Verteidigungsministerium berater soll doppelt bezahlt worden sein

Mindestens 200 Millionen Euro hat das Bundesverteidigungsministerium an externe Berater gezahlt, um bei der Bundeswehrreform voranzukommen. Die Beratungsfirma Accenture hat dabei womöglich auch noch illegal Kasse gemacht.

In der Berateraffäre bei der Bundeswehr gibt es wenige Tage vor der ersten regulären Sitzung des Bundestags-Untersuchungsausschusses neue Vorwürfe gegen die Beratungsfirma Accenture. Wie die "Bild am Sonntag" berichtet, muss sich die Firma für IT-Strategieberatung nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft nun auch wegen möglichen Betrugs rechtfertigen.

Nach "BamS"-Informationen soll ein Manager 2017 Beratungsstunden für IT-Projekte doppelt abgerechnet haben. Dies sei zunächst nicht aufgefallen, weil unterschiedliche Behörden an den entsprechenden Rahmenverträgen beteiligt gewesen seien. Accenture soll durch die falschen Rechnungen mindestens 25.000 Euro zu viel kassiert haben.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte der "BamS": "Bei einer internen Prüfung sind Auffälligkeiten bei der Abrechnung von Projekten aufgefallen. Diese werden aktuell im Hinblick auf Inhalt und Umfang untersucht. Im Falle der Bestätigung werden wir entschieden handeln." Accenture wollte auf Anfrage der Zeitung zu den Vorwürfen nicht Stellung nehmen.

Der Verteidigungsausschuss des Bundestages hatte sich Ende Januar als Untersuchungsausschuss konstituiert, um der Frage nachzugehen, wie es zu den Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Berateraufträgen im Verteidigungsministerium gekommen ist. In dem Ministerium sollen millionenschwere Verträge unter Umgehung des Vergaberechts vergeben worden sein. Dabei steht auch der Vorwurf der Vetternwirtschaft im Raum. Die Affäre hat Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und die frühere Verteidigungsstaatssekretärin Katrin Suder in Bedrängnis gebracht.

Wer berät die Bundesregierung? Diese Frage wird in Politik und Öffentlichkeit kontrovers diskutiert – vor allem weil immer wieder dieselben großen Firmen und externen Kanzleien mit Staatsaufträgen bedacht werden. Jetzt werden neue Zahlen bekannt.

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Die Bundesregierung hat in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres mindestens 344,3 Millionen Euro für Berater ausgegeben. Das geht aus internen Kostenaufstellungen hervor, die WELT AM SONNTAG vorliegen.

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Spitzenreiter bei den Aufträgen an Externe sind demnach das Innenministerium mit 128,3 Millionen Euro und das Finanzministerium mit 72,4 Millionen Euro. Es folgen das Gesundheitsministerium und das Verkehrsministerium mit jeweils rund 30 Millionen Euro. Die Zahlen enthalten noch keine Angaben für das vierte Quartal, das Landwirtschaftsministerium machte zudem keine Auskünfte. Gefragt danach hatte der Bundestagsabgeordnete Matthias Höhn (Die Linke).

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Das Verteidigungsministerium, wegen dessen Berateraufträgen es bereits einen Untersuchungsausschuss im Bundestag gab, gab seiner aktuellen Auflistung zufolge im ersten Halbjahr 2020 rund 31,4 Millionen Euro für Beratung und „externe Unterstützung“ aus. Zunächst hatte das Ressort für diesen Zeitraum Kosten von null Euro für externe Dritte angegeben, erst auf weitere Nachfragen Höhns korrigierte es sich auf die nun genannte Summe.

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Höhn kritisiert die hohen Ausgaben der Ministerien und fehlende Transparenz: „Die Abgeordneten im Bundestag wissen nicht im Detail, welche Firmen und Beraterleistungen überhaupt vom Staat eingekauft werden. Hier wird verschleiert, so gut es geht.“

Kritik vom Bundesrechnungshof

Auch der Bundesrechnungshof kritisierte bereits mehrfach eine mangelnde Wirtschaftlichkeit bei der Beauftragung von Beratern durch die Regierung. Dessen Präsident Kay Scheller sagte WELT AM SONNTAG, problematisch sei insbesondere, wenn der Bund sich „in seinem hoheitlichen Kernbereich, wie dem Verfassen von Gesetzen“ externe Beratung einkaufe. Die Regierung müsse sich hierfür „zunächst immer mit eigener Expertise ausrüsten und damit verhindern, dass er von anderen Interessen gesteuert werden kann“, sagte Scheller. Ansonsten verliere er „ein Stück weit Legitimation und das Vertrauen seiner Bürgerinnen und Bürger“.

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Im November hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages den Ministerien gegenüber verbindlich angeordnet, dass diese künftig deutlich weniger externe Expertise einkaufen dürfen. „Es geht um die Handlungsfähigkeit des Staates. Es kann nicht sein, dass die Regierung durch externe Beraterverträge Einfallstor für Firmen wird und der Staat nur noch ein Geschäftsmodell für Berater ist“, sagte SPD-Haushaltschef Dennis Rohde WELT AM SONNTAG.

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Dietmar Fink, Professor für Unternehmensberatung an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und Direktor der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management und Beratung, rechnete für die Zeitung hoch: Der öffentliche Sektor habe im Jahr 2020 insgesamt mehr als drei Milliarden Euro für Berater ausgegeben.

Anmerkung: In einer früheren Version hieß es, das Umweltministerium habe nicht pünktlich Auskunft über Ausgaben erteilt. Tatsächlich handelt es sich hierbei um das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Der Text wurde daher aktualisiert.