Diese digitale Ausgabe ist eine Reproduktion von L. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen. Herausgegeben von G. E. M. Anscombe, R. Rhees, G. H. Von Wright. Ludwig Wittgenstein Werkausgabe, Band 1. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1999, S. 231–485. Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für das Herkunftsland des Werks und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers. Ludwig Wittgenstein Philosophische Untersuchungen Motto
VorwortIn dem Folgenden veröffentliche ich Gedanken, den Niederschlag philosophischer Untersuchungen, die mich in den letzten 16 Jahren beschäftigt haben. Sie betreffen viele Gegenstände: Den Begriff der Bedeutung, des Verstehens, des Satzes, der Logik, die Grundlagen der Mathematik, die Bewußtseinszustände und Anderes. Ich habe diese Gedanken alle als Bemerkungen, kurze Absätze, niedergeschrieben. Manchmal in längeren Ketten, über den gleichen Gegenstand, manchmal in raschem Wechsel von einem Gebiet zum andern überspringend. – Meine Absicht war es von Anfang, alles dies einmal in einem Buche zusammenzufassen, von dessen Form ich mir zu verschiedenen Zeiten verschiedene Vorstellungen machte. Wesentlich aber schien es mir, daß darin die Gedanken von einem Gegenstand zum andern in einer natürlichen und lückenlosen Folge fortschreiten sollten. Nach manchen mißglückten Versuchen, meine Ergebnisse zu einem solchen Ganzen zusammenzuschweißen, sah ich ein, daß mir dies nie gelingen würde. Daß das beste, was ich schreiben konnte, immer nur philosophische Bemerkungen bleiben würden; daß meine Gedanken bald erlahmten, wenn ich versuchte, sie, gegen ihre natürliche Neigung, in einer Richtung weiterzuzwingen. –– Und dies hing freilich mit der Natur der Untersuchung selbst zusammen. Sie nämlich zwingt uns, ein weites Gedankengebiet, kreuz und quer, nach allen Richtungen hin zu durchreisen. –– Die philosophischen Bemerkungen dieses Buches sind gleichsam eine Menge von Landschaftsskizzen, die auf diesen langen und verwickelten Fahrten entstanden sind. Die gleichen Punkte, oder beinahe die gleichen, wurden stets von neuem von verschiedenen Richtungen her berührt und immer neue Bilder entworfen. Eine Unzahl dieser waren verzeichnet, oder uncharakteristisch, mit allen Mängeln eines schwachen Zeichners behaftet. Und wenn man diese ausschied, blieb eine Anzahl halbwegser übrig, die nun so angeordnet, oftmals beschnitten, werden mußten, daß sie dem Betrachter ein Bild der Landschaft geben konnten. – So ist also dieses Buch eigentlich nur ein Album. Ich hatte bis vor kurzem den Gedanken an eine Veröffentlichung meiner Arbeit bei meinen Lebzeiten eigentlich aufgegeben. Er wurde allerdings von Zeit zu Zeit rege gemacht, und zwar hauptsächlich dadurch, daß ich erfahren mußte, daß meine Ergebnisse, die ich in Vorlesungen, Skripten und Diskussionen weitergegeben hatte, vielfach mißverstanden, mehr oder weniger verwässert oder verstümmelt im Umlauf waren. Hierdurch wurde meine Eitelkeit aufgestachelt, und ich hatte Mühe, sie zu beruhigen. Vor zwei Jahren aber hatte ich Veranlassung, mein erstes Buch (die »Logisch-Philosophische Abhandlung«) wieder zu lesen und seine Gedanken zu erklären. Da schien es mir plötzlich, daß ich jene alten Gedanken und die neuen zusammen veröffentlichen sollte: daß diese nur durch den Gegensatz und auf dem Hintergrund meiner älteren Denkweise ihre rechte Beleuchtung erhalten könnten. Seit ich nämlich vor 16 Jahren mich wieder mit Philosophie zu beschäftigen anfing, mußte ich schwere Irrtümer in dem erkennen, was ich in jenem ersten Buche niedergelegt hatte. Diese Irrtümer einzusehen, hat mir – in einem Maße, das ich kaum selbst zu beurteilen vermag – die Kritik geholfen, die meine Ideen durch Frank Ramsey erfahren haben, – mit welchem ich sie während der zwei letzten Jahre seines Lebens in zahllosen Gesprächen erörtert habe. – Mehr noch als dieser – stets kraftvollen und sichern – Kritik verdanke ich derjenigen, die ein Lehrer dieser Universität, Herr P. Sraffa durch viele Jahre unablässig an meinen Gedanken geübt hat. Diesem Ansporn verdanke ich die folgereichsten der Ideen dieser Schrift. Aus mehr als einem Grunde wird, was ich hier veröffentliche, sich mit dem berühren, was Andre heute schreiben. – Tragen meine Bemerkungen keinen Stempel an sich, der sie als die meinen kennzeichnet, – so will ich sie auch weiter nicht als mein Eigentum beanspruchen. Ich übergebe sie mit zweifelhaften Gefühlen der Öffentlichkeit. Daß es dieser Arbeit in ihrer Dürftigkeit und der Finsternis dieser Zeit beschieden sein sollte Licht in ein oder das andere Gehirn zu werfen, ist nicht unmöglich; aber freilich nicht wahrscheinlich. Ich möchte nicht mit meiner Schrift Andern das Denken ersparen. Sondern, wenn es möglich wäre, jemand zu eigenen Gedanken anregen. Ich hätte gerne ein gutes Buch hervorgebracht. Es ist nicht so ausgefallen; aber die Zeit ist vorbei, in der es von mir verbessert werden könnte. Cambridge, im Januar 1945. 1. Augustinus, in den Confessiones I/8: cum ipsi (majores homines) appellabant rem aliquam, et cum secundum eam vocem corpus ad aliquid movebant, videbam, et tenebam hoc ab eis vocari rem illam, quod sonabant, cum eam vellent ostendere. Hoc autem eos velle ex motu corporis aperiebatur: tamquam verbis naturalibus omnium gentium, quae fiunt vultu et nutu oculorum, ceterorumque membrorum actu, et sonitu vocis indicante affectionem animi in petendis, habendis, rejicindis, fugiendisve rebus. Ita verba in variis sententiis locis suis posita, et crebro audita, quarum rerum signa essent, paulatim colligebam, measque iam voluntates, edomito in eis signis ore, per haec enuntiabam. [Nannten die Erwachsenen irgend einen Gegenstand und wandten sie sich dabei ihm zu, so nahm ich das wahr und ich begriff, daß der Gegenstand durch die Laute, die sie aussprachen, bezeichnet wurde, da sie auf ihn hinweisen wollten. Dies aber entnahm ich aus ihren Gebärden, der natürlichen Sprache aller Völker, der Sprache, die durch Mienen- und Augenspiel, durch die Bewegungen der Glieder und den Klang der Stimme die Empfindungen der Seele anzeigt, wenn diese irgend etwas begehrt, oder festhält, oder zurückweist, oder flieht. So lernte ich nach und nach verstehen, welche Dinge die Wörter bezeichneten, die ich wieder und wieder, an ihren bestimmten Stellen in verschiedenen Sätzen, aussprechen hörte. Und ich brachte, als nun mein Mund sich an diese Zeichen gewöhnt hatte, durch sie meine Wünsche zum Ausdruck.] In diesen Worten erhalten wir, so scheint es mir, ein bestimmtes Bild von dem Wesen der menschlichen Sprache. Nämlich dieses: Die Wörter der Sprache benennen Gegenstände – Sätze sind Verbindungen von solchen Benennungen. –– In diesem Bild von der Sprache finden wir die Wurzeln der Idee: Jedes Wort hat eine Bedeutung. Diese Bedeutung ist dem Wort zugeordnet. Sie ist der Gegenstand, für welchen das Wort steht. Von einem Unterschied der Wortarten spricht Augustinus nicht. Wer das Lernen der Sprache so beschreibt, denkt, so möchte ich glauben, zunächst an Hauptwörter, wie »Tisch«, »Stuhl«, »Brot«, und die Namen von Personen, erst in zweiter Linie an die Namen gewisser Tätigkeiten und Eigenschaften, und an die übrigen Wortarten als etwas, was sich finden wird. Denke nun an diese Verwendung der Sprache: Ich schicke jemand einkaufen. Ich gebe ihm einen Zettel, auf diesem stehen die Zeichen: »fünf rote Äpfel«. Er trägt den Zettel zum Kaufmann; der öffnet die Lade, auf welcher das Zeichen »Äpfel« steht; dann sucht er in einer Tabelle das Wort »rot« auf und findet ihm gegenüber ein Farbmuster; nun sagt er die Reihe der Grundzahlwörter – ich nehme an, er weiß sie auswendig – bis zum Worte »fünf« und bei jedem Zahlwort nimmt er einen Apfel aus der Lade, der die Farbe des Musters hat. –– So, und ähnlich, operiert man mit Worten. –– »Wie weiß er aber, wo und wie er das Wort »rot« nachschlagen soll und was er mit dem Wort »fünf« anzufangen hat?« –– Nun, ich nehme an, er handelt, wie ich es beschrieben habe. Die Erklärungen haben irgendwo ein Ende. – Was ist aber die Bedeutung des Wortes »fünf«? – Von einer solchen war hier gar nicht die Rede; nur davon, wie das Wort »fünf« gebraucht wird.
Denken wir uns eine Sprache, für die die Beschreibung, wie Augustinus sie gegeben hat, stimmt: Die Sprache soll der Verständigung eines Bauenden A mit einem Gehilfen B dienen. A führt einen Bau auf aus Bausteinen; es sind Würfel, Säulen, Platten und Balken vorhanden. B hat ihm die Bausteine zuzureichen, und zwar nach der Reihe, wie A sie braucht. Zu dem Zweck bedienen sie sich einer Sprache, bestehend aus den Wörtern: »Würfel«, »Säule«, »Platte«, »Balken«. A ruft sie aus; – B bringt den Stein, den er gelernt hat, auf diesen Ruf zu bringen. –– Fasse dies als vollständige primitive Sprache auf.
Es ist, als erklärte jemand: »Spielen besteht darin, daß man Dinge, gewissen Regeln gemäß, auf einer Fläche verschiebt .....« – und wir ihm antworten: Du scheinst an die Brettspiele zu denken; aber das sind nicht alle Spiele. Du kannst deine Erklärung richtigstellen, indem du sie ausdrücklich auf diese Spiele einschränkst.
Solche primitiven Formen der Sprache verwendet das Kind, wenn es sprechen lernt. Das Lehren der Sprache ist hier kein Erklären, sondern ein Abrichten.
Ein wichtiger Teil der Abrichtung wird darin bestehen, daß der Lehrende auf die Gegenstände weist, die Aufmerksamkeit des Kindes auf sie lenkt, und dabei ein Wort ausspricht; z. B. das Wort »Platte« beim Vorzeigen dieser Form. (Dies will ich nicht »hinweisende Erklärung«, oder »Definition«, nennen, weil ja das Kind noch nicht nach der Benennung fragen kann. Ich will es »hinweisendes Lehren der Wörter« nennen. –– Ich sage, es wird einen wichtigen Teil der Abrichtung bilden, weil es bei Menschen so der Fall ist; nicht, weil es sich nicht anders vorstellen ließe.) Dieses hinweisende Lehren der Wörter, kann man sagen, schlägt eine assoziative Verbindung zwischen dem Wort und dem Ding: Aber was heißt das? Nun, es kann Verschiedenes heißen; aber man denkt wohl zunächst daran, daß dem Kind das Bild des Dings vor die Seele tritt, wenn es das Wort hört. Aber wenn das nun geschieht, – ist das der Zweck des Worts? – Ja, es kann der Zweck sein. – Ich kann mir eine solche Verwendung von Wörtern (Lautreihen) denken. (Das Aussprechen eines Wortes ist gleichsam ein Anschlagen einer Taste auf dem Vorstellungsklavier.) Aber in der Sprache im § 2 ist es nicht der Zweck der Wörter, Vorstellungen zu erwecken. (Es kann freilich auch gefunden werden, daß dies dem eigentlichen Zweck förderlich ist.) Wenn aber das das hinweisende Lehren bewirkt, – soll ich sagen, es bewirkt das Verstehen des Worts ? Versteht nicht der den Ruf »Platte!«, der so und so nach ihm handelt? – Aber dies half wohl das hinweisende Lehren herbeiführen; aber doch nur zusammen mit einem bestimmten Unterricht. Mit einem anderen Unterricht hätte dasselbe hinweisende Lehren dieser Wörter ein ganz anderes Verständnis bewirkt. »Indem ich die Stange mit dem Hebel verbinde, setze ich die Bremse instand.« – Ja, gegeben den ganzen übrigen Mechanismus. Nur mit diesem ist er der Bremshebel; und losgelöst von seiner Unterstützung ist er nicht einmal Hebel, sondern kann alles Mögliche sein, oder nichts.
Wir können uns auch denken, daß der ganze Vorgang des Gebrauchs der Worte in (2) eines jener Spiele ist, mittels welcher Kinder ihre Muttersprache erlernen. Ich will diese Spiele »Sprachspiele« nennen, und von einer primitiven Sprache manchmal als einem Sprachspiel reden. Und man könnte die Vorgänge des Benennens der Steine und des Nachsprechens des vorgesagten Wortes auch Sprachspiele nennen. Denke an manchen Gebrauch, der von Worten in Reigenspielen gemacht wird. Ich werde auch das Ganze: der Sprache und der Tätigkeiten, mit denen sie verwoben ist, das »Sprachspiel« nennen.
Wird auch »dorthin« und »dieses« hinweisend gelehrt? – Stell dir vor, wie man ihren Gebrauch etwa lehren könnte! Es wird dabei auf Örter und Dinge gezeigt werden, – aber hier geschieht ja dieses Zeigen auch im Gebrauch der Wörter und nicht nur beim Lernen des Gebrauchs. – 10. Was bezeichnen nun die Wörter dieser Sprache? – Was sie bezeichnen, wie soll ich das zeigen, es sei denn in der Art ihres Gebrauchs? Und den haben wir ja beschrieben. Der Ausdruck »dieses Wort bezeichnet das« müßte also ein Teil dieser Beschreibung werden. Oder: die Beschreibung soll auf die Form gebracht werden: »Das Wort .... bezeichnet ....«. Nun, man kann ja die Beschreibung des Gebrauchs des Wortes »Platte« dahin abkürzen, daß man sagt, dieses Wort bezeichne diesen Gegenstand. Das wird man tun, wenn es sich z.B. nurmehr darum handelt, das Mißverständnis zu beseitigen, das Wort »Platte« beziehe sich auf die Bausteinform, die wir tatsächlich »Würfel« nennen, – die Art und Weise dieses ›Bezugs‹ aber, d.h. der Gebrauch dieser Worte im übrigen, bekannt ist. Und ebenso kann man sagen, die Zeichen »a«, »b«, etc. bezeichnen Zahlen; wenn dies etwa das Mißverständnis behebt, »a«, »b«, »c«, spielten in der Sprache die Rolle, die in Wirklichkeit »Würfel«, »Platte«, »Säule«, spielen. Und man kann auch sagen, »c« bezeichne diese Zahl und nicht jene; wenn damit etwa erklärt wird, die Buchstaben seien in der Reihenfolge a, b, c, d, etc. zu verwenden und nicht in der: a, b, d, c. Aber dadurch, daß man so die Beschreibungen des Gebrauchs der Wörter einander anähnelt, kann doch dieser Gebrauch nicht ähnlicher werden! Denn, wie wir sehen, ist er ganz und gar ungleichartig.
Freilich, was uns verwirrt ist die Gleichförmigkeit ihrer Erscheinung, wenn die Wörter uns gesprochen, oder in der Schrift und im Druck entgegentreten. Denn ihre Verwendung steht nicht so deutlich vor uns. Besonders nicht, wenn wir philosophieren!
So, und auf mehr oder weniger ähnliche Weise, bezeichnet ein Name ein Ding, und wird ein Name einem Ding gegeben. – Es wird sich oft nützlich erweisen, wenn wir uns beim Philosophieren sagen: Etwas benennen, das ist etwas Ähnliches, wie einem Ding ein Namentäfelchen anheften.
Es ist das Natürlichste, und richtet am wenigsten Verwirrung an, wenn wir die Muster zu den Werkzeugen der Sprache rechnen. ((Bemerkung über das reflexive Fürwort »dieser Satz«.))
Denke an die verschiedenen Gesichtspunkte, nach denen man Werkzeuge in Werkzeugarten einteilen kann. Oder Schachfiguren in Figurenarten.
Wie ist es aber: Ist der Ruf »Platte!« im Beispiel (2) ein Satz oder ein Wort? – Wenn ein Wort, so hat es doch nicht dieselbe Bedeutung wie das gleichlautende unserer gewöhnlichen Sprache, denn im § 2 ist es ja ein Ruf. Wenn aber ein Satz, so ist es doch nicht der elliptische Satz »Platte!« unserer Sprache. –– Was die erste Frage anbelangt, so kannst du »Platte!« ein Wort, und auch einen Satz nennen; vielleicht treffend einen ›degenerierten Satz‹ (wie man von einer degenerierten Hyperbel spricht), und zwar ist es eben unser ›elliptischer‹ Satz. – Aber der ist doch nur eine verkürzte Form des Satzes »Bring mir eine Platte!« und diesen Satz gibt es doch in Beispiel (2) nicht. – Aber warum sollte ich nicht, umgekehrt, den Satz »Bring mir eine Platte!« eine Verlängerung des Satzes »Platte!« nennen? – Weil der, der »Platte!« ruft, eigentlich meint: »Bring mir eine Platte!«. – Aber wie machst du das, dies meinen, während du »Platte« sagst? Sprichst du dir inwendig den unverkürzten Satz vor? Und warum soll ich, um zu sagen, was Einer mit dem Ruf »Platte« meint, diesen Ausdruck in einen andern übersetzen? Und wenn sie das Gleiche bedeuten, – warum soll ich nicht sagen: »wenn er ›Platte!‹ sagt, meint er ›Platte!‹«? Oder: warum sollst du nicht »Platte« meinen können, wenn du »Bring mir die Platte« meinen kannst? –– Aber wenn ich »Platte!« rufe, so will ich doch, er soll mir eine Platte bringen! –– Gewiß, aber besteht ›dies wollen‹ darin, daß du in irgend einer Form einen andern Satz denkst als den, den du sagst? –
›Elliptisch‹ ist der Satz nicht, weil er etwas ausläßt, was wir meinen, wenn wir ihn aussprechen, sondern weil er gekürzt ist – im Vergleich mit einem bestimmten Vorbild unserer Grammatik.–Man könnte hier freilich den Einwand machen: »Du gibst zu, daß der verkürzte und der unverkürzte Satz den gleichen Sinn haben. – Welchen Sinn haben sie also? Gibt es denn für diesen Sinn nicht einen Wortausdruck?« –– Aber besteht der gleiche Sinn der Sätze nicht in ihrer gleichen Verwendung? – (Im Russischen heißt es »Stein rot« statt »der Stein ist rot«; geht ihnen die Kopula im Sinn ab, oder denken sie sich die Kopula dazu?)
Wir könnten sehr gut auch jede Behauptung in der Form einer Frage mit nachgesetzter Bejahung schreiben; etwa: »Regnet es? Ja!« Würde das zeigen, daß in jeder Behauptung eine Frage steckt? Man hat wohl das Recht, ein Behauptungszeichen zu verwenden im Gegensatz z.B. zu einem Fragezeichen; oder wenn man eine Behauptung unterscheiden will von einer Fiktion, oder einer Annahme. Irrig ist es nur, wenn man meint, daß die Behauptung nun aus zwei Akten besteht, dem Erwägen und dem Behaupten (Beilegen des Wahrheitswerts, oder dergl.) und daß wir diese Akte nach dem Zeichen des Satzes vollziehen, ungefähr wie wir nach Noten singen. Mit dem Singen nach Noten ist allerdings das laute, oder leise Lesen des geschriebenen Satzes zu vergleichen, aber nicht das ›Meinen‹ (Denken) des gelesenen Satzes. Das Fregesche Behauptungszeichen betont den Satzanfang. Es hat also eine ähnliche Funktion wie der Schlusspunkt. Es unterscheidet die ganze Periode vom Satz in der Periode. Wenn ich Einen sagen höre »es regnet«, aber nicht weiß, ob ich den Anfang und den Schluß der Periode gehört habe, so ist dieser Satz für mich noch kein Mittel der Verständigung. Denken wir uns ein Bild, einen Boxer in bestimmter Kampfstellung darstellend. Dieses Bild kann nun dazu gebraucht werden, um jemand mitzuteilen, wie er stehen, sich halten soll; oder, wie er sich nicht halten soll; oder, wie ein bestimmter Mann dort und dort gestanden hat; oder etc. etc. Man könnte dieses Bild (chemisch gesprochen) ein Satzradikal nennen. Ähnlich dachte sich wohl Frege die »Annahme«.
Das Wort »Sprachspiel« soll hier hervorheben, daß das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform. Führe dir die Mannigfaltigkeit der Sprachspiele an diesen Beispielen, und anderen, vor Augen: Befehlen, und nach Befehlen handeln – Beschreiben eines Gegenstands nach dem Ansehen, oder nach Messungen – Herstellen eines Gegenstands nach einer Beschreibung (Zeichnung) – Berichten eines Hergangs – Über den Hergang Vermutungen anstellen – Eine Hypothese aufstellen und prüfen – Darstellen der Ergebnisse eines Experiments durch Tabellen und Diagramme – Eine Geschichte erfinden; und lesen – Theater spielen – Reigen singen – Rätsel raten – Einen Witz machen; erzählen – Ein angewandtes Rechenexempel lösen – Aus einer Sprache in die andere übersetzen – Bitten, Danken, Fluchen, Grüßen, Beten. – Es ist interessant, die Mannigfaltigkeit der Werkzeuge der Sprache und ihrer Verwendungsweisen, die Mannigfaltigkeit der Wort- und Satzarten, mit dem zu vergleichen, was Logiker über den Bau der Sprache gesagt haben. (Und auch der Verfasser der Logisch-Philosophischen Abhandlung.)
