Privateigentum ist Grundrecht. Doch auch das Recht des Mieters auf seine Wohnung steht unter dem Schutz des Grundgesetzes. Was das für Mieter und Vermieter heißt, hat der Bundestag ins Bürgerliche Gesetzbuch geschrieben: Mietverträge dürfen normalerweise nicht gekündigt werden, solange der Mieter seine Pflichten erfüllt und insbesondere seine Miete pünktlich bezahlt. Show
Es gibt allerdings Ausnahmen. Die wichtigste Ausnahme: Der Vermieter braucht die Wohnung selbst und meldet Eigenbedarf an. Je höher die Mieten steigen, um so häufiger brauchen Vermieter ihre oder eine ihrer Wohnungen selbst. Sie dürfen Mietern kündigen, wenn sie eine Wohnung für sich, ihre Familie oder nahe Verwandte brauchen. Zulässig ist die Eigenbedarfskündigung zugunsten von
Eigenbedarfskündigung für sonstige PersonenPatchworkfamilien sind keine Seltenheit mehr. Aber darf ein Vermieter auch für das Kind seiner Lebensgefährtin Eigenbedarf anmelden? Antwort der Gerichte: Das hängt davon ab, ob Vermieter und Lebensgefährtin verheiratet sind. Stiefkinder. Wenn der Vermieter mit der Lebensgefährtin verheiratet ist, dann ist das Kind der Lebensgefährtin mit dem Vermieter verschwägert (Stiefkind) und rechtlich Angehörige der Familie des Vermieters. Der
kann zu Gunsten seiner Stieftochter Eigenbedarf nach Paragraf 573 des Bürgerlichen Gesetzbuches anmelden. Haushaltsangehörige. Sind Vermieter und Mutter des Kindes nicht verheiratet, besteht zwischen Vermieter und Kind keine Schwägerschaft nach
Paragraf 1590 des Bürgerlichen Gesetzbuch. Nach Ansicht des Amtsgerichts Siegburg kann der Vermieter dann für dieses Kind keinen Eigenbedarf als Familienangehöriger reklamieren. Hätte das Kind zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung schon seit längerer Zeit mit dem Vermieter zusammengewohnt, hätte er für das Kind als „Angehöriger seines Haushalts“ Eigenbedarf anmelden können. Im
Siegburger Fall war es aber anders: Die Tochter der Lebensgefährtin, für die der Eigenbedarf erklärt worden war, studierte bereits und wohnte zum Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr im Haushalt des Vermieters und Lebensgefährten ihrer Mutter. Nicht
im Haushalt lebende Pflegekraft. Ein pflegebedürftiger Vermieter kann einen Mietvertrag über eine vermietete Dreizimmerwohnung wegen Eigenbedarfs kündigen, wenn er die Wohnung künftig seiner Pflegekraft überlassen möchte, damit diese möglichst nah bei ihm lebt. Der betroffene Mieter kann den angemeldeten Eigenbedarf nicht mit dem Argument abwehren, der Vermieter solle die Pflegeperson doch in seine Wohnung aufnehmen. Der Vermieter muss sich auch nicht auf die Pflege durch in der
Nähe lebende Familienangehörige verweisen lassen. Das Landgericht Stuttgart bejahte eine Kündigungsmöglichkeit nach Paragraf 573 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch. Eigenbedarf, wenn ein Unternehmen der Vermieter ist?Unternehmen wie GmbHs, Aktiengesellschaften
und andere juristische Personen wohnen nicht und können daher keinen Eigenbedarf an einer Wohnung haben. Das gilt auch für eine GmbH & Co. KG. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts jedoch kann zugunsten ihrer
Mitglieder und deren Angehörigen Eigenbedarf geltend machen. Auch für gewerbliche Nutzung ist Kündigung denkbarIst eine Wohnung als Praxis, Kanzlei oder sonst gewerblich nutzbar, darf der Vermieter seinen Mietern auch kündigen, um die Räume beruflich zu nutzen. Wieder gilt: Auch Familienangehörige und nahe Verwandte können den Grund für die Eigenbedarfskündigung liefern. Nutzung als Zweit- oder FerienwohnungDer Vermieter darf Eigenbedarf grundsätzlich auch anmelden, wenn er die Räume als Wohnung für sich selbst benötigt (Paragraf 573 Absatz 2 Nummer 2 Bürgerliches Gesetzbuch). Ein solcher Eigenbedarf könnte vorliegen, wenn er die Wohnung künftig als Zweitwohnung oder Ferienwohnung nutzen möchte. Es ist nicht erforderlich, dass er in der Wohnung, für die er Eigenbedarf reklamiert, künftig seinen Lebensmittelpunkt einrichtet. Im Kündigungsschreiben an seinen Mieter muss der Vermieter den Eigenbedarf erläutern, also aufschreiben, wie oft und wie lange er die Wohnung künftig als Zweit- oder Ferienwohnung zu nutzen plant. Die schlichte Begründung: Ich brauche die Räume in
