Der 3 oktober ist in deutschland der national

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Es brauche allerlei mediale Begleitung, um den Tag der Deutschen Einheit mit Sinn zu füllen, findet unser Kolumnist Matthias Dell. Und: Der 3. Oktober sei einer der wenigen Tage im Jahr, an dem westdeutsch geprägte Medien sich für die DDR interessierten.

Der 3 oktober ist in deutschland der national

Fast 30 Jahre nach dem Mauerfall ist Schleswig-Holstein Gastgeber für den Tag der Deutschen Einheit. (picture alliance/Carsten Rehder/dpa)

Fürs Gedenken an Ereignisse von nationaler Wichtigkeit gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder baut man ein Denkmal oder man richtet einen Feiertag ein. Letzteres gilt für die Deutsche Einheit. Allerdings geht von dem Datum selbst wenig Strahlkraft aus. Nicht selten wird ja an Tagen gefeiert, an denen etwas national Bedeutsames geschehen ist wie in Frankreich oder den USA. Der 3. Oktober, der seit 1990 Tag der Deutschen Einheit heißt, wirkt dagegen wie ein Frisörtermin.

Auch deshalb braucht es allerlei mediale Begleitung, um ihn mit Sinn zu füllen. Die Leute sollen doch wissen, warum sie frei haben. Also gibt es Sonderausgaben, Feiertagssendungen, Spezialprogramme. Würde man nicht wissen, dass der 3. Oktober der Tag der Deutschen Einheit ist und hätte nur diese Texte, Features und Filme, dann könnte man auf die Idee verfallen, dieser Tag sei eigentlich der Tag des Endes der DDR. Oder der Tag der Erinnerung an die DDR.

"Wolfgang Thierse interviewen? Ach, nee!"

So gesehen ist der Nationalfeiertag einer der wenigen Tage im Jahr, an dem westdeutsch geprägte Medien sich für die DDR interessieren. Wenn es nicht so eintönig wäre, könnte es fast lustig sein, sich vorzustellen, wie das in den Redaktionen abläuft: "Sollen wir Wolfgang Thierse interviewen? - Ach, nee, den hatten wir doch letztes Jahr erst, wie wär's mal wieder mit Wolf Biermann? - Nee, wir brauchen jemand jüngeren, und am besten eine Frau, die noch einen Pioniernachmittag von innen gesehen hat."

Man könnte auch sagen, das routinierte Mit-der-DDR-befassen langweilt sich selbst. Hübsch illustriert das ein Text in der Extra-Ausgabe des "Spiegel", die vor ein paar Tagen erschien – verantwortet übrigens von zwei westdeutschen Mitarbeitern des Magazins. Im Heft darf nämlich einer der wenigen ostdeutschen "Spiegel"-Mitarbeiter einen Essay schreiben. Der hat das schon öfter gemacht, weshalb sein Text aus Anlass des Jahrestags mit dem Verweis auf einen Text von ihm zu einem früheren Jahrestag anfängt.

Vorschläge für ein anderes Gedenken

Damit dieser arme Mensch sich nun 2020 nicht schon wieder selbst zitieren muss, würde ich an dieser Stelle vorschlagen: Zum 30. Tag der Deutschen Einheit im nächsten Jahr werden einmal ausschließlich Geschichten über Westdeutschland und Westdeutsche erzählt. Etwa: "Michael Kühnen in der Weitlingstraße – was die Wiedervereinigung für die lange und kaum bekannte Geschichte des westdeutschen Rechtsextremismus bedeutete".

Zum Interview wird Wolfgang Schäuble gebeten und erzählt über seine Gespräche mit dem DDR-Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowski. In einer langen Reportage wird 1989/1990 aus Sicht türkeistämmiger Migranten geschildert. Und um 20.15 Uhr läuft in der ARD: "Alles wie immer", eine lustige Komödie, die in, sagen wir, Buchen im Odenwald spielt, und in der einfach nichts passiert, während abgerissene Kalenderblätter das rasante Vergehen von Zeit versinnbildlichen.

Bis 1990 ist der 17. Juni deshalb in der Bundesrepublik Deutschland Feier- und Gedenktag: der Tag der Deutschen Einheit. Als sie am 3. Oktober 1990 endlich Wirklichkeit wird, gerät der 17. Juni in den Hintergrund.

