Wer wenn ich schriee hörte mich denn

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Wer wenn ich schriee hörte mich denn
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Wer wenn ich schriee hörte mich denn

Bericht über den Rilke-Abend am 21.01.2012

Im Mittelpunkt des Abends mit 14 Personen stand die Rezitation des jungen Schauspielers und Türkischlehrers Serkan Erol, der aus Augsburg angereist war. Er trug die vor genau einhundert Jahren verfasste „Erste Elegie“ von Rainer Maria Rilke vor. Alle Lichter waren ausgelöscht worden. Nur eine einzige Kerze brannte. Da ertönte die klagende Stimme mit dem bekannten Vers: „Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn …“. Ein bewegendes Erlebnis war es, sich auf diese Situation der „Nacht“ im weitesten Sinne des Wortes von Verunsicherung, Einsamkeit, Haltlosigkeit, Angst, Verzweiflung, Sehnsucht einzulassen. Doch aus dem Leiden wird wahre Freude geboren. Die brennende Kerze im Raum verdeutlichte, dass es nie umsonst ist, sich auf das Leiden einzulassen.

Wer wenn ich schriee hörte mich denn

Dr. Heiner hatte zu diesem Zeitpunkt bereits auf die Bedeutung Rilkes für Menschen verwiesen, die nach einem Ausweg aus der eigenen Misere suchen. Er betonte immer wieder, dass das in den vier ersten Elegien angehäufte Leid stellvertretend für das Leiden der Menschheit zu sehen sei und dass Rilke mit der „siebenten Elegie“ sehr wohl auch Lichtpunkte aufzeigt ähnlich der im Raum brennenden Kerze. Er zitierte zum Beispiel den Spruch „Hiersein ist herrlich“. Auf der anderen Seite führt nach Rilke kein Weg am Sich- Einlassen auf das Leiden vorbei.

Es folgte der Vortrag von drei Briefen, die Rilke in der Zeit der Entstehung der „Duineser Elegien“ auf Schloss Duino im Winter 1911 auf 1912 an Freundinnen geschrieben hatte. Sie gaben Auskunft über die innere Befindlichkeit des sich selbst isolierenden Dichters. Er suchte die Einsamkeit des entlegenen Schlosses an der Adria auf, um zu neuer literarischer Produktivität aufzusteigen. Die Briefstellen wurden von Christine Kestner vom „Rilke-Lese-Kreis“ aus Nürnberg vorgetragen. Der RLK besteht seit 10 Jahren und wurde von Dr. Heiner gegründet, als er Referent im „Eckstein“, dem Haus der evangelischen Bildung in Nürnberg, war.

Zum Abschluss wurde die erste Elegie mit allen Anwesenden gemeinsam gelesen. Es wurde angeregt, einen neuen „Rilke-Lese-Kreis“ (RLK) zu bilden. Dr. Heiner sagte, dass er gerne bereit sei, einen neuen Kurs anzubieten. Er schlug vor, am 9. März 2012 um 20.00 Uhr im Poxdorfer Lesehaus eine Vorbesprechung durchzuführen. Anmeldung wie immer unter Tel. 9434 (mit AB) oder info[at]lyrikrilke[punkt]de.

Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel

Ordnungen? und gesetzt selbst, es nähme

einer mich plötzlich ans Herz: ich verginge von seinem

stärkeren Dasein. Denn das Schöne ist nichts

als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen,

und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht,

uns zu zerstören. Ein jeder Engel ist schrecklich.

Und so verhalt ich mich denn und verschlucke den Lockruf

dunkelen Schluchzens. Ach, wen vermögen

wir denn zu brauchen? Engel nicht, Menschen nicht,

und die findigen Tiere merken es schon,

daß wir nicht sehr verläßlich zu Haus sind

in der gedeuteten Welt. Es bleibt uns vielleicht

irgend ein Baum an dem Abhang, daß wir ihn täglich

wiedersähen; es bleibt uns die Straße von gestern

und das verzogene Treusein einer Gewohnheit,

der es bei uns gefiel, und so blieb sie und ging nicht.

O und die Nacht, die Nacht, wenn der Wind voller Weltraum

uns am Angesicht zehrt —, wem bliebe sie nicht, die ersehnte,

sanft enttäuschende, welche dem einzelnen Herzen

mühsam bevorsteht. Ist sie den Liebenden leichter?

Ach, sie verdecken sich nur miteinander ihr Los.