Denke daran, wieviel Verschiedenartiges »Beschreibung« genannt wird: Beschreibung der Lage eines Körpers durch seine Koordinaten; Beschreibung eines Gesichtsausdrucks; Beschreibung einer Tastempfindung; einer Stimmung. Man kann freilich statt der gewöhnlichen Form der Frage die der Feststellung, oder Beschreibung setzen: »Ich will wissen, ob, ....«, oder »Ich bin im Zweifel, ob, ....« – aber damit hat man die verschiedenen Sprachspiele einander nicht näher gebracht. Die Bedeutsamkeit solcher Umformungsmöglichkeiten, z.B. aller Behauptungssätze in Sätze, die mit der Klausel »Ich denke«, oder »Ich glaube« anfangen (also sozusagen in Beschreibungen meines Innenlebens) wird sich an anderer Stelle deutlicher zeigen. (Solipsismus.)
Wasser! Fort! Au! Hilfe! Schön! Nicht! Bist du nun noch geneigt, diese Wörter »Benennungen von Gegenständen« zu nennen? In den Sprachen (2) und (8) gab es ein Fragen nach der Benennung nicht. Dies und sein Korrelat, die hinweisende Erklärung, ist, wie wir sagen könnten, ein eigenes Sprachspiel. Das heißt eigentlich: wir werden erzogen, abgerichtet dazu, zu fragen: »Wie heißt das?« – worauf dann das Benennen erfolgt. Und es gibt auch ein Sprachspiel: Für etwas einen Namen erfinden. Also, zu sagen: »Das heißt ....«, und nun den neuen Namen zu verwenden. (So benennen Kinder z.B. ihre Puppen und reden dann von ihnen, und zu ihnen. Dabei bedenke gleich, wie eigenartig der Gebrauch des Personennamens ist, mit welchem wir den Benannten rufen!) 28. Man kann nun einen Personennamen, ein Farbwort, einen Stoffnamen, ein Zahlwort, den Namen einer Himmelsrichtung, etc. hinweisend definieren. Die Definition der Zahl Zwei »Das heißt ›zwei‹« – wobei man auf zwei Nüsse zeigt – ist vollkommen exakt. – Aber wie kann man denn die Zwei so definieren? Der, dem man die Definition gibt, weiß ja dann nicht, was man mit »zwei« benennen will; er wird annehmen, daß du diese Gruppe von Nüssen »zwei« nennst! –– Er kann dies annehmen; vielleicht nimmt er es aber nicht an. Er könnte ja auch, umgekehrt, wenn ich dieser Gruppe von Nüssen einen Namen beilegen will, ihn als Zahlnamen mißverstehen. Und ebensogut, wenn ich einen Personennamen hinweisend erkläre, diesen als Farbnamen, als Bezeichnung der Rasse, ja als Namen einer Himmelsrichtung auffassen. Das heißt, die hinweisende Definition kann in jedem Fall so und anders gedeutet werden. Könnte man zur Erklärung des Wortes »rot« auf etwas weisen, was nicht rot ist? Das wäre ähnlich, wie wenn man Einem, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, das Wort »bescheiden« erklären sollte, und man zeigte zur Erklärung auf einen arroganten Menschen und sagte »Dieser ist nicht bescheiden«. Es ist kein Argument gegen eine solche Erklärungsweise, daß sie vieldeutig ist. Jede Erklärung kann mißverstanden werden. Wohl aber könnte man fragen: Sollen wir das noch eine »Erklärung« nennen? – Denn sie spielt im Kalkül natürlich eine andere Rolle als das, was wir gewöhnlich »hinweisende Erklärung« des Wortes »rot« nennen; auch wenn sie dieselben praktischen Folgen, dieselbe Wirkung auf den Lernenden hätte.
Ob das Wort »Zahl« in der hinweisenden Definition der Zwei nötig ist, das hängt davon ab, ob er sie ohne dieses Wort anders auffaßt, als ich es wünsche. Und das wird wohl von den Umständen abhängen, unter welchen sie gegeben wird, und von dem Menschen, dem ich sie gebe. Und wie er die Erklärung ›auffaßt‹, zeigt sich darin, wie er von dem erklärten Wort Gebrauch macht.
Man muß schon etwas wissen (oder können), um nach der Benennung fragen zu können. Aber was muß man wissen?
Man kann sich aber auch denken, Einer habe das Spiel gelernt, ohne je Regeln zu lernen, oder zu formulieren. Er hat etwa zuerst durch Zusehen ganz einfache Brettspiele gelernt und ist zu immer komplizierteren fortgeschritten. Auch diesem könnte man die Erklärung geben: »Das ist der König« – wenn man ihm z.B. Schachfiguren von einer ihm ungewohnten Form zeigt. Auch diese Erklärung lehrt ihn den Gebrauch der Figur nur darum, weil, wie wir sagen könnten, der Platz schon vorbereitet war, an den sie gestellt wurde. Oder auch: Wir werden nur dann sagen, sie lehre ihn den Gebrauch, wenn der Platz schon vorbereitet ist. Und er ist es hier nicht dadurch, daß der, dem wir die Erklärung geben, schon Regeln weiß, sondern dadurch, daß er in anderm Sinne schon ein Spiel beherrscht. Betrachte noch diesen Fall: Ich erkläre jemandem das Schachspiel; und fange damit an, indem ich auf eine Figur zeige und sage: »Das ist der König. Er kann so und so ziehen, etc. etc.«. – In diesem Fall werden wir sagen: die Worte »Das ist der König« (oder »Das heißt ›König‹«) sind nur dann eine Worterklärung, wenn der Lernende schon ›weiß, was eine Spielfigur ist‹. Wenn er also etwa schon andere Spiele gespielt hat, oder dem Spielen Anderer ›mit Verständnis‹ zugesehen hat – und dergleichen. Auch nur dann wird er beim Lernen des Spiels relevant fragen können: »Wie heißt das?« – nämlich, diese Spielfigur. Wir können sagen: Nach der Benennung fragt nur der sinnvoll, der schon etwas mit ihr anzufangen weiß. Wir können uns ja auch denken, daß der Gefragte antwortet: »Bestimm die Benennung selber« – und nun müßte, der gefragt hat, für alles selber aufkommen.
Und nun können wir, glaube ich, sagen: Augustinus beschreibe das Lernen der menschlichen Sprache so, als käme das Kind in ein fremdes Land und verstehe die Sprache des Landes nicht; das heißt: so als habe es bereits eine Sprache, nur nicht diese. Oder auch: als könne das Kind schon denken, nur noch nicht sprechen. Und »denken« hieße hier etwas, wie: zu sich selber reden.
Denke, jemand zeigt auf eine Vase und sagt: »Schau das herrliche Blau an! – auf die Form kommt es nicht an. – « Oder: »Schau die herrliche Form an! – die Farbe ist gleichgültig.« Es ist zweifellos, du wirst Verschiedenes tun, wenn du diesen beiden Aufforderungen nachkommst. Aber tust du immer das Gleiche, wenn du deine Aufmerksamkeit auf die Farbe richtest? Stell dir doch verschiedene Fälle vor! Ich will einige andeuten: »Ist dieses Blau das gleiche, wie das dort? Siehst du einen Unterschied?« – Du mischst die Farben und sagst: »Dieses Blau des Himmels ist schwer zu treffen.« »Es wird schön, man sieht schon wieder blauen Himmel!« »Schau, wie verschieden diese beiden Blau wirken!« »Siehst du dort das blaue Buch? Bring es her.« »Dieses blaue Lichtsignal bedeutet ....« »Wie heißt nur dieses Blau? – ist es ›Indigo‹?« Die Aufmerksamkeit auf die Farbe richten, das tut man manchmal, indem man sich die Umrisse der Form mit der Hand weghält; oder den Blick nicht auf die Kontur des Dinges richtet; oder auf den Gegenstand starrt und sich zu erinnern trachtet, wo man diese Farbe schon gesehen hat. Man richtet seine Aufmerksamkeit auf die Form, manchmal, indem man sie nachzeichnet, manchmal, indem man blinzelt, um die Farbe nicht deutlich zu sehen, etc. etc. Ich will sagen: dies und Ähnliches geschieht, während man ›die Aufmerksamkeit auf das und das richtetet‹. Aber das ist es nicht allein, was uns sagen läßt, Einer richte seine Aufmerksamkeit auf die Form, die Farbe, etc. Wie ein Schachzug nicht allein darin besteht, daß ein Stein so und so auf dem Brett verschoben wird, – aber auch nicht in den Gedanken und Gefühlen des Ziehenden, die den Zug begleiten; sondern in den Umständen, die wir nennen: »eine Schachpartie spielen«, »ein Schachproblem lösen«, und dergl.
Denn es werden die Worte »auf die Form zeigen«, »die Form meinen« etc. nicht so gebraucht, wie die: »auf dies Buch zeigen« (nicht auf jenes), »auf den Stuhl zeigen, nicht auf den Tisch«, etc. – Denn denk nur, wie anders wir den Gebrauch der Worte lernen: »auf dieses Ding zeigen«, »auf jenes Ding zeigen«, und anderseits: »auf die Farbe, nicht auf die Form, zeigen«, »die Farbe meinen«, etc. etc. Wie gesagt, in gewissen Fällen, besonders beim Zeigen ›auf die Form‹, oder ›auf die Anzahl‹ gibt es charakteristische Erlebnisse und Arten des Zeigens – ›charakteristisch‹, weil sie sich oft (nicht immer) wiederholen, wo Form, oder Anzahl ›gemeint‹ werden. Aber kennst du auch ein charakteristisches Erlebnis für das Zeigen auf die Spielfigur, als Spielfigur? Und doch kann man sagen: »Ich meine, diese Spielfigur heißt ›König‹, nicht dieses bestimmte Stück Holz, worauf ich zeige«. (Wiedererkennen, wünschen, sich erinnern, etc.) Wie geht es vor sich: die Worte »Das ist blau« einmal als Aussage über den Gegenstand, auf den man zeigt – einmal als Erklärung des Wortes »blau« meinen? Im zweiten Fall meint man also eigentlich »Das heißt ›blau‹« – Kann man also das Wort »ist« einmal als »heißt« meinen, und das Wort »blau« als »›blau‹«? und ein andermal das »ist« wirklich als »ist«? Es kann auch geschehen, daß jemand aus dem, was als Mitteilung gemeint war, eine Worterklärung zieht. [Hier liegt ein folgenschwerer Aberglaube verborgen.] Kann ich mit dem Wort »bububu« meinen »Wenn es nicht regnet, werde ich spazieren gehen«? – Nur in einer Sprache kann ich etwas mit etwas meinen. Das zeigt klar, daß die Grammatik von »meinen« nicht ähnlich der ist des Ausdrucks »sich etwas vorstellen« und dergl.
Wo unsere Sprache uns einen Körper vermuten läßt, und kein Körper ist, dort, möchten wir sagen, sei ein Geist.
Diese seltsame Auffassung rührt von einer Tendenz her, die Logik unserer Sprache zu sublimieren – wie man es nennen könnte. Die eigentliche Antwort darauf ist: »Name« nennen wir sehr Verschiedenes; das Wort »Name« charakterisiert viele verschiedene, miteinander auf viele verschiedene Weisen verwandte, Arten des Gebrauchs eines Worts; – aber unter diesen Arten des Gebrauchs ist nicht die des Wortes »dieses«. Es ist wohl wahr, daß wir oft, z.B. in der hinweisenden Definition, auf das Benannte zeigen und dabei den Namen aussprechen. Und ebenso sprechen wir, z.B. in der hinweisenden Definition, das Wort »dieses« aus, indem wir auf ein Ding zeigen. Und das Wort »dieses« und ein Name stehen auch oft an der gleichen Stelle im Satzzusammenhang. Aber charakteristisch für den Namen ist es gerade, daß er durch das hinweisende »Das ist N« (oder »Das heißt ›N‹«) erklärt wird. Erklären wir aber auch: »Das heißt ›dieses‹«, oder »Dieses heißt ›dieses‹«? Dies hängt mit der Auffassung des Benennens als eines, sozusagen, okkulten Vorgangs zusammen. Das Benennen erscheint als eine seltsame Verbindung eines Wortes mit einem Gegenstand. – Und so eine seltsame Verbindung hat wirklich statt, wenn nämlich der Philosoph, um herauszubringen, was die Beziehung zwischen Namen und Benanntem ist, auf einen Gegenstand vor sich starrt und dabei unzählige Male einen Namen wiederholt, oder auch das Wort »dieses«. Denn die philosophischen Probleme entstehen, wenn die Sprache feiert. Und da können wir uns allerdings einbilden, das Benennen sei irgend ein merkwürdiger seelischer Akt, quasi eine Taufe eines Gegenstandes. Und wir können so auch das Wort »dieses« gleichsam zu dem Gegenstand sagen, ihn damit ansprechen – ein seltsamer Gebrauch dieses Wortes, der wohl nur beim Philosophieren vorkommt.
Und die Bedeutung eines Namens erklärt man manchmal dadurch, daß man auf seinen Träger zeigt.
Sokrates (im Theätetus): »Täusche ich mich nämlich nicht, so habe ich von Etlichen gehört: für die Urelemente – um mich so auszudrücken – aus denen wir und alles übrige zusammengesetzt sind, gebe es keine Erklärung; denn alles, was an und für sich ist, könne man nur mit Namen bezeichnen; eine andere Bestimmung sei nicht möglich, weder die, es sei, noch die, es sei nicht. ..... Was aber an und für sich ist, müsse man .... ohne alle anderen Bestimmungen benennen. Somit aber sei es unmöglich, von irgend einem Urelement erklärungsweise zu reden; denn für dieses gebe es nichts als die bloße Benennung; es habe ja nur seinen Namen. Wie aber das, was aus diesen Urelementen sich zusammensetzt, selbst ein verflochtenes Gebilde sei, so seien auch seine Benennungen in dieser Verflechtung zur erklärenden Rede geworden; denn deren Wesen sei die Verflechtung von Namen.« Diese Urelemente waren auch Russell’s ›individuals‹, und auch meine ›Gegenstände‹ (Log. Phil. Abh.).
Oder: Besteht mein Gesichtsbild dieses Baumes, dieses Sessels, aus Teilen? und welches sind seine einfachen Bestandteile? Mehrfarbigkeit ist eine Art der Zusammengesetztheit; eine andere ist, z.B., die einer gebrochenen Kontur aus geraden Stücken. Und ein Kurvenstück kann man zusammengesetzt nennen aus einem aufsteigenden und einem absteigenden Ast. Wenn ich jemandem ohne weitere Erklärung sage »Was ich jetzt vor mir sehe, ist zusammengesetzt«, so wird er mit Recht fragen: »Was meinst du mit ›zusammengesetzt‹? Das kann ja alles Mögliche heißen!« – Die Frage »Ist, was du siehst, zusammengesetzt?« hat wohl Sinn, wenn bereits feststeht, um welche Art des Zusammengesetztseins – d.h., um welchen besonderen Gebrauch dieses Wortes – es sich handeln soll. Wäre festgelegt worden, das Gesichtsbild eines Baumes solle »zusammengesetzt« heißen, wenn man nicht nur einen Stamm, sondern auch Aste sieht, so hätte die Frage »Ist das Gesichtsbild dieses Baumes einfach oder zusammengesetzt?« und die Frage »Welches sind seine einfachen Bestandteile?« einen klaren Sinn – eine klare Verwendung. Und auf die zweite Frage ist die Antwort natürlich nicht »Die Äste« (dies wäre eine Antwort auf die grammatische Frage: »Was nennt man hier die ›einfachen Bestandteile‹?«) sondern etwa eine Beschreibung der einzelnen Äste. Aber ist z.B. nicht ein Schachbrett offenbar und schlechtweg zusammengesetzt? – Du denkst wohl an die Zusammensetzung aus 32 weißen und 32 schwarzen Quadraten. Aber könnten wir z.B. nicht auch sagen, es sei aus den Farben Weiß, Schwarz und dem Schema des Quadratnetzes zusammengesetzt? Und wenn es hier ganz verschiedene Betrachtungsweisen gibt, willst du dann noch sagen, das Schachbrett sei ›zusammengesetzt‹ schlechtweg? – Außerhalb eines bestimmten Spiels zu fragen »Ist dieser Gegenstand zusammengesetzt?«, das ist ähnlich dem, was einmal ein Junge tat, der angeben sollte, ob die Zeitwörter in gewissen Satzbeispielen in der aktiven, oder in der passiven Form gebraucht seien, und der sich nun darüber den Kopf zerbrach, ob z.B. das Zeitwort »schlafen« etwas Aktives oder etwas Passives bedeute. Das Wort »zusammengesetzt« (und also das Wort »einfach«) wird von uns in einer Unzahl verschiedener, in verschiedenen Weisen miteinander verwandten, Arten benützt. (Ist die Farbe eines Schachfeldes einfach, oder besteht sie aus reinem Weiß und reinem Gelb? Und ist das Weiß einfach, oder besteht es aus den Farben des Regenbogens? – Ist diese Strecke von 2 cm einfach, oder besteht sie aus zwei Teilstrecken von je 1 cm? Aber warum nicht aus einem Stück von 3 cm Länge und einem, in negativem Sinn angesetzten, Stück von 1 cm?) Auf die philosophische Frage: »Ist das Gesichtsbild dieses Baumes zusammengesetzt, und welches sind seine Bestandteile?« ist die richtige Antwort: »Das kommt drauf an, was du unter ›zusammengesetzt‹ verstehst.« (Und das ist natürlich keine Beantwortung, sondern eine Zurückweisung der Frage.)
Der Satz »RRSGGGRWW« beschreibt also z.B. eine Zusammensetzung dieser Art: Hier ist der Satz ein Komplex von Namen, dem ein Komplex von Elementen entspricht. Die Urelemente sind die farbigen Quadrate. »Aber sind diese einfach?« – Ich wüßte nicht, was ich in diesem Sprachspiel natürlicher das »Einfache« nennen sollte. Unter anderen Umständen aber würde ich ein einfarbiges Quadrat »zusammengesetzt« nennen, etwa aus zwei Rechtecken, oder aus den Elementen Farbe und Form. Aber der Begriff der Zusammensetzung könnte auch so gedehnt werden, daß die kleinere Fläche ›zusammengesetzt‹ genannt wird aus einer größeren und einer von ihr subtrahierten. Vergleiche ›Zusammensetzung‹ der Kräfte, ›Teilung‹ einer Strecke durch einen Punkt außerhalb; diese Ausdrücke zeigen, daß wir unter Umständen auch geneigt sind, das Kleinere als Resultat der Zusammensetzung von Größerem aufzufassen und das Größere als ein Resultat der Teilung des Kleineren. Aber ich weiß nicht, ob ich nun sagen soll, die Figur, die unser Satz beschreibt, bestehe aus vier Elementen oder aus neun! Nun, besteht jener Satz aus vier Buchstaben oder aus neun? – Und welches sind seine Elemente: die Buchstabentypen, oder die Buchstaben? Ist es nicht gleichgültig, welches wir sagen? wenn wir nur im besonderen Fall Mißverständnisse vermeiden!
Man könnte hier sagen – obwohl dies leicht zu allerlei philosophischem Aberglauben führt – ein Zeichen »R«, oder »S«, etc., könne einmal Wort und einmal Satz sein. Ob es aber ›Wort oder Satz ist‹, hängt von der Situation ab, in der es ausgesprochen oder geschrieben wird. Soll z. B. A dem B Komplexe von Farbquadraten beschreiben und gebraucht er hier das Wort »R« allein, so werden wir sagen können, das Wort sei eine Beschreibung – ein Satz. Memoriert er aber etwa die Wörter und ihre Bedeutungen, oder lehrt er einen Andern den Gebrauch der Wörter und spricht sie beim hinweisenden Lehren aus, so werden wir nicht sagen, sie seien hier Sätze. In dieser Situation ist das Wort »R« z.B. keine Beschreibung; man benennt damit ein Element –– aber darum wäre es hier seltsam zu sagen, das Element könne man nur benennen! Benennen und Beschreiben stehen ja nicht auf einer Ebene: Das Benennen ist eine Vorbereitung zur Beschreibung. Das Benennen ist noch gar kein Zug im Sprachspiel, – so wenig, wie das Aufstellen einer Schachfigur ein Zug im Schachspiel. Man kann sagen: Mit dem Benennen eines Dings ist noch nichts getan. Es hat auch keinen Namen, außer im Spiel. Das war es auch, was Frege damit meinte: ein Wort habe nur im Satzzusammenhang Bedeutung.
Aber man möchte sagen: Man kann dem Element nicht Sein beilegen, denn wäre es nicht, so könnte man es auch nicht einmal nennen und also gar nichts von ihm aussagen. – Betrachten wir doch einen analogen Fall! Man kann von einem Ding nicht aussagen, es sei 1 m lang, noch, es sei nicht 1 m lang, und das ist das Urmeter in Paris. – Damit haben wir aber diesem natürlich nicht irgend eine merkwürdige Eigenschaft zugeschrieben, sondern nur seine eigenartige Rolle im Spiel des Messens mit dem Metermaß gekennzeichnet. – Denken wir uns auf ähnliche Weise wie das Urmeter auch die Muster von Farben in Paris aufbewahrt. So erklären wir: »Sepia« heiße die Farbe des dort unter Luftabschluß aufbewahrten Ur-Sepia. Dann wird es keinen Sinn haben, von diesem Muster auszusagen, es habe diese Farbe, noch, es habe sie nicht. Wir können das so ausdrücken: Dieses Muster ist ein Instrument der Sprache, mit der wir Farbaussagen machen. Es ist in diesem Spiel nicht Dargestelltes, sondern Mittel der Darstellung. – Und eben das gilt von einem Element im Sprachspiel (48), wenn wir, es benennend, das Wort »R« aussprechen: wir haben damit diesem Ding eine Rolle in unserm Sprachspiel gegeben; es ist nun Mittel der Darstellung. Und zu sagen »Wäre es nicht, so könnte es keinen Namen haben« sagt nun so viel, und so wenig, wie: gäbe es dieses Ding nicht, so könnten wir es in unserem Spiel nicht verwenden. – Was es, scheinbar, geben muß, gehört zur Sprache. Es ist in unserem Spiel ein Paradigma; etwas, womit verglichen wird. Und dies feststellen, kann heißen, eine wichtige Feststellung machen; aber es ist dennoch eine Feststellung unser Sprachspiel – unsere Darstellungsweise – betreffend.
