Gerade in sehr nahen Beziehungen passiert es, dass alte Wunden aufgerissen werden und unser Körper ein uraltes biologisches Schutzprogramm hochfährt, um Dich vor einer Bedrohung zu schützen. Angriff, Totstellen, Flucht und Unterwerfung laufen wie eine Art Automatikmodus ab und sind meist ein Mitbringsel aus den frühen Bindungserfahrungen unserer Kindheit. Wir verlieren dabei die bewusste Steuerung und das fühlt sich beängstigend an. Vor allem aber verstärkt es unsere Beziehungsprobleme, weil wir mit diesem Notfallprogramm keine wirklichen Lösungen auf Augenhöhe finden können. In dieser Folge schauen wir uns die 4 F Reaktion genau an, damit Du verstehst was in Dir passiert, wenn Du Dich verletzt, beängstigt oder bedroht fühlst und wie lernen kannst, Beziehungsprobleme auch anders zu lösen.
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Ich habe zuletzt ein sehr inspirierendes Zitat gelesen, dass ich gerne mit Dir teilen möchte: „Das eigentliche Problem der Menschheit ist folgendes: Wir haben steinzeitliche Gefühle, mittelalterliche Institutionen und eine gottgleiche Technik.“ Das stammt vom Evolutionsbiologen E.O. Wilson. Ich finde das ist wirklich auf den Punkt und es beschreibt ein Dilemma, dass wir alle kennen. Wir wissen so viel, wir können alle möglichen Informationen anzapfen, wir kommen klar in einer hochmodernen digitalisierten Welt und gleichzeitig haben wir immer noch Instinkte und Reflexe wie ein Urmensch oder ein Tier, es gibt biologische Programme in uns, die laufen heute noch so ab wie vor tausenden von Jahren. Das erschreckt uns und wir kriegen es meist nur schwer zusammen. Schließlich wollen wir gerne vernünftig und bewusst handeln. Eines dieser Überlebensprogramme ist die 4 F Reaktion, die uns in den Automatikmodus beamt wenn wir uns bedroht fühlen.
Was bei Angst und Bedrohung in unserem Körper und Nervensystem passiertGefahren zu entkommen und damit das Überleben zu sichern ist von Anbeginn der Menschheit an, eine der Prioritäten unseres vom Nervensystem gesteuerten Körpers. Überleben und damit Sicherheit geht vor Wohlfühlen und Stimmigkeit. Evolutionär gesehen macht das Sinn. Denn als wir noch als Urmensch durch die Savanne tappten, waren wir ständig von Gefahren umgeben, wilde Tiere, Witterungen und eine Natur, in der wir uns nur wenig schützen konnten. Eine innere Alarmanlage zu haben, die wachsam war und bei Bedrohung sofort ansprang um uns zu retten, war damals überlebensnotwendig. Wenn also ein Urmensch vor einem Säbelzahntiger stand, dann hatte der Urmensch keine Zeit, lange zu überlegen. Sein biologisches Rettungssystem kam ihm zu Hilfe. Der Säbelzahntiger wurde als Gefahr erkannt, das löste ein Ansteigen des Stresslevels und damit das Aktivieren der Überlebensprogramme aus. Über ein Ansteigen bestimmter Hormone wird der Körper in die Lage versetzt, Kräfte zu mobilisieren die ihn zu Kampf oder Flucht verhelfen können. Die Durchblutung und die Muskelspannung in allen Körperbereichen die dafür notwendig sind wird verstärkt, alle anderen Körperfunktionen werden heruntergefahren um Ressourcen zu schonen. Im Gehirn bedeutet das, alle Energie wird ins Stammhirn gelenkt, da dort die automatische Steuerung der Überlebensinstinkte zu Hause ist. Das Großhirn, in dem wir reflektieren und über Lösungen nachdenken können, wo unser Bewusstsein sitzt, das ist vorübergehend auf Standby, genauso wie das limbische System, unser Gefühlshirn. Jetzt kann der Urmensch den Säbelzahntiger angreifen, oder er kann fliehen. FIGHT oder FLIGHT. Wenn beides nicht geht, kommt das dritte F ins Spiel, FREEZE, die Erstarrung. Sich tot zu stellen und starr zu werden vor Angst könnte den Säbelzahntiger möglicherweise dazu bringen, abzulassen. Heute gibt es keine Säbelzahntiger mehr, wir leben als Menschen so sicher wie noch nie, auch wenn das natürlich nicht heißt dass wir absolut sicher sind und es keine Bedrohungen mehr gibt. Es sind heute ganz andere. Gesellschaftlich als auch individuell.
