Ausstellung zum 125. Geburtstag von Alfred Bergmann (1887-1975) Show → Eröffnung am 12.9. mit Lesung aus Texten Bergmanns. → Abschluss am 2.11. mit Vortrag über “Bergmann in Weimar”. Zur BiographieZeittafel zu Leben und Werk bei →Ernst Fleischhack. Zu ergänzen um drei Daten:
1 2 Während der Wirtschaftskrise gelingt es Bergmann zunächst nicht, in der Wissenschaft eine Stelle zu finden. Er wird Rohrträger in der Grube Elise II in Halle und verlässt diese Stelle, um zum 1. Juli 1923 als Volontär an der Dresdner Bank in Leipzig anzufangen, wo er anderthalb Jahre bleibt. 3 Ende der zwanziger Jahre hat Bergmann auch schon vor dem Erscheinen seiner Dissertation im Druck genügend Veröffentlichungen vorzuweisen, dass der Verlag deGruyter ihn der Aufnahme in den „Kürschner“ für würdig befindet. 4 Zeit seines Lebens ist Bergmann Mitglied des Verbands deutscher Schriftsteller. 5 Alfred Bergmann wird durch das Land Nordrhein-Westfalen für seine Verdienste um die Grabbe-Forschung 1968 zum Professor ernannt. Da die Zeitungsmeldung schneller ist als das Anschreiben des Ministeriums, kann er dies zunächst nicht glauben — bis er die Urkunde in den Händen hält. Nr. 1Nr. 2Nr. 4Nr. 5 Nr. 66 Bergmanns zweite Ehefrau Emma (geb. Reichle) modellierte die Porträt-Büste in den 1940er Jahren aus rotem Ton. 7 Der Nachlass von Alfred Bergmann in der Lippischen Landesbibliothek umfasst mehr als 1.200 Einheiten. Der unermüdliche Korrespondent und Wissenschaftler bewahrte aber auch kleinste Lebensdokumente – so einen Ausdruck einer Personenwaage, die ihm 1937 ein Gewicht von 140 Pfund attestiert. –Archivkartons aus alterungsbeständiger, säurefreier Pappe sind für die empfindlichen Papiere der geeignete Aufbewahrungsort. 8 Das Wachsen seiner Sammlung brachte Bergmann auch dazu, seine Erkenntnisse zu veröffentlichen. Zu seinen ersten Veröffentlichungen zählt der Aufsatz über „Vier unbekannte Briefe Grabbes“ in der Leipziger Zeitschrift für Bücherfreunde (1911). Die Fußnote vermerkt: „Alle vier Briefe befinden sich in meinem Besitz“. 9 10 Als Nebenprodukt seiner Arbeit an der Dissertation über die „Glaubwürdigkeit der Zeugnisse für den Lebensgang und Charakter“ Grabbes trug Bergmann aus den verschiedensten Quellen ebendiese Zeugnisse von Begegnungen zusammen und gab sie mit kommentierenden Anmerkungen versehen heraus. Die Dissertation erschien 1933 vollständig, aber bereits im Teildruck 1930. Bergmann schenkte der Landesbibliothek „dankbar“ ein Widmungsexemplar. 11 Bergmanns Sammler-Erinnerungen „Meine Grabbe-Sammlung“ erschien 1942, herausgegeben „im Auftrag des Oberbürgermeisters der Gauhauptstadt Bochum“. Das Titelblatt informiert über den Entstehungshintergrund: „Aus Anlaß der Christian-Dietrich-Grabbe-Woche in Bochum 1941 hat die Gauhauptstadt Bochum den Leiter des Grabbe-Archivs an der Lippischen Landesbibliothek in Detmold, Dr. Alfred Bergmann, eingeladen, das von ihm geschaffene Archiv um ersten Male der Öffentlichkeit zu zeigen. … Der Erinnerung an diese Ausstellung ist dieses Buch gewidmet.“ 12 In der Nachkriegszeit hatte Bergmann, sozusagen, ein Monopol auf Grabbe. Man sieht dies auch daran, dass er neben Scherz, Satire … auch die Hermannsschlacht, Hannibal, Napoleon und Don Juan … bei Reclam herausgab. 13 Ein bemerkenswertes Stück Literatur- und Bibliotheksgeschichte legte Bergmann mit seiner Studie über „Grabbe als Benutzer der öffentlichen Bibliothek zu Detmold“ frei.Da es Bergmann nicht immer gelang, für seine Manuskripte einen Verlag zu interessieren, gab er einige Veröffentlichungen im Selbstverlag in der Reihe „Grabbe-Privatdrucke“ heraus, so auch dieses. 14 15 Bergmanns Lebenswerke sind die sechsbändige „Göttinger Grabbe-Ausgabe“, die er im Auftrag der Göttinger Akademie der Wissenschaften erarbeitete und herausgab (die Bände erschienen 1960-1973), und die Grabbe-Bibliographie. Für beide reichen Vorarbeiten schon weit zurück; mit der bibliographischen Arbeit begann Bergmann bereits während seines Studiums. 