Welche Medikamente wirken sehr gut in der Schmerztherapie insbesondere bei neuropathischen Schmerzen?

Nervenschmerzen sind seltener als gewöhnliche Schmerzen und entstehen auf andere Weise. Daher unterscheidet sich auch die Behandlung.

Gewöhnlichen Schmerz verspürt man beispielsweise, wenn man sich den Mund an zu heißer Suppe verbrennt, den Kopf stößt oder der Rachen entzündet ist. Schmerz-Auslöser wie Hitze oder Entzündung, aber auch andere Reize, werden von Schmerzsensoren registriert und an das Gehirn gefunkt. Nervenschmerzen dagegen fühlt man, wenn Nervenfasern selbst Schaden nehmen. Dann werden Schmerzsignale oft ohne nachvollziehbaren Auslöser und teils ohne Unterlass ans Hirn weitergeleitet. Diese neuropathischen Schmerzen können entstehen

  • infolge einer Stoffwechselerkrankung wie Diabetes (diabetische Neuropathie),
  • infolge einer Entzündung wie Gürtelrose (Post-Zoster-Neuralgie),
  • durch Quetschung von Nervenfasern etwa bei einem Bandscheibenvorfall,
  • infolge einer Durchtrennung von Nerven, zum Beispiel bei einer Amputation.

Vor der Behandlung solcher Nervenschmerzen sollte der Arzt abklären, welche Grunderkrankung vorliegt. Denn gelingt es, diese zu heilen, können auch die Nervenschmerzen verschwinden. Gelingt es nicht oder nicht ausreichend, müssen die Nervenschmerzen symptomatisch behandelt werden.

Die Bekämpfung neuropathischer Schmerzen erfolgt – was auf den ersten Blick überrascht – mit Mitteln gegen epileptische Anfälle (Antikonvulsiva) und solchen, die ansonsten gegen Depressionen zum Einsatz kommen (Antidepressiva). Diese Medikamente verhindern, dass die geschädigten Nervenbahnen zu sehr erregt werden. Zu den bei Nervenschmerzen eingesetzten Antikonvulsiva zählen beispielsweise Gabapentin, Pregabalin oder Carbamazepin, wobei Letzteres hauptsächlich bei einem speziellen Gesichtsschmerz, der Trigeminusneuralgie, angewendet wird.

Wichtig für Patienten mit Vorbehalten gegen Psychopharmaka: Antidepressiva, die bei Nervenschmerzen verwendet werden, sind geringer dosiert als bei der Behandlung einer Depression. Grund dafür ist, dass sie bei Schmerzen anders wirken. Eingesetzte Wirkstoffe: zum Beispiel Amitriptylin, Duloxetin oder Venlafaxin.

Aber auch starke, klassische Schmerzmittel wie die Abkömmlinge des Morphins zeigen eine gute Wirksamkeit. Es werden Arzneiformen mit einer verzögerten, einer sogenannten retardierten Freisetzung angewendet. Besonders für die Opioide Tramadol und Oxycodon liegen bei Nervenschmerzen nach einer Gürtelrose und bei diabetischen Neuropathien gute Studienergebnisse vor. Hier gilt es zu beachten, dass Verstopfung eine häufige Nebenwirkung ist, die von vornherein mitbehandelt werden sollte. Schmerzmittel wie Paracetamol, Metamizol und solche aus der Klasse der nichtsteroidalen Antirheumatika wie Acetylsalicylsäure, Diclofenac oder Ibuprofen sind bei Nervenschmerzen hingegen gar nicht oder kaum wirksam.

Noch eine Unterscheidung zum Schluss: Schießen die Schmerzen ein, wird eher mit Antikonvulsiva oder Opioiden therapiert, liegt ein Dauerschmerz vor, nutzt man eher Antidepressiva oder klassische schwache und starke Schmerzmittel.

Neben den Medikamenten gibt es gegen Nervenschmerzen weitere Therapiemöglichkeiten, zum Beispiel Entspannungstechniken oder die Behandlung mit schwachem elektrischen Strom, genannt TENS. Diese Methoden kommen oft parallel zu Arzneimitteln zum Einsatz.

Einleitung
Chronische neuropathische Schmerzen sind h�ufig und beeintr�chigen erheblich die Lebensqualit�t, wichtig ist die Abgrenzung gegen�ber anderen chronischen Schmerzen. Viele chronische Schmerzsyndrome sind durch ein Nebeneinander von nozizeptiven und neuropathischen Schmerzkomponenten gekennzeichnet.

