrichtung   und   die   Tendenz   war   nicht   auf   die   drei   Mitglieder   beschränkt.   Obwohl   die   Gruppe   47   noch   nicht   ein   allgemein   bekannter  Name  war,  deutete  das  Bekenntnis  der  Autoren  zu  „Schriftstellern,  die  für   die    Demokratie  und  politisch  orientiertes  Schreiben  engagiert  waren,“  eine  größere   Unterstützung  für  Bölls  Werk.     Heinrich   Böll   beschreibt   die   Basis   dieser   Aussicht   während   eines   Interview   mit  dem  Süddeutschen  Rundfunk:     Da  ich  in  einer  relativ  demokratischen  Tradition  erzogen  bin...,  habe  ich  das   als   einen   permanenten   Schrecken   empfunden   die   ganzen   Nazizeit.   ...[Ich   habe]   jeden   Respekt   für   die   bürgerliche   Ordnung   verloren,   die...sichtbar   zusammenbrach...[und]   endete   in   Faschismus.   [Das]   habe   ich   am   eigenen   Leibe  gespürt.16     Sein  Schock  wiederholte  sich  nochmals  nach  dem  Krieg,  als  die  deutsche  Regierung   oder   „zumindest   die   Amerikan[ischen   Befreier]   die   Wiederaufrüstung   betriebten   [und]   die   Nazis   rehabilitiert[en].“17   Wie   viele   Schriftsteller   der   Gruppe   47,   spürte   Böll   „einen   moralischen   Zwang   zu   sprechen.“18   Von   diesem   aus   schrieb   er   sein   Frühwerk,   das   Böll-­‐Forscher   kollektiv   „die   Kriegsgeschichten“   nennen.19   Diese   Bezeichnung   und   die   dahinterliegende   antimilitaristische   Weltauffassung   repräsentieren  nicht  nur  das  Verhältnis  zwischen  „Wanderer...“  und  dem  Preis  der                                                                                                                   13  Neue  Gesellschaft  Frankfurter  Hefte.  „Über  uns.“   14  Böll,  Viktor  et  al.,  Heinrich  Böll,  76.   15  Ibid.   16  “Autoren  Erzählen:  Heinrich  Böll”   17  Ibid.   18  Conard,  „War  Stories,“  18.   19  Ibid.  17.

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Gruppe   47   sondern   unterstütze   auch   die   Behauptung,   dass   die   Ausbreitung   eines   Textes  die  sozialen  Normen  einer  Gesellschaft  beeinflusst.     Schlussbetrachtung   Es   ist   durch   die   literarischen   Themen   und   Problemfelder   und   die   gesellschaftliche   Rezeption   von   Bölls   „Wanderer,   kommst   du   nach   Spa...“   deutlich,   dass   eine   Kurzgeschichte   nur   einen   kleinen   aber   wesentlichen   Einfluss   auf   soziale   Normen,   Werte   und   Identitäten   hat.   Im   Zusammenhang   von   nicht   allein   Bölls   Gesamtwerk  sondern  auch  zahlreichen  anderen  Schriftstellern  dieser  geistigen  und   politischen   Ausrichtung   repräsentieren   diese   Kurzgeschichten   eine   Welle   von   antimilitaristischer   Literatur   in   der   Nachkriegszeit.   Diese   Literatur   hatte   einen   unbestreitbaren   Einfluss   auf   die   deutsche   Politik   und   Gesellschaft   durch   die   Konstruktion  neuer  sozialer  Normen.     Jedoch   sahen   wir   auch   die   Notwendigkeit   für   einige   Verbesserungen   dieser   Methode.   Verkaufsdaten   können   einen   falschen   Blick   auf   die   Verbreitung   eines   Textes   repräsentieren.   Stattdessen   muss   eine   umfangreichere   Definition   von   der   Verbreitung   und   Rezeption   implementiert   werden.   Auch   Literaturpreise   scheinen   komplexer  zu  sein.  Mann  kann  nicht  ein  einzelnes  Stück  Literatur  betrachten.  Jedes   Werk  repräsentiert  einen  Teil  des  Gesamtwerkes  von  nicht  nur  dem  Autor  sondern   auch   Autoren   mit   ähnlichen   Problemkomplexen.   In   diesem   Sinne   ist   es   vorteilhaft   die   Konstellation   von   Publikationen   und   Autoren   und   deren   gedankliche   Ausrichtung   zu   untersuchen.   Eine   Möglichkeit   dieses   Ziel   zu   erreichen   dürfte   ein   Fokus  auf  politisch-­‐orientierte  Verlage,  Literaturgruppen  und  Magazine  sein.  Diese   Schlussbetrachtung  lässt  eine  erfolgreiche  Anwendung  der  qualitativen  Methode  auf   heutige  „normen-­‐gestaltende“  Literatur  erhoffen.

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Bibliographie:   Böll, Heinrich, “Wanderer, kommst du nach Spa…,” in Klassische deutsche Kurzgeschichten, herausgegeben von Werner Bellmann. Stuttgart: Reclam 2003. Böll, Viktor, Markus Schäfer und Jochen Schubert, Heinrich Böll. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2002. Conard, Robert C., „War Stories.” In Understanding Heinrich Böll, herausgegeben von Robert C. Conard, 17-33. Columbia: South Carolina Press 1992. Goldstein, Joshua S. und Jon C. Pevehouse, International Relations. New York: Pearson Longman 2010. 9. Edition. Neue Gesellschaft Frankfurter Hefte. „Über uns.“ http://www.frankfurter-hefte.de/Ueberuns/ Sanders, Gabriele, “Wanderer, kommst du nach Spa…,” in Interpretationen: Heinrich Böll: Romane und Erzählungen, herausgegeben von Werner Bellmann, 44-52. Ditzingen: Reclam 2000. Suddeutsche Rundfunk. „Autoren erzählen: Heinrich Böll.“ http://www.planetschule.de/sf/php/02_sen01.php?sendung=8728 Texte und Materialen für den Unterricht: deutsche Kurzgeschichten II. Reclam 1989.

Warum schrieb Heinrich Böll Wanderer kommst du nach Spa?

Bei "Wanderer, kommst du nach Spa..." handelt es sich um eine Kulminationsgeschichte: Die Ahnung des jungen Soldaten, es könnte sich um seine eigene Schule handeln, wächst allmählich, wird langsam zur Gewissheit. Doch erst als der Soldat seine eigene Handschrift erkennt, kann er sicher sein.

Wer schrieb Wanderer kommst du nach Spa?

Heinrich Böll