Warum haben Giraffen nur 7 Halswirbel?

Was hat es mit diesem zwei Meter langen Hals auf sich? Neben den verlängerten Halswirbeln besitzt das Markenzeichen der Giraffen ein weiteres Geheimnis, verdeutlicht eine Studie: Die bei Säugetieren üblichen sieben Halswirbel werden durch einen umfunktionierten Brustwirbel aufgestockt, konnten die Wissenschaftler durch Analysen und Simulationen nun bestätigen. Wie sie weiter berichten, kam es beim Wisent interessanterweise zu einer gegenteiligen Entwicklung: Ein Halswirbel wurde zum Brustwirbel umfunktioniert.

So „hochnäsig“ ist kein anderes Tier: Giraffen erreichen eine Höhe von bis zu sechs Metern. Dadurch konnten sich diese skurrilen Paarhufer die Blätter der Baumkronen als Nahrungsquellen in ihren afrikanischen Lebensräumen erschließen. Dem Prinzip der Evolution zufolge wurde der Hals bei den Vorfahren der Giraffen im Verlauf ihrer Entwicklungsgeschichte offenbar immer länger. Doch wie? Diese Frage fasziniert Anatomen und Evolutionsbiologen schon lange. Klar ist: Eine Vervielfachung von Halswirbeln hat es auch bei den Giraffen nicht gegeben. Trotz der enormen Länge wird der Hals nur von sieben Halswirbeln gebildet – so wie bei uns. Dabei handelt es sich um eine Regel bei Säugetieren – mit nur wenigen Ausnahmen.

Speziell verlängert

Die Halswirbel der Giraffen sind allerdings stark gestreckt, um gemeinsam für eine Verlängerung der knöchernen Stützstruktur zu sorgen. „Doch schon in einer anatomischen Arbeit vom Beginn des vorherigen Jahrhunderts wurde die Hypothese aufgestellt, dass die auffallende Gestalt des ersten Brustwirbels ebenfalls zur Verlängerung des Halses bei Giraffen beiträgt“, sagt John Nyakatura von der Humboldt-Universität zu Berlin. Dieser Hypothese haben er und seine Kollegen nun eine Studie gewidmet. Die Forscher scannten und untersuchten dazu zunächst hunderte von Wirbeln und Skeletten aus verschiedenen naturwissenschaftlichen Sammlungen. Neben den Giraffen

Warum haben Giraffen nur 7 Halswirbel?
Merkmale des ersten Brustwirbels der Giraffe. (Bild:
Böhmer (Ludwig-Maximilians Universität), Müller (Humboldt Universität), Nyakatura (Humboldt-Universität)

bezogen sie viele andere verwandte Paarhufer mit ein – Rinder, Schafe, Antilopen und Hirsche sowie Vertreter der Kamele. Aus den Daten entwickelten die Forscher eine digitale Bibliothek virtueller Knochenmodelle.

Anzeige

Anschließend unterzogen sie die Strukturen einer dreidimensionalen statistischen Formanalyse. Dabei zeichnete sich die Besonderheit des ersten Brustwirbels der Giraffen deutlich ab: Obwohl dieser Knochen Rippen trägt und somit Teil der Brustwirbelsäule ist, ähnelt er in seiner Gestalt einem Halswirbel, zeigten die Untersuchungen. In dieser Hinsicht ist die Giraffe einzigartig: Auch Paarhufer, die ebenfalls lange Hälse haben, wie beispielsweise die Giraffengazellen oder die Vikunjas, besitzen keine Brustwirbel mit diesen besonderen Merkmalen.

Ein zusätzliches Element

Im Rahmen ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler auch die funktionelle Bedeutung dieser Besonderheit. Sie nutzten dazu eine Software, die auch bei Animationsfilmen zum Einsatz kommt. Sie ermöglichte die Simulation der Bewegungen zwischen den Wirbeln. So konnten die Forscher virtuell erfassen, welcher Bewegungsspielraum vorliegt, bis die Knochen aufeinandertreffen oder die Gelenke an ihre Grenzen stoßen. In diesem Zusammenhang zeichnete sich ab, dass die speziellen Merkmale des ersten Brustwirbels der Giraffen spezielle Bewegungsfreiheiten ermöglichen. Funktional besteht die Halswirbelsäule der berühmten Langhälse somit aus acht Elementen. „Mit den modernen technischen Möglichkeiten konnten wir somit nun die alte Hypothese belegen“, resümiert Nyakatura.

Forscher rätseln seit langem, warum Giraffen so lange Hälse besitzen. Darwin glaubte, diese hätten sich in der Evolution durchgesetzt, weil sie den Tieren halfen, die oberen Bereiche der Bäume zu erreichen. Irrte der berühmte Evolutionsforscher?

