Ich ging zu Boden. Show
Es war der 08. September 2008: Mein erster großer Einsatz in einem Punktspiel der Volleyball-Kreisliga. Für meine Verhältnisse spielte ich außergewöhnlich gut. Ich war konzentriert und energiegeladen, denn mein Körper pumpte Adrenalin bis in die letzte Zelle. Als ich zu einem Angriff ausholte, stellte ich beim Stemmschritt plötzlich fest, dass der Ball weiter nach außen kommt als erwartet. Das kommt vor. Ich sprang also nach außen weg. Mein Fuß und Unterschenkel landeten fest auf dem Boden. Der Oberschenkel allerdings wurde durch die Wucht zur Seite über den Unterschenkel hinweg geschoben. Für einen Bruchteil von Millisekunden riss mein Kniegelenk aus der Pfanne, welches aber unmittelbar wieder zurückschnappte…
Dann die erstaunliche Nachricht im Krankenhaus: Es solle nur eine Prellung vorliegen?! Da ich nur sehr geringe Schmerzen hatte, glaubte ich den Ärzten und ging bereits eine knappe Woche später wieder mit einer Freundin beachen. Auch das normale Volleyballtraining nahm ich wieder auf… Es schien alles bestens. Bis darauf, dass mein Knie einfach nicht komplett abschwellen wollte. Also ging ich erneut zum Arzt, der mir eröffnete, dass es keine Schwellung mehr sei, sondern eine Wasseransammlung im Knie. Das Knie müsse verletzt sein…
Meine erste Reaktion?! Ich ging zu Boden! Als mir klar wurde, dass ich 6 Wochen komplett auf Sport verzichten müsse und ganze 6 Monate kein Volleyball spielen darf, kullerten schon die ersten Tränen an meinem Gesicht herunter. Zu diesem Zeitpunkt wussten meine Tränendrüsen noch nicht, dass Nachtschichten auf sie zukommen… Damals hatte ich Angst. Ich hatte richtig Angst… dass ich es nicht schaffen könnte auf das Feld zurückzukehren, dass ich meine Leistung nicht mehr so abrufen könnte… Ich hatte ja von nichts eine Ahnung und war obendrein auch noch mega jung. Und dass meine Schwester ihre Sportkarriere wegen eines Kreuzbandrisses aufgegeben hat, ermutigte mich auch nicht gerade. Ich stand damals unmittelbar vor dem Vorabi und überlegte sogar, ein Jahr zu wiederholen!
Also ging es schnellstmöglich in den OP! Ich wollte auf keinen Fall länger als nötig auf den Volleyball verzichten. Im Nachhinein bin ich über diese Entscheidung auch echt froh, da sich in der Operation herausstellte, dass zusätzlich mein Meniskus angerissen war (und ich zu einer der 10% gehörte, bei denen man es im MRT nicht erkennen kann). Hätte ich die OP erst später über mich ergehen lassen, wäre mein Meniskus nicht mehr reparabel gewesen und die Wahrscheinlichkeit einer Arthrose enorm gestiegen… Der richtige Arzt für die OperationDa meine Schwester drei Jahre zuvor eine erfolgreiche Operation am Kreuzband hatte, ginge ich zum selben Arzt. Auch ihre Freunde hatten bereits sehr gute Erfahrungen mit diesem Arzt gemacht. Dementsprechend hatte ich große Erwartungen. Und ich kann dir sagen, dass diese bis zum heutigen Tage nicht enttäuscht worden sind. Dieser Mensch hat Hände, die Gold wert sind! Er ist der Arzt meines Vertrauens und inzwischen eine Koryphäe auf seinem Gebiet: Karl Heinz Frosch (Geiler Name oder? 😀 ). Damals operierte er mich in meiner Heimatstadt Göttingen. Wie du bereits aus der Einleitung dieser Artikelserie weißt, musste drei Jahre später auch mein anderes Kreuzband geflickt werden. Diese zweite – natürlich erfolgreiche – OP erfolgte in einer Hamburger Klinik, wo Prof. Dr. Frosch nun Chefarzt ist. (Ja, ich bin ihm nachgefahren, und ich musste feststellen, dass ich nicht der einzige Patient war 😀 ). Und hier ein sehr wichtiger Hinweis an dich:
So werden z. B.