Weißt du’s noch nicht? Wirf aus den Armen die Leere

zu den Räumen hinzu, die wir atmen; vielleicht daß die Vögel

die erweiterte Luft fühlen mit innigerm Flug.

Ja, die Frühlinge brauchten dich wohl. Es muteten manche

Sterne dir zu, daß du sie spürtest. Es hob

sich eine Woge heran im Vergangenen, oder

da du vorüberkamst am geöffneten Fenster,

gab eine Geige sich hin. Das alles war Auftrag.

Aber bewältigtest du’s? Warst du nicht immer

noch von Erwartung zerstreut, als kündigte alles

eine Geliebte dir an? (Wo willst du sie bergen,

da doch die großen fremden Gedanken bei dir

aus und ein gehn und öfters bleiben bei Nacht.)

Sehnt es dich aber, so singe die Liebenden; lange

noch nicht unsterblich genug ist ihr berühmtes Gefühl.

Jene, du neidest sie fast, Verlassenen, die du

so viel liebender fandst als die Gestillten. Beginn

immer von neuem die nie zu erreichende Preisung;

denk: es erhält sich der Held, selbst der Untergang war ihm

nur ein Vorwand, zu sein: seine letzte Geburt.

Aber die Liebenden nimmt die erschöpfte Natur

in sich zurück, als wären nicht zweimal die Kräfte,

dieses zu leisten. Hast du der Gaspara Stampa

denn genügend gedacht, daß irgend ein Mädchen,

dem der Geliebte entging, am gesteigerten Beispiel

dieser Liebenden fühlt: daß ich würde wie sie?

Sollen nicht endlich uns diese ältesten Schmerzen

fruchtbarer werden? Ist es nicht Zeit, daß wir liebend

uns vom Geliebten befrein und es bebend bestehn:

wie der Pfeil die Sehne besteht, um gesammelt im Absprung

mehr zu sein als er selbst. Denn Bleiben ist nirgends.

Stimmen, Stimmen. Höre, mein Herz, wie sonst nur

Heilige hörten: daß sie der riesige Ruf

aufhob vom Boden; sie aber knieten,

Unmögliche, weiter und achtetens nicht:

So waren sie hörend. Nicht, daß du Gottes ertrügest

die Stimme, bei weitem. Aber das Wehende höre,

die ununterbrochene Nachricht, die aus Stille sich bildet.

Es rauscht jetzt von jenen jungen Toten zu dir.

Wo immer du eintratst, redete nicht in Kirchen

zu Rom und Neapel ruhig ihr Schicksal dich an?

Oder es trug eine Inschrift sich erhaben dir auf,

wie neulich die Tafel in Santa Maria Formosa.

Was sie mir wollen? leise soll ich des Unrechts

Anschein abtun, der ihrer Geister

reine Bewegung manchmal ein wenig behindert.

Freilich ist es seltsam, die Erde nicht mehr zu bewohnen,

kaum erlernte Gebräuche nicht mehr zu üben,

Rosen, und andern eigens versprechenden Dingen

nicht die Bedeutung menschlicher Zukunft zu geben;

das, was man war in unendlich ängstlichen Händen,

nicht mehr zu sein, und selbst den eigenen Namen

wegzulassen wie ein zerbrochenes Spielzeug.

Seltsam, die Wünsche nicht weiterzuwünschen. Seltsam,

alles, was sich bezog, so lose im Raume

flattern zu sehen. Und das Totsein ist mühsam

und voller Nachholn, daß man allmählich ein wenig

Ewigkeit spürt. — Aber Lebendige machen

alle den Fehler, daß sie zu stark unterscheiden.

Engel (sagt man) wüßten oft nicht, ob sie unter

Lebenden gehn oder Toten. Die ewige Strömung

reißt durch beide Bereiche alle Alter

immer mit sich und übertönt sie in beiden.

Schließlich brauchen sie uns nicht mehr, die Früheentrückten,

man entwöhnt sich des Irdischen sanft, wie man den Brüsten

milde der Mutter entwächst. Aber wir, die so große

Geheimnisse brauchen, denen aus Trauer so oft

seliger Fortschritt entspringt —: könnten wir sein ohne sie?

Ist die Sage umsonst, daß einst in der Klage um Linos

wagende erste Musik dürre Erstarrung durchdrang;

daß erst im erschrockenen Raum, dem ein beinah göttlicher Jüngling

plötzlich für immer enttrat, das Leere in jene

Schwingung geriet, die uns jetzt hinreißt und tröstet und hilft.