Wenn wir das jetzt auf unser Beziehungen beziehen und auf die Bindungskränkungen und schmerzvollen Gefühle, die wir im Zusammenhang mit den frühen Beziehungserfahrungen unseres Lebens als Kind schon verinnerlicht haben, dann kann man deutlich erkennen, das auch dort sehr oft die gleichen unbewussten Überlebensstrategien aktiv werden wie bei dem sprichwörtlichen Säbelzahntiger. Und deshalb werden wir uns jetzt mal alle 4 F Reaktionen einzeln anschauen und Beispiele für ihr Aktivwerden in Beziehungen finden. Fight, Flight, Freeze, die drei hatte ich schon genannt und die vierte, weniger bekannte Überlebensststrategie heißt Fawn-Response und ist so eine Mischung aus Beschwichtigung und Unterwerfung. Fight, Flight, Freeze und Fawn-Response, unsere automatischen Überlebensstrategien in schwierigen Beziehungssituationen Fight- nur wenn ich Dich bekämpfe und gewinne, kann ich mich rettenDas ist der Klassiker und die meisten von uns kennen es. Wir fühlen uns so getroffen, angegriffen oder verletzt, dass unser Partner oder unsere Partnerin auf einmal wie unser Feind dasteht. Ausgerechnet der Mensch, der uns am meisten lieben sollte, bei dem wir uns am sichersten fühlen wollten, der tut uns das an, vor dem wir uns am meisten fürchten. Sie oder er betrügt uns, lässt uns im Sticht, akzeptiert unsere Meinung nicht oder ist nicht für uns da. Was für ein Schmerz, was für ein bodenloser Verrat, der natürlich alte Wunden in uns aufreißt und alte in Beziehungen entstandene Schmerzen wachrüttelt. Das löst solchen Stress aus, dass die Alarmsysteme der Notfallprogramms in uns aktiviert werden und uns in den Kampf- und Abwehrmodus versetzt. Unser Körper reagiert jetzt haargenau so, als wenn ein Säbelzahntiger vor uns stehen würde. Dein Partner oder Deine Partnerin ist jetzt Dein Feind.
Ganz ausführlich hab ich das in der Folge „Destruktiver Streit ist ein Beziehungskiller“ erklärt, den ich Dir am Ende dieses Artikels verlinke. Im Kampfmodus wird also unser Partner oder unsere Partnerin zum vermeintlichen Feind. Und nun werden alle Geschütze aufgefahren, schreien, toben, runtermachen, kritisieren, drohen, zwingen, auf jeden Fall Druck machen. So sieht der Kampfmodus als Überlebensstrategie in unseren Paarbeziehungen aus. Und wenn ich da mal aus dem Nähkästchen plaudere, dann kann ich Dir sagen es gar nichts selten vorkommt, dass ein Paar vor mir sitzt, die den Kampfmodus bis über alle Grenzen hinweg ausgefochten hat, wo also auch körperliche Gewalt ein Thema war. Und ich erinnere mich an eine Situation, die erst vor ein paar Tagen in der Beratung stattgefunden hat- die beiden haben sich so geschämt und wussten gar nicht, wie es so mit ihnen durchgehen konnte. Sie waren regelrecht erschrocken über sich selbst, weil sie sich nicht als gewalttätig eingeschätzt hatten. Erst als sie sich völlig verausgabt hatten im Kampf, haben sie sich wiedergetroffen im Tal der Verzweiflung. Dann war Nähe möglich und der offene Zugang zu den Emotionen. Tragisch, denn diese destruktiven Strategien zerstören nachhaltig die Beziehung. Mit jeder neuen Eskalation erodiert die Vertrauensbasis, auch wenn man sich hinterher verträgt. Und natürlich, auch wenn es sich um die Überlebensstrategien handelt, die automatisch ablaufen als biologisches Schutzprogramm, die Verantwortung für unser Verhalten müssen wir trotzdem übernehmen.