Methoden
�bersicht �ber neuropathische Schmerzen auf Basis einer systematischen Analyse der Literatur der Jahre 1980 bis 2006 (PubMed), durchgef�hrt unter besonderer Ber�cksichtigung der verf�gbaren Metaanalysen und einer selektiven Literatur�bersicht.

Ergebnisse/Schlussfolgerung
Chronische neuropathische Schmerzen entstehen nach einer Sch�digung somatosensorischer Nervenstrukturen im peripheren oder zentralen Nervensystem. Klinisch sind diese Syndrome durch sensible Ausf�lle sowie brennende Dauerschmerzen, einschie�ende Attacken und evozierte Schmerzen charakterisiert. Die Diagnose st�tzt sich auf die typischen Symptome und den Nachweis einer Nervenl�sion durch neurophysiologische Techniken. Zur Behandlung werden vier systemisch verabreichte Substanzgruppen mit unterschiedlichen pharmakologischen Wirkprinzipien eingesetzt, die untereinander kombiniert werden k�nnen. Eine effektive Schmerztherapie muss so fr�h und so intensiv wie m�glich eingeleitet werden.

Schl�sselw�rter
Allodynie, d�nne Fasern, nozizeptives System, Nervenl�sion, Pharmakotherapie

Welche Medikamente wirken sehr gut in der Schmerztherapie insbesondere bei neuropathischen Schmerzen?
Welche Medikamente wirken sehr gut in der Schmerztherapie insbesondere bei neuropathischen Schmerzen?
Chronische neuropathische Schmerzen sind in der klinischen Praxis h�ufig anzutreffen. Sie beeintr�chtigen die Lebensqualit�t der Patienten erheblich und stellen ein gro�es gesundheits�konomisches Problem dar (1). Neue Erhebungen sch�tzen die Punktpr�valenz der neuropathischen Schmerzsyndrome auf bis zu f�nf Prozent in der Allgemeinbev�lkerung (2).

Die klassischen peripheren neuropathischen Schmerzsyndrome, die schmerzhafte diabetische Polyneuropathie und die postzosterische Neuralgie (Kasten 1 gif ppt), machen in der Praxis von Schmerzspezialisten bereits 13 Prozent der Patienten aus, und eine neuropathische Schmerzkomponente kann bei bis zu 35 Prozent aller Schmerzerkrankungen nachgewiesen werden. Zentrale neuropathische Schmerzen kommen sch�tzungsweise bei 30 Prozent aller R�ckenmarkverletzungen, 20 Prozent der Patienten mit multipler Sklerose und 1,5 Prozent der Patienten mit Schlaganfall vor.

Zur Erstellung der evidenzbasierten Diagnose- und Therapieempfehlungen wurde eine systematische Analyse der Literatur der Jahre 1980 bis 2006 (PubMed) unter besonderer Ber�cksichtigung der verf�gbaren Meta-Analysen durchgef�hrt (3�7). Suchw�rter bei PubMed waren �neuropathic pain, treatment algorithm�, �neuropathic pain, treatment recommendations� oder �neuropathic pain, assessment guidelines�. Des Weiteren ist die pers�nliche Erfahrung des Autors in die Bewertung mit eingegangen.

Was sind neuropathische Schmerzen?
Entscheidend f�r die Entstehung eines neuropathischen Schmerzsyndroms ist eine vorangegangene Sch�digung von somatosensorischen Nervenstrukturen (8).

Diese L�sion kann sowohl im peripheren als auch im zentralen Nervensystem (Gehirn und R�ckenmark) auftreten. Eine Vielzahl von mechanischen, metabolischen, toxischen oder entz�ndlichen Noxen k�nnen periphere Nerven verletzen (9) (Kasten 1).

Die Ursache der zentralen neuropathischen Schmerzen ist in einem prim�ren Prozess des ZNS zu suchen, der bei St�rungen im gesamten Bereich der Neuraxis entstehen kann, das hei�t bei L�sionen im R�ckenmark, Hirnstamm, Thalamus, in subkortikalen Strukturen und im Kortex.

Die durch die L�sion induzierten plastischen Ver�nderungen im peripheren und zentralen Nervensystem k�nnen sich verselbstst�ndigen und dann mit der Zeit irreversibel werden (10�12) (weitergehende Informationen zu diesem Sachverhalt in der Grafik im Internet; siehe Kasten am Ende des Beitrags). Eine Abgrenzung gegen�ber chronischen Schmerzen, bei denen das Nervensystem intakt ist � sogenannte nozizeptive Schmerzen, zum Beispiel chronische Entz�ndungsschmerzen wie Arthrose, Arthritis, viszerale Schmerzen � ist von entscheidender Bedeutung, da neuropathische Schmerzen einer spezifischen Therapie bed�rfen.