Um klarer zu sehen, müssen wir hier, wie in unzähligen ähnlichen Fällen, die Einzelheiten der Vorgänge ins Auge fassen; was vorgeht aus der Nähe betrachten.
Was es aber ist, das sich in der Philosophie einer solchen Betrachtung der Einzelheiten entgegensetzt, müssen wir erst verstehen lernen.
Wir können uns aber auch denken, daß eine solche Tabelle ein Werkzeug im Gebrauch der Sprache ist. Die Beschreibung eines Komplexes geht dann so vor sich: Der den Komplex beschreibt, führt eine Tabelle mit sich und sucht in ihr jedes Element des Komplexes auf und geht von ihm in der Tabelle zum Zeichen über (und es kann auch der, dem die Beschreibung gegeben wird, die Worte derselben durch eine Tabelle in die Anschauung von farbigen Quadraten übersetzen). Man könnte sagen, diese Tabelle übernehme hier die Rolle, die in anderen Fällen Gedächtnis und Assoziation spielen. (Wir werden den Befehl »Bring mir eine rote Blume!« für gewöhnlich nicht so ausführen, daß wir die Farbe Rot in einer Farbentabelle aufsuchen und dann eine Blume bringen von der Farbe, die wir in der Tabelle finden; aber wenn es sich darum handelt, einen bestimmten Ton von Rot zu wählen, oder zu mischen, dann geschieht es, daß wir uns eines Musters oder einer Tabelle bedienen.) Nennen wir eine solche Tabelle den Ausdruck einer Regel des Sprachspiels, so kann man sagen, daß dem, was wir Regel eines Sprachspiels nennen, sehr verschiedene Rollen im Spiel zukommen können.
Die Regel kann ein Behelf des Unterrichts im Spiel sein. Sie wird dem Lernenden mitgeteilt und ihre Anwendung eingeübt. – Oder sie ist ein Werkzeug des Spieles selbst. – Oder: Eine Regel findet weder im Unterricht noch im Spiel selbst Verwendung; noch ist sie in einem Regelverzeichnis niedergelegt. Man lernt das Spiel, indem man zusieht, wie Andere es spielen. Aber wir sagen, es werde nach den und den Regeln gespielt, weil ein Beobachter diese Regeln aus der Praxis des Spiels ablesen kann, – wie ein Naturgesetz, dem die Spielhandlungen folgen. –– Wie aber unterscheidet der Beobachter in diesem Fall zwischen einem Fehler der Spielenden und einer richtigen Spielhandlung? – Es gibt dafür Merkmale im Benehmen der Spieler. Denke an das charakteristische Benehmen dessen, der ein Versprechen korrigiert. Es wäre möglich, zu erkennen, daß Einer dies tut, auch wenn wir seine Sprache nicht verstehen.
Man könnte nun freilich gleich einwenden, daß ja die Beschreibung selbst sich von der Zerstörung ausnehmen müsse. – Aber das, was den Wörtern der Beschreibung entspricht und also nicht zerstört sein darf, wenn sie wahr ist, ist, was den Wörtern ihre Bedeutung gibt, – ohne welches sie keine Bedeutung hätten. –– Aber dieser Mensch ist ja doch in einem Sinne das, was seinem Namen entspricht. Er aber ist zerstörbar; und sein Name verliert seine Bedeutung nicht, wenn der Träger zerstört wird. – Das, was dem Namen entspricht, und ohne den er keine Bedeutung hätte, ist, z.B., ein Paradigma, das im Sprachspiel in Verbindung mit dem Namen gebraucht wird.
Es erscheint uns, als sagten wir damit etwas über die Natur von Rot: daß die Worte »Rot existiert« keinen Sinn ergeben. Es existiere eben ›an und für sich‹. Die gleiche Idee, – daß dies eine metaphysische Aussage über Rot ist, – drückt sich auch darin aus, daß wir etwa sagen, Rot sei zeitlos, und vielleicht noch stärker im Wort »unzerstörbar«. Aber eigentlich wollen wir eben nur »Rot existiert« auffassen als Aussage: das Wort »Rot« hat Bedeutung. Oder vielleicht richtiger: »Rot existiert nicht« als » ›Rot‹ hat keine Bedeutung«. Nur wollen wir nicht sagen, daß jener Ausdruck das sagt, sondern daß er das sagen müßte, wenn er einen Sinn hätte. Daß er sich aber beim Versuch, das zu sagen, selbst widerspricht – da eben Rot ›an und für sich‹ sei. Während ein Widerspruch nur etwa darin liegt, daß der Satz aussieht, als rede er von der Farbe, während er etwas über den Gebrauch des Wortes »rot« sagen soll. – In Wirklichkeit aber sagen wir sehr wohl, eine bestimmte Farbe existiere; und das heißt soviel wie: es existiere etwas, was diese Farbe hat. Und der erste Ausdruck ist nicht weniger exakt als der zweite; besonders dort nicht, wo ›das, was die Farbe hat‹, kein physikalischer Gegenstand ist.
In wiefern sind die Zeichen dieses Sprachspiels einer Analyse bedürftig? Ja, in wieweit kann das Spiel durch (48) ersetzt werden? – Es ist eben ein anderes Sprachspiel; wenn auch mit (48) verwandt.
Und das ist wahr. – Statt etwas anzugeben, was allem, was wir Sprache nennen, gemeinsam ist, sage ich, es ist diesen Erscheinungen gar nicht Eines gemeinsam, weswegen wir für alle das gleiche Wort verwenden, – sondern sie sind miteinander in vielen verschiedenen Weisen verwandt. Und dieser Verwandtschaft, oder dieser Verwandtschaften wegen nennen wir sie alle »Sprachen«. Ich will versuchen, dies zu erklären.
Und das Ergebnis dieser Betrachtung lautet nun: Wir sehen ein kompliziertes Netz von Ähnlichkeiten, die einander übergreifen und kreuzen. Ähnlichkeiten im Großen und Kleinen.
Und ebenso bilden z.B. die Zahlenarten eine Familie. Warum nennen wir etwas »Zahl«? Nun etwa, weil es eine – direkte – Verwandtschaft mit manchem hat, was man bisher Zahl genannt hat; und dadurch, kann man sagen, erhält es eine indirekte Verwandtschaft zu anderem, was wir auch so nennen. Und wir dehnen unseren Begriff der Zahl aus, wie wir beim Spinnen eines Fadens Faser an Faser drehen. Und die Stärke des Fadens liegt nicht darin, daß irgend eine Faser durch seine ganze Länge läuft, sondern darin, daß viele Fasern einander übergreifen. Wenn aber Einer sagen wollte: »Also ist allen diesen Gebilden etwas gemeinsam, – nämlich die Disjunktion aller dieser Gemeinsamkeiten« – so würde ich antworten: hier spielst du nur mit einem Wort. Ebenso könnte man sagen: es läuft ein Etwas durch den ganzen Faden, – nämlich das lückenlose Übergreifen dieser Fasern.
»Aber dann ist ja die Anwendung des Wortes nicht geregelt; das ›Spiel‹, welches wir mit ihm spielen, ist nicht geregelt.« –– Es ist nicht überall von Regeln begrenzt; aber es gibt ja auch keine Regel dafür z.B., wie hoch man im Tennis den Ball werfen darf, oder wie stark, aber Tennis ist doch ein Spiel und es hat auch Regeln.
Eine Erklärung dessen, was ich meine, wäre etwa eine Zeichnung und die Worte »So ungefähr hat der Boden ausgesehen«. Ich sage vielleicht auch: »genau so hat er ausgesehen«. – Also waren genau diese Gräser und Blätter, in diesen Lagen, dort? Nein, das heißt es nicht. Und kein Bild würde ich, in diesem Sinne, als das genaue anerkennen. Jemand sagt mir: »Zeige den Kindern ein Spiel!« Ich lehre sie, um Geld würfeln, und der Andere sagt mir »Ich habe nicht so ein Spiel gemeint«. Mußte ihm da, als er mir den Befehl gab, der Ausschluß des Würfelspiels vorschweben?
Frege vergleicht den Begriff mit einem Bezirk und sagt: einen unklar begrenzten Bezirk könne man überhaupt keinen Bezirk nennen. Das heißt wohl, wir können mit ihm nichts anfangen. – Aber ist es sinnlos zu sagen: »Halte dich ungefähr hier auf«? Denk dir, ich stünde mit einem Andern auf einem Platz und sagte dies. Dabei werde ich nicht einmal irgend eine Grenze ziehen, sondern etwa mit der Hand eine zeigende Bewegung machen – als zeigte ich ihm einen bestimmten Punkt. Und gerade so erklärt man etwa, was ein Spiel ist. Man gibt Beispiele und will, daß sie in einem gewissen Sinn verstanden werden. – Aber mit diesem Ausdruck meine ich nicht: er solle nun in diesen Beispielen das Gemeinsame sehen, welches ich – aus irgend einem Grunde – nicht aussprechen konnte. Sondern: er solle diese Beispiele nun in bestimmter Weise verwenden. Das Exemplifizieren ist hier nicht ein indirektes Mittel der Erklärung, – in Ermanglung eines Bessern. Denn, mißverstanden kann auch jede allgemeine Erklärung werden. So spielen wir eben das Spiel. (Ich meine das Sprachspiel mit dem Wort »Spiel«.)
Vergleiche damit: Ich zeige ihm Figuren verschiedener Form, alle in der gleichen Farbe gemalt und sage: »Was diese miteinander gemein haben, heißt ›Ocker‹«. Und vergleiche damit: Ich zeige ihm Muster verschiedener Schattierungen von Blau und sage: »Die Farbe, die allen gemeinsam ist, nenne ich ›Blau‹«.
»Aber könnte es nicht solche ›allgemeine‹ Muster geben? Etwa ein Blattschema, oder ein Muster von reinem Grün?« – Gewiß! Aber, daß dieses Schema als Schema verstanden wird, und nicht als die Form eines bestimmten Blattes, und daß ein Täfelchen von reinem Grün als Muster alles dessen verstanden wird, was grünlich ist, und nicht als Muster für reines Grün – das liegt wieder in der Art der Anwendung dieser Muster. Frage dich: Welche Gestalt muß das Muster der Farbe Grün haben? Soll es viereckig sein? oder würde es dann das Muster für grüne Vierecke sein? – Soll es also ›unregelmäßig‹ geformt sein? Und was verhindert uns, es dann nur als Muster der unregelmäßigen Form anzusehen – d.h. zu verwenden?
Frage dich in dieser Schwierigkeit immer: Wie haben wir denn die Bedeutung dieses Wortes (»gut« z.B.) gelernt? An was für Beispielen; in welchen Sprachspielen? (Du wirst dann leichter sehen, daß das Wort eine Familie von Bedeutungen haben muß.)
wieviele m hoch der Mont-Blanc ist – wie das Wort »Spiel« gebraucht wird – wie eine Klarinette klingt. Wer sich wundert, daß man etwas wissen könne, und nicht sagen, denkt vielleicht an einen Fall wie den ersten. Gewiß nicht an einen wie den dritten.
Aber wenn ich nun eine Aussage über Moses mache, – bin ich immer bereit, irgend eine dieser Beschreibungen für »Moses« zu setzen? Ich werde etwa sagen: Unter »Moses« verstehe ich den Mann, der getan hat, was die Bibel von Moses berichtet, oder doch vieles davon. Aber wievieles? Habe ich mich entschieden, wieviel sich als falsch erweisen muß, damit ich meinen Satz als falsch aufgebe? Hat also der Name »Moses« für mich einen festen und eindeutig bestimmten Gebrauch in allen möglichen Fällen? – Ist es nicht so, daß ich sozusagen eine ganze Reihe von Stützen in Bereitschaft habe und bereit bin, mich auf eine zu stützen, wenn mir die andere entzogen werden sollte, und umgekehrt? –– Betrachte noch einen andern Fall. Wenn ich sage »N ist gestorben«, so kann es mit der Bedeutung des Namens »N« etwa diese Bewandtnis haben: Ich glaube, daß ein Mensch gelebt hat, den ich (1) dort und dort gesehen habe, der (2) so und so ausgeschaut hat (Bilder), (3) das und das getan hat und (4) in der bürgerlichen Welt diesen Namen »N« führt. – Gefragt, was ich unter »N« verstehe, würde ich alles das, oder einiges davon, und bei verschiedenen Gelegenheiten Verschiedenes, aufzählen. Meine Definition von »N« wäre also etwa: »der Mann, von dem alles das stimmt«. – Aber wenn sich nun etwas davon als falsch erwiese! – Werde ich bereit sein, den Satz »N ist gestorben« für falsch zu erklären, – auch wenn nur etwas mir nebensächlich Scheinendes sich als falsch herausstellt? Wo aber ist die Grenze des Nebensächlichen? – Hätte ich in so einem Fall eine Erklärung des Namens gegeben, so wäre ich nun bereit, sie abzuändern. Und das kann man so ausdrücken: Ich gebrauche den Namen »N« ohne feste Bedeutung. (Aber das tut seinem Gebrauch so wenig Eintrag, wie dem eines Tisches, daß er auf vier Beinen ruht, statt auf dreien, und daher unter Umständen wackelt.) Soll man sagen, ich gebrauche ein Wort, dessen Bedeutung ich nicht kenne, rede also Unsinn? – Sage, was du willst, solange dich das nicht verhindert, zu sehen, wie es sich verhält. (Und wenn du das siehst, wirst du manches nicht sagen.) (Das Schwanken wissenschaftlicher Definitionen: Was heute als erfahrungsmäßige Begleiterscheinung des Phänomens A gilt, wird morgen zur Definition von »A« benützt.)
All das kann aber erst dann im rechten Licht erscheinen, wenn man über die Begriffe des Verstehens, Meinens und Denkens größere Klarheit gewonnen hat. Denn dann wird es auch klar werden, was uns dazu verleiten kann (und mich verleitet hat) zu denken, daß, wer einen Satz ausspricht und ihn meint, oder versteht, damit einen Kalkül betreibt nach bestimmten Regeln.
Und gibt es nicht auch den Fall, wo wir spielen und – ›make up the rules as we go along‹? Ja auch den, in welchem wir sie abandern – as we go along.
Aber das sagt nicht, daß wir zweifeln, weil wir uns einen Zweifel denken können. Ich kann mir sehr wohl denken, daß jemand jedesmal vor dem Öffnen seiner Haustür zweifelt, ob sich hinter ihr nicht ein Abgrund aufgetan hat, und daß er sich darüber vergewissert, eh’ er durch die Tür tritt (und es kann sich einmal erweisen, daß er recht hatte) – aber deswegen zweifle ich im gleichen Falle doch nicht.
Denk dir, es würden nun verschiedene Arten eingeführt eine Tabelle zu lesen; nämlich einmal, wie oben, nach dem Schema: ein andermal nach diesem Schema: oder einem andern. – So ein Schema werde der Tabelle beigefügt als Regel, wie sie zu gebrauchen sei. Können wir uns nun nicht weitere Regeln zur Erklärung dieser vorstellen? und war anderseits jene erste Tabelle unvollständig ohne das Schema der Pfeile? Und sind es die andern Tabellen ohne ihr Schema?
Es kann leicht so scheinen, als zeigte jeder Zweifel nur eine vorhandene Lücke im Fundament; so daß ein sicheres Verständnis nur dann möglich ist, wenn wir zuerst an allem zweifeln, woran gezweifelt werden kann, und dann alle diese Zweifel beheben. Der Wegweiser ist in Ordnung, – wenn er, unter normalen Verhältnissen, seinen Zweck erfüllt.
»Aber ist die Erklärung nicht doch unexakt?« – Doch; warum soll man sie nicht »unexakt« nennen? Verstehen wir aber nur, was »unexakt« bedeutet! Denn es bedeutet nun nicht »unbrauchbar«. Und überlegen wir uns doch, was wir, im Gegensatz zu dieser Erklärung, eine »exakte« Erklärung nennen! Etwa das Abgrenzen eines Bezirks durch einen Kreidestrich? Da fällt uns gleich ein, daß der Strich eine Breite hat. Exakter wäre also eine Farbgrenze. Aber hat denn diese Exaktheit hier noch eine Funktion; läuft sie nicht leer? Und wir haben ja auch noch nicht bestimmt, was als Überschreiten dieser scharfen Grenze gelten soll; wie, mit welchen Instrumenten, es festzustellen ist. Usw. Wir verstehen, was es heißt: eine Taschenuhr auf die genaue Stunde stellen, oder, sie richten, daß sie genau geht. Wie aber, wenn man fragte: Ist diese Genauigkeit eine ideale Genauigkeit, oder wie weit nähert sie sich ihr? – wir können freilich von Zeitmessungen reden, bei welchen es eine andere und, wie wir sagen würden, größere Genauigkeit gibt als bei der Zeitmessung mit der Taschenuhr. Wo die Worte »die Uhr auf die genaue Stunde stellen« eine andere, wenn auch verwandte, Bedeutung haben, und ›die Uhr ablesen‹ ein anderer Vorgang ist, etc. – Wenn ich nun jemandem sage: »Du solltest pünktlicher zum Essen kommen; du weißt, daß es genau um ein Uhr anfängt« – ist hier von Genauigkeit eigentlich nicht die Rede? weil man sagen kann: »Denk an die Zeitbestimmung im Laboratorium, oder auf der Sternwarte; da siehst du, was ›Genauigkeit‹ bedeutet.« »Unexakt«, das ist eigentlich ein Tadel, und »exakt« ein Lob. Und das heißt doch: das Unexakte erreicht sein Ziel nicht so vollkommen wie das Exaktere. Da kommt es also auf das an, was wir »das Ziel« nennen. Ist es unexakt, wenn ich den Abstand der Sonne von uns nicht auf 1 m genau angebe; und dem Tischler die Breite des Tisches nicht auf 0,001 mm? Ein Ideal der Genauigkeit ist nicht vorgesehen; wir wissen nicht, was wir uns darunter vorstellen sollen – es sei denn, du selbst setzt fest, was so genannt werden soll. Aber es wird dir schwer werden, so eine Festsetzung zu treffen; eine, die dich befriedigt.
Denn es schien, daß ihr eine besondere Tiefe – allgemeine Bedeutung – zukomme. Sie liege, so schien es, am Grunde aller Wissenschaften. – Denn die logische Betrachtung erforscht das Wesen aller Dinge. Sie will den Dingen auf den Grund sehen, und soll sich nicht um das So oder So des tatsächlichen Geschehens kümmern. –– Sie entspringt nicht einem Interesse für Tatsachen des Naturgeschehens, noch dem Bedürfnisse, kausale Zusammenhänge zu erfassen, sondern einem Streben, das Fundament, oder Wesen, alles Erfahrungsmäßigen zu verstehen. Nicht aber, als sollten wir dazu neue Tatsachen aufspüren: es ist vielmehr für unsere Untersuchung wesentlich, daß wir nichts Neues mit ihr lernen wollen. Wir wollen etwas verstehen, was schon offen vor unsern Augen liegt. Denn das scheinen wir, in irgendeinem Sinne, nicht zu verstehen. Augustinus (Conf. XI/14): »quid est ergo tempus? si nemo ex me quaerat scio; si quaerenti explicare velim, nescio.« – Dies könnte man nicht von einer Frage der Naturwissenschaft sagen (etwa der nach dem spezifischen Gewicht des Wasserstoffs). Das, was man weiß, wenn uns niemand fragt, aber nicht mehr weiß, wenn wir es erklären sollen, ist etwas, worauf man sich besinnen muß. (Und offenbar etwas, worauf man sich aus irgendeinem Grunde schwer besinnt.)
Unsere Betrachtung ist daher eine grammatische. Und diese Betrachtung bringt Licht in unser Problem, indem sie Mißverständnisse wegräumt. Mißverständnisse, die den Gebrauch von Worten betreffen; hervorgerufen, unter anderem, durch gewisse Analogien zwischen den Ausdrucksformen in verschiedenen Gebieten unserer Sprache. – Manche von ihnen lassen sich beseitigen, indem man eine Ausdrucksform durch eine andere ersetzt; dies kann man ein »Analysieren« unsrer Ausdrucksformen nennen, denn der Vorgang hat manchmal Ähnlichkeit mit einem Zerlegen.
Man kann das auch so sagen: Wir beseitigen Mißverständnisse, indem wir unsern Ausdruck exakter machen: aber es kann nun so scheinen, als ob wir einem bestimmten Zustand, der vollkommenen Exaktheit, zustreben; und als wäre das das eigentliche Ziel unserer Untersuchung.
›Das Wesen ist uns verborgen‹. das ist die Form, die unser Problem nun annimmt. Wir fragen: »Was ist die Sprache?«, »Was ist der Satz?«. Und die Antwort auf diese Fragen ist ein für allemal zu geben; und unabhängig von jeder künftigen Erfahrung.
Warum sagen wir, der Satz sei etwas Merkwürdiges? Einerseits, wegen der ungeheuren Bedeutung, die ihm zukommt. (Und das ist richtig.) Anderseits verführt uns diese Bedeutung und ein Mißverstehen der Sprachlogik dazu, daß wir meinen, der Satz müsse etwas Außerordentliches, ja Einzigartiges, leisten. – Durch ein Mißverständnis erscheint es uns, als tue der Satz etwas Seltsames.
Wir sind in der Täuschung, das Besondere, Tiefe, das uns Wesentliche unserer Untersuchung liege darin, daß sie das unvergleichliche Wesen der Sprache zu begreifen trachtet. D.i., die Ordnung, die zwischen den Begriffen des Satzes, Wortes, Schließens, der Wahrheit, der Erfahrung, usw. besteht. Diese Ordnung ist eine Über-Ordnung zwischen – sozusagen – Über-Begriffen. Während doch die Worte »Sprache«, »Erfahrung«, »Welt«, wenn sie eine Verwendung haben, eine so niedrige haben müssen, wie die Worte »Tisch«, »Lampe«, »Tür«.
