Wie viele Obdachlose gibt es in München

01.11.2017

Immer mehr Obdachlose in München

Die Stadt München hat wieder ihr Kälteschutzprogramm für Obdachlose gestartet. Auch in diesem Jahr stehen vom 1. November 2017 bis Ende April 2018 rund 850 Übernachtungsplätze in der Bayernkaserne zur Verfügung, wie das Sozialreferat auf Anfrage mitteilte. "Im Winter muss niemand im Freien nächtigen", hieß es von der Behörde. Das Angebot stehe jedem zur Verfügung. Im vergangenen Jahr hätten es mehr als 3100 Menschen genutzt.

In München leben laut Sozialreferat rund 8600 wohnungslose und schätzungsweise 550 obdachlose Menschen. Als obdachlos gilt, wer tatsächlich, freiwillig oder unfreiwillig, auf der Straße lebt und nicht in einer städtischen Unterkunft. Experten gehen von einer viel höheren Obdachlosenzahl aus - Tendenz steigend.
Auch die Zahl der Wohnungslosen, die zeitlich begrenzt beispielsweise in Notunterkünften oder Asylen untergebracht sind, geht seit Jahren nach oben.

Vor allem Zuwanderer aus Osteuropa zählen zur Klientel

Zum Vergleich: Ende 2016 waren es den Angaben zufolge 6700. "Aufgrund der stark steigenden Zahlen befindet sich das Sofortunterbringungssystem derzeit nahe an der Kapazitätsgrenze", hieß es von der Stadt. 1600 der Wohnungslosen sind unter 18 Jahre alt. "Die Landeshauptstadt tut ihr Möglichstes, um diese Zahlen zu reduzieren, jedoch ist gerade für Familien die Wohnungssuche in München besonders schwierig", erklärte eine Sprecherin das Sozialreferats.

Das Kälteschutzprogramm wird vor allem von Zuwanderern aus ärmeren Ländern der Europäischen Union genutzt, die zum Beispiel auf Arbeitssuche nach München kommen und sich keine Wohnung auf dem freien Markt leisten können. Da viele von ihnen in ihrer Heimat gemeldet sind, haben sie keinen Anspruch auf eine städtische Unterkunft und schlafen oft auf der Straße. Wie viele es genau sind, ist nicht bekannt.
Sozialarbeiter helfen den EU-Zuwanderern dabei, in ihre Heimat zurückzukehren. Viele kommen aus Rumänien, Bulgarien, Serbien oder dem Kosovo. Außerdem stehen Beratungsstellen zur Verfügung, die Betroffene über Möglichkeiten für Bildung, Arbeit und Wohnung aufklären. (Aleksandra Bakmaz, dpa)

„Ich hab‘ viel geweint“

Einmal ist ihm die Hand ausgerutscht. Nicht stark, „so eine leichte Watschn halt“. Sie hatte das ganze Geld für Parfum und Creme ausgegeben und sie waren doch beide zu der Zeit arbeitslos. Aber er hätte sie nicht schlagen dürfen. Das weiß er und das tut ihm immer noch leid. Danach haben sie sich getrennt. Sie wollte es später sogar noch einmal versuchen, doch das konnte er nicht. „Das ist wie bei einem Kartenspiel. Wir haben am Anfang die Karten auf den Tisch gelegt und dann habe ich sie geschlagen. Dadurch hat dann eine Karte gefehlt und wenn die Karten unvollständig sind, dann funktioniert es nicht mehr“, erzählt er. Aber es war schwer für ihn. „Ich hab‘ viel geweint“, sagt er und zündet sich noch eine Kippe an. Und dann war da seine Frau. Sechs Jahre waren sie verheiratet, aber auch ihre Ehe hat es nicht geschafft. Er hatte einfach keine Zeit für sie, er war damals als selbständiger Fernfahrer immer unterwegs. Bis nach Südafrika ist er gefahren. Er musste so viel arbeiten, damit er seiner Familie ein Haus bauen kann. Doch das hat er nach der Trennung seiner Frau und der gemeinsamen Tochter überlassen. Die ist heute 16 Jahre alt, lebt wohl in Hamburg. Kontakt haben sie offenbar keinen, aber darüber will er auch nicht so wirklich reden.