Und vielleicht erinnerst Du Dich noch an die Folge über die vier apokalyptischen Reiter in der Paarbeziehung. Das sind erforschte Verhaltensweisen, mit denen wir unsere Beziehung nachhaltig zerstören und die wir möglichst vermeiden sollten. Der Kampfmodus entspricht dem ersten Apokalyptischen Reiter: Verallgemeinernde verletzende Kritik. Auch diese Folge verlinke ich Dir am Ende dieses Artikels. Und dort findest Du auch Strategien, aus den einzelnen destruktiven Verhaltensmustern auszusteigen.
Flight- nur wenn ich Dir ausweiche und mich vor Dir verstecke, kann ich mich rettenDen Fluchtmodus als Stressreaktion in schwierigen Beziehungssituationen oder in anderen belastenden Lebenssituationen zu erkennen, finde ich gar nicht immer ganz leicht. Der Flight-Modus hat nämlich viele Gesichter. Wir fliehen zum Beispiel vor notwendigen Auseinandersetzungen und Konflikten, indem wir uns abducken, ignorieren oder den anderen ins Leere laufen lassen. „Ich sehe das Problem nicht, dann ist es nicht da.“ ist eine Art „Vogel Strauß“ Taktik, die meist schon früh im Leben erlernt ist. Es ist Hilflosigkeit und Überforderung, innerer Stress, der dahintersteht. Von außen betrachtet, also aus Sicht unserer Beziehungspartner, sieht das Totschweigen, sich abwenden oder Beschwerden einfach zu ignorieren aus wie Macht. Vermeidungsstrategien sind in Beziehungen einer der häufigsten Gründe für Berge von ungeklärten Problemen, die einen am Ende entzweien. Oft ist dieses „Nichts sehen“, „Nichts hören“, „Nichts sagen“ auch Teil der sozialen Vererbung und es wurde einem schon zu Hause so vorgelebt. Auch bei den Apokalyptischen Reitern der Paarbeziehung findet sich diese Strategie wieder. Bei diesem Verhalten prallt man mit seiner Beschwerde ständig vor eine Gummiwand, oder man hat das Gefühl ins Leere zu laufen. Man stellt sich immer als Opfer dar, das eigene Verhalten ist immer nur die Reaktion auf Fehler des Partners. Beispiel: „Wenn du nicht ständig an mir rumnörgeln würdest, würde ich es ja vielleicht von selbst machen.“ Partnerin oder Partner werden einfach nicht gehört, sie kommen mit Ihrem Thema nicht durch. Das führt zu großer Hilflosigkeit und Ohnmacht. Probleme werden nicht gelöst, irgendwann resigniert man. Zu den Fluchtmechanismen gehört aber auch, Zusagen oder Versprechen zu machen und die dann immer wieder zu verschieben oder zu vertagen oder immer wieder Gründe zu finden, warum es nicht geht.
Freeze- wenn ich mich totstelle und still halte, wirst Du vielleicht von mir ablassenVom Totstellreflex hast Du bestimmt auch schon gehört. Es ist die „Maus vor der Schlange“-Situation und vielleicht kennst Du auch das Gefühl innen komplett erstarrt zu sein in einer Überforderungssituation. Es ist so, als würden große Wellen über Dir zusammenschlagen und Dich wehrlos mitreißen. Du bist handlungs- und denkunfähig. Blackout. Manchmal stehen wir sogar vollkommen neben uns und nehmen alles wie durch einen Schleier wahr, oder als würden wir einen Film anschauen. Man ist irgendwie unbeteiligt und fühlt nichts mehr. Diese Dissoziation ist ein Schutzmechanismus und wenn Dir das bekannt vorkommt, dann hat Dich dieser Abschalte-Modus Deiner Psyche wahrscheinlich schon früher in Deinem Leben vor überwältigenden Erfahrungen oder Gefühlen „gerettet“. Heute verstärkt das natürlich unsere Probleme nur noch, denn wenn wir einfrieren können wir nicht aktiv für unsere Position beziehen, wir sind wehrlos und machtlos. Auch der Totstellreflex oder das Einfrieren als Stressbedingte Überlebensstrategie haben viele Gesichter. Oft höre ich von Klienten, dass es besonders in Streitsituationen vorkommt, dass sie plötzlich nicht mehr denken können, vollkommen blockiert sind, keinen Zugriff mehr haben auf Ihre