Entwicklung der Landwirtschaft in Deutschland seit 1950

Heute sind in vielen Teilen der Welt Industrie, Dienstleistungen und der Finanzsektor die wichtigsten Wirtschaftszweige. Vor der industriellen Revolution war es meist die Landwirtschaft – auch in Deutschland.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren Bauern in Deutschland nicht frei, sondern zumeist Leibeigene. Das bedeutete, dass sie ihrem Leibherrn verpflichtet waren und ihn bei allen wichtigen Lebensentscheidungen, zum Beispiel der eigenen Hochzeit, konsultieren mussten. Häufig gehörte dem Leibherrn auch das Land, auf dem die Bauern lebten und arbeiteten.

Das änderte sich erst, als die preußische Regierung 1807 Reformen zur Befreiung der Bauern einleitete. Da die Bauern die hohen Ablösungszahlungen an ihre Leibherrn oft nicht leisten konnten, war die Bauernbefreiung erst in den 1850er Jahren abgeschlossen. Das Ende der Leibeigenschaft war gleichzeitig der Startschuss für den Aufstieg der Bauern in Deutschland.

Für die Arbeit der Bauern brachte der Beginn der Industrialisierung in Europa um 1830 große Veränderungen. Zwar mussten einige Betriebe aufgeben, da viele ihrer Arbeitskräfte in die Städte zogen. Doch die Industrialisierung hatte auch etwas Gutes: den Dünger. Was heute selbstverständlich ist, löste im 19. Jahrhundert eine wahre Agrarrevolution aus. Durch den Dünger konnten die Bauern ihre Felder von nun an jedes Jahr bestellen und ihre Erträge deutlich steigern.

Viele Arbeitsplätze in der Landwirtschaft

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts arbeiteten 38 Prozent der Deutschen in der Landwirtschaft, zumeist in Familienbetrieben. Die bäuerliche Wirtschaft bildete gemeinsam mit der industriellen in den folgenden Jahrzehnten das, was der Soziologe Burkhard Lutz „strukturellen Dualismus“ nannte. Trotz der wachsenden Industrie wuchs auch die Landwirtschaft - denn sie übernahm technische Innovationen aus dem industriellen Sektor und steigerte so ihre Produktivität. Eine Symbiose, die bis zum 2. Weltkrieg hielt.

Nach dem Ende des Krieges lag Deutschland in Trümmern, Menschen hungerten, der Bedarf an landwirtschaftlichen Erzeugnissen war groß. Der Staat betrieb deshalb eine umfassende Flurbereinigung und gab mehr Flächen zur landwirtschaftlichen Nutzung frei. In der DDR schlossen sich die Bauern auf Anordnung des Staates in den 1950ern zu landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaften zusammen.

Landwirtschaft im Wandel

Die attraktiveren Arbeitsbedingungen – etwa im Dienstleistungssektor – führten in der Bundesrepublik allerdings dazu, dass immer mehr Menschen der Landwirtschaft beruflich den Rücken kehrten. Gleichzeitig wurden durch technische Neuerungen wie größere Mähdrescher und leistungsstärkere Traktoren weniger Arbeitskräfte benötigt. Die zusätzliche Automatisierung vieler Produktionsschritte sorgte dafür, dass die Landwirtschaft deutlich effektiver wurde.

Das hatte nicht nur positive Folgen: Der Agrarsektor produzierte viel mehr, als die deutschen Verbraucher nachfragten. Um die Preise zu stützen, kaufte der Staat die Überschüsse auf. Die Unmengen an Butter und Milch, die in den folgenden Jahrzehnten in staatlichen Lagern landeten, taufte die Öffentlichkeit flapsig Butterberg und Milchsee.

Enge Käfighaltung in den Viehbetrieben und ein exzessiver Einsatz chemischer Dünger brachten den deutschen Bauern dann in den 80er Jahren heftige Kritik ein. Die Behörden reagierten und setzten stärkere Regulierung durch, um sowohl das Tierwohl zu verbessern als auch Mensch und Umwelt besser vor Schadstoffen zu schützen.

Heute sind durch die Konzentration auf wenige Großbetriebe arbeiten nur noch etwa 1,5 Prozent der Beschäftigten in Deutschland in der Landwirtschaft. Der Handel mit Agrarprodukten läuft europaweit – teilweise sogar weltweit. Auf der einen Seite vergrößert dies die Absatzmärkte und -chancen der deutschen Landwirtschaft, auf der anderen Seite erhöht die internationale Konkurrenz den Preisdruck auf die Betriebe in Deutschland.