Viele chronische Schmerzsyndrome sind allerdings durch ein Nebeneinander von nozizeptiven und neuropathischen Schmerzkomponenten gekennzeichnet und eine klare Zuordnung ist demnach nicht immer m�glich (13). Hierzu geh�ren zum Beispiel viele R�ckenschmerzsyndrome, bei denen eine chronische Erregung afferenter Nerven in Gelenken, B�ndern und Muskeln (nozizeptive Komponente) mit einer Kompression und Sch�digung der Nervenwurzeln durch Hyperostosen, Narben oder Bandscheibengewebe (neuropathische Komponente) kombiniert ist (14).

Ein anderes Beispiel stellt der Tumorschmerz dar, bei dem einerseits intakte Nozizeptoren durch Substanzen aus dem Tumor erregt werden und andererseits der Tumor selbst durch direkte Infiltration Nervengewebe sch�digen kann. Bei diesen Mischformen ist es zur Therapieplanung wichtig, den Anteil der neuropathischen Schmerzkomponente an den Gesamtschmerzen abzusch�tzen.

Anamnese und Diagnostik
Die Diagnostik bei neuropathischen Schmerzen dient der Aufkl�rung der zugrunde liegenden Ursache und der Charakterisierung des Schmerzsyndroms, insbesondere der Abgrenzung gegen�ber anderen Schmerzformen wie nozizeptiver Schmerzen, bei denen das schmerzleitende System intakt ist. Sie st�tzt sich in erster Linie auf die anamnestischen Angaben wie zum Beispiel Trauma mit einer Nervenverletzung und, wenn m�glich, den objektiven Nachweis einer L�sion im Nervensystem in Kombination mit den f�r Neuropathien typischen klinischen somatosensorischen Symptomen (5, 6). Eine vollst�ndige neurologische Untersuchung insbesondere zur Einsch�tzung neuronaler Ausfallsmuster (motorisch, sensibel, autonom) ist wichtig. Die Untersuchung des sensiblen Systems ist von besonderer Bedeutung, um die Auspr�gung von sensiblen Ausf�llen, aber auch positiven sensorischen Reizerscheinungen festzustellen (15).

Sensorische �bedside�-Tests
Durch die Erfassung des charakteristischen somatosensorischen Profils ist eine Abgrenzung gegen�ber nozizeptiven Schmerzen m�glich (Tabelle 1 gif ppt). Da die Nervenverletzung eine Voraussetzung f�r die Entstehung neuropathischer Schmerzen ist, beschreiben die meisten Patienten negative sensorische Symptome. Hierbei kommt es zu einer Verminderung oder einem Ausfall der entsprechenden somatosensorischen Qualit�t wie Hyp�sthesie, Hypalgesie, Thermhyp�sthesie, Pallhyp�sthesie, Lagesinnst�rung oder entsprechende An�sthesie. Diese negativen sensorischen Symptome sind f�r den Patienten unangenehm, sind aber per se nicht schmerzhaft.

Die charakteristischen Beschwerden, die meist einer spezifischen Therapie bed�rfen, bezeichnet man als positive sensorische Symptome. Hierzu z�hlen die Kribbelpar�sthesien (Ameisenlaufen), Dys�sthesien (schmerzhafte Par�sthesien) und spontane sowie evozierte Schmerzen. Viele Patienten mit chronischen neuropathischen Schmerzen leiden an spontan (ohne �u�eren Reiz) auftretenden Schmerzen, charakteristischerweise mit einer brennenden Qualit�t, die st�ndig vorhanden sind (spontane Dauerschmerzen). Die ebenfalls spontan auftretenden, einschie�enden stechenden Schmerzattacken (neuralgiformer Schmerz) sind das f�hrende Merkmal der Trigeminusneuralgie, kommen aber ebenfalls bei der akuten und chronischen Zosterneuralgie, bei Stumpf- und Phantomschmerzen und nach mechanischen Nervenl�sionen vor (Abbildung jpg ppt). Bei Polyneuropathien k�nnen sich die Schmerzen allein als Druck- oder Engegef�hl tief in der Extremit�t �u�ern. Kribbelpar- und -dys�sthesien z�hlen zu den typischen spontanen Empfindungen der Polyneuropathien. Einige Patienten beschreiben einen qu�lenden Juckreiz, Muskelkr�mpfe oder eine Bewegungsunruhe im Sinne eines Restless-Legs-Syndroms.