Du hast nur einen einzigen Körper. Gehe deshalb keine Kompromisse ein und suche einen Spezialisten, der solch komplizierten OPs jeden Tag routiniert durchführt. Schaue dich im Internet um, welcher Arzt gute Referenzen hat. Ich selber googelte erst im Nachhinein die Bewertungen von Prof. Dr. Frosch und fand eigentlich nur gute Berichte. Glück gehabt! 😉 Er war lange der Arzt meines Vertrauens. Über die Jahre lernte ich durchaus ein paar weitere gute Ärzte kennen, die ebenfalls hervorragende Arbeit leisten:
Wie geht es nach der OP weiter?Wenn du glaubst, dass es mit einer OP getan ist, dann täuscht du dich gewaltig.
Mein Therapieplan nach der OP sah so aus:
Die Physiotherapie erstreckte sich über die Weihnachtszeit, in der unser Gesundheitssystem bekanntermaßen auf Sparflamme läuft. Gut für mich, da ich für mein Vorabi lernen konnte. Das Knie thronte dabei vorschriftsmäßig auf einem Stuhl und trug eine kühlende Eiskrone. Während der Reha bin ich ganz normal zur Schule gegangen, weshalb der Tagesablauf ziemlich »sportlich« war: Vormittags Schule, nachmittags Rehazentrum, spätabends Vorabi lernen.
Am 12. Mai war es soweit: Meine letzte mündliche Prüfung. Mein Geburtstag. Und die sechs Monate Pause vom Volleyball waren auch endlich rum! Du kannst dir sicherlich denken, wie ich mich dafür belohnte?! Richtig! Mit meinem ersten Volleyballtraining seit dem Unfall. 🙂 War ich mit dem Therapieergebnis beim Wiedereinstieg in den Sport zufrieden?Der Wiedereinstieg in den Volleyball verlief ohne große Probleme. Ich hatte keine Schwellungen, Schmerzen oder Rötungen am Knie. Von daher war ich damals schon ziemlich happy mit meinem Ergebnis. Ich kannte andere, die nicht hocken oder joggen konnten… geschweige denn eine Stop-and-Go Sportart ausführen konnten. Sie waren häufig nicht gut operiert oder hatten eine sehr schlechte Betreuung in der Reha. So war ich schon sehr glücklich darüber, dass ich keine nachträglichen Schmerzen oder offensichtlichen Probleme hatte.
Die Leistung hatte rapide nachgelassen, weil ich mich nicht auf den Ball konzentrieren konnte. Ich entlastete mein Knie mit Absicht, was im Nachhinein gesehen ein sehr großer Fehler war. Diese anfängliche Unsicherheit im Training nahm ich damals als einen normalen Prozess hin, sodass ich dies nicht als negativ oder ungewöhnlich einstufte. Da ich damals für neun Monate ins Ausland ging, machte ich nur ein paar Trainingseinheiten ein Deutschland mit. Leider gab es im Ausland keinen wirklichen Volleyballverein, sodass ich meine Leidenschaft erst nach 1,5 Jahren wieder aufnehmen konnte – diesmal aber in der Landesliga. Ich trainierte drei mal die Woche mit vollem Elan. Auch das Krafttraining machte ich ebenfalls fleißig weiter, bis der nächste Einbruch kam… Das Schicksal kappte mein anderes Kreuzband!Du kannst dir sicher vorstellen… ich war am Boden zerstört. Zum ersten Mal überkamen mich wirkliche Zweifel.
Ich war so vernarrt auf mein Krafttraining, dass ich damals propriozeptives Training sowie Lauf- und Sprinttraining nur verlachte.