Die Landwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Die Zahl der Betriebe und der landwirtschaftlichen Erwerbstätigen nimmt ab. Die Mengen der erzeugten Produkte sind hingegen stark gestiegen. Die Erklärung für diesen scheinbaren Widerspruch: Die verbleibenden Betriebe werden größer und leistungsfähiger.

Der damit einhergehende Strukturwandel ist keine Besonderheit der Landwirtschaft. Auch in der übrigen Wirtschaft werden die Arbeitsplätze kapitalintensiver und sind durch eine wachsende Produktivität gekennzeichnet. In der vornehmlich durch Familienbetriebe gekennzeichneten Landwirtschaft ist der Generationenwechsel ein wesentlicher Taktgeber für den Strukturwandel. Die Gewinnung des Berufsnachwuchses für die Landwirtschaft ist ein entscheidender Faktor.

Enorme Produktivitätssteigerungen

Immer mehr Menschen werden von einem Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche ernährt. Der Hektarertrag für Weizen zum Beispiel lag vor gut 100 Jahren bei 18,5 Dezitonnen. Heute (Durchschnitt 2010 bis 2015) liegt der Hektarertrag mit 77,1 Dezitonnen mehr als viermal so hoch. Ein Landwirt erzeugte 1900 Nahrungsmittel in einem Umfang, um etwa 4 Personen ernähren zu können. 1950 ernährte ein Landwirt 10 und 2016 135 Personen (ohne Erzeugung aus Auslandsfuttermitteln). Trotz dieser starken Produktivitätssteigerung ist Deutschland stets ein Nettoimportland an Agrar- und Ernährungsgütern geblieben.

Treiber der Strukturentwicklung

  • Offene Märkte – Internationaler Wettbewerb
  • Technischer und züchterischer Fortschritt
  • Wirtschaftliche Größenvorteile
  • Gesetzlicher Regelungsdruck
  • Wachsende Kundenanforderungen
  • Kritische öffentliche Diskussion über Landwirtschaft

Technischer Fortschritt als wichtige Ursache

Die enorme Erzeugungssteigerung hat ihre Ursache in der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Produktionsweisen. Moderne Maschinen und Ställe, die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und Mineraldüngern sowie Zuchtfortschritte bei Pflanzen und Tieren haben dazu geführt, dass die Landwirte heute wesentlich stabilere und höhere Erträge erzielen als früher. Fortschritte in der Digitalisierung tragen auch dazu bei, die Landwirtschaft im Umgang mit Boden, Wasser und Luft noch nachhaltiger zu machen.

Wie entwickelt sich die Landwirtschaft in Deutschland?

Im Jahr 2020 gab es 263.500 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland. Vor 25 Jahren waren es noch mehr als doppelt so viele. Dieser Trend hat sich zwar verlangsamt, trotzdem ist die Zahl der Betriebe allein in den letzten zehn Jahren um rund 35.600 gesunken.

Was hat sich in den letzten 50 Jahren in der Landwirtschaft verändert?

Durch die starke Mechanisierung kann ein Landwirt heute etwa 139 Menschen ernähren, 1950 waren es dagegen nur 10 und 1900 gerade mal vier. Die zunehmende Produktivität hat aber auch dazu geführt, dass immer weniger Menschen in der Landwirtschaft arbeiten.

Wie hat sich die Landwirtschaft von früher bis heute verändert?

Verändert haben sich auch die Erträge. Ein Beispiel: Vor rund 100 Jahren ernteten die Bauern von einem Hektar im Durchschnitt 1.850 Kilogramm Weizen, heute liegt der Ertrag bei rund 8.100 Kilogramm. Ein Landwirt ernährt heute etwa 148 Menschen, im Jahr 1950 waren es dagegen nur 10 und im Jahr 1900 gerade einmal 4.

Wie hat sich die Landwirtschaft im Laufe der Zeit verändert?

In der Zeit von 2007 bis 2016 sank die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland von 321 600 auf 276 000. Obwohl fast 46 000 Betriebe aufgegeben wurden, blieb die land- wirtschaftlich genutzte Fläche in Deutschland mit 16,7 Mio. Hektar in etwa konstant.