Neben den Spontanschmerzen klagen die Patienten �ber evozierte Schmerzen, die sehr unangenehm sein k�nnen. Dieser Schmerztyp wird im Gegensatz zum Spontanschmerz durch die Applikation eines �u�eren Reizes ausgel�st. Bei der Allodynie wird durch einen an einer nicht betroffenen K�rperregion applizierten nicht schmerzhaften Reiz wie Ber�hrung, Warm- oder Kaltreiz Schmerz evoziert. Die mechanische Allodynie ist typisch bei der postzosterischen Neuralgie und bei akut sich entwickelnden Polyneuropathien, die K�lteallodynie tritt h�ufig bei posttraumatischen Nervenl�sionen, bei einigen Polyneuropathien, in der Akutphase der Oxaliplatin-Chemotherapie und bei zentralen Schmerzsyndromen nach Hirninfarkt auf. Eine Hyperalgesie liegt vor, wenn durch einen prim�r leicht-schmerzhaften Reiz ein reizinad�quater, intensiverer Schmerz ausgel�st wird. Mit einfachen klinischen Testverfahren kann man die verschiedenen evozierten Schmerztypen unterscheiden (Tabelle 1).

Frageb�gen zur Absch�tzung der neuropathischen Schmerzkomponente
Mehrere Frageb�gen sind erh�ltlich, um Symptome von neuropathischen Schmerzen qualitativ und quantitativ zu erfassen. Hiermit kann das Ausma� der neuropathischen Komponente an einem chronischen Schmerzsyndrom abgesch�tzt werden, um so eine effiziente Therapie zu planen. Generell wird empfohlen, Skalen zu verwenden, die die Neuropathie-typischen Schmerzcharakteristika erfassen (Positiv- und Negativsymptome), die Intensit�t der Schmerzen messen sowie eine Ganzk�rperzeichnung zur Absch�tzung der Lokalisation und der Ausstrahlung der Symptome beinhalten. Ein solcher Screening-Fragebogen, der nur vom Patienten auszuf�llen ist und keine �rztlichen Tests erfordert, wurde k�rzlich in deutscher Sprache validiert (PainDetect) (16).

Apparative Diagnostik
Beim Verdacht auf ein neuropathisches Schmerzsyndrom sollte versucht werden, die L�sion im Nervensystem mittels neurophysiologischer oder bildgebender Techniken zu dokumentieren.

Die bei neuropathischen Schmerzsyndromen betroffenen schmerzleitenden Nervenfasern geh�ren zur Kategorie der d�nnen, marklosen oder schwach-myelinisierten Fasern. Die konventionelle Neurografie erfasst dagegen aus technischen Gr�nden nur die dicken schnellleitenden Fasern, sodass d�nne Fasersysteme der Routinediagnostik entgehen. Eine Sonderform der Polyneuropathien, die isolierte Neuropathie der d�nnen Fasern (�small fiber neuropathy�), die zum Beispiel bei etwa zehn Prozent der diabetischen Polyneuropathien insbesondere in der Fr�hphase vorkommt, kann demnach neurografisch nicht diagnostiziert werden. In der Praxis sollte deshalb bei typischen polyneuropathischen Beschwerden grunds�tzlich auch bei unauff�lligem neurografischen Befund ein �bedside�-Test durchgef�hrt werden, um eine orientierende Einsch�tzung �ber die Funktion der d�nnen Fasern zu erhalten (PinPrick-Test, Temperaturempfindung) (Tabelle 1). Zum Beweis und zur quantitativen Analyse einer Sch�digung der d�nnen Schmerzbahnen stehen neurophysiologische Spezialverfahren zur Verf�gung, wie der quantitative Thermotest (QST) (17) oder die Analyse der Laser-Schmerz-evozierten Hirn-Potenziale (LEP).

Liegt ein zentrales Schmerzsyndrom vor, muss mit bildgebender Diagnostik (MRT), Liquordiagnostik � insbesondere bei der Multiplen Sklerose � und/oder neurophysiologischen Methoden, wie somatosensorisch evozierter Potenziale, f�r nozizeptive Bahnen QST und LEP, nach der L�sion im zentralen Nervensystem gesucht werden.