16 Dass Bergmann zwischendurch sich auch noch die Zeit für andere Themen nahm, zeigt seine Anthologie „Venusgärtlein“ über „die nackte Frau in Sage und Dichtung“. Dabei war für Bergmann Nacktheit nicht ausschließlich unter erotischem Gesichtspunkt von Bedeutung: Lebenslang Anhänger der Freikörperkultur, sah er den nackten auch als den gesunderen Körper. Bergmann als Sammler1904: SchicksalsstundeBühnenbildentwurf von Johannes Schroeder zur Gothland-Inszenierung Bochum 1941Nr. 17 17 Das erste Stück von Bergmanns Grabbe-Sammlung ist das 1904 auf Geheiß des Lehrers Otto Erler für 40 Pfennig erstandene Reclam-Heft zu Grabbes Herzog Theodor von Gothland. Ab 1909: Autographensammler18 „Sowie ich nämlich Herrn Nebehay hatte merken lassen, daß es mir einzig und allein auf Grabbe ankomme, da erwiderte er, daß er von diesem Dichter ein zweites Stück habe, das vielleicht gleichfalls mein Interesse finden werde, schob eine der Türen des Lagerschrankes beiseite und legte das eigenhändige Manuskript der „Shakspearo-Manie“ vor mich hin.“ So beschreibt Bergmann in seinen Sammler-Erinnerungen die Erwerbung seiner ersten Werkhandschrift, 1909, beim Leipziger Antiquar Boerner. Als Bergmann 1945 die ins Salzbergwerk Grasleben ausgelagerten Bestände zurückholen konnte, fiel ihm gerade dieses Stück als erstes ins Auge: „Mitten unter den Trümmern, unter Splittern von Glas und Kisten-deckeln fand ich in einem völlig verkohlten, mit Salz überzogenen Umschlage das Original-Manuskript von Grabbes Abhandlung über die „Shakspearo-Manie“, die erste Werk-Handschrift, welche ich als junger Student für meine Sammlung hatte erwerben können, selbst auch durch Hitze, Rauch und das von der Decke herabgetropfte Salzwasser beschädigt.“ 19 Ebenfalls bei Boerner erwarb Bergmann um 1810 das eigenhändige Manuskript von „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“. Da es von der bis dahin gedruckten Fassung an einigen „Kraftstellen“ abwich, konnte der Student Bergmann seinen Professor Alfred Köster mit einem Vortrag über eine unbekannte Fassung des Dramas beeindrucken. 20 „Wohl fand sich „Tante Müller“, wie sie unter meinen Kameraden vom Germanistischen Institut in Leipzig, die den Gang der Verhandlungen mit Spannung verfolgten, genannt wurde, zu meiner freudigen Überraschung bereit, die Handschriften zu verkaufen, konnte sich aber, des Marktes unkundig, monatelang über den Preis nicht schlüssig werden […]“. Bergmann erinnert sich an die mühevolle Recherche nach dem Besitzer der Handschriften und seinen Triumph, als es ihm gelingt, die Erbin aufzuspüren und zum Verkauf zu überreden. Nr. 18Nr. 191923: Bei Anton Kippenberg in der LehreAnton Kippenberg. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Insel-Verlags.© Insel Verlag
1926: Stefan Zweigs AnregungStefan Zweig.Bild via Wikipedia, Artikel Stefan Zweig
1936: Grabbe-Ausstellung in DetmoldNr. 21 Die Ausstellung 1936 in Detmold im Rahmen der „reichswichtigen“ Grabbe-Woche bereitet den Weg für den späteren Ankauf von Bergmanns Grabbe-Sammlung; doch schon vorher bemüht sich Gauleiter Alfred Meyer um finanzielle Unterstützung durch das Reich. „Grabbe-Ausstellung im Landestheater.“ Von H[ermann] L[udwig] S[chaefer]. In: Lippische Staatszeitung Nr. 278 vom 7.10.1936. (Foto: Kesting)Alfred Bergmann, Foto zum Artikel „Detmolder Tage. Eindrücke von der Grabbe-Woche“, von Paul Vogelpoth, in: General-Anzeiger der Stadt Wuppertal, Elberfeld-Barmen, Nr. 236, vom 7.10.1936. (Foto: Werland) Slg 12 Nr. 979. Das in der Zeitung 1936 gedruckte Bergmann-Foto ist eines der wenigen, die heute noch da sind. Der Verfasser des Artikels kommentiert:
Auch Bergmann beschreibt das Bild in seinen Sammler-Erinnerungen:
Die Handschriften seiner Sammlung begleitet Bergmann persönlich nach Detmold und zurück; das übrige passt in „12 Kisten Bücher und Kunstgegenstände“. 23 Der Versicherungswert der Sammlung wird für die Ausstellung zunächst mit 70.000 RM angesetzt, wobei die versichernde Gothaer statt 3 Prozent Prämie zuerst 3 Promille berechnet und sich, als sie es bemerkt, zu einem Sonderpreis bereden lässt. Nr. 22Nr. 2324,
