In welchem Alter tritt Darmkrebs am häufigsten auf?

Seit einigen Jahren beobachten Forscher weltweit, dass Darmkrebs immer häufiger bei jungen Menschen mit gesundem Lebensstil auftritt. Eine Erklärung dafür haben sie bisher nicht.

In welchem Alter tritt Darmkrebs am häufigsten auf?
Stuhltest zur Darmkrebsvorsorge ScheBo M2-PKHb zum Einsenden in ein Labor.
Quelle: Imago

Jährlich erhalten rund 1,8 Millionen Menschen weltweit die Diagnose Darmkrebs, in Deutschland sind es mehr als 60.000. Die weitaus meisten von ihnen erkranken an Darmkrebs, wenn sie über siebzig Jahre alt sind, nur bei etwa zehn Prozent der Betroffenen wird das Karzinom vor dem 55. Lebensjahr diagnostiziert.

Doch genau das ändert sich gerade, schreiben Wissenschaftler in einem Artikel im Fachmagazin "Nature reviews clinical oncology". Demnach stieg in Europa die Häufigkeit der Darmkrebsfälle bei den 20- bis 29-Jährigen zwischen 1990 und 2016 von 0,8 auf 2,3 Fälle pro 100.000 Menschen, das ist eine Verdreifachung. Bei den 30- bis 39-Jährigen stieg die Zahl zwischen 2006 und 2016 von 2,8 auf 6,4 Fälle pro 100.000 Menschen, bei den 40- bis 49-Jährigen zwischen 2005 und 2016 von 15,5 auf 19,2 Fälle.

Großteil der Patienten ohne klassische Risikofaktoren

Den früh auftretenden Darmkrebs, auf Englisch "early-onset colorectal cancer", kurz EOCRC, beobachtet auch Stefan Fichtner-Feigl zunehmend. "Wir haben da inzwischen bei uns rund 20 Fälle pro Jahr, Tendenz steigend", sagt der Ärztliche Direktor der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Universitätsklinikums Freiburg und Direktor des Tumorzentrums.

Was ihn besonders stutzig macht: Ein Großteil dieser jungen Patienten zeigt keine der klassischen Risikofaktoren, die für Darmkrebs bekannt sind.

Gut 60 Prozent der jungen Darmkrebspatienten, die wir sehen, sind schlank, rauchen nicht, haben keine Darmkrebsvorgeschichte in der Familie und führen einen sehr gesunden Lebensstil.

Stefan Fichtner-Feigl, Uniklinik Freiburg

"Wir stehen also noch vor einem Rätsel", sagt Fichtner-Feigl.

Darmkrebs gehört in Deutschland zu den häufigsten Krebserkrankungen. Meist tritt er bei älteren Menschen auf - doch es kann auch junge Menschen treffen.

Beitragslänge:2 minDatum:03.02.2021

Forschung an Tumormutationen gefördert

Erschwerend kommt hinzu: Die Betroffenen haben offenbar sehr lange keine Beschwerden. Wenn der Krebs schließlich diagnostiziert wird, finden sich häufig schon Metastasen in Lunge, Leber und Bauchfell. "Es scheint also eine hochaggressive Tumormutation zu geben, die Menschen unabhängig davon betrifft, wie gesund sie leben", sagt Fichtner-Feigl.

Nur: Wo kommt die her? Das möchte auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wissen und fördert daher im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs Forschungsverbünde, die sich der Prävention von Darmkrebs in jüngeren und künftigen Generationen widmen. "Mehr Fälle bereits in jüngerem Alter bedeuten, dass Menschen dieser Jahrgänge im Alter erst recht Gefahr laufen werden zu erkranken", schreibt das BMBF.

Möglicherweise Reparaturmechanismus defekt

Weil sich bei vielen Betroffenen die klassischen Lifestyle-Faktoren als Ursache für die Krebsentstehung ausschließen lassen, gehen Wissenschaftler derzeit eher von einem molekular-biologischen und immunologischen Phänomen aus.

Irgendwelche Prozesse führen dazu, dass der Tumor so aggressiv ist, das könnte beispielsweise eine verminderte immunologische Abwehr sein.

Stefan Fichtner-Feigl, Uniklinik Freiburg

Mutationen im menschlichen Körper treten vor allem in sich schnell teilenden Zellen auf. Im Darm wären das die sogenannten Darmepithelzellen in der Darmschleimhaut. Das zügige Wachstum sorgt dafür, dass auch mehr Fehler passieren können. Diese werden im Normalfall vom Körper selbst schnell korrigiert, indem entartete Zellen beseitigt werden.

Eine Hypothese ist, dass bei früh auftretendem Darmkrebs dieser Reparaturmechanismus nicht richtig funktioniert und somit Treibermutationen für Tumore aktiv werden.

Stefan Fichtner-Feigl, Uniklinik Freiburg

  • Was ist Darmkrebs?

    Mit dem Begriff Darmkrebs werden Krebserkrankungen des Dickdarms (Kolonkarzinom) und des Mastdarms (Rektumkarzinom) bezeichnet. Zusammenfassend spricht man vom kolorektalen Karzinom. Der Begriff Karzinom kennzeichnet Krebserkrankungen, die vom Deckgewebe der Haut oder Schleimhaut ausgehen - in diesem Fall von der Darmschleimhaut. Darmkrebs kann sich in allen Abschnitten des Dick- und Mastdarms entwickeln. Ein Schwerpunkt liegt im unteren Dickdarmabschnitt.