Medikament�se Therapie neuropathischer Schmerzen
Allgemeine Therapieprinzipien (18, 19)
Geduld bei Patient und Arzt: Bei vielen chronischen Schmerzerkrankungen m�ssen das richtige, wirksame Medikament oder die beste Kombination sowie die richtige Dosierung bei jedem einzelnen Patienten durch Erprobung gefunden werden (individuelle Titration in Abh�ngigkeit von Wirkung und Nebenwirkungen). Insbesondere bei neuropathischen Schmerzen gibt es durchaus F�lle, bei denen zum Beispiel Antidepressiva versagen, aber mit Antikonvulsiva oder Kombinationen eine zufriedenstellende Schmerzlinderung erzielt werden kann. Weiterhin sollte die Wirkungslosigkeit eines Medikamentes erst nach zwei bis vier Wochen unter ausreichender Dosierung beurteilt werden, weil die chronischen plastischen Ver�nderungen im nozizeptiven System nicht akut korrigiert werden k�nnen. Diese Probleme m�ssen im Vorfeld mit dem Patienten er�rtert werden, um eine langfristige Compliance zu gew�hrleisten. Bei einem verfr�hten Abbruch der verschiedenen Therapieversuche werden h�ufig gute Optionen verspielt.

Kontrolle des Therapieerfolges: Um die Wirkung der einzelnen Substanzen zu dokumentieren sowie eine eventuelle Toleranzentwicklung fr�hzeitig zu erfassen, ist eine langfristige Therapiekontrolle unverzichtbar. Diese sollte nicht nur die analgetische Effektivit�t der Therapie sicherstellen beispielsweise durch standardisierte Schmerztageb�cher, sondern m�gliche Auswirkungen der Therapie auf alle Lebensbereiche dokumentieren zum Beispiel Depressivit�t und Schlaf. Realistische Ziele einer medikament�sen Therapie sind eine Schmerzreduktion von mehr als 30 bis 50 Prozent, eine Verbesserung der Schlafqualit�t, die Erhaltung der sozialen Aktivit�t und des sozialen Beziehungsgef�ges sowie der Arbeitsf�higkeit. V�llige Schmerzfreiheit kann fast nie erreicht werden. Bei allen medikament�sen Optionen sprechen etwa 20 bis 40 Prozent der Patienten nur unzureichend auf die Therapie an, dies entspricht einer Schmerzreduktion von weniger als 50 Prozent, oder sie leiden an nicht tolerierbaren Nebenwirkungen (sogenannte �Non-responder�). Auch die Therapieziele m�ssen mit den Patienten besprochen werden, um zu hoch gesteckte Erwartungen und damit Entt�uschungen zu vermeiden. Auslassversuche einer Medikation sind in der Regel nach einem Jahr angeraten.

An erster Stelle steht auch bei chronischen neuropathischen Schmerzen die Suche nach einer kausalen Behandlungsoption, zum Beispiel gute Diabeteseinstellung bei schmerzhafter Polyneuropathie und Operation beim Karpaltunnelsyndrom. Die symptomatische pharmakologische Behandlung der �tiologisch unterschiedlichen schmerzhaften Neuropathien unterscheidet sich nicht grunds�tzlich (5, 20, 21). Als einzige Ausnahme kann die Trigeminusneuralgie gelten, auf die hier nicht n�her eingegangen werden soll. Zurzeit werden haupts�chlich vier systemisch � oral oder transdermal � verabreichte Substanzgruppen mit unterschiedlichen pharmakologischen Wirkprinzipien eingesetzt. Dies entspricht der pharmakologischen Basistherapie, die mit topisch verabreichten Pr�paraten kombiniert werden kann (8, 22) (Tabelle 2 gif ppt). In Deutschland sind nicht alle dieser Substanzen f�r die Indikation �Schmerz� oder �neuropathischer Schmerz� zugelassen.

Ein Vorschlag f�r ein schrittweises Vorgehen in der Diagnostik und Therapie neuropathischer Schmerzen findet sich in Kasten 2 (gif ppt). Die Auswahl der geeigneten Substanzen oder Kombinationen richtet sich nach bestehenden Co-Morbidit�ten und Co-Medikationen.

Pharmakologische Basistherapie
- Ca-Kanal-modulierende Antikonvulsiva wirken an zentralen Ca-Kan�len haupts�chlich pr�synaptisch, beispielsweise Pregabalin, Gabapentin.
- Na-Kanal-Blocker greifen an Na-Kan�len an prim�r afferenten und zentralen Neuronen an, beispielsweise Carbamazepin, Lamotrigin.
- Trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin und selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI), wie Duloxetin und Venlafaxin, blockieren die Wiederaufnahme dieser Substanzen an deszendierenden hemmenden Bahnen.
- Opioide aktivieren m-Rezeptoren, die im R�ckenmark und Gehirn vorkommen.