Zukunft „für notwendige Aufenthalte in Berlin als Zweitwohnung“ ist zu wenig. Eine solche Eigenbedarfskündigung ist jedenfalls nach Auffassung des Landgerichts Berlin aus formalen Gründen unwirksam. Viel mehr Begründung ist allerdings nicht nötig. Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2017 eine
Eigenbedarfskündigung für wirksam erachtet, in der ein Vermieter seine berufliche und private Situation erläutert hatte. Er hatte erklärt, die Wohnung künftig aus beruflichen Gründen mehrmals im Jahr zu benötigen, um nicht mehr im Hotel oder bei Bekannten schlafen zu müssen. Unzulässige EigenbedarfskündigungenBraucht ein Vermieter die Wohnung für sich, einen Familienangehörigen oder nahen Verwandten, kann die Eigenbedarfskündigung im Einzelfall dennoch unwirksam sein. Nämlich dann, wenn der Vermieter überdimensionierten Wohnbedarf geltend macht, so dass die Kündigung als Missbrauch anzusehen ist. Dazu zählen vor allem die Fälle, in denen der Vermieter eine sehr große Wohnung für noch junge Familienangehörige haben möchte. Erhöhter Wohnbedarf. Unwirksam war laut Landgericht Berlin die Kündigung eines Vermieters, damit seine noch zu Hause wohnende und in der Ausbildung befindliche 19-jährige Tochter mit minimalem Hausstand in die 120 Quadratmeter große
Vierzimmerwohnung des Mieters einziehen kann. Andere Wohnung steht frei. Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter noch eine weitere Wohnung besitzt, die frei ist und für seine Zwecke (hier: Überlassung der Wohnung an
Pflegekraft) ebenso geeignet ist wie die Wohnung des Mieters, für die der Vermieter Eigenbedarf angemeldet hat. Normale Kündigungsfrist für Mietverträge giltLiegt Eigenbedarf vor und der Vermieter kündigt, dann gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen. Nach bis zu fünf Jahren Wohndauer haben Mieter ab Ende des Monats der Kündigung drei Monate Zeit bis zum Auszug. Nach bis zu acht Jahren sind es sechs Monate und nach mehr als acht Jahren neun Monate. Wenn der Eigenbedarf noch während der Kündigungsfrist entfällt, muss der Vermieter den Mieter informieren und ihm die Möglichkeit geben, den Mietvertrag doch fortzusetzen. Finden der Vermieter oder seine Verwandten allerdings erst nach Ablauf der Kündigungsfrist eine andere Wohnung und ziehen dort ein statt in die Wohnung des gekündigten Mieters, dann bleibt die Eigenbedarfskündigung wirksam. Kündigung aus wirtschaftlichen GründenSogar, wenn es nur ums Geld geht, ist eine Kündigung von Mietverträgen möglich. Bei solchen rein wirtschaftlich begründeten Kündigungen sind die Gerichte allerdings streng. Es reicht nicht aus, dass ein Haus oder eine Wohnung beim Verkauf mehr Geld bringen, wenn kein Mieter mehr darin wohnt. Nur wenn der Vermieter in ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, ist eine Verwertungskündigung erlaubt. Dann darf der Vermieter seinen Mietern kündigen, wenn er dadurch beim Verkauf der Immobilie einen viel höheren Preis erzielen kann. Beispiele:
Keine Kündigung des Mieters in HärtefällenSelbst wenn eine Eigenbedarfs- oder Verwertungskündigung eigentlich zulässig ist, kann sie im Einzelfall doch ausgeschlossen sein. Das passiert, wenn das Ende des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder sonst einen Angehörigen des Haushalts eine Härte bedeuten würde, die schwerer wiegt als die berechtigten Interessen des Vermieters. Der Mieter kann dann der Kündigung widersprechen und vom Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Typischer Fall: Der Vermieter will den Auszug einer 81 Jahre alten Frau erzwingen, die seit 52 Jahren in der Wohnung lebt. Wann liegt ein Härtefall vor? Der Auszug ist nicht schon allein
wegen des hohen Alters oder einer Erkrankung des Mieters unzumutbar. Beides begründe für sich genommen noch keine Härte. Geht mit dem hohen Alter des Mieters eine Krankheit einher und würde der Umzug den Gesundheitszustand des Mieters erheblich beeinträchtigen, kann allerdings eine Härte vorliegen, die gegen den Auszug spricht. Hohes Alter plus Verwurzelung am Wohnort. Ist der Mieter schon recht alt und ist er außerdem stark verwurzelt in seine Umgebung, kann ein Härtefall vorliegen, der es dem Vermieter verbietet, den Mieter vor die Tür zu setzen. In einem Prozess müssen Mieter eine solche Verwurzelung gut belegen können, um die Kündigung abzuwehren. Vor dem