Denn von nun an ist der 3. Oktober der Tag der Deutschen Einheit. Aber auch wenn der 17. Juni heute kein Staatsfeiertag mehr ist: Für das wiedervereinigte Deutschland bleibt er ein wichtiger historischer Tag.

Damals

Juni 1953. Eine knappe Lebensmittelversorgung, lange Schlangen vor den Geschäften und kein Strom in der Nacht machen die Menschen in der DDR unzufrieden. Die Verbitterung wächst, als das SED-Regime Arbeitsnormen erhöht, was einer Lohnkürzung gleichkommt. Ausgerechnet die Bauarbeiter in der Ost-Berliner Stalinallee, dem Prestigeprojekt der SED, beginnen zu streiken. Binnen Stunden greift der Aufstand auf mehr als 700 Orte über, weitet sich zum Generalstreik und schließlich zum Volksaufstand aus. Mit Hilfe sowjetischer Truppen schlägt das SED-Regime den Aufstand mit Panzern blutig nieder.

Der 3 oktober ist in deutschland der national

17. Juni 1953, Demonstration am Potsdamer Platz

Foto: REGIERUNGonline

Im Gedenken an den Aufstand in der DDR erklärt die damalige Bundesrepublik Deutschland den 17. Juni als "Tag der deutschen Einheit" zum gesetzlichen Feiertag. Schon am 4. August 1953 wird ein entsprechendes Gesetz erlassen. Der 17. Juni soll an die Menschen erinnern, die für ihre Rechte und ihre Freiheit gekämpft und unter der Niederschlagung des Aufstands gelitten haben. Vor allem aber soll er daran erinnern, dass die beiden deutschen Staaten, dass Ost und West, zusammengehören.

Heute

Der Einigungsvertrag, der am 29. September 1990 in Kraft tritt, erklärt den 3. Oktober zum Tag der Deutschen Einheit und zum staatlichen Feiertag. Der 17. Juni bekommt den Status eines Gedenktages. Der Feiertag wird aufgehoben. Doch nach wie vor wird an die Ereignisse des Juni 1953 gedacht: mit Ausstellungen, Vorträgen und Diskussionen. Denn der Tag droht in Vergessenheit zu geraten.

Die Bundesregierung hält das Gedenken auf vielfältige Weise lebendig. Jedes Jahr findet am "Mahnmal des Volksaufstandes" in Berlin eine Gedenkstunde statt. Personen des öffentlichen Lebens erinnern mit Ansprachen und einer Kranzniederlegung an die Opfer des 17. Juni. Bundesweit werden zum Zeichen des Gedenkens öffentliche Gebäude beflaggt.

Ausblick

Auch wenn der 17. Juni kein Feiertag mehr ist: Der Aufstand in Ost-Berlin und der DDR gehört zu den prägendsten und bedeutendsten Ereignissen der jüngeren deutschen Geschichte. Ohne den 17. Juni lässt sich die deutsche Geschichte der vergangenen Jahrzehnte nicht erklären. Lässt sich die Fluchtbewegung in den Folgejahren, die "Abstimmung mit den Füßen", ebenso wenig nachvollziehen wie der Bau der Mauer, die systematische Verfolgung Andersdenkender, die Proteste gegen das Regime oder die Friedliche Revolution. Schon deshalb muss der 17. Juni ein Gedenktag bleiben. Aber auch, weil er das Bewusstsein dafür schärft, was Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie bedeuten.

Was ist am 03.10 1990 passiert?

3. Oktober 1990: Hunderttausende Berliner, Gäste sowie die höchsten Vertreter der Bundesrepublik Deutschland und der DDR feiern am Berliner Reichstag Deutschlands Wiedervereinigung. Um Mitternacht erklingt die Freiheitsglocke – die Teilung des Landes ist endlich beendet.

Hat Deutschland einen Nationalfeiertag?

Der Einigungsvertrag, der am 29. September 1990 in Kraft tritt, erklärt den 3. Oktober zum Tag der Deutschen Einheit und zum staatlichen Feiertag. Der 17. Juni bekommt den Status eines Gedenktages.

Ist der 3. Oktober in ganz Deutschland ein Feiertag?

Nur der 3. Oktober, der Tag der deutschen Einheit, ist bundesgesetzlich festgelegt. Neun Feiertage sind in allen Bundesländern einheitlich geregelt: Neujahrstag, Karfreitag, Ostermontag, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, 1. Mai, Tag der deutschen Einheit, 1. und 2.