  • Was sind Risikofaktoren von Darmkrebs?

    In den meisten Fällen kann keine einzelne Ursache für die Entstehung von Darmkrebs gefunden werden. Es gibt allerdings Faktoren, die das persönliche Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, erhöhen. Dazu gehört dem Deutschen Krebsforschungszentrum zufolge neben einer familiären Veranlagung beispielsweise mangelnde körperliche Aktivität. Mehrere Studien haben gezeigt, dass bereits 30 bis 60 Minuten Bewegung täglich das Risiko für Darmkrebs senken.

    Auch Übergewicht zählt zu den wichtigen Risikofaktoren für Darmkrebs: Menschen mit einem Body-Mass-Index von mehr als 25 haben ein höheres Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit nimmt weiter zu, je stärker das Übergewicht ist. Der Konsum von Tabak sowie der Verzehr von rotem Fleisch und Wurst steigern ebenfalls das Darmkrebsrisiko.

  • Wie häufig tritt Darmkrebs auf?

    In Deutschland erkranken nach Angaben des Robert-Koch-Instituts jährlich rund 33.000 Männer und 28.000 Frauen an Darmkrebs. Er gehört der Deutschen Krebsgesellschaft zufolge zu den drei häufigsten Krebserkrankungen bei Frauen und Männern in Deutschland, obwohl sich seit 2004 ein kontinuierlicher Rückgang der Erkrankungsraten in allen Altersgruppen ab 55 Jahren zeigt.

    Darmkrebs tritt überwiegend ab dem 50. Lebensjahr auf, wobei Frauen meist später erkranken als Männer. Mehr als die Hälfte der Betroffenen erhält die Diagnose nach dem 70. Lebensjahr.

  • Sinkende Sterblichkeit

    Die Sterblichkeit bei Darmkrebspatienten nimmt seit Mitte der 1970er Jahre stetig ab. Allein in den vergangenen zehn Jahren sind die Sterberaten bei beiden Geschlechtern um mehr als 20 Prozent gesunken. Dies bedeutet, dass es zunehmend mehr Menschen gelingt, langfristig mit der Krankheit zu leben.

    Dennoch ist Darmkrebs mit 7,2 Prozent eine der häufigsten krebsbedingten Todesursachen. Je früher Darmkrebs erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Mit einer Darmspiegelung, der Koloskopie, lassen sich Tumoren rechtzeitig erkennen oder sogar verhindern, wenn Polypen, die Vorstufen von Darmkrebs sein können, entfernt werden.

Darmkrebsfrüherkennung erst jenseits der 50

Auch eine Dysbalance im Darm zwischen dem Mikrobiom, also der Darmflora, und der Barrierefunktion der Schleimhaut an sich könnte der zugrunde liegende Mechanismus sein. "Wenn das der Fall wäre, hätten wir einen ganz guten Ansatzpunkt für eine Therapie, denn das Mikrobiom lässt sich verändern", sagt Fichtner-Feigl.

Da die Darmkrebsfrüherkennung erst bei Männern ab 50 und Frauen ab 55 Jahren greift, fallen Patienten mit dem früh auftretenden Karzinom durchs Raster. Wenn die jungen Menschen sich aufgrund von Symptomen an einen Arzt wenden, ist der Krebs meist fortgeschritten.

Mehr Therapie bei jungen Patienten möglich

Allerdings bringt das Alter der Patienten auch einen Vorteil mit sich: "Das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten ist deutlich größer als bei älteren Darmkrebspatienten, die meist noch andere Begleiterkrankungen haben", sagt Robert Thimme, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin II am Uniklinikum Freiburg. Heißt: Die Mediziner können das maximale Therapieprogramm fahren. Und das zeigt Wirkung.

Wir sehen bei den jungen Patienten Erfolge, die wir bei den älteren nicht sehen.

Robert Thimme, Uniklinik Freiburg

Um mögliche bösartige Veränderungen im eigenen Darm frühzeitig erkennen können, hilft die kritische Selbstbeobachtung. "Sobald sich beim Stuhlgang oder den Stuhlgewohnheiten auffällig etwas ändert, sollte man das abklären lassen, am besten mit einer Darmspiegelung", sagt Thimme.

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Wer bekommt am häufigsten Darmkrebs?

Männer sind etwas stärker gefährdet, an Darmkrebs zu erkranken als Frauen: Im Laufe ihres Lebens sind 7 von 100 Männern von dieser Erkrankung betroffen, bei Frauen sind es 6 von 100. Auch tritt bei Männern Darmkrebs im Durchschnitt einige Jahre früher auf als bei Frauen.

Wie äußert sich Darmkrebs im Anfangsstadium?

wiederholte, krampfartige Bauchschmerzen, die länger als eine Woche anhalten. häufiger Stuhldrang; Entleeren von auffallend übelriechendem Stuhl. Blässe, ständige Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Leistungsabfall, Gewichtsabnahme. tastbare Verhärtungen im Bauchraum und/oder vergrößerte Lymphknoten.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit Darmkrebs zu haben?

Darmkrebs.

Kann innerhalb von 2 Jahren Darmkrebs entstehen?

Im Schnitt können fünf bis zehn Jahre vergehen, bis sich aus einem kleinen Zellhaufen ein bösartiger Tumor entwickelt. Wenn ein Facharzt von Darmkrebs spricht, meint er in der Regel eine Krebserkrankung des Dickdarms. In diesen Regionen des Darms entstehen bösartige Tumore am häufigsten.