Argumente. Sie sind einfach in Schockstarre. Von außen betrachtet sieht es natürlich für den Beziehungspartner so aus, als wäre einem alles egal oder man würde sie oder ihn ignorieren. Ein ganz schlimmes Missverständnis. Menschen, die zum Freeze-Modus neigen, brauchen erst eine Weile, bis sich Ihr Nervensystem beruhigen kann. Erst dann haben sie wieder Zugriff auf ihre Fähigkeit zu sprechen, zu argumentieren, oder überhaupt etwas zu sagen. Wir sind übrigens nicht festgelegt auf eine Überlebensstrategie. Aber wir haben oft schon als Kind gewissen Bevorzugungen entwickelt. Ich kenne mich mit dem Freeze Modus bestens aus. Schon als Kind war Erstarrung etwas, dass mein unbewusster Notausgang bei beängstigenden, nicht bewältigbaren Erfahrungen mit der elterlichen Macht war. Und leider hat es mir dann im Erwachsenen-Leben öfters die Beine gestellt. Ich erinnere mich an meine erste Heilpraktiker-Prüfung Psychotherapie . Nach drei Jahren Ausbildung und bester schriftlicher Prüfungsnoten stand ich vor einer Kommission, angeführt von einer verärgerten und abweisenden Psychiaterin. Noch bevor ich irgendwas sagen konnte, hatte mich diese Frau so zynisch abgekanzelt, dass ich mir ganz klein und dumm vorkam. Diese Willkür und Machtdemonstration einer Autoritätsperson löste damals so starke alte Ängste in mir aus, dass ich vollkommen blockierte. Mein Denken war schwarz, da war nichts mehr. 0. Ich konnte kaum etwas sagen und hatte keinen Zugriff mehr auf mein Wissen. Es hat lange gedauert, bis ich diese Ohnmachtserfahrung überwunden hatte.
Fawn-Response- wenn ich mich Dir unterwerfe und Dich beschwichtige, wirst Du mir nichts tunFawn- Response- der Bambi-Reflex, das ewige Nettsein-Müssen ist als Schutzprogramm im Sinne von „Bitte tu mir nichts“ gehört zu den weniger bekannten automatischen Selbstschutzprogrammen. Dabei ist Fawn-Response massiv verbreitet und reicht von Beschwichtigung, über Unterwerfung bis hin zur Selbsterniedrigung aus gefühlter Angst oder Schutzlosigkeit vor anderen Menschen. Fawn heißt auf Englisch Rehkitz, Response bedeutet Antwort. Man versucht so harmlos, freundlich und nett zu sein, dass niemand „böse“ wird. Sich einschmeicheln, lieb Kind machen, ständig lächeln müssen, sich ständig verpflichtet fühlen es anderen recht zu machen oder hilfreich zu sein, nicht nein sage können, gehört dazu. Es ist eine Übertreibung des natürlichen Drangs anderen gefallen zu wollen, es ist ein gefallen müssen, weil im Hintergrund die Angst vor Ablehnung oder Verurteilung oder Verlust steht.
Man nennt Menschen, die davon abhängen, andere für sich einzunehmen und sie in vorauseilendem Gehorsam zu besänftigen und bei Laune zu halten People Pleaser. Ihr Verhalten wirkt oft unauthentisch und aufgesetzt, ist aber aus der Not der gefühlten Wehrlosigkeit geboren und aus der Angst, angegriffen zu werden. Ich brauche wohl nicht extra zu betonen, dass das meist Menschen sind, in denen Bindung mit Angst und Bedrohungsaspekten verknüpft ist. Dazu gehört auch das tapfere Dauerlächeln, dass mir bei manchmal bei Klientinnen im Erstkontakt auffällt. Elena ist so ein Beispiel. Während Sie mir vom gewalttätigen Verhalten Ihres alkoholabhängigen Partners erzählt und von Ihrer Angst, lächelt sie die ganze Zeit steif und strahlend. Inhalt und Ausdruck passen nicht zusammen. Mir ist klar, dass das ein Schutzmechanismus ist, der Bambi-Reflex und ich frage sie ganz behutsam danach. Elena erzählt mir unter Tränen, dass Sie immer wieder versucht, ganz normal zu sein und zu Lächeln, damit ihr Freund sich beruhigt. Das hat sie schon als kleines Mädchen gemacht, wenn der Vater die Mutter schlug. Die Trauma-Therapeutin Dami Charf, deren Arbeit ich sehr schätze schreibt dazu in einem Artikel, den ich Dir am Ende dieses Artikels verlinke: “Bambi-Menschen suchen Sicherheit, indem sie sich an die Wünsche, Bedürfnisse und Anforderungen anderer Menschen anpassen oder mit ihnen verschmelzen. Sie verhalten sich, als würden sie unbewusst glauben, dass der Preis für eine Beziehung das Opfern all ihrer Bedürfnisse, Rechte, Vorlieben und Grenzen ist.