Nach klinischer Erfahrung kann die Kombination aus zwei oder drei Wirkstoffen dieser Klassen sinnvoll sein, wobei auf die m�gliche Potenzierung �hnlicher Nebenwirkungen insbesondere auf M�digkeit und Schwindel geachtet werden muss.

Topische Therapie
- Die systemisch wirkenden Basismedikamente k�nnen um den Einsatz topischer Therapieoptionen wie Lidocain, Capsaicin erweitert werden, die direkt an den Schmerzfasern der betroffenen Haut wirken und damit keine systemischen Nebenwirkungen aufweisen.
- Flankiert wird diese Therapie von den entsprechenden nicht medikament�sen Verfahren, wie zum Beispiel transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), interventionelle Verfahren, Physio- und Ergotherapie sowie Psychotherapie.

Analgetika
Bei neuropathischen Schmerzen sind Nicht-Opioid-Analgetika (NSAID, Paracetamol und Metamizol) nur wenig wirksam. Aufgrund der fehlenden Evidenz und der m�glichen ernsten Nebenwirkungen bei Langzeitanwendung, wie zum Beispiel bei gastroenteralen Ulzera oder toxischer Nierensch�digung, sind diese Substanzen nicht in den Therapiealgorithmen enthalten. Demgegen�ber sind neuropathische Schmerzen entgegen einer weitverbreiteten Meinung opioidsensibel. Bei der schmerzhaften diabetischen Polyneuropathie konnte die Wirksamkeit von Tramadol nachgewiesen werden. Oxycodon zeigte zum Beispiel bei Patienten mit postzosterischer Neuralgie und diabetischer Neuropathie einen positiven Effekt. Hochpotente Opioide sollten nur bei sehr starken Schmerzen und bei Therapieresistenz gegen�ber anderen medikament�sen und nicht medikament�sen Verfahren eingesetzt werden. Nach dieser Selektion und unter strenger Therapie�berwachung k�nnen viele Patienten mit chronischen, auch nicht malignen Schmerzen erfolgreich und sicher �ber eine lange Zeit mit hochpotenten Opioiden behandelt werden, ohne dass es zu einer Dosiserh�hung oder Toleranzentwicklung kommt.

Antidepressiva
Die trizyklischen Antidepressiva (TCA) sind sowohl bei der schmerzhaften Polyneuropathie als auch der postzosterischen Neuralgie und bei zentralen Schmerzsyndromen als wirksam getestet. Die mittlere Dosis, die zur Schmerzreduktion notwendig ist, liegt unter der antidepressiven Dosis. Der Schmerzreduktion liegt deshalb keine antidepressive Wirkung zugrunde. Auch setzt die Schmerzreduktion nach einigen Tagen bis zwei Wochen ein, wohingegen eine antidepressive Wirkung bei h�herer Dosis erst nach einigen Wochen sichtbar wird. Bei der diabetischen schmerzhaften Neuropathie zeigten Venlafaxin und Duloxetin, die weniger Nebenwirkungen als die TCA haben, einen positiven Effekt. Dagegen konnte die Wirksamkeit von den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI wie Fluoxetin, Citalopram und Paroxetin) bei der schmerzhaften Polyneuropathie nicht sicher nachgewiesen werden.

Antikonvulsiva mit membranstabilisierender Wirkung (Na-Kanal-Blocker)
Seit Langem ist der gute Effekt des Carbamazepins bei der Trigeminusneuralgie bekannt. Ebenfalls liegen einige wenige positive Studien f�r die schmerzhafte diabetische Polyneuropathie vor, wohingegen die Wirksamkeit von Oxcarbazepin bei der schmerzhaften diabetischen Polyneuropathie nicht sicher nachgewiesen werden konnte.

Lamotrigin zeigte in kleineren Studien bei postisch�mischen zentralen Schmerzsyndromen und spinalen L�sionen Wirksamkeit. Bei schmerzhafter diabetischer Polyneuropathie waren die Ergebnisse inkonsistent.

Antikonvulsiva mit Wirkung auf neuronale Calciumkan�le
F�r Gabapentin liegen positive Studien bei der diabetischen schmerzhaften Polyneuropathie und der postzosterischen Neuralgie vor. Weitere kontrollierte Studien an Patienten mit R�ckenmarkverletzungen, schmerzhaftem Guillain-Barr�-Syndrom, Phantomschmerzen und anderen Schmerzen zeigten ebenfalls positive Effekte.