(Faraday »The Chemical History of a Candle«): »Water is one individual thing – it never changes.«
Der Satz, das Wort, von dem die Logik handelt, soll etwas Reines und Scharfgeschnittenes sein. Und wir zerbrechen uns nun über das Wesen des eigentlichen Zeichens den Kopf. – Ist es etwa die Vorstellung vom Zeichen? oder die Vorstellung im gegenwärtigen Augenblick?
Die Philosophie der Logik redet in keinem andern Sinn von Sätzen und Wörtern, als wir es im gewöhnlichen Leben tun, wenn wir etwa sagen »hier steht ein chinesischer Satz aufgeschrieben«, oder »nein, das sieht nur aus wie Schriftzeichen, ist aber ein Ornament«, etc. Wir reden von dem räumlichen und zeitlichen Phänomen der Sprache; nicht von einem unräumlichen und unzeitlichen Unding. [Nur kann man sich in verschiedener Weise für ein Phänomen interessieren.] Aber wir reden von ihr so, wie von den Figuren des Schachspiels, indem wir Spielregeln für sie angeben, nicht ihre physikalischen Eigenschaften beschreiben. Die Frage »Was ist eigentlich ein Wort?« ist analog der »Was ist eine Schachfigur?«
Und auf diese Täuschungen, auf die Probleme, fällt nun das Pathos zurück.
Wir führen die Wörter von ihrer metaphysischen, wieder auf ihre alltägliche Verwendung zurück.
Wenn z.B. Einer sagt, der Satz »Dies ist hier« (wobei er vor sich hin auf einen Gegenstand zeigt) habe für ihn Sinn, so möge er sich fragen, unter welchen besonderen Umständen man diesen Satz tatsächlich verwendet. In diesen hat er dann Sinn.
Daß ich bei meinen Erklärungen, die Sprache betreffend, schon die volle Sprache (nicht etwa eine vorbereitende, vorläufige) anwenden muß, zeigt schon, daß ich nur Äußerliches über die Sprache vorbringen kann. Ja, aber wie können uns diese Ausführungen dann befriedigen? – Nun, deine Fragen waren ja auch schon in dieser Sprache abgefaßt; mußten in dieser Sprache ausgedrückt werden, wenn etwas zu fragen war! Und deine Skrupel sind Mißverständnisse. Deine Fragen beziehen sich auf Wörter; so muß ich von Wörtern reden. Man sagt: Es kommt nicht aufs Wort an, sondern auf seine Bedeutung; und denkt dabei an die Bedeutung, wie an eine Sache von der Art des Worts, wenn auch vom Wort verschieden. Hier ist das Wort, hier die Bedeutung. Das Geld und die Kuh, die man dafür kaufen kann. (Anderseits aber: das Geld, und sein Nutzen.)
Der Begriff der übersichtlichen Darstellung ist für uns von grundlegender Bedeutung. Er bezeichnet unsere Darstellungsform, die Art, wie wir die Dinge sehen. (Ist dies eine ›Weltanschauung‹?)
Denn sie kann ihn auch nicht begründen. Sie läßt alles, wie es ist. Sie läßt auch die Mathematik, wie sie ist, und keine mathematische Entdeckung kann sie weiterbringen. Ein »führendes Problem der mathematischen Logik« ist für uns ein Problem der Mathematik, wie jedes andere.
Die fundamentale Tatsache ist hier: daß wir Regeln, eine Technik, für ein Spiel festlegen, und daß es dann, wenn wir den Regeln folgen, nicht so geht, wie wir angenommen hatten. Daß wir uns also gleichsam in unsern eigenen Regeln verfangen. Dieses Verfangen in unsern Regeln ist, was wir verstehen, d. h. übersehen wollen. Es wirft ein Licht auf unsern Begriff des Meinens. Denn es kommt also in jenen Fällen anders, als wir es gemeint, vorausgesehen, hatten. Wir sagen eben, wenn, z.B., der Widerspruch auftritt: »So hab’ ich’s nicht gemeint.« Die bürgerliche Stellung des Widerspruchs, oder seine Stellung in der bürgerlichen Welt: das ist das philosophische Problem.
»Philosophie« könnte man auch das nennen, was vor allen neuen Entdeckungen und Erfindungen möglich ist.
So eine Reform für bestimmte praktische Zwecke, die Verbesserung unserer Terminologie zur Vermeidung von Mißverständnissen im praktischen Gebrauch, ist wohl möglich. Aber das sind nicht die Fälle, mit denen wir es zu tun haben. Die Verwirrungen, die uns beschäftigen, entstehen gleichsam, wenn die Sprache leerläuft, nicht wenn sie arbeitet.
Denn die Klarheit, die wir anstreben, ist allerdings eine vollkommene. Aber das heißt nur, daß die philosophischen Probleme vollkommen verschwinden sollen. Die eigentliche Entdeckung ist die, die mich fähig macht, das Philosophieren abzubrechen, wann ich will. – Die die Philosophie zur Ruhe bringt, so daß sie nicht mehr von Fragen gepeitscht wird, die sie selbst in Frage stellen. – Sondern es wird nun an Beispielen eine Methode gezeigt, und die Reihe dieser Beispiele kann man abbrechen. – Es werden Probleme gelöst (Schwierigkeiten beseitigt), nicht ein Problem. Es gibt nicht eine Methode der Philosophie, wohl aber gibt es Methoden, gleichsam verschiedene Therapien.
Wir sagen z.B.: »Er erklärte mir seine Lage, sagte, es verhalte sich so und so, und er brauche daher einen Vorschuß.« Man kann also insofern sagen, jener Satz stünde für irgendwelche Aussagen. Er wird als Satzschema verwendet; aber das nur, weil er den Bau eines deutschen Satzes hat. Man könnte statt seiner ohneweiters auch sagen: »das und das ist der Fall«, oder »so und so liegen die Sachen«, etc. Man könnte auch, wie in der symbolischen Logik, bloß einen Buchstaben, eine Variable gebrauchen. Aber den Buchstaben »p« wird doch niemand die allgemeine Form eines Satzes nennen. Wie gesagt: »Es verhält sich so und so« war dies nur dadurch, daß er selbst das ist, was man einen deutschen Satz nennt. Aber obschon es ein Satz ist, so hat es doch nur als Satzvariable Verwendung. Zu sagen, dieser Satz stimme mit der Wirklichkeit überein (oder nicht überein), wäre offenbarer Unsinn, und er illustriert also dies, daß ein Merkmal unseres Satzbegriffes der Satzklang ist.
›p‹ ist wahr = p ›p‹ ist falsch = nicht-p. Und zu sagen, ein Satz sei alles, was wahr oder falsch sein könne, kommt darauf hinaus: Einen Satz nennen wir das, worauf wir in unserer Sprache den Kalkül der Wahrheitsfunktionen anwenden. Es scheint nun, als bestimmte die Erklärung – Satz sei dasjenige, was wahr oder falsch sein könne – was ein Satz ist, indem sie sage: Was zum Begriff ›wahr‹ paßt, oder, worauf der Begriff ›wahr‹ paßt, das ist ein Satz. Es ist also so, als hätten wir einen Begriff von wahr und falsch, mit dessen Hilfe wir nun bestimmen können, was ein Satz ist und was keiner. Was in den Begriff der Wahrheit eingreift (wie in ein Zahnrad), das ist ein Satz. Aber das ist ein schlechtes Bild. Es ist, als sagte man »Schachkönig ist die Figur, der man Schach ansagen kann.« Aber das kann doch nur heißen, daß wir in unserm Schachspiel nur dem König Schach geben. So wie der Satz, daß nur ein Satz wahr sein könne, nur sagen kann, daß wir »wahr« und »falsch« nur von dem prädizieren, was wir einen Satz nennen. Und was ein Satz ist, ist in einem Sinne bestimmt durch die Regeln des Satzbaus (der deutschen Sprache z.B.), in einem andern Sinne durch den Gebrauch des Zeichens im Sprachspiel. Und der Gebrauch der Wörter »wahr« und »falsch« kann auch ein Bestandteil dieses Spiels sein; und dann gehört er für uns zum Satz, aber er ›paßt‹ nicht zu ihm. Wie wir auch sagen können, das Schachgeben gehöre zu unserm Begriff vom Schachkönig (gleichsam als ein Bestandteil desselben). Zu sagen, das Schachgeben passe nicht auf unsern Begriff von den Bauern, würde heißen, daß ein Spiel, in welchem den Bauern Schach gegeben wird, in welchem etwa der verliert, der seine Bauern verliert, – daß ein solches Spiel uninteressant wäre, oder dumm, oder zu kompliziert, oder dergleichen.
Muß ich wissen, ob ich ein Wort verstehe? Geschieht es nicht auch, daß ich mir einbilde, ein Wort zu verstehen (nicht anders, als eine Rechenart zu verstehen) und nun darauf komme, daß ich es nicht verstanden habe? (»Ich habe geglaubt, ich weiß, was ›relative‹ und ›absolute‹ Bewegung heißt, aber ich sehe, ich weiß es nicht.«)
Ja, wird aber anderseits die Bedeutung des Wortes nicht auch durch diese Verwendung bestimmt? Und können sich diese Bestimmungen nun widersprechen? Kann, was wir so mit einem Schlageerfassen, mit einer Verwendung übereinstimmen, zu ihr passen, oder nicht zu ihr passen? Und wie kann das, was uns in einem Augenblicke gegenwärtig ist, was uns in einem Augenblick vorschwebt, zu einer Verwendung passen? Was ist es denn eigentlich, was uns vorschwebt, wenn wir ein Wort verstehen? – Ist es nicht etwas, wie ein Bild? Kann es nicht ein Bild sein? Nun, nimm an, beim Hören des Wortes »Würfel« schwebt dir ein Bild vor. Etwa die Zeichnung eines Würfels. In wiefern kann dies Bild zu einer Verwendung des Wortes »Würfel« passen, oder nicht zu ihr passen? – Vielleicht sagst du: »das ist einfach; – wenn mir dieses Bild vorschwebt und ich zeige z.B. auf ein dreieckiges Prisma und sage, dies sei ein Würfel, so paßt diese Verwendung nicht zum Bild.« – Aber paßt sie nicht? Ich habe das Beispiel absichtlich so gewählt, daß es ganz leicht ist, sich eine Projektionsmethode vorzustellen, nach welcher das Bild nun doch paßt. Das Bild des Würfels legte uns allerdings eine gewisse Verwendung nahe, aber ich konnte es auch anders verwenden. (a) »Ich glaube, das richtige Wort in diesem Fall ist ..... Zeigt das nicht, daß die Bedeutung des Worts ein Etwas ist, das uns vorschwebt, und das gleichsam das genaue Bild ist, welches wir hier brauchen wollen? Denke, ich wählte zwischen den Wörtern »stattlich«, »würdevoll«, »stolz«, »Achtung gebietend«; ist es nicht, als ob ich zwischen den Zeichnungen in einer Mappe wählte? – Nein; daß man vom treffenden Wort redet, zeigt nicht die Existenz eines Etwas, welches etc. Vielmehr ist man geneigt, von jenem bildartigen Etwas zu sprechen, weil man ein Wort als treffend empfinden kann; zwischen Worten oft, wie zwischen ähnlichen, aber doch nicht gleichen Bildern, wählt; weil man Bilder oft statt Wörtern, oder zur Illustration von Wörtern, gebraucht; etc. (b) Ich sehe ein Bild: es stellt einen alten Mann dar, der auf einen Stock gestützt einen steilen Weg aufwärts geht. – Und wie das? Konnte es nicht auch so aussehen, wenn er in dieser Stellung die Straße hinunterrutschte? Ein Marsbewohner würde das Bild vielleicht so beschreiben. Ich brauche nicht zu erklären, warum wir es nicht so beschreiben.
Was tat denn mein Argument? Es machte darauf aufmerksam (erinnerte uns daran), daß wir unter Umständen bereit wären, auch einen andern Vorgang »Anwendung des Würfelbildes« zu nennen als nur den, an welchen wir ursprünglich gedacht hatten. Unser ›Glaube, das Bild zwinge uns zu einer bestimmten Anwendung‹, bestand also darin, daß uns nur der eine Fall und kein andrer einfiel. »Es gibt auch eine andere Lösung«, heißt: es gibt auch etwas Anderes, was ich bereit bin »Lösung« zu nennen; worauf ich bereit bin, das und das Bild, die und die Analogie anzuwenden, etc. Und das Wesentliche ist nun, daß wir sehen, daß uns das Gleiche beim Hören des Wortes vorschweben, und seine Anwendung doch eine andere sein kann. Und hat es dann beide Male die gleiche Bedeutung? Ich glaube, das werden wir verneinen.
Wir erkennen dafür nun offenbar zweierlei Kriterien an: Einerseits das Bild (welcher Art immer es sei), welches ihm zu irgendeiner Zeit vorschwebt; anderseits die Anwendung, die er – im Laufe der Zeit – von dieser Vorstellung macht. (Und ist es hier nicht klar, daß es durchaus unwesentlich ist, daß dieses Bild ihm in der Phantasie vorschwebt, und nicht vielmehr als eine Zeichnung vor ihm liegt, oder als Modell; oder auch von ihm als Modell hergestellt wird?) Können nun Bild und Anwendung kollidieren? Nun, sie können insofern kollidieren, als uns das Bild eine andere Verwendung erwarten läßt; weil die Menschen im allgemeinen von diesem Bild diese Anwendung machen. Ich will sagen: Es gibt hier einen normalen Fall und abnormale Fälle.
Was wir zur Erklärung der Bedeutung, ich meine der Wichtigkeit, eines Begriffs sagen müssen, sind oft außerordentlich allgemeine Naturtatsachen. Solche, die wegen ihrer großen Allgemeinheit kaum je erwähnt werden. 143. Betrachten wir nun diese Art von Sprachspiel: B soll auf den Befehl des A Reihen von Zeichen niederschreiben nach einem bestimmten Bildungsgesetz. Die erste dieser Reihen soll die sein der natürlichen Zahlen im Dezimalsystem. – Wie lernt er dieses System verstehen? – Zunächst werden ihm Zahlenreihen vorgeschrieben und er wird angehalten, sie nachzuschreiben. (Stoß dich nicht an dem Wort »Zahlenreihen«, es ist hier nicht unrichtig verwendet!) Und schon hier gibt es eine normale und eine abnormale Reaktion des Lernenden. – Wir führen ihm etwa zuerst beim Nachschreiben der Reihe 0 bis 9 die Hand; dann aber wird die Möglichkeit der Verständigung daran hängen, daß er nun selbständig weiterschreibt. – Und hier können wir uns, z.B., denken, daß er nun zwar selbständig Ziffern kopiert, aber nicht nach der Reihe, sondern regellos einmal die, einmal die. Und dann hört da die Verständigung auf. – Oder aber er macht ›Fehler‹ in der Reihenfolge. – Der Unterschied zwischen diesem und dem ersten Fall ist natürlich einer der Häufigkeit. – Oder: er macht einen systematischen Fehler, er schreibt z.B. immer nur jede zweite Zahl nach; oder er kopiert die Reihe 0, 1, 2, 3, 4, 5, .... so: 1, 0, 3, 2, 5, 4, ..... Hier werden wir beinahe versucht sein zu sagen, er habe uns falsch verstanden. Aber merke: Es gibt keine scharfe Grenze zwischen einem regellosen und einem systematischen Fehler. D.h., zwischen dem, was du einen »regellosen«, und dem, was du einen »systematischen Fehler« zu nennen geneigt bist. Man kann ihm nun vielleicht den systematischen Fehler abgewöhnen (wie eine Unart). Oder, man läßt seine Art des Kopierens gelten und trachtet, ihm die normale Art als eine Abart, Variation, der seinigen beizubringen. – Und auch hier kann die Lernfähigkeit unseres Schülers abbrechen.
Aber nehmen wir nun an, er setzt, nach einigen Bemühungen des Lehrers, die Reihe richtig fort, d. h. so, wie wir es tun. Nun können wir also sagen: er beherrscht das System. – Aber wie weit muß er die Reihe richtig fortsetzen, damit wir das mit Recht sagen können? Es ist klar: du kannst hier keine Begrenzung angeben.
Und an was denkt man da eigentlich? Denkt man nicht an das Ableiten einer Reihe aus ihrem algebraischen Ausdruck? Oder doch an etwas Analoges? – Aber da waren wir ja schon einmal. Wir können uns ja eben mehr als eine Anwendung eines algebraischen Ausdrucks denken; und jede Anwendungsart kann zwar wieder algebraisch niedergelegt werden, aber dies führt uns selbstverständlich nicht weiter. – Die Anwendung bleibt ein Kriterium des Verständnisses.
Du meinst also: du weißt die Anwendung des Gesetzes der Reihe, auch ganz abgesehen von einer Erinnerung an die tatsächlichen Anwendungen auf bestimmte Zahlen. Und du wirst vielleicht sagen: »Selbstverständlich! denn die Reihe ist ja unendlich und das Reihenstück, das ich entwickeln konnte, endlich.«
(a) »Ein Wort verstehen«, ein Zustand. Aber ein seelischer Zustand? – Betrübnis, Aufregung, Schmerzen, nennen wir seelische Zustände. Mache diese grammatische Betrachtung: Wir sagen »Er war den ganzen Tagen betrübt«. »Er war den ganzen Tag in großer Aufregung«. »Er hatte seit gestern ununterbrochen Schmerzen«. – Wir sagen auch »Ich verstehe dieses Wort seit gestern«. Aber »ununterbrochen«? – Ja, man kann von einer Unterbrechung des Verstehens reden. Aber in welchen Fällen? Vergleiche: »Wann haben deine Schmerzen nachgelassen?« und »Wann hast du aufgehört, das Wort zu verstehen?« (b) Wie, wenn man fragte: Wann kannst du Schach spielen? Immer? oder während du einen Zug machst? Und während jedes Zuges das ganze Schach? – Und wie seltsam, daß Schachspielen können so kurze Zeit braucht, und eine Partie so viel länger.
Stellen wir uns dieses Beispiel vor: A schreibt Reihen von Zahlen an; B sieht ihm zu und trachtet, in der Zahlenfolge ein Gesetz zu finden. Ist es ihm gelungen, so ruft er: »Jetzt kann ich fortsetzen!« –– Diese Fähigkeit, dieses Verstehen ist also etwas, was in einem Augenblick eintritt. Schauen wir also nach: Was ist es, was hier eintritt? – A habe die Zahlen 1, 5, 11, 19, 29 hingeschrieben; da sagt B, jetzt wisse er weiter. Was geschah da? Es konnte verschiedenerlei geschehen sein; z.B.: Während A langsam eine Zahl nach der andern hinsetzte, ist B damit beschäftigt, verschiedene algebraische Formeln an den angeschriebenen Zahlen zu versuchen. Als A die Zahl 19 geschrieben hatte, versuchte B die Formel an = n² + n – 1; die nächste Zahl bestätigte seine Annahme. Oder aber: B denkt nicht an Formeln. Er sieht mit einem gewissen Gefühl der Spannung zu, wie A seine Zahlen hinschreibt; dabei schwimmen ihm allerlei unklare Gedanken im Kopf. Endlich fragt er sich »Was ist die Reihe der Differenzen?« Er findet: 4, 6, 8, 10 und sagt: Jetzt kann ich weiter. Oder er sieht hin und sagt: »Ja, die Reihe kenn’ ich« – und setzt sie fort; wie er’s etwa auch getan hätte, wenn A die Reihe 1, 3, 5, 7, 9 hingeschrieben hätte. – Oder er sagt gar nichts und schreibt bloß die Reihe weiter. Vielleicht hatte er eine Empfindung, die man »das ist leicht!« nennen kann. (Eine solche Empfindung ist z.B. die eines leichten, schnellen Einziehens des Atems, ähnlich wie bei einem gelinden Schreck.)
Wenn etwas ›hinter dem Aussprechen der Formel‹ stehen muß, so sind es gewisse Umstände, die mich berechtigen, zu sagen, ich könne fortsetzen, – wenn mir die Formel einfällt. Denk doch einmal gar nicht an das Verstehen als ›seelischen Vorgang‹! – Denn das ist die Redeweise, die dich verwirrt. Sondern frage dich: in was für einem Fall, unter was für Umständen sagen wir denn »Jetzt weiß ich weiter«? ich meine, wenn mir die Formel eingefallen ist. - In dem Sinne, in welchem es für das Verstehen charakteristische Vorgänge (auch seelische Vorgänge) gibt, ist das Verstehen kein seelischer Vorgang. (Das Ab- und Zunehmen einer Schmerzempfindung, das Hören einer Melodie, eines Satzes: seelische Vorgänge.)