25 Bergmann findet, so schreibt er an den Direktor der Landesbibliothek, Eduard Wiegand, in der öffentlichen Aufmerksamkeit um die Grabbe-Woche seinen Namen nicht hinreichend gewürdigt: Im Programm der Grabbe-Woche fehlt er; in den „hunderten“ von Pressemeldungen sucht er ihn vergebens. Unangenehm wurde dies, da man ihn in Weimar danach fragte. Prof. Wahl habe darauf hingewiesen, „daß es nicht für diese allgemeine Bedeutung [von Bergmanns Sammlung] spreche, wenn man jetzt es nicht einmal für notwendig halte, [s]einen Namen dabei zu nennen“. 26 27 Nachdem Bergmann erkannt hatte, dass Grabbe sich mit seinen Dramen in Motivtraditionen einschrieb, begann er Zeugnisse dieser Motivtraditionen zu sammeln, so z.B. Don-Juan-Dichtungen in Hinblick auf Grabbes Don Juan und Faust. 28 Der „Komet. Ein Unterhaltungsblatt für die gebildete Lesewelt“ gehört zu den heute seltenen, damals beliebten Zeitschriften, die als literarische Wundertüte Bergmanns Sammeleifer immer wieder Nahrung boten. Der vorliegende Band 5.1834 – im deutschsprachigen Bibliothekswesen zu Bergmanns Zeiten gar nicht, heute nur an drei Stellen nachweisbar – enthielt drei Behandlungen des Don-Juan-Motivs. 29 30 Mit den Schriften von August Wihelm Iffland (1759-1814) und August von Kotzebue (1761-1819) sind zwei der bekanntesten Dramatiker der Goethezeit mit mehreren Werkausgaben in Bergmanns Sammlung vertreten. Die hier gezeigten Ausgaben, geschmückt mit den Porträts der Dichter, sind zu deren Lebzeiten veröffentlicht, und dienten auch dazu, ihr Werk auf den Bühnen präsent zu halten. Nr. 28Nr. 29Nr. 3031 Die „Allgemeine Enzyklopädie“ von Ersch und Gruber ist die umfangreichste je unternommene Wissenszusammenstellung in gedruckter Form. Der erste Band 1818 repräsentiert noch das Wissen der Grabbe-Zeit. 167 Bände später wurde das Werk 1889 unvollendet eingestellt. 32 Die Reproduktion nach einer Zeichnung von Julius Geißler zeigt 33 Ansichten wie diese von Orten, an denen Grabbe sich nachweislich aufgehalten hatte, gehörten zu Bergmanns Sammlungskonzeption dazu, ebenso wie Porträts. In beiden wird Grabbes Leben in Begegnungen und Aufenthalten sichtbar. Dabei bemühte sich Bergmann, dass die Motive auch Grabbes Lebenszeit entsprachen. Diese Stadtansicht von Detmold ist datiert auf den 29. September 1807. Die Lippische Landesbibliothek und Detmold um 1945Bergmann schreibt an seinen Freund Robert Warnecke (Slg 12 Nr. 8) am 28.11.1944:
34 Als die Kämpfe sich Detmold nähern, wird Bergmann klar, dass man an die Auslagerung der Schützenswerten Bestände der Bibliothek und seines Grabbe-Archivs denken muss: Das Foto zeigt die Lippische Landesbibliothek, wie sie um 1945 ausgesehen hat; Ansicht von Süden (Rückseite). Sie hat im Krieg keine Schäden erfahren. Deutlich zu erkennen sind auch die beiden Nebengebäude der ursprünglich symmetrischen Anlage. Stadtarchiv Detmold Bildarchiv Nr. 1198 (Ausschnitt)
Mit dem Frieden kommen auch die ersten Benutzer:
Alfred Bergmann, Die Lippische Landesbibliothek im Jahre 1945. Bergmann wird kommissarischer Leiter der Bibliothek, nachdem Bibliotheksdirektor Wiegand seines Amtes enthoben wird. Nr. 35 35 Die erste selbstgestellte Aufgabe ist die Rückführung der ausgelagerten Bestände. Sie gelingt bereits im Herbst 1945:
Anfang Januar 1946 gibt Bergmann sein Amt wieder ab. Er blickt zufrieden auf das Geleistete:
Aber während der Bibliotheksbetrieb so langsam in geordneten Bahnen zu verlaufen beginnt, gilt das für den privaten Alltag nicht. Nahrungssorgen beschäftigen den Vegetarier:
Bergmanns Briefe zeichnen ebenso wie seine Chronik der Lippischen Landesbibliothek im Jahr 1945 ein umfassenderes Bild der Zeitläufte, wie er sie in Detmold erlebte. Die Landesbibliothek strebt darum an, diese interessante und nicht nur bibliotheksgeschichtlich aussagekräftige Quelle noch in diesem Jahr neu zu veröffentlichen. [Update 12.5.2022] Das ist mittlerweile geschehen. |