Landgericht Berlin ist das jüngst einer 84-jährigen Mieterin gelungen. Das Gericht erklärte die Eigenbedarfskündigung des Vermieters für unwirksam, da die Frau bereits mehr als 20 Jahre in der Wohnung gelebt und außerdem Ärzte und soziale Kontakte in der Nachbarschaft hatte. Das sei eine „tiefe Verwurzelung“, aus der die Mieterin nicht gerissen werden dürfe. Demenzielles Syndrom. Das Amtsgericht Berlin-Mitte hat eine persönliche Härte bei einem 73-jährigen Mieter anerkannt, der an einem demenziellen Syndrom erkrankt war und Suizidgedanken hatte. Vor Gericht kam ein Sachverständiger zu dem Ergebnis, dass ein Auszug eine schwerwiegende Verschlechterung des
Gesundheitszustands des Mieters verursachen könnte. Das Gericht wies die Räumungsklage des Vermieters daher ab und verpflichtete ihn, das Mietverhältnis mit dem erkrankten Mieter unbefristet fortzusetzen. Attest reicht nicht als Beweis für HärtefallIn einem Kündigungsprozess wegen Eigenbedarfs reicht es in der Regel allerdings nicht aus, dass der Mieter ein entsprechendes ärztliches Attest vorlegt. Das Gericht muss regelmäßig von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einholen, das Auskunft gibt über die Erkrankung, potenzielle umzugsbedingte Folgen und die Möglichkeiten, diese Folgen – etwa durch therapeutische Maßnahmen –
abzumildern. Folge für Mieter: Ohne Mietrechtsschutz über einen Mieterverein oder eine Versicherung kann der unberechtigte Widerspruch gegen die Eigenbedarfskündigung kostspielig werden. Kommt nämlich der Gerichtsgutachter zum Ergebnis: Es liegt keine besondere Härte vor, dann muss der Mieter das Sachverständigengutachten zusätzlich zu den übrigen Gerichtskosten zahlen. Oft kosten solche Gutachten mehrere Tausend Euro. Vorab lässt sich nicht zuverlässig klären, ob eine besondere Härte vorliegt. Den Gutachter benennt erst das Gericht. Mieter sollten vor dem Widerspruch gegen die Eigenbedarfskündigung nicht nur ihren Hausarzt fragen, sondern auch die Zweitmeinung eines unabhängigen Arztes einholen. Lange, mieterfreundliche Fristen nach UmwandlungEs gibt noch eine wichtige Einschränkung für das Recht des Vermieters auf eine Eigenbedarfskündigung: Wurde die Wohnung erst nach Abschluss des Mietvertrags in eine Eigentumswohnung umgewandelt und verkauft, dann ist die Eigenbedarfskündigung für drei Jahre ab dem ersten Verkauf der Wohnung nach der Umwandlung ausgeschlossen. Wo – wie in vielen Großstädten – Wohnungsmangel herrscht, ist die Kündigung des Mietvertrags sogar für zehn Jahre gesperrt. Um eine Umgehung dieser Regelung zu verhindern, gilt der gleiche Schutz vor Eigenbedarfskündigungen mit drei- oder zehnjähriger Kündigungssperre nach § 577a Abs. 1a des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch, wenn das Mietshaus im Ganzen an eine Personengesellschaft oder an mehrere verschiedene Eigentümer verkauft wird. Auf den Ausschluss der Kündigung nach erstem Verkauf der Wohnung nach Umwandlung in Wohnungseigentum können sich auch Angehörige berufen, die nach dem Tod des Mieters in den Mietvertrag eingetreten sind. Voraussetzung dafür ist, dass sie bis zum Tod mit dem Vermieter in der Wohnung im gleichen Haushalt zusammengelebt haben. Haben sie nur eine Wohngemeinschaft mit separater Haushaltsführung gebildet, reicht
das nicht aus. Wie lange ist die Kündigungsfrist nach 20 Jahren Miete?In § 573c Abs. 1 BGB n. F. ist nunmehr bestimmt, dass der Mieter unabhängig von der Dauer des Mietverhältnisses stets mit einer Frist von 3 Monaten kündigen kann; der Vermieter hat dagegen nach wie vor gestaffelte Kündigungsfristen einzuhalten.
Kann ich Mieter nach 20 Jahren kündigen?Mieter können einen unbefristeten Mietvertrag immer mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen. Auf die Wohndauer kommt es dabei nicht an. Für Vermieter dagegen gelten gestaffelte Kündigungsfristen.
Welche Rechte hat ein Mieter nach 20 Jahren?Dinge, die beim normalen Gebrauch einer Mietsache nach 20 Jahren abgewohnt sind, muss der Mieter nicht ersetzen. Dazu gehört beispielsweise abgelaufene Auslegeware. Bereits nach zehn Jahren gilt Teppich als abgewohnt. Das gilt auch für Laminat.
Welche Kündigungsfristen gelten für Vermieter?Die gesetzliche Kündigungsfrist für eine ordentliche, fristgemäße Kündigung durch den Vermieter beträgt grundsätzlich drei Monate. Die Kündigung muss bis zum dritten Werktag eines Kalendermonats zugehen und gilt dann zum Ablauf des übernächsten Monats (§ 573 c BGB).
|