Wie hoch steigt der Wasserspiegel wenn alles Eis schmilzt?

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GletscherschmelzeWarum sich der Anstieg der Meeresspiegel verzögert

Das Abschmelzen der antarktischen Gletscher lässt den Meeresspiegel ansteigen, derzeit um 3,4 Millimeter pro Jahr. Doch dieser Prozess führt gleichzeitig dazu, dass sich der Untergrund der abschmelzenden Gletscher anhebt - und dadurch den Anstieg der Meeresspiegel wieder ausgleicht.

Wie hoch steigt der Wasserspiegel wenn alles Eis schmilzt?

Der Thwaites-Gletscher schmilzt - sein Untergrund reagiert auf die Entlastung durch das geringere Gewicht und hebt sich (picture alliance / Nasa / Jim Yungel )

Derzeit steigt der globale Meeresspiegel um 3,4 Millimeter pro Jahr an. Und es sind nur ein paar Eisströme, die aus der Westantarktis ins Amundsenmeer münden, die fast zehn Prozent dazu beitragen. Diese Gletscher schieben sich weit auf das Meer hinaus, so dass das vergleichsweise warme Tiefenwasser ihr Eis von unten her angreifen und abschmelzen kann.

Wenn große Eismassen abschmelzen

"Beim Meeresspiegelanstieg geht es aber nicht nur um das reine Abschmelzen des Eises. Das Tempo wird durch die komplizierteren Prozesse mitbestimmt, die in der Zone ablaufen, in der sich die Gletscher aus ihrem Bett lösen und aufschwimmen. Denn Eis ist schwer und drückt den Untergrund nach unten. Schmilzt es, entlastet es den Untergrund - und der steigt auf. Wenn große Eismassen abschmelzen, wird auch das lokale Gravitationsfeld schwächer, wodurch sich das Wasser zurückzieht."

Diese beiden Ausgleichsbewegungen sorgen also lokal für ein Absinken des Meeresspiegels relativ zum Gletscherbett, erläutert Eric Larour vom Jet Propulsion Laboratory der NASA im kalifornischen Pasadena. Und damit dürften beide Effekte den globalen Meeresspiegelanstieg verlangsamen.

"Wir haben uns deshalb das Geschehen in der 'Aufschwimmzone' mit hoher räumlicher Auflösung angeschaut. Derzeitige Modelle berücksichtigen nur Ausgleichsbewegungen, die über lange Zeiträume ablaufen, nämlich über die Jahrtausende hinweg. Wir hingegen haben uns für die Auswirkungen der schnellen, elastischen Bewegungen interessiert, die unmittelbar mit der Entlastung einsetzen."

Gebiet hebt sich um fünf Zentimeter jährlich

Zur "Laborratte" für die Untersuchung dieser schnellen Ausgleichsbewegungen haben die Wissenschaftler den Thwaites-Eisstroms in der Westantarktis erkoren. Denn der ist derzeit allein für rund vier Prozent des jährlichen globalen Meeresspiegelanstiegs verantwortlich. Die Zone, in der er aufschwimmt, zieht sich inzwischen um fast einen Kilometer pro Jahr zurück, und das Gebiet, in dem er liegt, hebt sich in diesem Zeitraum um etwa fünf Zentimeter. Das Ergebnis der Simulationen:

"Der Untergrund des Thwaites-Gletschers reagiert sofort auf die Entlastung. Deshalb läuft sein Beitrag zum Meeresspiegelanstieg etwas langsamer ab als angenommen. Zunächst einmal, bis 2100, ist der Unterschied zwischen unseren und den gängigen Simulationen gering, liegt nur bei ein bis zwei Prozent. Im Jahr 2350 schlagen die Effekte der schnellen Ausgleichsbewegungen dann schon mit 20 bis 30 Prozent zu Buche - wir würden also 20 bis 30 Jahre Zeit gewinnen. "

"Für die Menschheit ist beides schlecht"

Diese Effekte werden bei allen antarktischen Gletschern, die aufs Meer hinaus strömen, eine Rolle spielen. Doch damit sie spürbar wirken, muss bereits sehr viel Eis geschmolzen sein. Die Gnadenfrist kommt am Ende der Entwicklung, wenn die Welt den Hauptanstieg bereits erlebt hat. Trotzdem sei die Arbeit seiner Kollegen sehr wichtig, betont Eric Steig von der University of Washington: Sie helfe, die Prozesse besser zu erfassen.

"Diese Arbeit legt die Messlatte für künftige Simulationen zum Verhalten antarktischer Gletscher sehr hoch, und der Effekt wird - über alle antarktischen Gletscher betrachtet - noch größer sein. Allerdings: Ob der Meeresspiegel in 300 Jahren nun um 2,80 Meter oder um drei Meter angestiegen sein wird: Für die Menschheit ist beides schlecht."

Antarktis. Als das Conger-Eisschelf, ein antarktisches Eisschelf so groß wie Rom, im März einstürzte, war die Wissenschaftsgemeinschaft schockiert. Noch nie zuvor war ein Eisschelf in der Ostantarktis kollabiert. Der Kollaps fiel mit einer „Hitzewelle“ zusammen, während derer die Temperaturen teilweise um bis zu 40 Grad Celsius über dem Normalwert lagen. „Teilweise wurden Temperaturen von minus zwölf Grad gemessen“, sagte Zoë Thomas, eine Antarktisexpertin der University of New South Wales in Sydney. „Das ist ganz klar eine Anomalie für die Region.“ Normalerweise sollten die Temperaturen eher bei minus 50 Grad liegen.