Anzeige

Comment 0  Kommentare

Facebook Twitter Whatsapp

Anzeige

Der extrem lange Hals der Giraffen ist womöglich eine Folge ihres rabiaten Kampfverhaltens. Das schließt ein internationales Forscherteam aus der Untersuchung fossiler Überreste einer Ur-Giraffe. Diese Tiere schlugen bei Kämpfen wohl ihre Köpfe gegeneinander und entwickelten in der Folge eine schützende Haube auf dem Kopf und äußerst robuste Halswirbel, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“ berichten.

Anzeige

Auf ähnliche Weise könnten auch die Extrem-Hälse heutiger Giraffen entstanden sein. Diese schlagen zwar nicht ihre Köpfe gegeneinander, wohl aber ihre beeindruckend langen und muskulösen Hälse.

Lesen Sie auch

Warum haben Giraffen nur 7 Halswirbel?

Evolutionstheorie

Warum Mutationen wichtig sind

Anzeige

„Die gängige Vorstellung, dass sich die langen Hälse im Verlauf der Evolution nur entwickelten, weil die Tiere damit Blätter im oberen Bereich der Bäume erreichten, greift womöglich zu kurz“, erläutert Ko-Autorin Manuela Aiglstorfer vom Naturhistorischen Museum Mainz und der Landessammlung für Naturkunde Rheinland-Pfalz. „Womöglich ist das nur ein Nebeneffekt und die Kampfstrategie der vorrangige Grund für die Entwicklung des langen Halses.“

Lesen Sie auch

Warum haben Giraffen nur 7 Halswirbel?

Brand Story MEERESFORSCHUNG

Einzigartiger Planet | Luiz Rocha

Anzeige

Aiglstorfer ist als Wiederkäuer-Spezialistin Teil des Teams um Shi-Qi Wang von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking. Die Forscher hatten fossile Überreste eines Tieres untersucht, das vor rund 17 Millionen Jahren im Norden des heutigen China lebte: Discokeryx xiezhi, benannt nach dem asiatischen Einhorn-Fabeltier Xiezhi.

Robuste Halswirbel zum Schutz vor Erschütterungen

Die Analyse der Knochen habe ergeben, dass es sich um einen Vertreter aus der Gruppe der Giraffenartigen handelt, erläutert Aiglstorfer. „Diese Gruppe war damals viel vielfältiger als sie es heute ist. Die Tiere hatten zum Beispiel unterschiedliche Schädelanhänge und zeigten auch ein vielfältiges Kampfverhalten.“

Anzeige

Die Untersuchungen belegten, dass Discokeryx extrem dicke und robuste Halswirbel besaß. Damit konnten die Tiere starke Erschütterungen abfangen, belegten Modellierungen. Auf dem Kopf trugen sie eine dicke, scheibenförmige Struktur, die wiederum vermutlich mit einer Art Horn versehen war. Außergewöhnlich lang war ihr Hals nicht.

Warum haben Giraffen nur 7 Halswirbel?

ACHTUNG: SPERRFRIST 2. JUNI 20:00 UHR. - HANDOUT - Caption: Intermale-competitions of giraffoid, foreground: Discokeryx xiezhi, background: Giraffa camelopardalis Credit: WANG Yu a...nd GUO Xiaocong Usage Restrictions: Credit must be given to the creator ACHTUNG: Frei nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Studie bei Nennung des Credits: WANG Yu and GUO Xiaocong Foto: WANG Yu and GUO Xiaocong

Quelle: WANG Yu and GUO Xiaocong

Die Forscher vermuten, dass die Tiere ihre Köpfe ähnlich gegeneinander rammten wie etwa heutige Steinböcke oder Moschusochsen. Zu solchen Kämpfe könnte es etwa beim Werben um ein Weibchen gekommen sein. Tatsächlich war die Wirbel-Struktur der Ur-Giraffe effektiver an die große Krafteinwirkung angepasst als es bei heutigen, auf diese Weise kämpfenden Tieren der Fall ist, schreiben die Forscher.

Anzeige

Anzeige

Die heutigen Giraffen leben auf dem afrikanischen Kontinent. Trotz des extremen, rund zwei Meter langen Halses, besteht auch ihre Halswirbelsäule aus nur sieben Wirbeln, wie bei den meisten Säugetieren.

Lesen Sie auch

Warum haben Giraffen nur 7 Halswirbel?

Fellzeichnung

Wie Giraffen zu ihren Flecken kommen

„Die Halswirbel moderner Giraffen sind ganz anders aufgebaut als bei Discokeryx, sie sind auf Länge ausgerichtet“, sagt Aiglstorfer. Warum die Tiere im Verlauf der Evolution einen derart langen Hals entwickelt haben, beschäftigt Wissenschaftler seit Jahrhunderten.