Der Gebrauch dieses Wortes unter den Umständen unsres gewöhnlichen Lebens ist uns natürlich ungemein wohl bekannt. Die Rolle aber, die das Wort in unserm Leben spielt, und damit das Sprachspiel, in dem wir es verwenden, wäre schwer auch nur in groben Zügen darzustellen. Ein Mensch, sagen wir ein Deutscher, ist in der Schule, oder zu Hause, durch eine der bei uns üblichen Unterrichtsarten gegangen, er hat in diesem Unterricht seine Muttersprache lesen gelernt. Später liest er Bücher, Briefe, die Zeitung, u. a. Was geht nun vor sich, wenn er, z.B., die Zeitung liest? –– Seine Augen gleiten – wie wir sagen – den gedruckten Wörtern entlang, er spricht sie aus, – oder sagt sie nur zu sich selbst; und zwar gewisse Wörter, indem er ihre Druckform als Ganzes erfaßt, andere, nachdem sein Aug die ersten Silben erfaßt hat, einige wieder liest er Silbe für Silbe, und das eine oder andre vielleicht Buchstabe für Buchstabe. – Wir würden auch sagen, er habe einen Satz gelesen, wenn er während des Lesens weder laut noch zu sich selbst spricht, aber danach imstande ist, den Satz wörtlich oder annähernd wiederzugeben. – Er kann auf das achten, was er liest, oder auch – wie wir sagen könnten – als bloße Lesemaschine funktionieren, ich meine, laut und richtig lesen, ohne auf das, was er liest, zu achten; vielleicht während seine Aufmerksamkeit auf etwas ganz anderes gerichtet ist (so daß er nicht imstande ist, zu sagen, was er gelesen hat, wenn man ihn gleich darauf fragt). Vergleiche nun mit diesem Leser einen Anfänger. Er liest die Wörter, indem er sie mühsam buchstabiert. – Einige Wörter aber errät er aus dem Zusammenhang; oder er weiß das Lesestück vielleicht zum Teil schon auswendig. Der Lehrer sagt dann, daß er die Wörter nicht wirklich liest (und in gewissen Fällen, daß er nur vorgibt, sie zu lesen). Wenn wir an dieses Lesen, an das Lesen des Anfängers, denken und uns fragen, worin Lesen besteht, werden wir geneigt sein, zu sagen: es sei eine besondere bewußte geistige Tätigkeit. Wir sagen von dem Schüler auch: »Nur er weiß natürlich, ob er wirklich liest, oder die Worte bloß auswendig sagt«. (Über diese Sätze »Nur er weiß, ....« muß noch geredet werden.) Ich will aber sagen: Wir müssen zugeben, daß – was das Aussprechen irgend eines der gedruckten Wörter betrifft – im Bewußtsein des Schülers, der ›vorgibt‹ es zu lesen, das Gleiche stattfinden kann wie im Bewußtsein des geübten Lesers, der es ›liest‹. Das Wort »lesen« wird anders angewandt, wenn wir vom Anfänger, und wenn wir vom geübten Leser sprechen. –– Wir möchten nun freilich sagen: Was im geübten Leser und was im Anfänger vor sich geht, wenn sie das Wort aussprechen, kann nicht das Gleiche sein. Und wenn kein Unterschied in dem wäre, was ihnen gerade bewußt ist, so im unbewußten Arbeiten ihres Geistes; oder auch im Gehirn. – Wir möchten also sagen: Hier sind jedenfalls zwei verschiedene Mechanismen! Und was in ihnen vorgeht, muß Lesen von Nichtlesen unterscheiden. – Aber diese Mechanismen sind doch nur Hypothesen; Modelle zur Erklärung, zur Zusammenfassung dessen, was du wahrnimmst.
Verwenden wir dagegen »Lesen« für ein gewisses Erlebnis des Übergangs vom Zeichen zum gesprochenen Laut, dann hat es wohl Sinn, von einem ersten Wort zu sprechen, das er wirklich gelesen hat. Er kann dann etwa sagen: »Bei diesem Worte hatte ich zum ersten Male das Gefühl: ›jetzt lese ich‹.« Oder aber in dem hiervon verschiedenen Fall einer Lesemaschine, die, etwa nach Art eines Pianolas, Zeichen in Laute übersetzt, könnte man sagen: »Erst nachdem dies und dies an der Maschine geschehen war – die und die Teile durch Drähte verbunden worden waren – hat die Maschine gelesen; das erste Zeichen, welches sie gelesen hat, war ....« Im Falle aber der lebenden Lesemaschine hieß »lesen«: so und so auf Schriftzeichen reagieren. Dieser Begriff war also ganz unabhängig von dem eines seelischen, oder andern Mechanismus. – Der Lehrer kann hier auch vom Abgerichteten nicht sagen: »Vielleicht hat er dieses Wort schon gelesen«. Denn es ist ja kein Zweifel über das, was er getan hat. – Die Veränderung, als der Schüler zu lesen anfing, war eine Veränderung seines Verhaltens; und von einem ›ersten Wort im neuen Zustand‹ zu reden, hat hier keinen Sinn.
Oder aber: Wenn man einem Menschen, der unter dem Einfluß eines bestimmten Giftes steht, eine Reihe von Schriftzeichen vorlegt, die keinem existierenden Alphabet anzugehören brauchen, so spreche er nach der Anzahl der Zeichen Wörter aus, so als wären die Zeichen Buchstaben, und zwar mit allen äußeren Merkmalen und Empfindungen des Lesens. (Ähnliche Erfahrungen haben wir in Träumen; nach dem Aufwachen sagt man dann etwa: »Es kam mir vor, als läse ich die Zeichen, obwohl es gar keine Zeichen waren.«) In so einem Fall würden Manche geneigt sein, zu sagen, der Mensch lese diese Zeichen. Andere, er lese sie nicht. – Angenommen, er habe auf diese Weise eine Gruppe von vier Zeichen als OBEN gelesen (oder gedeutet) – nun zeigen wir ihm die gleichen Zeichen in umgekehrter Reihenfolge und er liest NEBO, und so behält er in weiteren Versuchen immer die gleiche Deutung der Zeichen bei; hier wären wir wohl geneigt, zu sagen, er lege sich ad hoc ein Alphabet zurecht und lese dann danach.
Mach diesen Versuch: sag die Zahlenreihe von 1 bis 12. Nun schau auf das Zifferblatt deiner Uhr und lies diese Reihe. – Was hast du in diesem Falle »lesen« genannt? Das heißt: was hast du getan, um es zum Lesen zu machen?
Aber warum sagen wir, er habe die gesprochenen Worte von den gedruckten abgeleitete? Wissen wir mehr, als daß wir ihn gelehrt haben, wie jeder Buchstabe auszusprechen sei, und daß er dann die Worte laut gelesen habe? Wir werden vielleicht antworten: der Schüler zeige: daß er den Übergang vom Gedruckten zum Gesprochenen mit Hilfe der Regel macht, die wir ihm gegeben haben. – Wie man dies zeigen könne, wird klarer, wenn wir unser Beispiel dahin abändern, daß der Schüler, statt den Text vorzulesen, ihn abzuschreiben hat, die Druckschrift in Schreibschrift zu übertragen hat. Denn in diesem Fall können wir ihm die Regel in Form einer Tabelle geben; in einer Spalte stehen die Druckbuchstaben, in der andern die Kursivbuchstaben. Und daß er die Schrift vom Gedruckten ableitet, zeigt sich darin, daß er in der Tabelle nachsieht.
Auch das wäre wohl noch ein Ableiten nach der Tabelle, das durch ein Pfeilschema ohne alle einfache Regelmäßigkeit wiedergegeben würde. Aber nimm an, er bleibe nicht bei einer Art des Transkribierens; sondern andere sie nach einer einfachen Regel: Hat er einmal ein A in ein n umgeschrieben, so schreibt er das nächste A in ein o, das nächste in ein p um, usw. – Aber wo ist die Grenze zwischen diesem Vorgehen und einem regellosen? Aber heißt das nun, das Wort »ableiten« habe eigentlich keine Bedeutung, da es ja scheint, daß diese, wenn wir ihr nachgehen, in nichts zerfließt?
Und so verwenden wir auch das Wort »Lesen« für eine Familie von Fällen. Und wir wenden unter verschiedenen Umständen verschiedene Kriterien an dafür, daß Einer liest.
Die Grammatik des Ausdrucks: »Eine ganz bestimmte« (Atmosphäre). Man sagt »Dieses Gesicht hat einen ganz bestimmten Ausdruck«, und sucht etwa nach Worten, die ihn charakterisieren.
Bedenke, daß das gesehene Wortbild uns in ähnlichem Grade vertraut ist wie das gehörte.
&8§≠ §≠?ß +% 8!’§* entlang und sprich dabei einen Satz. Ist es nicht fühlbar, daß im ersten Fall das Sprechen mit dem Anblick der Zeichen verbunden war und im zweiten ohne Verbindung neben dem Sehen der Zeichen herläuft? Aber warum sagst du, wir fühlten eine Verursachung? Verursachung ist doch das, was wir durch Experimente feststellen; indem wir, z.B., das regelmäßige Zusammentreffen von Vorgängen beobachten. Wie könnte ich denn sagen, daß ich das, was so durch Versuche festgestellt wird, fühle? (Es ist wohl wahr, daß wir Verursachung nicht nur durch die Beobachtung eines regelmäßigen Zusammentreffens feststellen.) Eher noch könnte man sagen, ich fühle, daß die Buchstaben der Grund sind, warum ich so und so lese. Denn, wenn mich jemand fragt: »Warum liest du so?« – so begründe ich es durch die Buchstaben, welche da stehen. Aber was soll es heißen, diese Begründung, die ich ausgesprochen, gedacht, habe, zu fühlen? Ich möchte sagen: Ich fühle beim Lesen einen gewissen Einfluß der Buchstaben auf mich –– aber nicht einen Einfluß jener Reihe beliebiger Schnörkel auf das, was ich rede. – Vergleichen wir wieder einen einzelnen Buchstaben mit einem solchen Schnörkel! Würde ich auch sagen, ich fühle den Einfluß von »i«, wenn ich diesen Buchstaben lese? Es ist natürlich ein Unterschied, ob ich beim Anblicken von »i« den i-Laut sage, oder beim Anblick von »§«. Der Unterschied ist etwa, daß beim Anblick des Buchstabens das innere Hören des i-Lauts automatisch, ja gegen meinen Willen, vor sich geht; und wenn ich den Buchstaben laut lese, sein Aussprechen anstrengungsloser ist als beim Anblick von »§«. Das heißt – es verhält sich so, wenn ich den Versuch mache; aber natürlich nicht, wenn ich, zufällig auf das Zeichen »§« blickend, etwa ein Wort ausspreche, in welchem der i-Laut vorkommt.
Und zwar sind wir zu dieser Deutung dann besonders geneigt, wenn wir absichtlich langsam lesen, – etwa um zu sehen, was denn beim Lesen geschieht. Wenn wir uns sozusagen recht absichtlich von den Buchstaben führen lassen. Aber dieses ›mich führen lassen‹ besteht wieder nur darin, daß ich mir die Buchstaben gut anschaue, – etwa, gewisse andere Gedanken ausschalte. Wir bilden uns ein, wir nähmen durch ein Gefühl, quasi, einen verbindenden Mechanismus wahr zwischen dem Wortbild und dem Laut, den wir sprechen. Denn wenn ich vom Erlebnis des Einflusses, der Verursachung, des Geführtwerdens rede, so soll das ja heißen, daß ich sozusagen die Bewegung der Hebel fühle, die den Anblick der Buchstaben mit dem Sprechen verbinden.
Aber jetzt lies einmal ein paar Sätze im Druck, so wie du’s gewöhnlich tust, wenn du nicht an den Begriff des Lesens denkst; und frage dich, ob du beim Lesen solche Erlebnisse der Einheit, des Einflusses, etc. gehabt hast. – Sag nicht, du habest sie unbewußt gehabt! Auch lassen wir uns nicht durch das Bild verleiten, ›beim nähern Hinsehen‹ zeigten sich diese Erscheinungen! Wenn ich beschreiben soll, wie ein Gegenstand aus der Ferne ausschaut, so wird diese Beschreibung nicht genauer dadurch, daß ich sage, was bei näherem Hinsehen an ihm zu bemerken ist.
Du bist auf einem Spielplatz, etwa mit verbundenen Augen, und wirst von jemandem an der Hand geleitet, bald links, bald rechts; du mußt immer des Zuges seiner Hand gewärtig sein, auch achtgeben, daß du bei einem unerwarteten Zug nicht stolperst. Oder aber: du wirst von jemandem an der Hand mit Gewalt geführt, wohin du nicht willst. Oder: du wirst im Tanz von einem Partner geführt; du machst dich so rezeptiv wie möglich, um seine Absicht zu erraten und dem leisesten Drucke zu folgen. Oder: jemand führt dich einen Spazierweg; ihr geht im Gespräch; wo immer er geht, gehst du auch. Oder: du gehst einen Feldweg entlang, läßt dich von ihm führen. Alle diese Situationen sind einander ähnlich; aber was ist allen den Erlebnissen gemeinsam?
Wenn ich mir das Erlebnis desjenigen vergegenwärtigen will, der in einem der früheren Beispiele durch den gedruckten Text und die Tabelle beim Schreiben geführt wird, so stelle ich mir das ›gewissenhafte‹ Nachsehen, etc., vor. Ich nehme dabei sogar einen bestimmten Gesichtsausdruck an (den z.B. eines gewissenhaften Buchhalters). An diesem Bild ist z.B. die Sorgfalt sehr wesentlich; an einem andern wieder das Ausschalten jedes eigenen Willens. (Denke dir aber, daß jemand Dinge, die der gewöhnliche Mensch mit den Zeichen der Unachtsamkeit tut, mit dem Ausdruck – und warum nicht mit den Empfindungen? – der Sorgfalt begleitet. – Ist er nun sorgfältig? Stell dir etwa vor, der Diener lasse das Teebrett mit allem was darauf ist, mit den äußeren Zeichen der Sorgfalt, zu Boden fallen.) Vergegenwärtige ich mir so ein bestimmtes Erlebnis, so erscheint es mir als das Erlebnis des Geführtwerdens (oder Lesens). Nun aber frage ich mich: Was tust du? – Du schaust auf jedes Zeichen, du machst dieses Gesicht dazu, du schreibst die Buchstaben mit Bedacht (u. dergl.). – Das ist also das Erlebnis des Geführtwerdens? –– Da möchte ich sagen: »Nein, das ist es nicht: es ist etwas Innerlicheres, Wesentlicheres.« – Es ist, als ob zuerst all diese mehr oder weniger unwesentlichen Vorgänge in eine bestimmte Atmosphäre gekleidet wären, die sich nun verflüchtigt, wenn ich genau hinschaue.
(Es ist da ein Zusammenhang mit der Frage nach dem Wesen der Absicht, des Willens.)
Aber nun merke dies: Während ich mich führen lasse, ist alles ganz einfach, ich merke nichts besonderes; aber danach, wenn ich mich frage, was damals geschehen ist, so scheint es etwas Unbeschreibbares gewesen zu sein. Danach genügt mir keine Beschreibung. Ich kann, sozusagen, nicht glauben, daß ich bloß hingeschaut, dieses Gesicht gemacht, den Strich gezogen habe. – Aber erinnere ich mich denn an etwas anderes? Nein; und doch kommt mir vor, als müsse etwas anderes gewesen sein; und zwar dann, wenn ich mir dabei das Wort »führen«, »Einfluß« und derlei, vorsage. »Denn ich bin doch geführt worden«, sage ich mir. – Dann erst tritt die Idee jenes ätherischen, ungreifbaren Einflusses auf.
Wenn ich zu mir selbst sage: »Ich werde doch geführt« – so mache ich etwa eine Handbewegung dazu, die das Führen ausdrückt. – Mach eine solche Handbewegung, gleichsam als leitetest du jemand entlang, und frage dich dann, worin das Führende dieser Bewegung besteht. Denn du hast hier ja niemand geführt. Und doch möchtest du die Bewegung eine ›führende‹ nennen. Also war in dieser Bewegung, und Empfindung, nicht das Wesen des Führens enthalten und doch drängte es dich, diese Bezeichnung zu gebrauchen. Es ist eben eine Erscheinungsform des Führens, die uns diesen Ausdruck aufdrängt.
Nein. Die Worte »Jetzt weiß ich weiter« waren richtig angewandt, wenn ihm die Formel eingefallen war: nämlich unter gewissen Umständen. Z.B., wenn er Algebra gelernt, solche Formeln schon früher benützt hatte. – Das heißt aber nicht, jene Aussage sei nur eine Abkürzung für die Beschreibung sämtlicher Umstände, die den Schauplatz unseres Sprachspiels bilden. – Denke daran, wie wir jene Ausdrücke, »jetzt weiß ich weiter«, »jetzt kann ich fortsetzen«, u.a., gebrauchen lernen; in welcher Familie von Sprachspielen wir ihren Gebrauch lernen. Wir können uns auch den Fall vorstellen, daß im Geist des B gar nichts anderes vorfiel, als daß er plötzlich sagte »Jetzt weiß ich weiter« – etwa mit einem Gefühl der Erleichterung; und daß er nun die Reihe tatsächlich fortrechnet, ohne die Formel zu benützen. Und auch in diesem Fall würden wir – unter gewissen Umständen – sagen, er habe weiter gewußt.
(Diese Rolle ist es, die wir verstehen müssen, um philosophische Paradoxe aufzulösen. Und darum genügt dazu gewöhnlich nicht eine Definition; und schon erst recht nicht die Feststellung, ein Wort sei ›undefinierbar‹.)
0, n, 2n, 3n, etc. anschreibt; auf den Befehl »+1« also die Grundzahlenreihe. – Wir hätten unsre Übungen und Stichproben seines Verständnisses im Zahlenraum bis 1000 gemacht. Wir lassen nun den Schüler einmal eine Reihe (etwa »+2«) über 1000 hinaus fortsetzen, – da schreibt er: 1000, 1004, 1008, 1012. Wir sagen ihm: »Schau, was du machst!« – Er versteht uns nicht. Wir sagen: »Du solltest doch zwei addieren; schau, wie du die Reihe begonnen hast!« – Er antwortet: »Ja! Ist es denn nicht richtig? Ich dachte, so soll ich’s machen.« –– Oder nimm an, er sagte, auf die Reihe weisend: »Ich bin doch auf die gleiche Weise fortgefahren!« – Es würde uns nun nichts nützen, zu sagen »Aber siehst du denn nicht .....?« – und ihm die alten Erklärungen und Beispiele zu wiederholen. – Wir könnten in so einem Falle etwa sagen: Dieser Mensch versteht von Natur aus jenen Befehl, auf unsre Erklärungen hin, so, wie wir den Befehl: »Addiere bis 1000 immer 2, bis 2000 4, bis 3000 6, etc.«. Dieser Fall hätte Ähnlichkeit mit dem, als reagierte ein Mensch auf eine zeigende Gebärde der Hand von Natur damit, daß er in der Richtung von der Fingerspitze zur Handwurzel blickt, statt in der Richtung zur Fingerspitze.
Du warst also zu Ausdrücken geneigt, wie: »Die Übergänge sind eigentlich schon gemacht; auch ehe ich sie schriftlich, mündlich, oder in Gedanken mache.« Und es schien, als wären sie in einer einzigartigen Weise vorausbestimmt, antizipiert – wie nur das Meinen die Wirklichkeit antizipieren könne.
Wir verwenden den Ausdruck: »die Übergänge sind durch die Formel ..... bestimmt«. Wie wird er verwendet? – Wir können etwa davon reden, daß Menschen durch Erziehung (Abrichtung) dahin gebracht werden, die Formel y = x² so zu verwenden, daß Alle, wenn sie die gleiche Zahl für x einsetzen, immer die gleiche Zahl für y herausrechnen. Oder wir können sagen: »Diese Menschen sind so abgerichtet, daß sie alle auf den Befehl ›+3‹ auf der gleichen Stufe den gleichen Übergang machen. Wir könnten dies so ausdrücken: Der Befehl ›+3‹ bestimmt für diese Menschen jeden Übergang von einer Zahl zur nächsten völlig.« (Im Gegensatz zu andern Menschen, die auf diesen Befehl nicht wissen, was sie zu tun haben; oder die zwar mit völliger Sicherheit, aber ein jeder in anderer Weise, auf ihn reagieren.) Wir können anderseits verschiedene Arten von Formeln, und zu ihnen gehörige verschiedene Arten der Verwendung (verschiedene Arten der Abrichtung) einander entgegensetzen. Wir nennen dann Formeln einer bestimmten Art (und der dazugehörigen Verwendungsweise) »Formeln, welche eine Zahl y für ein gegebenes x bestimmen«, und Formeln anderer Art solche, »die die Zahl y für ein gegebenes x nicht bestimmen«. (y = x² wäre von der ersten Art, y ≠ x² von der zweiten.) Der Satz »Die Formel .... bestimmt eine Zahl y« ist dann eine Aussage über die Form der Formel – und es ist nun zu unterscheiden ein Satz wie dieser: »Die Formel, die ich hingeschrieben habe, bestimmt y« oder »Hier steht eine Formel, die y bestimmt« – von einem Satz der Art: »Die Formel y = x² bestimmt die Zahl y für ein gegebenes x«. Die Frage »Steht dort eine Formel, die y bestimmt?« heißt dann dasselbe wie: »Steht dort eine Formel dieser Art, oder jener Art?« – was wir aber mit der Frage anfangen sollen »Ist y = x² eine Formel, die y für ein gegebenes x bestimmt?« ist nicht ohne weiteres klar. Diese Frage könnte man etwa an einen Schüler richten, um zu prüfen, ob er die Verwendung des Wortes »bestimmen« versteht; oder es könnte eine mathematische Aufgabe sein, in einem bestimmten System zu beweisen, daß x nur ein Quadrat besitzt.
Wir sagen z.B. Einem, der ein uns unbekanntes Zeichen gebraucht: »Wenn du mit ›x!2‹ meinst x², so erhältst du diesen Wert für y, wenn du 2x damit meinst, jenen.« – Frage dich nun: Wie macht man es, mit »x!2« das eine, oder das andere meinen? So kann also das Meinen die Übergänge zum Voraus bestimmen.
Wir reden so, als könnten sich diese Teile nur so bewegen, als könnten sie nichts anderes tun. Wie ist es – vergessen wir also die Möglichkeit, daß sie sich biegen, abbrechen, schmelzen, etc.? Ja; wir denken in vielen Fällen gar nicht daran. Wir gebrauchen eine Maschine, oder das Bild einer Maschine, als Symbol für eine bestimmte Wirkungsweise. Wir teilen z.B. Einem dieses Bild mit und setzen voraus, daß er die Erscheinungen der Bewegung der Teile aus ihm ableitet. (So wie wir jemand eine Zahl mitteilen können, indem wir sagen, sie sei die fünfundzwanzigste der Reihe 1, 4, 9, 16, ....) »Die Maschine scheint ihre Wirkungsweise schon in sich zu haben« heißt: wir sind geneigt, die künftigen Bewegungen der Maschine in ihrer Bestimmtheit mit Gegenständen zu vergleichen, die schon in einer Lade liegen und nun von uns herausgeholt werden. –– So aber reden wir nicht, wenn es sich darum handelt, das wirkliche Verhalten einer Maschine vorauszusagen. Da vergessen wir, im allgemeinen, nicht die Möglichkeit der Deformation der Teile, etc. –– Wohl aber, wenn wir uns darüber wundern, wie wir denn die Maschine als Symbol einer Bewegungsweise verwenden können, – da sie sich doch auch ganz anders bewegen kann. Wir könnten sagen, die Maschine, oder ihr Bild, sei der Anfang einer Reihe von Bildern, die wir aus diesem Bild abzuleiten gelernt haben. Wenn wir aber bedenken, daß sich die Maschine auch anders hätte bewegen können, so kann es nun scheinen, als müßte in der Maschine, als Symbol, ihre Bewegungsart noch viel bestimmter enthalten sein als in der wirklichen Maschine. Es genüge da nicht, daß dies die erfahrungsmäßig vorausbestimmten Bewegungen seien, sondern sie müßten eigentlich – in einem mysteriösen Sinne – bereits gegenwärtig sein. Und es ist ja wahr: die Bewegung des Maschinensymbols ist in anderer Weise vorausbestimmt als die einer gegebenen wirklichen Maschine.