Aber nun musste ich am eigenen Leib erfahren, dass der dickste Oberschenkel kein Garant für ein stabiles Knie ist. Geschweige denn vor Verletzungen schützt! Ich höre immer wieder von Leidensgenossen, die mir stolz erzählen, dass sie nun 30% mehr Muskelmasse aufbauen wollen… Wenn ich sie dann frage, ob sie glauben, dass ein Bodybuilder auf dem Fußballfeld eine gute Form abgeben würde, kommen sie ins Schmunzeln… Wie du gemerkt hast, hatte ich beim ersten Mal wenig Zeit, mich um mein Knie zu kümmern. Auch hatte ich weder das Wissen noch die passenden Personen, die mich über sechs Monate lang hätten begleiten müssen. Nach meinem zweiten Kreuzbandriss begann ich mich zum ersten Mal so richtig mit der Problematik und dem Training in der Reha auseinanderzusetzen. Ich konnte endlich die Fehler meiner ersten Rehabilitation identifizieren. Und obwohl ich mich nun schon seit sechs Jahren dieser Thematik (auch auf wissenschaftlichem Niveau) widme, lerne ich noch immer dazu! Es ist unglaublich, was du alles beachten musst. Oder wie ein erfolgreiches Rehatraining aufgebaut ist (Mehr dazu erfährst du nächste Woche). Deshalb lass mich dir von meinen Fehlern erzählen, damit du sie (hoffentlich) nicht auch begehst. Diese 3 fundamentalen Fehler solltest du unbedingt vermeiden!1. Du denkst mit Kraft alleine bist du für den Sport gewappnetUm mein Knie für die Herausforderungen zu wappnen, trainierte ich wie eine Amazonin und bezwang die 80 kg im Squatrack! Damit steckte ich die meisten Kerle in meine Hosentasche. Im Beinstrecker schaffte sowie bei der Abduktoren- und Adduktorenmaschine schaffte 2/3 der Gewichte. Kräftemäßig schien mein Bein also in Topform. Fünf bis sechs mal ging ich die Woche ins McFIT und trainierte neben den Beinen auch Oberkörper und Arme. Ich war mir ziemlich sicher, dass mein Knie beim Wiedereinstieg bestens vorbereitet war… Doch, wie ich dir oben schon geschildert habe, lehrte mich das Leben eines besseren. Krafttraining ist gut, isolierte Übungen sind gut… doch nur für den Anfang und nur als Bestandteil eines Trainingkonzeptes. Und nicht als alleinige Trainingsform. 2. Du glaubst die Stabilität wird durch das Transplantat wiederhergestelltDer Arzt meinte zu mir, dass das Kreuzband nach sechs Monaten eingeheilt sei.
Punktgenau nach 6 Monaten habe ich wieder mit dem Training begonnen. Doch trotz kräftiger Muskulatur war ich auf dem Feld unsicher. Ich schien mehr auf mein Bein zu achten als auf den Ball. Außerdem sagte mir mein Trainer später, dass ich im Training hinkte und Schonhaltungen einnahm. Heute weiß ich, dass Schonhaltungen auf Dauer einem Todesurteil gleichen, da unphysiologische Bewegungen nicht nur die Leistungsfähigkeit mindern, sondern auch das Verletzungsrisiko drastisch erhöhen. Du musst wissen, dass bei der OP ganz viele Rezeptoren in der Haut und im Muskel zerstört werden und sich diese nur durch ein gezieltes Training wieder aufbauen lassen. Sie sind notwendig, um deinen Körper im Gleichgewicht zu halten. Sie sorgen dafür, dass die Muskulatur effizient arbeiten kann und unsere Bänder und Gelenke entlastet werden können. Das Transplantat ist (wie das Kreuzband auch) nur eine Notreserve, falls die Kniestabilisatoren versagen. Es sollte nicht primär dazu dienen, dein Knie zu stabilisieren. Vielmehr müssen die umliegenden Kniestrukturen gezielt auftrainiert werden, um dein Kreuzband zu entlasten und zu schützen. Die alleinigen Kraftwerte im Squatrack sind kein Indikator für Stabilität! 3. Du schonst dein Knie weil du Angst hastAnstatt mich auf die Erfahrungen der Physiotherapeuten zu verlassen, hatte ich Angst. Zum Beispiel befürchtete ich bei Streck- und Beugebewegungen, dass mir der Therapeut das Band ausreißen könnte. 😀 Was totaler Schwachsinn ist, da das neue Band 4000 Newton aushält (das entspricht einer Gewichtskraft von 400kg!). Für einen Menschen ist es fast unmöglich, eine solche Kraft aufzuwenden. Aber damals wusste ich das ja noch nicht… Aufgrund meiner Angst führte ich ein sehr einseitiges Rehaprogramm durch. Statt joggen, fuhr ich nur noch Rennrad, um das Knie möglichst lange zu schonen. An Stop-and-Go Training und Sprinttraining war erst gar nicht zu denken. Stattdessen drückte ich jeden Tag fleißig meine Kilos im Fitnessstudio. Denn das war sicher. Damit du wieder erfolgreich in den Sport einsteigen kannst, musst du dein Knie nach der anfänglichen Schonphase