Was hat man wenn man sich alleine fühlt?

Mit seinen Freunden und der Familie in Kontakt zu bleiben ist in Zeiten der Corona-Krise besonders wichtig. Und natürlich können wir uns Nachrichten und Mails schreiben, uns mit Telefongesprächen austauschen oder per Videochat mit unseren Liebsten zusammenschalten - all das könne helfen, sich seelisch über Wasser zu halten.

Doch reales Zusammensein kann das nicht ersetzen, sagt der Neurowissenschaftler Henning Beck: "Das ist immer der Goldstandard." Denn nur, wenn wir Menschen physisch vor uns haben, bekommt unser Gehirn die Nahrung, die es braucht: "Wenn ich mit anderen zusammen bin, ist das die Champions League des Denkens. Man hört anderen zu, man muss das entschlüsseln, was die anderen auch gestisch oder mimisch vermitteln wollen. Man liest Zwischentöne, man versucht, Gedanken nachzuvollziehen. Wir wissen, dass es im Gehirn extra Areale und Netzwerke gibt, die nur dafür zuständig sind, die Situation, die Gefühlswelt, auch die Perspektive von anderen Menschen zu simulieren."

Was hat man wenn man sich alleine fühlt?

"Wenn ich mit anderen zusammen bin, ist das die Champions League des Denkens", sagt der Neurowisschenschaftler Henning Beck. Bildrechte: Marc Fippel

Dieses gemeinsame Ping-Pong-Spiel aus Aktion und Reaktion treibt unser Gehirn an. "Das ist auch das, was so ein Flow-Erlebnis auslöst. Man weiß, dass Menschen dann ganz besonders die Gesellschaft von anderen Personen schätzen, wenn sie quasi in Echtzeit in der Lage sind, die Gestik, die Mimik und auch die Gedanken und übrigens auch ein bisschen die Hirnaktivität von anderen Personen zu spiegeln." Deshalb sei es ein großer Unterschied, ob wir jemanden tatsächlich live sehen und das Gehirn das auch räumlich verarbeitet, oder eben nur auf einem zweidimensionalen Bildschirm.

Alleinsein heisst nicht einsam zu sein

Dabei sind Alleinsein, soziale Isolation und Einsamkeit Begriffe, die klar voneinander unterschieden werden müssen. Alleinsein beschreibt einen Zustand: Ein Mensch hat physisch keine Personen um sich herum, die ihm nahestehen. Zudem kann sie auch selbstbestimmt sein, ein bewusster Rückzug als Erholungspause. Fällt aber langfristig auch noch der technische oder digitale Kontakt zu Mitmenschen weg, etwa via Telefon, spricht man von sozialer Isolation - ebenfalls eine Zustandsbeschreibung.

Beide Zustände können zu jenem Gefühl führen, das wir Einsamkeit nennen: Der Eindruck, allein auf der Welt zu sein, sich unverstanden und ausgeschlossen zu fühlen, ohne Menschen, die sich für einen interessieren. Einsam kann man sich aber auch fühlen, wenn man unter Leuten ist, egal, ob in einer Menschenmenge oder bei einem Treffen mit Freunden.

Das wohl entscheidendste Kennzeichen ist dabei die Unfreiwilligkeit, denn hinter der Einsamkeit verbirgt sich ein Mangel, ein Bedürfnis nach Kontakt und Zugehörigkeit. Ob wir uns also einsam fühlen oder nicht, hängt weniger von der Anzahl unserer Freunde oder der Intensität unserer gemeinsamen Treffen ab, als vielmehr von der persönlichen Bewertung dieser Beziehungen.

Ganz ohne geht es jedenfalls nicht, da ist sich Henning Beck sicher.

Wir können nicht ohne andere Menschen leben, denn eigentlich ist das Menschsein in der Evolution dadurch entstanden, dass wir wie kein anderes Lebewesen miteinander kooperieren, miteinander Pläne schmieden, miteinander Lösungen finden. Und eigentlich ist es das, was uns auch so besonders macht.

"Einsamkeit tut weh, sie ist ansteckend und tödlich"

Was hat man wenn man sich alleine fühlt?

Für Psychiater und Neurowissenschaftler Manfred Spitzer ist Einsamkeit unser Lebensrisiko Nummer ein. Bildrechte: imago/Jürgen Heinrich

Dass wir Einsamkeit als negativ empfinden und deshalb auch vermeiden wollen, liegt aber nicht nur daran, dass unser Gehirn nach dem "Futter" der Gemeinschaft verlangt. Es geht dabei auch, wenn man es drastisch formulieren will, ums blanke Überleben. Diese Auffassung vertritt der Ulmer Psychiater und Neurowissenschaftler Manfred Spitzer. In seinem Buch "Einsamkeit - die unerkannte Krankheit" spricht er von Einsamkeit als "Todesursache Nummer eins".