„Das einzige, das einem weh tun kann, ist die Liebe“

Der Boden fühlt sich immer kälter an. Langsam wird es unangenehm. Aber Wolfgang merkt nichts. Er sitzt auf einer kleinen Tasche, hat eine Jogginghose an, dicke Wollsocken und weiße abgelaufene Turnschuhe. Einen Pulli und eine grüne Jacke, aber keinen Schal. Er friert nicht. Dabei wiegt er gerade mal noch 50 Kilo. Früher waren es 90 Kilo und mehr. Aber er isst nicht mehr viel, „eine Wurstsemmel am Tag reicht“. Er zündet sich die nächste Zigarette an. Wie er den Winter übersteht? Er kämpft sich eben durch … Mehr sagt er dazu nicht. „Das einzige, das einem weh tun kann, ist die Liebe“, erklärt er. Alles andere sei erträglich, aber die Liebe, die tue weh. Wenn er Probleme hat, dann geht er. Dann setzt er sich irgendwo hin und muss das verarbeiten. Und deshalb will er heute auch nicht mit mir reden, sonst aber gerne. Wenn er mal ein Zimmer hat, dann lädt er mich ein. Dann macht er auch was zu essen.

Ich sitze jetzt etwa eine Stunde hier, im Minutentakt laufen Leute an uns vorbei. Wenn sie gucken, dann wirken sie überrascht. Viele drehen sich im Vorbeigehen immer wieder nach uns um. Fragende Blicke, mitleidige Blicke. Manche lächeln, wenige geben tatsächlich etwas Kleingeld. Mittlerweile sind es vielleicht vier Euro. Und zwischendurch kommen Bekannte. Eine Dame mit ihrer schwarzen Hündin kennt Wolfgang schon lange. „Wir sehen uns jeden Tag“, sagt sie lächelnd und hat kein Problem damit, dass er ihre Hündin streichelt. Wenig später stehen zwei Männer vor uns mit einem kleinen Jungen, vielleicht vier oder fünf Jahre alt. Die kennt Wolfgang nicht. Wir verstehen sie auch nicht, sie sprechen kein Deutsch. Aber sie wollen eine Zigarette, so viel wird klar. Wolfgang gibt ihnen zwei. Und Feuer hat er auch. Als nächstes nimmt er zwei Euro aus seiner Mütze und reicht sie dem Jungen. „Kauf dir was Schönes“, sagt er.

Wie viele Wohnungslose gibt es in München?

Unter den derzeit etwa 9000 Wohnungslosen im System der Unterbringung sind, und das beunruhigt Schreyer am meisten, mehr als 1700 Minderjährige. Hinzu kommen etwa 850 Mädchen und Jungen aus Flüchtlingsfamilien, die ein Bleiberecht haben, aber meist seit Jahren in städtischen oder staatlichen Asylheimen leben.

Wo Leben die Obdachlosen in München?

Im Begegnungszentrum D 3 an der Dachauer Straße ist er zumindest für einige Stunden von der Straße. Für viele Obdachlose wie Jürgen Neitz ist das D 3 ein wichtiger Zufluchtsort. Vor der Kälte, dem Elend, aber auch vor der Einsamkeit.

Wie viele Obdachlose gibt es in Bayern?

Zum Stichtag 30.06.2017 wurden in Bayern 15.517 wohnungslose Personen registriert, die von den Gemeinden (bzw. den Verwaltungsgemeinschaften) und von den Einrichtungen der freien Träger der Wohnungslosenhilfe untergebracht worden waren.

Wo schlafen die Obdachlosen in München?

Schiller 25: Anlaufstelle für den Übernachtungsschutz in der Bayernkaserne und Beratungsstelle für wohnungslose Menschen aus der EU. Otto und Rosi: Offener Tagestreff für wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Männer und Frauen. Hilfe für wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Frauen und Männer.