“ Und weiter: „Der Fawn-Response ist eine intelligente Überlebensstrategie, wenn es darum geht mehr Zuwendung und am wenigsten Gewalt erfahren. Kinder haben immer eine Bindung zu ihren Eltern oder Bezugspersonen. Wir lieben unsere Eltern und wir sind angewiesen darauf, dass sie uns lieben oder zumindest versorgen. Es kann also eine sehr intelligente Strategie sein, immer freundlich zu sein. Es kann wichtig sein, immer herauszufinden, wie man sein muss, um keine Gewalt auszulösen oder vielleicht sogar der Sonnenschein der Familie zu werden. In solchen Elternhäusern versuchen Kinder immer die Stimmung ihrer Eltern zu lesen. Viele Kinder versuchen sich möglichst unsichtbar zu machen, freundlich und hilfreich zu sein, damit sie überleben. Durch das Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse kann es mit der Zeit zu Identitätsverlust kommen. Manchmal lernt man allerdings dieses Selbst, diese eigene Identität nicht einmal kennen, weil man zu früh gelernt hat, sich anzupassen und immer „lieb“ zu sein. Menschen laufen dann vielleicht lächelnd durch die Welt, fühlen sich aber leer, einsam und wissen im Grunde nicht, wer sie sind und was sie vom Leben wollen.“ Soweit Dami Charf. Übrigens, denke nicht, nur Frauen neigen zu Fawn- Response. Auch Männer wurden manchmal zu regelrechten Bedürfnis-Erfüllern erzogen und lernten früh, sich selbst aufzugeben und sich in den Dienst der Bedürfnisse von Mama oder Papa zu stellen. Das kann zum Beispiel passieren, wenn ein Elternteil mit dem man alleine aufwuchs, krank war und der Hilfe bedurfte. Oft resultiert später daraus eine seltsame Mischung aus „Ich lese Dir alle Wünsche von den Augen ab“ und „Ich will weg, weil ich nicht mehr atmen kann“. Also eine Form von Bindungsangst. Auch können früh erlebte Unterwerfung, Selbstaufgabe und Erniedrigung mit Lustgefühlen asoziert sein und später sehr stark sexuale Ausprägungen erfahren. Ich erinnere mich an den Fall eines Klienten, der in seinem Leben erfolgreich war und auch sehr machtvoll wirkte. L wuchs ohne Vater mit seiner Mutter unter sehr wohlhabenden Bedingungen auf. Seine Mutter machte sich einen Spaß daraus, Spielchen mit ihm zu spielen, als er ein kleiner Junge war. In meinen Augen handelt es sich um sexuellen Missbrauch. L, der das ein und alles der Mutter war, wurde mit zuckersüßen Worten dazu genötigt Röckchen anzuziehen und zur Belustigung der Freundinnen der Mutter kleine Tänzchen aufzuführen. Manchmal sollte er sich dann an seinem „Spitzchen“ reiben und die Damen amüsierten sich dabei. L lachte und freute sich, wenn er alles richtig machte. Später im Leben suchte er sich bei aller Macht und Stärke, die er ausstrahlte immer wieder sexuelle Dienstleisterinnen, die diese mit der Lust verknüpfte Erniedrigung und erzwungene Unterwerfung mit ihm nachstellten. Echte Beziehungen dagegen fallen ihm bis heute schwer. Er pendelt zwischen Dominanz und Unterwerfung und kann keine Augenhöhe finden.
Der Ausweg aus den Überlebensstrategien, wie das Notfallprogramm überflüssig werden kann
Ich hoffe, Du hast die Stressreaktionen erkannt, zu denen Du am häufigsten tendierst. Dieses Erkennen ist wie immer der Anfang der Veränderung. Wenn Du weißt, wie Du bei innerem Stress häufig reagierst und wann Dein Notprogramm anläuft und in welchen Situationen es Dich am häufigsten retten will, dann ist das schon die halbe Miete. Beobachte Dich dabei immer wieder.