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Wenige Tage nach dem Hitzerekord in der Antarktis und dem Einsturz des Conger-Eisschelfs meldete auch Neuseeland, dass seine Gletscher aufgrund der Folgen des Klimawandels deutlich geschrumpft und inzwischen nur noch „skelettartig“ seien. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sagen inzwischen bereits voraus, dass viele innerhalb eines Jahrzehnts vollkommen verschwinden könnten.

Meeresspiegel seit 1900 rund 20 Zentimeter angestiegen

Doch sind diese wenigen, kritischen Tage Mitte März eine Vorschau auf das, was kommen wird? Denn die Eisschmelze gepaart mit dem potenziellen Kollaps von Eisschelfen und dem Abschmelzen von Gletschern wie dem Pine Island oder dem Thwaites in der Westantarktis könnten den Meeresspiegel um mehrere Meter ansteigen lassen. Vor 129.000 Jahren hatte eine Eisschmelze in der Antarktis schon einmal einen extremen Anstieg des Meeresspiegels verursacht.

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Seit 1900 sind die Meere weltweit um rund 20 Zentimeter gestiegen. Doch der Anstieg beschleunigt sich immer mehr: Ein Viertel davon ist seit 2006 passiert. Derzeit steigt der Meeresspiegel durchschnittlich jedes Jahr um etwa 3,7 Millimeter. Bis 2100 rechnen Forschende mit einem Anstieg von mindestens 28 Zentimetern, doch je nachdem, wieviel Eis abschmilzt, könnte der Meeresspiegel auch um bis zu zwei Meter oder mehr in die Höhe schnellen.

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© Quelle: Reuters

Gletscher könnte Dominoeffekt auslösen

Vor allem wenn Gletscher wie der Pine Island oder der Thwaites kollabieren würden, könnte dies eine Art Dominoeffekt auslösen. Der Thwaites-Gletscher ist mit 192.000 Quadratkilometern fast so groß wie Großbritannien. Würde das dortige Eisschelf einbrechen, würde der Meeresspiegel global um etwa 65 Zentimeter ansteigen. Zudem stabilisiert der Gletscher auch den gesamten westantarktischen Eisschild, der den Meeresspiegel um bis zu drei Meter anheben würde, wenn er vollständig schmelzen würde. Das Eis am Thwaites-Gletscher wird seit Jahren immer brüchiger und stetig weniger. „Momentan verliert der Gletscher jedes Jahr ungefähr 50 Milliarden Tonnen mehr, als er durch Schneefall wieder gewinnt“, sagte Keith Nicholls, ein Experte der British Antarctic Survey, bereits in einem Interview 2020. „Somit wird der Gletscher momentan also immer kleiner.“ Schon heute trägt der Gletscher rund 4 Prozent pro Jahr zum Anstieg des Meeresspiegels bei.

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Städte wie San Francisco, New York, Miami, London oder Jakarta würden überflutet werden. Für einige Pazifikstaaten wie Kiribati oder tiefliegende Länder wie die Niederlande oder Bangladesch wären die Folgen so katastrophal, dass einige Medien den Thwaites bereits „Doomsday Glacier“ oder übersetzt „Weltuntergangsgletscher“ getauft haben.

Aktuell deutlich weniger Meereis

Hauptsächlich drei Faktoren tragen zum Kollaps von Schelfeis bei: Dies sind die Erwärmung des Ozeans, die Erwärmung der Atmosphäre sowie die Menge des Meereises. „Man hat also die Eisdecke, die an Land ist, das Schelfeis – die schwimmenden Eisstücke – und dann das Eis im Meer“, wie Zoë Thomas erklärte. „Das Meereis stabilisiert normalerweise das Schelfeis auf ähnliche Weise, wie das Schelfeis die Eisdecke an Land stabilisiert.“ In dieser Saison habe man aber deutlich weniger Meereis registriert. „Dies macht Eisschelfe dann anfällig für Wellen und andere atmosphärische Einflüsse“, sagte sie.

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Laut Thomas zeigen Modelle, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel einen Großteil dieser Veränderungen in der Antarktis verursacht hat. Erschreckend sei vor allem, wie sehr sich der Anstieg des Meeresspiegels in den vergangenen Jahren beschleunigt habe. „Früher war der Zeitrahmen immer mehrere Hundert Jahre, jetzt sprechen wir von zwei oder drei Dekaden – es ist also etwas, das uns alle in unserer Lebenszeit treffen kann.“

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Etwa 680 Millionen Menschen leben in der direkten Umgebung von Küsten oder auf kleinen Inseln, wie es in einem Bericht des Deutsches Klima-Konsortiums (DKK) und des Konsortiums Deutsche Meeresforschung (KDM) heißt. „Ihr Leben und auch Überleben hängt unmittelbar von dem Niveau der zukünftigen Meeresspiegel ab.“ Auch für die deutschen Nord- und Ostseeküsten sowie für Städte wie Bremen oder Hamburg würde „ein erhöhtes Risiko“ bestehen, da Sturmfluten in Zukunft öfter und höher auflaufen könnten.

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