Die Wellen legen sich, sowie wir uns fragen: Wie gebrauchen wir denn, wenn wir von einer Maschine reden, das Wort »Möglichkeit der Bewegung«? –– Woher kamen aber dann die seltsamen Ideen? Nun, ich zeige dir die Möglichkeit der Bewegung, etwa durch ein Bild der Bewegung: ›also ist die Möglichkeit etwas der Wirklichkeit Ähnliches‹. Wir sagen: »es bewegt sich noch nicht, aber es hat schon die Möglichkeit, sich zu bewegen« –– ›also ist die Möglichkeit etwas der Wirklichkeit sehr Nahes‹. Wir mögen zwar bezweifeln, ob die und die physikalische Bedingung diese Bewegung möglich macht, aber wir diskutieren nie, ob dies die Möglichkeit dieser oder jener Bewegung sei: ›also steht die Möglichkeit der Bewegung zur Bewegung selbst in einer einzigartigen Relation; enger als die des Bildes zu seinem Gegenstand‹; denn es kann bezweifelt werden, ob dies das Bild dieses oder jenes Gegenstandes ist. Wir sagen »Die Erfahrung wird lehren, ob dies dem Zapfen diese Bewegungsmöglichkeit gibt«, aber wir sagen nicht »Die Erfahrung wird lehren, ob dies die Möglichkeit dieser Bewegung ist«; ›also ist es nicht Erfahrungstatsache, daß diese Möglichkeit die Möglichkeit gerade dieser Bewegung ist‹. Wir achten auf unsere eigene Ausdrucksweise, diese Dinge betreffend, verstehen sie aber nicht, sondern mißdeuten sie. Wir sind, wenn wir philosophieren, wie wilde, primitive Menschen, die die Ausdrucksweise zivilisierter Menschen hören, sie mißdeuten und nun die seltsamsten Schlüsse aus ihrer Deutung ziehen.
»Also ist, was immer ich tue, mit der Regel vereinbar?« – Laß mich so fragen: Was hat der Ausdruck der Regel – sagen wir, der Wegweiser – mit meinen Handlungen zu tun? Was für eine Verbindung besteht da? – Nun, etwa diese: ich bin zu einem bestimmten Reagieren auf dieses Zeichen abgerichtet worden, und so reagiere ich nun. Aber damit hast du nur einen kausalen Zusammenhang angegeben, nur erklärt, wie es dazu kam, daß wir uns jetzt nach dem Wegweiser richten; nicht, worin dieses Dem-Zeichen-Folgen eigentlich besteht. Nein; ich habe auch noch angedeutet, daß sich Einer nur insofern nach einem Wegweiser richtet, als es einen ständigen Gebrauch, eine Gepflogenheit, gibt.
Es kann nicht ein einziges Mal nur ein Mensch einer Regel gefolgt sein. Es kann nicht ein einziges Mal nur eine Mitteilung gemacht, ein Befehl gegeben, oder verstanden worden sein, etc. – Einer Regel folgen, eine Mitteilung machen, einen Befehl geben, eine Schachpartie spielen sind Gepflogenheiten (Gebräuche, Institutionen). Einen Satz verstehen, heißt, eine Sprache verstehen. Eine Sprache verstehen, heißt, eine Technik beherrschen.
Daß da ein Mißverständnis ist, zeigt sich schon darin, daß wir in diesem Gedankengang Deutung hinter Deutung setzen; als beruhige uns eine jede wenigstens für einen Augenblick, bis wir an eine Deutung denken, die wieder hinter dieser liegt. Dadurch zeigen wir nämlich, daß es eine Auffassung einer Regel gibt, die nicht eine Deutung ist; sondern sich, von Fall zu Fall der Anwendung, in dem äußert, was wir »der Regel folgen«, und was wir »ihr entgegenhandeln« nennen. Darum besteht eine Neigung, zu sagen: jedes Handeln nach der Regel sei ein Deuten. »Deuten« aber sollte man nur nennen: einen Ausdruck der Regel durch einen anderen ersetzen.
Ist aber das Schachspiel nicht durch seine Regeln definiert? Und wie sind diese Regeln im Geist dessen gegenwärtig, der beabsichtigt, Schach zu spielen?
Denke, du kämst als Forscher in ein unbekanntes Land mit einer dir gänzlich fremden Sprache. Unter welchen Umständen würdest du sagen, daß die Leute dort Befehle geben, Befehle verstehen, befolgen, sich gegen Befehle auflehnen, usw.? Die gemeinsame menschliche Handlungsweise ist das Bezugssystem, mittels dessen wir uns eine fremde Sprache deuten.
Sollen wir sagen, diese Leute hätten eine Sprache; Befehle, Mitteilungen, usw.? Zu dem, was wir »Sprache« nennen, fehlt die Regelmäßigkeit.
Ich werde ihm also in diesem Unterricht gleiche Farben, gleiche Längen, gleiche Figuren zeigen, ihn sie finden und herstellen lassen, usw. Ich werde ihn etwa dazu anleiten, Reihenornamente auf einen Befehl hin ›gleichmäßig‹ fortzusetzen. – Und auch dazu, Progressionen fortzusetzen. Also etwa auf . .. ... so fortzufahren: .... ..... ...... . Ich mach’s ihm vor, er macht es mir nach; und ich beeinflusse ihn durch Äußerungen der Zustimmung, der Ablehnung, der Erwartung, der Aufmunterung. Ich lasse ihn gewähren, oder halte ihn zurück; usw. Denke, du wärest Zeuge eines solchen Unterrichts. Es würde darin kein Wort durch sich selbst erklärt, kein logischer Zirkel gemacht. Auch die Ausdrücke »und so weiter« und »und so weiter ad infinitum« werden in diesem Unterricht erklärt werden. Es kann dazu unter anderem auch eine Gebärde dienen. Die Gebärde, die bedeutet »fahr so fort!«, oder »und so weiter« hat eine Funktion, vergleichbar der des Zeigens auf einen Gegenstand, oder auf einen Ort. Es ist zu unterscheiden: das »usw.«, das eine Abkürzung der Schreibweise ist, von demjenigen, welches dies nicht ist. Das »usw. ad inf.« ist keine Abkürzung der Schreibweise. Daß wir nicht alle Stellen von π anschreiben können, ist nicht eine menschliche Unzulänglichkeit, wie Mathematiker manchmal glauben. Ein Unterricht, der bei den vorgeführten Beispielen stehen bleiben will, unterscheidet sich von einem, der über sie ›hinausweist‹.
Aber ist das alles? Gibt es nicht eine noch tiefere Erklärung; oder muß nicht doch das Verständnis der Erklärung tiefer sein? – Ja, habe ich denn selbst ein tieferes Verständnis? Habe ich mehr, als ich in der Erklärung gebe? – Woher aber dann das Gefühl, ich hätte mehr? Ist es, wie wenn ich das nicht Begrenzte als Länge deute, die über jede Länge hinausreicht?
Nur Intuition konnte diesen Zweifel heben? – Wenn sie eine innere Stimme ist, – wie weiß ich, wie ich ihr folgen soll? Und wie weiß ich, daß sie mich nicht irreleitet? Denn, kann sie mich richtig leiten, dann kann sie mich auch irreleiten. ((Die Intuition eine unnötige Ausrede.))
Für die Gleichheit scheinen wir ein unfehlbares Paradigma zu haben in der Gleichheit eines Dinges mit sich selbst. Ich will sagen: »Hier kann es doch nicht verschiedene Deutungen geben. Wenn er ein Ding vor sich sieht, so sieht er auch Gleichheit.« Also sind zwei Dinge gleich, wenn sie so sind, wie ein Ding? Und wie soll ich nun das, was mir das eine Ding zeigt, auf den Fall der zwei anwenden?
Wir könnten auch sagen: »Jedes Ding paßt in sich selbst.« – Oder anders: »Jedes Ding paßt in seine eigene Form hinein.« Man schaut dabei ein Ding an und stellt sich vor, daß der Raum dafür ausgespart war und es nun genau hineinpaßt. ›Paßt‹ dieser Fleckein seine weiße Umgebung? – Aber genau so würde es aussehen, wenn statt seiner erst ein Loch gewesen wäre, und er nun hineinpaßte. Mit dem Ausdruck »er paßt« wird eben nicht einfach dies Bild beschrieben. Nicht einfach diese Situation. »Jeder Farbfleck paßt genau in seine Umgebung« ist ein etwas spezialisierter Satz der Identität.
Habe ich die Begründungen erschöpft, so bin ich nun auf dem harten Felsen angelangt, und mein Spaten biegt sich zurück. Ich bin dann geneigt zu sagen: »So handle ich eben.« (Erinnere dich, daß wir manchmal Erklärungen fordern nicht ihres Inhalts wegen, sondern der Form der Erklärung wegen. Unsere Forderung ist eine architektonische; die Erklärung eine Art Scheingesims, das nichts trägt.)
Nein; meine Beschreibung hatte nur Sinn, wenn sie symbolisch zu verstehen war. – So kommt es mir vor – sollte ich sagen. Wenn ich der Regel folge, wähle ich nicht. Ich folge der Regel blind.
Man könnte dem, den man abrichtet, sagen: »Sieh, ich tue immer das Gleiche: ich .....«
Wer von einem Tag auf den andern verspricht »Morgen will ich dich besuchen« – sagt der jeden Tag das Gleiche; oder jeden Tag etwas anderes?
Dies sind nicht meine Erfahrungen vom Handeln nach einer Inspiration und nach einer Regel; sondern grammatische Anmerkungen.
»›Rot‹ bedeutet die Farbe, die mir beim Hören des Wortes ›rot‹ einfällt« – wäre eine Definition. Keine Erklärung des Wesens der Bezeichnung durch ein Wort.
Wäre aber auch eine Sprache denkbar, in der Einer seine inneren Erlebnisse – seine Gefühle, Stimmungen, etc. – für den eigenen Gebrauch aufschreiben, oder aussprechen könnte? – Können wir denn das in unserer gewöhnlichen Sprache nicht tun? – Aber so meine ich’s nicht. Die Wörter dieser Sprache sollen sich auf das beziehen, wovon nur der Sprechende wissen kann; auf seine unmittelbaren, privaten, Empfindungen. Ein Anderer kann diese Sprache also nicht verstehen.
»So sagst du also, daß das Wort ›Schmerz‹ eigentlich das Schreien bedeute?« – Im Gegenteil; der Wortausdruck des Schmerzes ersetzt das Schreien und beschreibt es nicht.
Man kann nicht sagen, die Andern lernen meine Empfindung nur durch mein Benehmen, – denn von mir kann man nicht sagen, ich lernte sie. Ich habe sie. Das ist richtig: es hat Sinn, von Ändern zu sagen, sie seien im Zweifel darüber, ob ich Schmerzen habe; aber nicht, es von mir selbst zu sagen.
(Und »wissen« heißt hier, daß der Ausdruck der Ungewißheit sinnlos ist.)
(Das Lügen ist ein Sprachspiel, das gelernt sein will, wie jedes andre.)
»Ich kann mir das Gegenteil nicht vorstellen« heißt hier natürlich nicht: Meine Vorstellungskraft reicht nicht hin. Wir wehren uns mit diesen Worten gegen etwas, was uns durch seine Form einen Erfahrungssatz vortäuscht, aber in Wirklichkeit ein grammatischer Satz ist. Aber warum sage ich »Ich kann mir das Gegenteil nicht vorstellen«? Warum nicht: »Ich kann mir, was du sagst, nicht vorstellen«? Beispiel: »Jeder Stab hat eine Länge«. Das heißt etwa: wir nennen etwas (oder dies) »die Länge eines Stabes« – aber nichts »die Länge einer Kugel«. Kann ich mir nun vorstellen, daß ›jeder Stab eine Länge hat‹? Nun, ich stelle mir eben einen Stab vor; und das ist alles. Nur spielt dieses Bild in Verbindung mit diesem Satz eine ganz andere Rolle als ein Bild in Verbindung mit dem Satz »Dieser Tisch hat die gleiche Länge wie der dort«. Denn hier verstehe ich, was es heißt, sich ein Bild vom Gegenteil zu machen (und es muß kein Vorstellungsbild sein). Das Bild aber zum grammatikalischen Satz konnte nur etwa zeigen, was man »Länge eines Stabes« nennt. Und was sollte davon das entgegengesetzte Bild sein? ((Bemerkung über die Verneinung eines Satzes a priori.))
Soweit es Sinn hat, zu sagen, mein Schmerz sei der gleiche wie seiner, soweit können wir auch beide den gleichen Schmerz haben. (Ja, es wäre auch denkbar, daß zwei Menschen an der gleichen – nicht nur homologen – Stelle Schmerz empfänden. Bei siamesischen Zwillingen, z.B., könnte das der Fall sein.) Ich habe gesehen, wie jemand in einer Diskussion über diesen Gegenstand sich an die Brust schlug und sagte: »Aber der Andre kann doch nicht DIESEN Schmerz haben!« – Die Antwort darauf ist, daß man durch das emphatische Betonen des Wortes »diesen« kein Kriterium der Identität definiert. Die Emphase spiegelt uns vielmehr nur den Fall vor, daß ein solches Kriterium uns geläufig ist, wir aber daran erinnert werden müssen.
So hätte sich also, der das Zeichen in den Kalender eintrug, gar nichts notiert? – Sieh’s nicht als selbstverständlich an, daß Einer sich etwas notiert, wenn er Zeichen – in einen Kalender z.B. – einträgt. Eine Notiz hat ja eine Funktion; und das »E« hat, soweit, noch keine. (Man kann zu sich selber reden. – Spricht Jeder zu sich selbst, der redet, wenn niemand anderer zugegen ist?)
In der Vorstellung eine Tabelle nachschlagen, ist so wenig ein Nachschlagen einer Tabelle, wie die Vorstellung des Ergebnisses eines vorgestellten Experiments das Ergebnis eines Experiments ist.
Und welchen Grund haben wir hier, »E« die Bezeichnung einer Empfindung zu nennen? Vielleicht die Art und Weise, wie dies Zeichen in diesem Sprachspiel verwendet wird. – Und warum eine »bestimmte Empfindung«, also jedesmal die gleiche? Nun, wir nehmen ja an, wir schrieben jedesmal »E«.
»Aber das Märchen erdichtet doch nur, was nicht der Fall ist; es spricht doch nicht Unsinn.« – So einfach ist es nicht. Ist es Unwahrheit, oder Unsinn, zu sagen, ein Topf rede? Macht man sich ein klares Bild davon, unter welchen Umständen wir von einem Topf sagen würden, er rede? (Auch ein Unsinn-Gedicht ist nicht Unsinn in der Weise, wie etwa das Lallen eines Kindes.) Ja; wir sagen von Leblosem, es habe Schmerzen: im Spiel mit Puppen z.B. Aber diese Verwendung des Schmerzbegriffs ist eine sekundäre. Stellen wir uns doch den Fall vor, Leute sagten nur von Leblosem, es habe Schmerzen; bedauerten nur Puppen! (Wenn Kinder Eisenbahn spielen, hängt ihr Spiel mit ihrer Kenntnis der Eisenbahn zusammen. Es könnten aber Kinder eines Volksstammes, dem die Eisenbahn unbekannt ist, dies Spiel von andern übernommen haben, und es spielen, ohne zu wissen, daß damit etwas nachgeahmt wird. Man könnte sagen, das Spiel habe für sie nicht den gleichen Sinn wie für uns.)
Meine Erziehung hätte mich darauf geführt, indem sie mich auf die Gefühle in mir aufmerksam machte, und nun übertrage ich die Idee auf Objekte außer mir? Ich erkenne, es ist da (in mir) etwas, was ich, ohne mit dem Wortgebrauch der Andern in Widerspruch zu geraten, »Schmerzen« nennen kann? – Auf Steine und Pflanzen, etc. übertrage ich meine Idee nicht. Könnte ich mir nicht denken, ich hätte fürchterliche Schmerzen und würde, während sie andauern, zu einem Stein? Ja, wie weiß ich, wenn ich die Augen schließe, ob ich nicht zu einem Stein geworden bin? – Und wenn das nun geschehen ist, inwiefern wird der Stein Schmerzen haben? Inwiefern wird man es vom Stein aussagen können? Ja warum soll der Schmerz hier überhaupt einen Träger haben?! Und kann man von dem Stein sagen, er habe eine Seele und die hat Schmerzen? Was hat eine Seele, was haben Schmerzen, mit einem Stein zu tun? Nur von dem, was sich benimmt wie ein Mensch, kann man sagen, daß es Schmerzen hat. Denn man muß es von einem Körper sagen, oder, wenn du willst, von einer Seele, die ein Körper hat. Und wie kann ein Körper eine Seele haben?
Und so scheint uns auch ein Leichnam dem Schmerz gänzlich unzugänglich. – Unsre Einstellung zum Lebenden ist nicht die zum Toten. Alle unsre Reaktionen sind verschieden. – Sagt Einer: »Das kann nicht einfach daran liegen, daß das Lebendige sich so und so bewegt und das Tote nicht« – so will ich ihm bedeuten, hier liege ein Fall des Übergangs ›von der Quantität zur Qualität‹ vor.
Was ist das für eine Streitfrage: Ist es der Körper, der Schmerzen fühlt? – Wie ist sie zu entscheiden? Wie macht es sich geltend, daß es nicht der Körper ist? – Nun, etwa so: Wenn Einer in der Hand Schmerzen hat, so sagt’s die Hand nicht (außer sie schreibt’s), und man spricht nicht der Hand Trost zu, sondern dem Leidenden; man sieht ihm in die Augen.
Wenn er nun z.B. sagte: »O, ich weiß, was ›Schmerz‹ heißt, aber ob das Schmerzen sind, was ich jetzt hier habe, das weiß ich nicht« – da würden wir bloß die Köpfe schütteln und müßten seine Worte für eine seltsame Reaktion ansehen, mit der wir nichts anzufangen wissen. (Es wäre etwa, wie wenn wir jemand im Ernste sagen hörten: »Ich erinnere mich deutlich, einige Zeit vor meiner Geburt geglaubt zu haben, .....«) Jener Ausdruck des Zweifels gehört nicht zu dem Sprachspiel; aber wenn nun der Ausdruck der Empfindung, das menschliche Benehmen, ausgeschlossen ist, dann scheint es, ich dürfe wieder zweifeln. Daß ich hier versucht bin, zu sagen, man könne die Empfindung für etwas andres halten, als was sie ist, kommt daher: Wenn ich das normale Sprachspiel mit dem Ausdruck der Empfindung abgeschafft denke, brauche ich nun ein Kriterium der Identität für sie; und dann bestünde auch die Möglichkeit des Irrtums.
Ein Wort ohne Rechtfertigung gebrauchen, heißt nicht, es zu Unrecht gebrauchen.
Aber fängt es nicht mit der Empfindung an, – die ich beschreibe? – Das Wort »beschreiben« hat uns da vielleicht zum Besten. Ich sage »Ich beschreibe meinen Seelenzustand« und »Ich beschreibe mein Zimmer«. Man muß sich die Verschiedenheiten der Sprachspiele ins Gedächtnis rufen.
Nun, ein Jeder sagt es mir von sich, er wisse nur von sich selbst, was Schmerzen seien! –– Angenommen, es hätte Jeder eine Schachtel, darin wäre etwas, was wir »Käfer« nennen. Niemand kann je in die Schachtel des Andern schaun; und Jeder sagt, er wisse nur vom Anblick seines Käfers, was ein Käfer ist. – Da könnte es ja sein, daß Jeder ein anderes Ding in seiner Schachtel hätte. Ja, man könnte sich vorstellen, daß sich ein solches Ding fortwährend veränderte. – Aber wenn nun das Wort »Käfer« dieser Leute doch einen Gebrauch hätte? – So wäre er nicht der der Bezeichnung eines Dings. Das Ding in der Schachtel gehört überhaupt nicht zum Sprachspiel; auch nicht einmal als ein Etwas: denn die Schachtel könnte auch leer sein. – Nein, durch dieses Ding in der Schachtel kann ›gekürzt werden‹; es hebt sich weg, was immer es ist. Das heißt: Wenn man die Grammatik des Ausdrucks der Empfindung nach dem Muster von ›Gegenstand und Bezeichnung‹ konstruiert, dann fällt der Gegenstand als irrelevant aus der Betrachtung heraus.
Ich denke mir also: Jeder sage von sich selbst, er wisse nur vom eigenen Schmerz, was Schmerz sei. – Nicht, daß die Menschen das wirklich sagen, oder auch nur bereit sind zu sagen. Aber wenn nun Jeder es sagte –– es könnte eine Art Ausruf sein. Und wenn er auch als Mitteilung nichtssagend ist, so ist er doch ein Bild; und warum sollten wir uns so ein Bild nicht vor die Seele rufen wollen? Denke dir statt der Worte ein gemaltes allegorisches Bild. Ja, wenn wir beim Philosophieren in uns schauen, bekommen wir oft gerade so ein Bild zu sehen. Förmlich, eine bildliche Darstellung unsrer Grammatik. Nicht Fakten; sondern gleichsam illustrierte Redewendungen.
301. Eine Vorstellung ist kein Bild, aber ein Bild kann ihr entsprechen.
Das Schmerzbenehmen kann auf eine schmerzhafte Stelle deuten, – aber die leidende Person ist die, welche Schmerz äußert.
Versuch einmal – in einem wirklichen Fall – die Angst, die Schmerzen des Andern zu bezweifeln.