Pregabalin ist ein potenter Ligand an der a2-d-Untereinheit der spannungsabh�ngigen Calciumkan�le auf nozizeptiven Neuronen und reduziert dadurch die Freisetzung von erregenden �bertr�gern aus der Synapse. Pregabalin erwies sich als analgetisch wirksam bei der Behandlung der postzosterischen Neuralgie, der diabetischen Neuropathie und bei Patienten mit zentralen Schmerzen (R�ckenmarkverletzung). Dar�ber hinaus konnte eine deutliche schlafverbessernde and anxiolytische Wirkung dokumentiert werden. Damit wird eine h�ufig bei neuropathischen Schmerzen auftretende Komorbidit�t erfolgreich mitbehandelt.

Topische Therapie
Als adjuvante Therapie, insbesondere bei gut lokalisierten neuropathischen Schmerzen mit Allodynie, kommt eine topische dermale Applikation von Lidocain in Betracht, zum Beispiel Lidocain-Pflaster. Da das Lokalan�sthetikum bei dieser Darreichungsform nur lokal auf �beraktive Nervenfasern wirkt und wegen der geringen systemischen Resorption, weist diese Therapie keine zentralnerv�sen Nebenwirkungen auf und ist damit insbesondere bei �lteren Menschen eine gute additive Therapieoption. Manchmal kann auch eine Monotherapie sinnvoll sein. Als Hauptindikation werden fokale Neuropathien wie die postzosterische Neuralgie oder der Postmastektomieschmerz betrachtet.

Capsaicin ist ein im roten Pfeffer vorkommender Vanilloid-Rezeptor-Agonist, der nach l�ngerfristiger Auftragung zu einem reversiblen Funktionsverlust nozizeptiver Afferenzen f�hrt. Es verursacht h�ufig ein heftiges initiales Hautbrennen, weshalb Capsaicin nicht als Mittel erster Wahl empfohlen wird.

Cannabinoide
Kontrollierte Studien zu Cannabis-Extrakten wie zum Beispiel Tetrahydrocannabinol zeigten eine Schmerzreduktion bei Patienten mit zentralem Schmerz bei multipler Sklerose und bei einem gemischten Kollektiv chronisch neuropathischer Schmerzpatienten. Zur genauen Einordnung der Wirksamkeit dieser Substanzklasse sind gr��ere Studien bei unterschiedlichen Patientenkollektiven mit neuropathischen Schmerzen erforderlich.

Kombinationsstudien
Da die verschiedenen Substanzgruppen an unterschiedlichen Rezeptor- und Kanalsystemen wirken, ist es theoretisch sinnvoll, mehrere Substanzen zu kombinieren. Oft limitiert allerdings die Potenzierung von �hnlichen Nebenwirkungen die M�glichkeit, mehr als zwei Substanzen einzusetzen. In einer aktuellen kontrollierten Studie wurde bei einem gemischten Kollektiv aus Patienten mit schmerzhafter diabetischer Polyneuropathie und postzosterischer Neuralgie die Kombination von Gabapentin und Morphin getestet. Entsprechend der Hypothese zeigte sich ein additiver Effekt auf die Schmerzreduktion im Vergleich zur Monotherapie bei niedriger Dosis der Einzelpr�parate. Weitere Kombinationsstudien liegen nicht vor.

Prophylaxe
Die modernen Konzepte zur Schmerzchronifizierung gehen davon aus, dass jeder nozizeptive Reiz, der auf das zentrale Nervensystem trifft, in der Lage ist, den Schmerz langfristig zu unterhalten (23). Deshalb gilt prinzipiell f�r alle Schmerzsyndrome ein wichtiger Grundsatz: Eine effektive Schmerztherapie muss so fr�h und so intensiv wie m�glich eingeleitet werden. Von entscheidender Bedeutung ist dies bei neuropathischen Schmerzen, die bereits in der Akutphase einer Behandlung zug�nglich sind, wie zum Beispiel der akuten Zosterinfektion, oder bei der Prophylaxe von Phantomschmerzen. Diese Strategie zwingt uns alle in vielen F�llen zum drastischen Umdenken. Durchhalteparolen wie �ein Indianer kennt keinen Schmerz� sind �berfl�ssig, belastend f�r die Patienten und f�rdern die Chronifizierung. Allein durch die konsequente Umsetzung dieser Regeln wird ein entscheidender Beitrag zur Pr�vention der Schmerzchronifizierung geleistet.