Denn in diesen Momenten ist es die Angst, die Dich steuert und nicht Deine Freiwilligkeit. Finde heraus, welches körperliche Gefühl, welche Empfindung in diesen Momenten in Deinem Körper herrscht. Wahrscheinlich nimmst Du eine Anspannung war, vielleicht zieht sich etwas zusammen in Dir, vielleicht wird es ganz leer. Spüre genau nach und erforsche die körperliche Reaktion und Deine Gefühle in diesem Moment. Genauso hilfreich, um Deinen inneren Zustand zu erkennen, ist die innere Ampel. Bist Du auf Grün heißt das GO, Du bist im Vollbesitz Deiner geistigen Kapazität und handelst selbstbestimmt und aus Deiner natürlichen Größe.
Ist es Gelb oder Rot, geh aus der Situation raus und unterbrich damit Deine automatischen Handlungen. Du agierst ansonsten wieder im Automatikmodus und die 4 F Reaktion nimmt ihren Lauf. Anstatt dessen ist es jetzt Deine Aufgabe, den inneren Stresspegel selbst zu regulieren. Das geht zum Beispiel hervorragend in der Natur, beim Sport, bei Musik, bei Meditation und ähnlichem.
„Zwischen Reiz und Reaktion liegt die Freiheit.“, das ist ein Zitat von Viktor Frankel, einem berühmten Psychotherapeuten, der das KZ überlebt hat. Wir können lernen, die automatischen Programme zu erkennen und zu unterbrechen, um selbstbestimmt und aus der inneren Größe heraus zu handeln. Ist es leicht? Nein, Du wirst immer wieder üben. Aber es ist möglich und jedes Mal, wenn Du es schaffst, geschieht ein Wunder, dass Du bewirkt hast. Und dafür lohnt sich die ganze Mühe auf jeden Fall. Beobachten, spüren, unterbrechen, regulieren und selbstbestimmt handeln. So können die Überlebensstrategien nach und nach überflüssig werden, zumindest dort wo sie nichts zu suchen haben, in unseren Beziehungen oder sozialen Interaktionen. Denn dem Grunde nach sind sie wertvoll, auch in unserer modernen Zeit lauern ab und zu sehr reale Säbelzahntiger, auch wenn sie sich tarnen. Das Wort 4 F Reaktion habe ich übrigens dem Buch „Anleitung für Dein Leben“ von Dr. Sophie Mort entnommen, dass vor kurzem in Deutschland erschienen ist und das viele unserer innerpsychischen Zusammenhänge verständlich und aus oft überraschender Perspektive erklärt. Unter diesem Link findest Du die Hörbuchausgabe des Buches bei Audible:Buchtipp: „Anleitung für Dein Leben“ von Dr. Sophie Mort bei Audible Bis zum nächsten Mal, alles Liebe, Deine Claudia Diese Podcast-Episode anhören 0.75x 1x 1.25x 1.5x 2x 0:00 44:26
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Das Neuste von „Leben-Lieben-Lassen“ gibt für Dich per Mail in meinem monatlichen Newsletter. Trag Dich am besten gleich hier ein. Warum hat meine Freundin Angst mich zu verlieren?Verlustängste gehen oft mit Eifersucht und Misstrauen einher. Wir haben Angst, nicht gut genug für ihn zu sein. Wir zweifeln an unserer Attraktivität und zweifeln deshalb daran, für den Partner attraktiv und liebenswert zu sein.
Warum hat man Angst den Partner zu verlieren?Verlustangst beruht fast immer auf einer Kindheitserfahrung:
Angst, den Partner zu verlieren bedeutet für den Betroffenen, dass es unbewusst den Partner an die Stelle der Eltern setzt und sich vom Partner abhängig sieht: Sein ganzes Glück hängt davon ab, dass der Partner bleibt und sich liebevoll verhält.
Was tun gegen Angst den Partner zu verlieren?Es ist wichtig, dass du die Erfahrung machst, dass du die Verlustangst aushalten kannst, ohne dich zum Beispiel beim Partner rückzuversichern. Schreibe ihm oder ihr zum Beispiel keine Nachricht, wenn du die Angst fühlst.
Ist verlustangst Liebe?Verlustangst ist eine Form von Bindungsangst und eine Art der Beziehungsstörung. Menschen, die darunter leiden, haben häufig ein zu geringes Selbstwertgefühl. Sie denken, dass sie den Ansprüchen des Partners nicht genügen. Die Selbstzweifel werden dann so groß, dass sie sich selber in Gedanken schlecht machen.
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