"Wenn ich das Gefühl habe, es ist niemand da, der sich um mich kümmern könnte, wenn es mir schlecht geht, dann habe ich tatsächlich mehr Stresshormone im Blut. Und Stresshormone lösen alle möglichen Krankheiten aus: chronisch erhöhten Blutdruck und Blutzucker - das sind wesentliche Risikofaktoren für Schlaganfälle und Herzinfarkte. Wenn ich das Immunsystem runterregele, habe ich mehr Krebs und mehr Infektionskrankheiten. Es entstehen durch diesen Stress also jede Menge Risiken und das schlägt sich dann ganz offensichtlich in der Epidemiologie der Einsamkeit als Todesursache Nummer eins nieder."

Für diese These zieht Spitzer verschiedenste Studien zum Thema heran, etwa eine Metaanalyse der Brigham Young University aus dem Jahr 2015. In dieser wurden 70 Langzeituntersuchungen mit rund 3,4 Millionen Teilnehmenden ausgewertet. Das Ergebnis: Probanden, die angaben, sich einsam zu fühlen, hatten ein um 26 Prozent erhöhtes Risiko, vorzeitig zu sterben.

Spitzers Buch ist vielfach besprochen und auch kritisiert worden – für einige ist der Schluss "Einsamkeit = Tod" zu kurz gegriffen. Es könne nicht hundertprozentig gesagt werden, ob es sich hier wirklich um eine Kausalität oder "nur" um eine Korrelation handle. In einem Punkt sind sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jedoch einig: Einsamkeit schlägt sich auf unsere Gesundheit nieder, nicht nur psychisch, sondern auch physisch. Es gilt also, dieses Gefühl gesellschaftlich ernst zu nehmen.

Einsamkeit als Frühwarnsystem unseres Körpers

Die Gesundheitspsychologin Sonia Lippke wünscht sich deshalb, dass Einsamkeit in Deutschland stärker zu einem öffentlichen Thema gemacht und auch politisch angegangen wird: "Einfach auch, weil wir den demografischen Wandel haben. Ältere Menschen sind wegen gesundheitlicher Einschränkungen oft stärker von Einsamkeit betroffen. Und wir sehen: Wenn die Einsamkeit da ist und nicht angegangen wird, dann ist die Gefahr groß, dass durch die Einsamkeit diese gesundheitlichen Einschränkungen immer größer werden. Das sind Kosten, die wir auch als Gesellschaft tragen müssen." Lippke verweist deshalb auf eine Untersuchung aus Großbritannien: Jedes investierte Pfund, das dort beispielsweise in Gemeinschaftsaktionen und Stadtteilprojekte investiert wurde, die der Einsamkeit der Bewohner entgegenwirken sollten, brachte dem Gesundheitssystem am Ende eine Kostenersparnis von 1,26 Pfund. Vorsorge lohnt sich also.

Was ist wenn man sich alleine fühlt?

Die begleitenden Körperreaktionen bei Einsamkeit werden von vielen Betroffenen als unspezifisch, verkrampfend oder verzerrt wahrgenommen. Häufig sind körperliche Symptome wie Anspannung, Nervosität, Unsicherheit, Unruhe, Herzrasen, Beklemmung, Schwindel oder Schlafstörungen (Depression und Schlafstörungen).

Was tun wenn man sich komplett alleine fühlt?

Sechs Tipps gegen Einsamkeit.
Ein neues Hobby suchen. Bei vielen Freizeitbeschäftigungen kommt man unter Menschen und schließt vielleicht sogar Freundschaften. ... .
Ein Ehrenamt übernehmen. ... .
Auf den Hund kommen. ... .
Alte Kontakte auffrischen. ... .
Die Möglichkeiten des Internets nutzen. ... .
Nachbarschaftliche Beziehungen pflegen..

Was passiert wenn man zu viel alleine ist?

Einsamkeit verursacht seelischen und körperlichen Stress. Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden begünstigt. Schlechter Schlaf führt auch zu weniger Belastbarkeit. Menschen ohne soziale Kontakte achten weniger auf sich.

Wie wirkt sich Einsamkeit auf die Psyche aus?

Beziehungen zu anderen Menschen sind für unser psychisches Wohlbefinden von entscheidender Bedeutung. Soziale Isolation ist mit einem erhöhten Risiko für psychische Probleme wie Angstzustände und Depressionen verbunden. Psychische Erkrankungen können wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöhen, sich einsam zu fühlen.