Das Paradox verschwindet nur dann, wenn wir radikal mit der Idee brechen, die Sprache funktioniere immer auf eine Weise, diene immer dem gleichen Zweck: Gedanken zu übertragen – seien diese nun Gedanken über Häuser, Schmerzen, Gut und Böse, oder was immer.
Nehmen wir an, er sagt: »Es wird nicht so schlimm sein.« – Ist das nicht der Beweis dafür, daß er an etwas glaubt, das hinter der Schmerzäußerung steht? –– Seine Einstellung ist ein Beweis seiner Einstellung. Denke dir nicht nur den Satz »Ich habe Schmerzen«, sondern auch die Antwort »Es wird nicht so schlimm sein« durch Naturlaute und Gebärden ersetzt!
Denken wir uns diesen Fall: Die Oberflächen der Dinge unsrer Umgebung (Steine, Pflanzen, etc. etc.) hätten Flecken und Zonen, die unsrer Haut bei der Berührung Schmerz verursachten. (Etwa durch die chemische Beschaffenheit dieser Oberflächen. Aber das brauchen wir nicht zu wissen.) Wir würden nun, wie heute von einem rotgefleckten Blatt einer bestimmten Pflanze, von einem Blatt mit Schmerzflecken reden. Ich denke mir, daß die Wahrnehmung dieser Flecken und ihrer Gestalt für uns von Nutzen wäre, daß wir aus ihr Schlüsse auf wichtige Eigenschaften der Dinge ziehen könnten.
Als wäre es der Zweck des Satzes, Einen wissen zu lassen, wie es dem Andern zu Mute ist: Nur, sozusagen, im Denkapparat und nicht im Magen.
Was macht diese Notiz zu einer Zusammenfassung dieses Gedankens?
Wird mir z.B. eine algebraische Funktion gegeben, so bin ich SICHER, ich werde ihre Werte für die Argumente 1, 2, 3, bis 10 berechnen können. Man wird diese Sicherheit ›wohlbegründet‹ nennen, denn ich habe gelernt, solche Funktionen zu berechnen, usw. In andern Fällen wird sie nicht begründet sein, – aber durch den Erfolg dennoch gerechtfertigt.
(Es ist kein Grund, anzunehmen, daß ein Mensch die Ausdrucksbewegungen seines Gesichts, z.B., oder die für eine Gemütsbewegung charakteristischen Veränderungen in seiner Atmung, fühle. Auch wenn er sie fühlt, sobald er seine Aufmerksamkeit auf sie lenkt.) ((Positur.))
Es wäre auch denkbar, daß Einer immer wieder Scheinerleuchtungen hätte, – ausriefe »Jetzt hab ich’s!« und es dann nie durch die Tat rechtfertigen könnte. – Es könnte ihm scheinen, als vergäße er augenblicklich wieder die Bedeutung des Bildes, das ihm vorschwebte.
Ist die Zuversicht gerechtfertigt? – Was die Menschen als Rechtfertigung gelten lassen, – zeigt, wie sie denken und leben.
Sprich die Zeile: »Die Feder ist wohl stumpf. Nu, nu, sie geht.« Einmal denkend; dann gedankenlos; dann denk nur den Gedanken, aber ohne die Worte. – Nun, ich könnte, im Laufe einer Handlung, die Spitze meiner Feder prüfen, mein Gesicht verziehen, – dann mit einer Gebärde der Resignation weiterschreiben. – Ich könnte auch, mit irgendwelchen Messungen beschäftigt, so handeln, daß, wer mir zusieht, sagen würde, ich habe – ohne Worte – gedacht: Sind zwei Größen einer dritten gleich, so sind sie untereinander gleich. – Aber was hier das Denken ausmacht, ist nicht ein Vorgang, der die Worte begleiten muß, wenn sie nicht gedankenlos ausgesprochen sein sollen.
Wenn man nun fragte »Hast du den Gedanken, ehe du den Ausdruck hattest?« – was müßte man da antworten? Und was auf die Frage: »Worin bestand der Gedanke, wie er vor dem Ausdruck vorhanden war?«
Und wenn man darüber nachdenkt, so greift der Geist nach der Vorstellung des Tanzens, Redens, etc.
Man könnte aber sagen »Denken ist ein unkörperlicher Vorgang«, wenn man dadurch die Grammatik des Wortes »denken« von der des Wortes »essen«, z.B., unterscheiden will. Nur erscheint dadurch der Unterschied der Bedeutung zu gering. (Ähnlich ist es, wenn man sagt: die Zahlzeichen seien wirkliche, die Zahlen nicht-wirkliche Gegenstände.) Eine unpassende Ausdrucksweise ist ein sicheres Mittel, in einer Verwirrung stecken zu bleiben. Sie verriegelt gleichsam den Ausweg aus ihr.
Die Schwierigkeit aber ist, das Vorurteil zu beseitigen, das diesem Lernen entgegensteht. Es ist kein dummes Vorurteil.
»Wenn die Menschen immer nur in ihrem Innern zu sich selbst sprächen, so täten sie schließlich nur dasjenige beständig, was sie auch heute manchmal tun.« – Es ist also ganz leicht, sich dies vorzustellen; man braucht nur den leichten Übergang von Einigen zu Allen zu machen. (Ähnlich: »Eine unendlich lange Baumreihe ist einfach eine, die nicht zu einem Ende kommt«.) Unser Kriterium dafür, daß Einer zu sich selbst spricht, ist das, was er uns sagt, und sein übriges Verhalten; und wir sagen nur von dem, er spräche zu sich selbst, der, im gewöhnlichen Sinne, sprechen kann. Und wir sagen es auch nicht von einem Papagei; und nicht von einem Grammophon.
»Wenn es vorkommen kann, daß Einer in einem Spiel falsch zieht, so könnte es sein, daß alle Menschen in allen Spielen nichts als falsche Züge machten.« – Wir sind also in der Versuchung, hier die Logik unsrer Ausdrücke mißzuverstehen, den Gebrauch unsrer Worte unrichtig darzustellen. Befehle werden manchmal nicht befolgt. Wie aber würde es aussehen, wenn Befehle nie befolgt würden? Der Begriff ›Befehl‹ hätte seinen Zweck verloren.
Weiß ich’s nur von mir selbst, dann weiß ich also nur, was ich so nenne, nicht, was ein Andrer so nennt.
Geradeso ist es keine Erklärung, zu sagen: die Annahme, er habe Schmerzen, sei eben die Annahme, er habe das Gleiche wie ich. Denn dieser Teil der Grammatik ist mir wohl klar: daß man nämlich sagen werde, der Ofen habe das gleiche Erlebnis wie ich, wenn man sagt: er habe Schmerzen und ich habe Schmerzen.
Ebenso, wenn man sagt »Entweder hat er diese Empfindung, oder er hat sie nicht!« – so schwebt uns dabei vor allem ein Bild vor, das schon den Sinn der Aussagen unmißverständlich zu bestimmen scheint. »Du weißt jetzt, worum es sich handelt« – möchte man sagen. Und gerade das weiß er damit noch nicht.
Wie könnte man das lächerlich finden! es ist ja, gleichsam, ein Traum unserer Sprache.
Wo? In einem seiner Teile? Oder außerhalb seines Körpers; in der Luft um ihn? Oder gar nicht irgendwo? Aber was ist dann der Unterschied zwischen dem inneren Sprechen dieses Sessels und eines ändern, der daneben steht? – Aber wie ist es dann mit dem Menschen: Wo spricht er zu sich selber? Wie kommt es, daß diese Frage sinnlos scheint; und keine Ortsbestimmung nötig ist, außer der, daß eben dieser Mensch zu sich selbst spricht? Während die Frage, wo der Sessel mit sich selbst spreche, eine Antwort zu verlangen scheint. – Der Grund ist: Wir wollen wissen, wie der Sessel hier einem Menschen gleichen soll; ob der Kopf z.B. am obern Ende der Lehne ist, usw. Wie ist das, wenn man im Innern zu sich selbst spricht; was geht da vor? – Wie soll ich’s erklären? Nun, nur so, wie du Einen die Bedeutung des Ausdrucks »zu sich selbst sprechen« lehren kannst. Und als Kinder lernen wir ja diese Bedeutung. – Nur, daß niemand sagen wird, wer sie uns lehrt, sage uns, ›was da vorgehe‹.
Ich möchte sagen: du siehst es für viel zu selbstverständlich an, daß man Einem etwas mitteilen kann. Das heißt: Wir sind so sehr an die Mitteilung durch Sprechen, im Gespräch, gewöhnt, daß es uns scheint, als läge der ganze Witz der Mitteilung darin, daß ein Andrer den Sinn meiner Worte – etwas Seelisches – auffaßt, sozusagen in seinen Geist aufnimmt. Wenn er dann auch noch etwas damit anfängt, so gehört das nicht mehr zum unmittelbaren Zweck der Sprache. Man möchte sagen »Die Mitteilung bewirkt, daß er weiß, daß ich Schmerzen habe; sie bewirkt dies geistige Phänomen; alles Andere ist der Mitteilung unwesentlich.« Was dieses merkwürdige Phänomen des Wissens ist – damit läßt man sich Zeit. Seelische Vorgänge sind eben merkwürdig. (Es ist, als sagte man: »Die Uhr zeigt uns die Zeit an. Was die Zeit ist, ist noch nicht entschieden. Und wozu man die Zeit abliest – das gehört nicht hierher.«)
Ist das Rechnen in der Vorstellung in gewissem Sinne unwirklicher als das auf dem Papier? Es ist das wirkliche – Kopfrechnen. – Ist es ähnlich dem Rechnen auf dem Papier? – Ich weiß nicht, ob ich es ähnlich nennen soll. Ist ein Stück weißes Papier mit schwarzen Strichen drauf einem menschlichen Körper ähnlich?
Was ist das Kriterium der Gleichheit zweier Vorstellungen? – Was ist das Kriterium der Röte einer Vorstellung? Für mich, wenn der Andre sie hat: was er sagt und tut. Für mich, wenn ich sie habe: gar nichts. Und was für »rot« gilt, gilt auch für »gleich«.
Denn, bedarf ich einer Berechtigung dafür, ein Wort zu gebrauchen, dann muß es eine auch für den Andern sein.
(Du steuerst immer wieder auf eine innere hinweisende Erklärung hin.) Auf den privaten Übergang von dem Gesehenen zum Wort könnte ich keine Regeln anwenden. Hier hingen die Regeln wirklich in der Luft; da die Institution ihrer Anwendung fehlt.
Hat mir jemand die Vorstellung der blauen Farbe gezeigt, und gesagt, daß sie es sei? Was bedeuten die Worte »diese Vorstellung«? Wie zeigt man auf eine Vorstellung? Wie zeigt man zweimal auf die gleiche Vorstellung?
(Ich kann sein Zeugnis nicht annehmen, weil es kein Zeugnis ist. Es sagt mir nur, was er zu sagen geneigt ist.)
Wie weiß ich von meiner Vorstellung her, wie die Farbe wirklich ausschaut? Wie weiß ich, daß ich etwas werde tun können? d.h., daß der Zustand, in welchem ich jetzt bin, der ist: jenes tun zu können?
Man sagt z.B. dem, der eine Theaterrolle zu spielen hat: »Du mußt dir hier vorstellen, daß dieser Mensch Schmerzen hat, die er verbirgt« – und wir geben ihm nun keine Anweisung, sagen ihm nicht, was er eigentlich tun soll. Darum ist auch jene Analyse nicht zur Sache. – Wir schaun nun dem Schauspieler zu, der sich diese Situation vorstellt.
Aber was ist dann das, wovon du redest? Ich sagte ja, ich wisse in meinem Innern, was du meinst. Aber das hieße: ich weiß, wie man diesen Gegenstand aufzufassen, zu sehen, wie man ihn sozusagen durch Blick und Gesten zu bezeichnen meint. Ich weiß, in welcher Weise man in diesem Fall vor sich und um sich schaut, – und anderes. Ich glaube, man kann sagen: Du redest (wenn du z.B. im Zimmer sitzt) vom ›visuellen Zimmer‹. Das, was keinen Besitzer hat, ist das ›visuelle Zimmer‹. Ich kann es so wenig besitzen, als ich darin umhergehen, oder es anschaun, oder darauf zeigen kann. Es gehört insofern nicht mir an, als es niemand anderm angehören kann. Oder: es gehört insofern nicht mir an, als ich ja darauf die gleiche Ausdrucksform anwenden will wie auf das materielle Zimmer selbst, in dem ich sitze. Die Beschreibung des letzteren braucht keinen Besitzer zu erwähnen, es muß ja auch keinen Besitzer haben. Dann aber kann das visuelle Zimmer keinen haben. »Denn es hat keinen Herrn außer sich und keinen in sich« – könnte man sagen. Denk dir ein Landschaftsbild, eine Phantasielandschaft, und in ihr ein Haus – und jemand fragte »Wem gehört das Haus?« – Es könnte übrigens die Antwort darauf sein: »Dem Bauern, der auf der Bank davor sitzt.« Aber dieser kann sein Haus dann, z.B., nicht betreten.
401. Du deutest die neue Auffassung als das Sehen eines neuen Gegenstands. Du deutest eine grammatische Bewegung, die du gemacht hast: als quasi-physikalische Erscheinung, die du beobachtest. (Denk z.B. an die Frage »Sind Sinnesdaten der Baustoff des Universums?«) Aber mein Ausdruck ist nicht einwandfrei: Du habest eine ›grammatische‹ Bewegung gemacht. Du hast vor allem eine neue Auffassung gefunden. So, als hättest du eine neue Malweise erfunden; oder auch ein neues Metrum, oder eine neue Art von Gesängen. –
Denn so sehen ja die Streitigkeiten zwischen Idealisten, Solipsisten und Realisten aus. Die Einen greifen die normale Ausdrucksform an, so als griffen sie eine Behauptung an; die Andern verteidigen sie, als konstatierten sie Tatsachen, die jeder vernünftige Mensch anerkennt.
Aber was hätte ich dann von dieser neuen Art der Darstellung? Nichts. Aber der Solipsist will ja auch keine praktischen Vorteile, wenn er seine Anschauung vertritt!
Was heißt es denn: wissen, wer Schmerzen hat? Es heißt, z.B., wissen, welcher Mensch in diesem Zimmer Schmerzen hat: also, der dort sitzt, oder, der in dieser Ecke steht, der Lange mit den blonden Haaren dort, etc. – Worauf will ich hinaus? Darauf, daß es sehr verschiedene Kriterien der ›Identität‹ der Person gibt. Nun, welches ist es, das mich bestimmt, zu sagen, ›ich‹ habe Schmerzen? Gar keins.
1) »Sind diese Bücher meine Bücher?« 2) »Ist dieser Fuß mein Fuß?« 3) »Ist dieser Körper mein Körper?« 4) »Ist diese Empfindung meine Empfindung?« Jede dieser Fragen hat praktische (unphilosophische) Anwendungen. Zu 2): Denk an Fälle, in denen mein Fuß anästhesiert oder gelähmt ist. Unter gewissen Umständen könnte die Frage dadurch entschieden werden, daß festgestellt wird, ob ich in diesem Fuß Schmerzen empfinde. Zu 3): Dabei könnte man auf ein Bild im Spiegel weisen. Unter gewissen Umständen aber könnte man einen Körper betasten und die Frage stellen. Unter andern Umständen bedeutet sie das gleiche, wie: »Sieht so mein Körper aus?« Zu 4): Welche ist denn diese Empfindung? D.h.: wie verwendet man hier das hinweisende Fürwort? Doch anders als z.B. im ersten Beispiel! Verirrungen entstehen hier wieder dadurch, daß man sich einbildet, man zeige auf eine Empfindung, indem man seine Aufmerksamkeit auf sie richtet.
Bedenk nun, daß an dem Satz, den ich als Paradox aussprach (DIES werde durch einen Gehirnvorgang erzeugt!) gar nichts Paradoxes war. Ich hätte ihn während eines Experiments aussprechen können, dessen Zweck es war zu zeigen, der Beleuchtungseffekt, den ich sehe, werde durch die Erregung einer bestimmten Gehirnpartie erzeugt. – Aber ich sprach den Satz nicht in der Umgebung aus, in welcher er einen alltäglichen und nicht-paradoxen Sinn gehabt hätte. Und meine Aufmerksamkeit war nicht von der Art, die dem Experiment gemäß gewesen wäre. – (Mein Blick wäre ›intent‹, nicht ›vacant‹ gewesen.)
Aber zeigen die Worte »ich nehme wahr« hier nicht an, daß ich auf mein Bewußtsein aufmerksam bin? – was doch gewöhnlich nicht der Fall ist. – Wenn es so ist, dann sagt der Satz »Ich nehme wahr, daß ....« nicht, daß ich bei Bewußtsein bin, sondern, daß meine Aufmerksamkeit so und so eingestellt sei. Aber ist es denn nicht eine bestimmte Erfahrung, die mich veranlaßt, zu sagen »Ich bin wieder bei Bewußtsein«? – Welche Erfahrung? In welcher Situation sagen wir es?
Aber sagt man nicht vom Menschen, er habe Bewußtsein; vom Baum, oder Stein aber, sie haben keines? – Wie wäre es, wenn’s anders wäre? – Wären die Menschen alle bewußtlos? – Nein; nicht im gewöhnlichen Sinn des Worts. Aber ich, z.B., hätte nicht Bewußtsein –– wie ich’s jetzt tatsächlich habe.
Einen lebenden Menschen als Automaten sehen, ist analog dem, irgend eine Figur als Grenzfall oder Variation einer ändern zu sehen, z.B. ein Fensterkreuz als Swastika.
Frage ich z.B.: »Wie soll ich es mir vorstellen, daß dieser Mechanismus in dieses Gehäuse geht?« – so kann als Antwort etwa eine Zeichnung in verkleinertem Maßstab dienen. Man kann mir dann sagen »Siehst du, so geht er hinein«; oder vielleicht auch: »Warum wundert es dich? So, wie du es hier siehst, so geht es auch dort.« – Das letztere erklärt freilich nichts mehr, sondern fordert mich nur auf, nun die Anwendung von dem Bild, das man mir gegeben hat, zu machen.
In der wirklichen Verwendung der Ausdrücke machen wir gleichsam Umwege, gehen durch Nebengassen; während wir wohl die gerade breite Straße vor uns sehen, sie aber freilich nicht benützen können, weil sie permanent gesperrt ist.
»Erst im Verstehen heißt es, daß wir DAS zu tun haben. Der Befehl –– das sind ja nur Laute, Tintenstriche. – «
Als trachtete das Zeichen mit unsichern Mitteln in uns ein Verständnis hervorzurufen. – Aber wenn wir es nun verstehen, in welchen Zeichen tun wir das?
Wie macht der Satz das? – Weißt du es denn nicht? Es ist ja nichts versteckt. Aber auf die Antwort »Du weißt ja, wie es der Satz macht, es ist ja nichts verborgen« möchte man erwidern: »Ja, aber es fließt alles so rasch vorüber, und ich möchte es gleichsam breiter auseinander gelegt sehen.«
(Augustinus: Manifestissima et usitatissima sunt, et eadem rursus nimis latent, et nova est inventio eorum.)
Und hier meine ich: die Erwartung ist unbefriedigt, weil sie die Erwartung von etwas ist; der Glaube, die Meinung, unbefriedigt, weil sie die Meinung ist, daß etwas der Fall ist, etwas Wirkliches, etwas außerhalb dem Vorgang des Meinens.
Wir können in einem bestimmten System des Ausdrucks einen Gegenstand mittels der Worte »befriedigt« und »unbefriedigt« beschreiben. Wenn wir z.B. festsetzen, den Hohlzylinder einen »unbefriedigten Zylinder« zu nennen, und den ihn ergänzenden Vollzylinder »seine Befriedigung«.
Anderseits wird auch das Wort »wünschen« so gebraucht: »Ich weiß selbst nicht, was ich mir wünsche.« (»Denn die Wünsche verhüllen uns selbst das Gewünschte.«) Wie, wenn man fragte: »Weiß ich, wonach ich lange, ehe ich es erhalte?« Wenn ich sprechen gelernt habe, so weiß ich’s.
»Der Knall war nicht so laut, als ich ihn erwartet hatte.« – »Hat es also in deiner Erwartung lauter geknallt?«
Nun könnte man aber fragen: Wie schaut das aus, wenn er kommt? – Es geht die Tür auf, jemand tritt herein, etc. – Wie schaut das aus, wenn ich erwarte, daß er kommt? – Ich gehe im Zimmer auf und ab, sehe zuweilen auf die Uhr, etc. – Aber der eine Vorgang hat ja mit dem ändern nicht die geringste Ähnlichkeit! Wie kann man dann die selben Worte zu ihrer Beschreibung gebrauchen? – Aber nun sage ich vielleicht beim auf und ab Gehen: »Ich erwarte, daß er hereinkommt«. – Nun ist eine Ähnlichkeit vorhanden. Aber welcher Art ist sie?!
(Die Behauptung des verneinenden Satzes enthält den verneinten Satz, aber nicht dessen Behauptung.)
Oder: wenn ich sage: »Ich habe keine Schmerzen im Arm«, heißt das, daß ich einen Schatten eines Schmerzgefühls habe, der gleichsam die Stelle andeutet, in die der Schmerz eintreten könnte? Inwiefern enthält der gegenwärtige schmerzlose Zustand die Möglichkeit der Schmerzen? Wenn Einer sagt: »Damit das Wort ›Schmerzen‹ Bedeutung habe, ist es notwendig, daß man Schmerzen als solche erkennt, wenn sie auftreten« – so kann man antworten: »Es ist nicht notwendiger, als daß man das Fehlen der Schmerzen erkennt.«
Man bedenkt nicht, daß man mit den Worten rechnet, operiert, sie mit der Zeit in dies oder jenes Bild überführt. – Es ist, als glaubte man, daß etwa die schriftliche Anweisung auf eine Kuh, die mir Einer ausfolgen soll, immer von einer Vorstellung einer Kuh begleitet sein müsse, damit diese Anweisung nicht ihren Sinn verliere.
Dieses Zeigen ist nicht ein Hokuspokus, welches nur die Seele vollziehen kann.