gezielt und sportartspezifisch auftrainieren. Genau so wie ein Läufer sich mit kleinen Strecken an den Marathon herantastet, musst du dein Knie mit kleinen Sprints sowie Stop-and-Go Einheiten auf das Feld vorbereiten. Was ist die Basis einer schlechten Rehabilitation?Ganz banal gesagt: Mangel an Aufklärung und Wissen! Ich durchforstete damals das ganze Internet, doch leider gab es kaum hilfreiche Seiten. Zugegeben in den letzten 8 Jahren hat es sich deutlich gebessert. Aber damals gab es nur Informationen zu Operationsmethoden und dass die Rehabilitation wichtig sei. Doch was gehört zur Reha dazu? Warum ist sie wichtig? Das war nicht ausfindig zu machen. Diese Problematik schilderte ich den Ärzten auf Kongressen. Drei mal darfst du raten, wie deren Reaktion war. Sie schauten mich an wie Goofy in einer Quantenphysik-Vorlesung. Fast sprachlos pressten sie die kleinen Worte durch ihre Zähne:
Auf meine Frage, ob sie denn selbst mal geschaut hätten, kam natürlich ein bescheidenes »Nein«. Als Ausrede sagten sie, dass der Patient sie ja fragen könnte. Doch wie soll der Patient etwas fragen, wenn er gar keine Ahnung hat? Einsames Schweigen… Zeit für Veränderungen?!Leider muss ich dir die traurige Nachricht übermitteln, dass ich bis heute noch keine Internetseite gefunden habe, die wirklich gute und vollständige Informationen über
Zu meiner größten Enttäuschung, denn Millionen von Menschen sind wie du und ich von einem solchen Vorfall betroffen. Trotzdem wird mit Infos an jeder Ecke gegeizt, obwohl sie so wichtig sind. (Mit welchen Fragen hat man dich im Dunkeln stehen lassen? Was glaubst du, hast du gut oder schlecht gemacht?) Diese Erkenntnis erweckte den Wunsch in mir etwas daran zu ändern. Deshalb diese Artikelserie 🙂 FazitWas solltest du dir also unbedingt für deine Rehabilitation merken? Dieses Sprichwort ist alt und ausgelutscht: Fleiß überwindet alles. Aber Entschlossenheit und Fleiß alleine werden dich nicht an dein Ziel bringen. Vielmehr bestimmt ein Mix aus Wissen, Offenheit gegenüber Unbekanntem und die Freude am Erlernen von Neuem, wie erfolgreich du bist. Mit Hilfe dieser explosiven Mischung kannst du nämlich deine Defizite gezielt adressieren, ein stabiles Fundament aufbauen und schließlich zu einem gesunden – und vor allem besseren – Athleten werden. So planst du dir zuerst ein gezieltes Training, um erst danach mit viel Entschlossenheit und Fleiß die Probleme anzugehen. Für die postoperative Nachversorgung solltest du dir auf jeden Fall meine drei Stolperfallen merken und versuchen diese gezielt zu umgehen.
Mach dir meine Fehler zu nutze und mach es besser. Denn wie Otto von Bismarck so schön sagte:
Um dir etwas unter die Arme zu Greifen, habe ich nun eine Reihe von Übungen auf unserem Instagram-Account hochgeladen: Was denkst du im Nachhinein? Welche Fehler hast du bisher begangen? Konntest du in der Reha etwas lernen, was dir sehr geholfen hat? Lass doch einen Kommentar dar, damit wir auch von deinen Erfahrungen lernen können. 🙂 Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann lass mir einen Kommentar unter dem Artikel da und schenke uns deinen Like auf unserer Facebook-Page! Was darf man nach einer Knie OP nicht machen?Vor allem in den ersten drei Monaten nach der Operation sollte man längeres Hocken, Knien, Überkreuzen der Beine, schweres Heben und Tragen sowie Stoßbelastungen vermeiden.
Wie kann ich mein Knie wieder beugen?Auf einen Stuhl oder Hocker setzen, der so hoch ist, dass die Beine ungefähr in einer 90-Grad-Position angewinkelt sind. Eine leichte Gewichtsmanschette am Unterschenkel (oberhalb des Fußgelenks) anbringen. Ein Bein langsam durchstrecken und anheben, für 5 Sekunden so halten, danach langsam wieder beugen und absenken.
Wie oft Übungen nach Knie OP?Zur Wiederherstellung der Beweglichkeit und Stabilität Ihres Kniegelenks nach der Operation ist die regelmäßige Durchführung eines Übungsprogramms elementar wichtig. Dieses kann zum größten Teil zu Hause durchgeführt werden. Trainieren Sie mindestens 3 mal täglich und wiederholen Sie jede Übung 5 – 10 mal.
Welche Physio nach Knie OP?Manuelle Lymphdrainage in den ersten Wochen nach der TEP-Operation: Durch gezielte Griffe wird die Schwellung im Operationsgebiet reduziert. Krankengymnastik sorgt durch spezifische Übungen für eine bessere Beweglichkeit, Stabilität und Kraft der Kniegelenke und der Beine.
|