K�rzlich wurde ein neues Konzept zur Pr�vention von postzosterischen Schmerzen vorgeschlagen (24). Ausgehend von der Annahme, dass die akute Zosterinfektion aufgrund einer im Alter abgeschw�chten Immunit�t gegen Varizellen ausbrechen kann, wurde die Hypothese �berpr�ft, ob ein Immun-Boost durch eine Varizellen-Impfung f�r Patienten, die �lter als 60 Jahre sind, die Inzidenz der akuten Zosterinfektion und damit die Inzidenz der postzosterischen Neuralgie reduzieren kann. In einem doppelblinden Ansatz wurden fast 40 000 �ltere Menschen in die Studie eingeschlossen. Nach einem Beobachtungszeitraum von f�nf Jahren konnte die kumulative Inzidenz der akuten Zosterf�lle um etwa 50 Prozent und die der postzosterischen Neuralgie um etwa 70 Prozent gesenkt werden.

Fazit
Grunds�tzlich sollte bei neuropathischen Schmerzen die zugrunde liegende Nervenl�sion identifiziert werden, eine �tiologische Zuordnung erfolgen und, sofern m�glich, eine kausale Therapie eingeleitet werden. Zus�tzlich sollte eine symptomatische medikament�se Schmerztherapie initiiert werden, die auf eine Abschw�chung oder Verhinderung der pathophysiologischen Schmerzchronifizierungs-Prozesse und somit auf eine Schmerzreduktion und Lebensqualit�tsverbesserung f�r den Patienten abzielt.

Zurzeit werden haupts�chlich vier systemisch verabreichte Substanzgruppen (Antidepressiva, Antikonvulsiva mit Wirkung am Ca-Kanal, Antikonvulsiva mit Wirkung am Na-Kanal, Opioide) und zwei topisch angewendete Pr�parate mit unterschiedlichen pharmakologischen Wirkprinzipien eingesetzt.

Bei Patienten mit einer ausgepr�gten Schmerzsymptomatik ist eine Kombination verschiedener Substanzklassen sinnvoll.

Interessenkonflikt
Der Autor erhielt Studienunterst�tzung, Drittmittel sowie Honorare von
folgenden Firmen: Allergan, Genzyme, Gr�nenthal, Novartis, Pfizer, Sanofi Pasteur, Eisai, Schwarz Pharma und Medtronic.

Manuskriptdaten
eingereicht: 8. 6. 2006, revidierte Fassung angenommen: 18. 7. 2006

Vom Autor aktualisiert: 30. 4. 2009

Anschrift des Verfassers
Prof. Dr. med. Ralf Baron
Sektion Neurologische Schmerzforschung und -therapie
Universit�tsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Schittenhelmstra�e 10
24105 Kiel
E-Mail:

www.leitlinien.net
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft f�r Neurologie

www.neuropathischer-schmerz.de
Deutscher Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz

www.dgss.org
Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V.

www.deutsche-schmerzgesellschaft.org
Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.

www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/139.php
Informationen �ber chronische Schmerzen des Bundesministeriums f�r Bildung und Forschung

Welches Medikament hilft bei neuropathischen Schmerzen?

Medikamente der ersten Wahl in der Behandlung neuropathischer Schmerzen sind Gabapentin und Pregabalin. Die Antikonvulsiva reduzieren den aktivierenden Kalziumeinstrom, indem sie mit hoher Affinität an die α2-δ-Untereinheit der spannungsabhängigen Kalziumkanäle auf peripheren und zentralen nozizeptiven Neuronen binden.

Was ist die beste Schmerztablette gegen Nervenschmerzen?

neuropathische Schmerzen), sind rezeptfreie Schmerzmittel in der Regel nicht wirksam. „Rezeptfreie Wirkstoffe wie Acetylsalicylsäure, Ibuprofen oder Diclofenac wirken vor allem dann gut, wenn der Schmerz durch eine Entzündung hervorgerufen wird“, sagte Prof.

Welche Medikamente wirken sehr gut in der Schmerztherapie?

Medikamente aus der Gruppe der nichtsteroidalen Entzündungshemmer oder Antirheumatika (NSAR) haben eine schmerzlindernde und entzündungshemmende Wirkung. Hierzu gehören Acetylsalicylsäure und ihre Abkömmlinge wie Ibuprofen, Diclofenac oder Naproxen.

Welche Opiate hilft bei Nervenschmerzen?

Opioide Schmerzmittel (Medikamente wie Morphin) werden manchmal verwendet, um neuropathische Schmerzen zu behandeln. Morphin wird aus Pflanzen gewonnen. Viele Opioide werden jedoch eher in Laboren hergestellt, als aus Pflanzen gewonnen. Tramadol ist ein im Labor hergestellter opioider Arzneistoff.