»Aber wenn auch mein Wunsch nicht bestimmt, was der Fall sein wird, so bestimmt er doch sozusagen das Thema einer Tatsache; ob die nun den Wunsch erfüllt oder nicht.« Wir wundern uns – gleichsam – nicht darüber, daß Einer die Zukunft weiß; sondern darüber, daß er überhaupt prophezeien kann (richtig oder falsch). Als nähme die bloße Prophezeiung, gleichgültig ob richtig oder falsch, schon einen Schatten der Zukunft voraus; während sie über die Zukunft nichts weiß, und weniger als nichts nicht wissen kann.
Man könnte sagen wollen: »Da muß er doch auch dabei sein, wenn ich ihn suche«. – Dann muß er auch dabei sein, wenn ich ihn nicht finde, und auch, wenn es ihn gar nicht gibt.
Wenn man nun fragt: Ist also die Tatsache durch die Erwartung auf ja und nein bestimmt oder nicht, – d.h., ist es bestimmt, in welchem Sinne die Erwartung durch ein Ereignis – welches immer eintreffen mag – beantwortet werden wird; so muß man antworten »Ja; es sei denn, daß der Ausdruck der Erwartung unbestimmt ist, daß er etwa eine Disjunktion verschiedener Möglichkeiten enthält.«
(Erzieht er seine Kinder, weil es sich bewährt hat?)
D.h., da sehen wir, was Sicherheit bedeutet. (Nicht nur, was das Wort »Sicherheit« bedeutet, sondern auch, was es mit ihr auf sich hat.)
So ist das Gesicht, das uns Furcht, oder Entzücken, einflößt (der Gegenstand der Furcht, des Entzückens) darum nicht ihre Ursache, sondern – man könnte sagen – ihre Richtung.
Denn wohlgemerkt: Gründe sind hier nicht Sätze, aus denen das Geglaubte logisch folgt. Aber nicht, als ob man sagen könnte: fürs Glauben genügt eben weniger als für das Wissen. – Denn hier handelt es sich nicht um eine Annäherung an das logische Folgen.
War ich dazu berechtigt, diese Konsequenzen zu ziehen? Was nennt man hier eine Berechtigung? – Wie wird das Wort »Berechtigung« gebraucht? Beschreibe Sprachspiele! Aus ihnen wird sich auch die Wichtigkeit des Berechtigtseins entnehmen lassen.
Kann man fragen: »Woher weißt du, daß du es deswegen tust, oder nicht deswegen tust?« Und ist die Antwort gar: »Ich fühle es«?
Welche Handlungsweisen begleiten diese Worte? (Denk ans Grüßen!) In welchen Szenen werden sie gebraucht; und wozu?
Ich sage hier etwas über die Grammatik des Wortes »Sprache« aus, indem ich sie mit der Grammatik des Wortes »erfinden« in Verbindung bringe.
Wenn aber gezeigt würde, in welcher Weise die Worte »Komm zu mir!« auf den Angesprochenen einwirken, sodaß am Schluß unter gewissen Bedingungen seine Beinmuskeln innerviert werden, etc. – würde jener Satz damit für uns den Charakter des Satzes verlieren?
Ja, ich brauche gar keinen Fall zu erdichten, und nur den tatsächlichen betrachten, daß ich einen Menschen, der nur Deutsch gelernt hat, nur mit der deutschen Sprache lenken kann. (Denn das Lernen der deutschen Sprache betrachte ich nun als ein Einstellen des Mechanismus auf eine gewisse Art der Beeinflussung; und es kann uns gleich sein, ob der Andre die Sprache gelernt hat, oder vielleicht schon von Geburt so gebaut ist, daß er auf die Sätze der deutschen Sprache so reagiert wie der gewöhnliche Mensch, wenn er Deutsch gelernt hat.)
Wenn Einer sagt »Hätte unsere Sprache nicht diese Grammatik, so könnte sie diese Tatsachen nicht ausdrücken« – so frage man sich, was hier das »könnte« bedeutet.
»Dieser Satz hat Sinn.« – »Welchen?« »Diese Wortreihe ist ein Satz.« – »Welcher?«
(Ich bin nicht gewöhnt, Temperaturen in Fahrenheit-Graden zu messen. Darum ›sagt‹ mir eine solche Temperaturangabe nichts.)
Wie meint man, was man vor sich sieht, mit Worten? Denke, ich sagte »a b c d« und meine damit: Das Wetter ist schön. Ich hatte nämlich beim Aussprechen dieser Zeichen das Erlebnis, welches normalerweise nur der hätte, der jahraus jahrein »a« in der Bedeutung von »das«, »b« in der Bedeutung von »Wetter«, usw., gebraucht hat. – Sagt dann »a b c d«: das Wetter ist schön? Welches soll das Kriterium dafür sein, daß ich dies Erlebnis hatte?
(Dies wirft ein Licht auf den Begriff ›Verstehen‹ und ›Meinen‹.)
Denn mancher mathematische Beweis führt uns eben dazu, zu sagen, daß wir uns nicht vorstellen können, was wir glaubten, uns vorstellen zu können. (Z.B. die Konstruktion des Siebenecks.) Er führt uns dazu, zu revidieren, was uns als der Bereich des Vorstellbaren galt.
Und wer malt, sollte nicht etwas malen – und wer etwas malt, nichts Wirkliches? – Ja, was ist das Objekt des Malens: das Menschenbild (z.B.) oder der Mensch, den das Bild darstellt?
Wenn ich ein Genrebild anschaue, so ›sagt‹ es mir etwas, auch wenn ich keinen Augenblick glaube (mir einbilde), die Menschen, die ich darin sehe, seien wirklich, oder es habe wirkliche Menschen in dieser Situation gegeben. Denn wie, wenn ich fragte: »Was sagt es mir denn?«
(»Sieh es nicht als selbstverständlich an« – das heißt: Wundere dich darüber so, wie über anderes, was dich beunruhigt. Dann wird das Problematische verschwinden, indem du die eine Tatsache so wie die andere hinnimmst.) ((Übergang von einem offenkundigen zu einem nichtoffenkundigen Unsinn.))
(Eine Menge wohlbekannter Pfade führen von diesen Worten aus in alle Richtungen.)
Im einen Fall ist der Gedanke des Satzes, was verschiedenen Sätzen gemeinsam ist; im andern, etwas, was nur diese Worte, in diesen Stellungen, ausdrücken. (Verstehen eines Gedichts.)
Denn ich will »verstehen« auf alles das anwenden.
So phrasiert, so betont, so gehört, ist der Satz der Anfang eines Übergangs zu diesen Sätzen, Bildern, Handlungen. ((Eine Menge wohlbekannter Pfade führen von diesen Worten aus in alle Richtungen.))
Daran wird nichts geändert dadurch, daß ich mir auch die auf den ersten Blick liebliche Situation durch eine weitere Umgebung wieder anders deuten kann. – Ein gewisses Lächeln werde ich, wenn keine besondern Umstände meine Deutung umstellen, als freundliches auffassen, ein »freundliches« nennen, entsprechend reagieren. ((Wahrscheinlichkeit, Häufigkeit.))
Nimm an, jemand rufe, auf den Himmel weisend, eine Reihe unverständlicher Worte aus. Da wir ihn fragen, was er meint, sagt er, das heiße »Gottlob, es wird bald aufhören zu regnen.« Ja, er erklärt uns auch, was die einzelnen Wörter bedeuten. – Ich nehme an, er käme gleichsam plötzlich zu sich und sagte: jener Satz sei völliger Unsinn gewesen, sei ihm aber, als er ihn aussprach, als Satz einer ihm geläufigen Sprache erschienen. (Ja sogar wie ein wohlbekanntes Zitat.) – Was soll ich nun sagen? Hat er diesen Satz nicht verstanden, als er ihn sagte? Trug der Satz nicht seine ganze Bedeutung in sich?
Und das heißt ungefähr: Es ließe sich viel aus ihnen ablesen.
Man könnte hier aber auch sagen: das Gefühl gebe den Worten Wahrheit. Und da siehst du, wie hier die Begriffe ineinander fließen. (Dies erinnert an die Frage: Was ist der Sinn eines mathematischen Satzes?)
Ist die Hoffnung ein Gefühl? (Kennzeichen.)
Will man es bildlich darstellen, so wird man mit dem Bild des Ereignisses verschiedenes vornehmen: es durchstreichen, es abzäunen, und dergleichen. Aber das, kommt uns vor, ist eine rohe Methode des Ausdrucks. In der Wortsprache gar verwenden wir das Zeichen »nicht«. Dies ist wie ein ungeschickter Behelf. Man meint: Im Denken geschieht es schon anders.
a) Die beiden Wörter haben verschiedenen Gebrauch. Also verschiedene Bedeutung. Sätze aber, in denen sie ohne Wiederholung stehen, und die im übrigen gleich lauten, haben gleichen Sinn. b) Die beiden Wörter haben die gleiche Funktion in Sprachspielen, bis auf die eine Verschiedenheit, die eine unwichtige Sache des Herkommens ist. Der Gebrauch beider Wörter wird auf die gleiche Weise gelehrt, durch die gleichen Handlungen, Gebärden, Bilder etc.; und der Unterschied in ihrer Gebrauchsweise wird als etwas Nebensächliches, als einer von den kapriziösen Zügen der Sprache, der Erklärung der Wörter hinzugefügt. Darum werden wir sagen: »X« und »Y« haben die gleiche Bedeutung. c) Mit den beiden Verneinungen verbinden wir verschiedene Vorstellungen. »X« dreht gleichsam den Sinn um 180 Grad. Und darum bringen zwei solche Verneinungen den Sinn in seine alte Lage zurück. »Y« ist wie ein Kopfschütteln. Und wie man nicht ein Kopfschütteln durch ein zweites aufhebt, so auch nicht ein »Y« durch ein zweites. Und wenn also auch Sätze mit den beiden Verneinungen praktisch aufs selbe hinauskommen, so drücken »X« und »Y« doch verschiedene Ideen aus. a) »Daß drei Verneinungen wieder eine Verneinung ergeben, muß doch schon in der einen Verneinung, die ich jetzt gebrauche, liegen.« (Die Versuchung, einen Mythos des »Bedeutens« zu erfinden.) Es hat den Anschein, als würde aus der Natur der Negation folgen, daß eine doppelte Verneinung eine Bejahung ist. (Und etwas Richtiges ist daran. Was? Unsere Natur hängt mit beiden zusammen.) b) Es kann keine Diskussion darüber geben, ob diese Regeln, oder andere, die richtigen für das Wort »nicht« sind (ich meine, ob sie seiner Bedeutung gemäß sind). Denn das Wort hat ohne diese Regeln noch keine Bedeutung; und wenn wir die Regeln ändern, so hat es nun eine andere Bedeutung (oder keine), und wir können dann ebensogut auch das Wort ändern.
Man möchte sagen, diese beiden Arten des Gebrauchs geben nicht eine Bedeutung; die Personalunion durch das gleiche Wort sei ein unwesentlicher Zufall.
Denken wir an einen ähnlichen Fall im Spiel: im Damespiel wird eine Dame dadurch gekennzeichnet, daß man zwei Spielsteine aufeinanderlegt. Wird man nun nicht sagen, daß es für das Spiel unwesentlich ist, daß eine Dame aus zwei Steinen besteht?
((Die Bedeutung eine Physiognomie.))
Sehen, Hören, Denken, Fühlen, Wollen sind nicht im gleichen Sinne die Gegenstände der Psychologie, wie die Bewegungen der Körper, die elektrischen Erscheinungen, etc., Gegenstände der Physik. Das siehst du daraus, daß der Physiker diese Erscheinungen sieht, hört, über sie nachdenkt, sie uns mitteilt, und der Psychologe die Äußerungen (das Benehmen) des Subjekts beobachtet.
Man darf eben von der Antwort auf die Frage noch keinen Aufschluß erwarten. Fragen, welche tiefer dringen, sind: Was sehen wir, in besondern Fällen, als Kriterien dafür an, daß Einer die und die Meinung hat? Wann sagen wir: er sei damals zu dieser Meinung gekommen? Wann: er habe seine Meinung geändert? Usw. Das Bild, welches die Antworten auf diese Fragen uns geben, zeigt, was hier grammatisch als Zustand behandelt wird.
Aber: »Trotz allem, was er tat, hielt ich an dem Glauben fest, ....« Hier wird gedacht, und etwa immer wieder eine bestimmte Einstellung erkämpft.
Soll ich sagen, der Glaube ist ein Farbton der Gedanken? Woher diese Idee? Nun, es gibt einen Tonfall des Glaubens, wie des Zweifels. Ich möchte fragen: Wie greift der Glaube in diesen Satz ein? Sehen wir nach, welche Konsequenzen dieser Glaube hat, wozu er uns bringt. »Er bringt mich zum Suchen nach einem Beweis dieses Satzes.« – Gut, jetzt sehen wir noch nach, worin dein Suchen eigentlich besteht! dann werden wir wissen, was es mit dem Glauben an den Satz auf sich hat.
Eine Königskrönung ist das Bild der Pracht und Würde. Schneide eine Minute dieses Vorgangs aus ihrer Umgebung heraus: dem König im Krönungsmantel wird die Krone aufs Haupt gesetzt. – In einer andern Umgebung aber ist Gold das billigste Metall, sein Glanz gilt als gemein. Das Gewebe des Mantels ist dort billig herzustellen. Die Krone ist die Parodie eines anständigen Huts. Etc.
In manchen Fällen wird man so etwas sagen können, in den meisten nicht. Es hat Sinn, zu fragen: »Liebe ich sie wirklich, mache ich mir das nicht nur vor?« und der Vorgang der Introspektion ist das Wachrufen von Erinnerungen; von Vorstellungen möglicher Situationen und der Gefühle, die man hätte, wenn ....
»Wenn wir nun Alle hierin übereinstimmen, wird es da nicht wahr sein?« (Ich kann des Ändern Zeugnis nicht annehmen, weil es kein Zeugnis ist. Es sagt mir nur, was er zu sagen geneigt ist.)
›Hier verlangt die Erklärung unseres Denkens ein Gefühl!‹ Es ist, als ob unsre Überzeugung auf diese Forderung hin ihr nachkäme.
601. Wenn ich von diesem Tisch rede, – erinnere ich mich daran, daß dieser Gegenstand »Tisch« genannt wird?
((»Ein ganz bestimmter Ausdruck.«))
Und was das Gefühl der Sicherheit anbelangt: so sage ich mir manchmal »Ich bin sicher, es ist ... Uhr«, und in mehr oder weniger sicherem Tonfall, etc. Fragst du nach dem Grund für diese Sicherheit, so habe ich keinen. Wenn ich sage: ich lese es auf einer Innern Uhr ab, – so ist das ein Bild, dem nur entspricht, daß ich diese Zeitangabe gemacht habe. Und der Zweck des Bildes ist, diesen Fall dem ändern anzugleichen. Ich sträube mich, die beiden verschiedenen Fälle anzuerkennen.
((Deuten des ›Verstehens‹ als Atmosphäre; als seelischer Akt. Man kann zu allem eine Atmosphäre hinzukonstruieren. ›Ein unbeschreiblicher Charakter‹.))
((Ich möchte sagen: »Diese Töne sagen etwas Herrliches, aber ich weiß nicht was.« Diese Töne sind eine starke Geste, aber ich kann ihr nichts Erklärendes an die Seite stellen. Ein tief ernstes Kopfnicken. James: »Es fehlen uns die Worte«. Warum führen wir sie dann nicht ein? Was müßte der Fall sein, damit wir es könnten?))
Nicht herbeiführen? – Wie was? Was kann ich denn herbeiführen? Womit vergleiche ich das Wollen, wenn ich dies sage?
Daß der Finger in diesem Falle gleichsam gelähmt ist, ehe wir eine Berührung in ihm fühlen, das zeigt die Erfahrung; es war aber nicht a priori einzusehen.
Aber in dem Sinn, in welchem es mir nicht mißlingen kann, zu wollen, kann ich es auch nicht versuchen.
((Sind nun die kinaesthetischen Empfindungen mein Wollen?))
a) Einer gibt einem Andern den Befehl, bestimmte Armbewegungen zu machen, oder Körperstellungen einzunehmen (Turnlehrer und Schüler). Und eine Variante dieses Sprachspiels ist dies: Der Schüler gibt sich selbst Befehle und führt sie dann aus. b) Jemand beobachtet gewisse regelmäßige Vorgänge – z.B. die Reaktion verschiedener Metalle auf Säuren – und macht daraufhin Vorhersagen über die Reaktionen, die in bestimmten Fällen eintreten werden. Es ist zwischen diesen beiden Sprachspielen eine offenbare Verwandtschaft, und auch Grundverschiedenheit. In beiden könnte man die ausgesprochenen Worte »Voraussagen« nennen. Vergleiche aber die Abrichtung, die zu der ersten Technik führt, mit der Abrichtung für die zweite!
Es ist auch nicht zur Sache, zu sagen, daß eine Vorhersage der ersten Art so wenig unfehlbar ist wie eine der zweiten Art. Nicht auf Grund von Beobachtungen meines Verhaltens sagte ich, ich würde jetzt zwei Pulver einnehmen. Die Antezedentien dieses Satzes waren andere. Ich meine die Gedanken, Handlungen etc., die zu ihm hinleiten. Und es ist nur irreführend, zu sagen: »Die einzige wesentliche Voraussetzung deiner Äußerung war eben dein Entschluß.«
Und deute ich also diese Notizen nicht? War nur eine Fortsetzung unter jenen Umständen möglich? Gewiß nicht. Aber ich wählte nicht unter diesen Deutungen. Ich erinnerte mich: daß ich das sagen wollte.
Und ich deute auch nicht die damalige Situation und ihre Vorgeschichte. Denn ich überlege mir sie nicht und beurteile sie nicht.
»Wie kannst du sicher sein, daß du einen Augenblick lang ihn betrügen wolltest? Waren nicht deine Handlungen und Gedanken viel zu rudimentär?« Kann denn die Evidenz nicht zu spärlich sein? Ja, wenn man ihr nachgeht, scheint sie außerordentlich spärlich; aber ist das nicht, weil man die Geschichte dieser Evidenz außer acht läßt? Wenn ich einen Augenblick lang die Absicht hatte, dem Andern Unwohlsein vorzuheucheln, so brauchte es dazu eine Vorgeschichte. Beschreibt der, der sagt »Für einen Augenblick ....« wirklich nur einen momentanen Vorgang? Aber auch die ganze Geschichte war nicht die Evidenz, auf Grund derer ich sagte »Für einen Augenblick ....«
Es ist, als hätte man die Einstellung eines Mikroskops verändert, und was jetzt im Brennpunkt liegt, sah man früher nicht.
Daran ist etwas richtig. Aber nimm an, ich erinnere mich (mit einer bestimmten Einstellung der Linsen) an eine Empfindung; wie darf ich sagen, daß sie das ist, was ich die »Absicht« nenne? Es könnte sein, daß ein bestimmter Kitzel (z.B.) jede meiner Absichten begleitete.
((Verbindung mit Sätzen über Empfindungen.))
((»Wenn du den Satz verstehen willst, mußt du dir die seelische Bedeutung, die Seelenzustände, dazu vorstellen.«))
Könnte ich nun sagen: »Daß ich damals so und so handeln wollte, lese ich gleichsam wie von einem Plan ab, obgleich kein Plan da ist«? Aber das heißt doch nichts anderes als: Ich bin jetzt geneigt zu sagen: »Ich lese die Absicht, so zu handeln, in gewissen Seelenzuständen, an die ich mich erinnere.«
Man könnte fragen: Wie ist der Mensch je dahin gekommen, eine sprachliche Äußerung zu machen, die wir »Berichten eines vergangenen Wunsches«, oder einer vergangenen Absicht, nennen?
Ich erschließe ihm mein Inneres, wenn ich sage, was ich tun wollte. – Nicht aber auf Grund einer Selbstbeobachtung, sondern durch eine Reaktion (man könnte es auch eine Intuition nennen).
Im einen Fall die Erinnerung an eine Absicht, im ändern, an ein Verstehen.
Aber wie, – kann ich denn nicht sagen »Mit ›abrakadabra‹ meine ich Zahnschmerzen«? Freilich; aber das ist eine Definition; nicht eine Beschreibung dessen, was in mir beim Aussprechen des Wortes vorgeht.
Aber auch auf den Gegenstand zeigen, von dem man spricht, kann ja für das Sprachspiel, für den Gedanken, unter Umständen ganz unwesentlich sein.
Das Horchen sucht gleichsam einen Gehörseindruck und kann daher auf ihn nicht zeigen, sondern nur auf den Ort, wo es ihn sucht.
Und man sagt allerdings auch: »Ich habe bei diesem Wort halb und halb an ihn gedacht.«
So ist also wohl diese Verbindung sehr leicht herzustellen, daß man ihrer so sicher sein kann?! Wissen kann, daß sie nicht daneben geht. – Nun, kann es mir passieren, daß ich an den Einen schreiben will und tatsächlich an den Andern schreibe? und wie könnte das geschehen?
Zu sagen, es müsse dabei etwas anderes geschehen, wäre ähnlich, als sagte man: die Sätze »Heute ist mein Geburtstag« und »Am 26. April ist mein Geburtstag« müßten sich auf verschiedene Tage beziehen, da ihr Sinn nicht der gleiche sei.
»Ich wollte, B sollte zu mir kommen, damit ....« – Alles dies deutet auf einen größern Zusammenhang.
Wie rede ich von ihm? Ich sage etwa »Ich muß heute N. besuchen.« –– Aber das ist doch nicht genug! Mit »N.« könnte ich doch verschiedene Personen meinen, die diesen Namen haben. – »Also muß noch eine andere Verbindung meiner Rede mit dem N. bestehen, denn sonst hätte ich doch nicht IHN gemeint.« Gewiß, eine solche Verbindung besteht. Nur nicht, wie du sie dir vorstellst: nämlich durch einen geistigen Mechanismus. (Man vergleicht »ihn meinen« mit »auf ihn zielen«.)
Denn man möchte natürlich sagen: als er ihn meinte, habe er auf ihn gezielt. Wie aber macht das Einer, wenn er sich das Gesicht des Andern in die Erinnerung ruft? |