Einige Forscher gehen davon aus, dass sexuelle Selektion die Entstehung vorangetrieben hat: Männchen mit einem starken, langen Hals gewannen demnach häufiger Kämpfe um die Weibchen und gaben ihre Gene an die nächste Generation weiter.

„Männliche Balzkämpfe“ spielen eine Rolle

Bekannter ist die Theorie, dass Vorteile beim Nahrungserwerb ausschlaggebender waren und den Hals letztlich wachsen ließen: Der Evolutionsbiologe Jean-Baptiste Lamarck vermutete demnach, dass der Hals sich im Laufe des Lebens einer Giraffe streckte, weil sie sich immer nach den hochwachsenden Blättern reckte.

Die neu erworbene Eigenschaft vererbte sich Lamarck zufolge auf den Nachwuchs. Diese Theorie ist inzwischen widerlegt, weil individuelle Anpassungen nicht in dieser Weise auf die Gene wirken. Diese sind, wie man heute weiß, die Grundlage für die Vererbung von körperlichen Merkmalen.

Anzeige

Anzeige

Die heute wohl gängigste Meinung geht auf Charles Darwin zurück, der entsprechend seiner Evolutionstheorie davon ausging, dass immer wieder zufällig Individuen mit einem besonders langen Hals entstehen. Da diese mehr Nahrung erreichen als ihre Artgenossen mit einem kürzeren Hals, haben sie bessere Überlebenschancen und damit mehr Nachkommen, denen sie die genetische Grundlage für den langen Hals weitergeben können. So setzt sich nach und nach ein vorteilhaftes Merkmal in einer Tiergruppe durch.

„Unsere Untersuchung ergab nicht, dass es keinen Zusammenhang zwischen Halslänge und Ernährung gibt“, sagt Aiglstorfer. „Aber wir zeigen, dass es bei Wiederkäuern eben auch andere bedeutende Einflüsse geben kann, die die Struktur der Halswirbelsäule beeinflussen.“

Mehr zu Biologie und Zoologie

Warum haben Giraffen nur 7 Halswirbel?

Gärten und Parks

Eisenhut, Vogelbeeren, Tollkirsche – Wann Giftpflanzen gefährlich werden

Warum haben Giraffen nur 7 Halswirbel?

Farbgeprotze im Tierreich

Warum tollkühne Chamäleons gefährlicher, aber erfolgreicher leben

Warum haben Giraffen nur 7 Halswirbel?

Koala-Krise

Forscher züchten Superkoalas für die Wildnis

Warum haben Giraffen nur 7 Halswirbel?

Wälder

Die Kraft uralter Bäume

„Sowohl die heutigen Giraffen als auch Discokeryx xiezhi gehören zur Gruppe der Giraffenartigen“, sagt Shi-Qi Wang. „Obwohl sich ihre Schädel- und Halsmorphologie stark unterscheidet, werden beide mit männlichen Balzkämpfen in Verbindung gebracht, und beide haben sich in eine extreme Richtung entwickelt.“

Hat eine Giraffe 7 Halswirbel?

Obwohl kein anderes, heute lebendes Säugetier die extreme Halslänge der Giraffe erreicht, unterscheiden sie sich nicht in der Anzahl der Wirbel im Hals. Fast alle Säugetiere – von der Maus bis hin zu uns Menschen – haben sieben Halswirbel, so auch die Giraffe.

Wer hat 8 Halswirbel?

Eine der rätselhaften Ausnahmen von dieser Regel sind die Faultiere. Sie haben acht bis zehn Wirbel im Hals, die den Kriterien für Halswirbel bei allen anderen Säugern entsprechen: Im Gegensatz zu Brustwirbeln weisen diese Wirbel keine Rippen auf und befinden sich oberhalb des Schultergürtels.

Welches Tier hat mehr als 7 Halswirbel?

Säuger haben generell 7 Halswirbel (Giraffe!, Spitzmaus!). Ausnahmen bilden nur die Faultiere Choloepus mit 6, Bradypus mit 9 und die Seekuh Manatis (Seekühe) mit 6 Halswirbeln.

Hat eine Giraffe zwei Herzen?

Dass Giraffen zwei Herzen haben, ist ein Gerücht. Das Giraffenherz ist noch nicht einmal besonders groß. Doch es vollbringt eine enorme Leistung, muss es schließlich das Blut rund zwei Meter bis zum Gehirn hochpumpen. Die Muskelwand der linken Herzseite, die dafür zuständig ist, ist besonders dick und kräftig.