Was versteht man unter dem Recht der Freizügigkeit in Deutschland

Die Freizügigkeit von Arbeitnehmern ist ein in Artikel 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankerter Grundsatz, dessen Umsetzung durch abgeleitetes EU-Recht und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gewährleistet wird. EU-Bürgerinnen und ‑Bürgern steht es demnach zu,

  • in einem anderen EU-Land Arbeit zu suchen,   
  • dort zu arbeiten, ohne eine Arbeitserlaubnis beantragen zu müssen,
  • zu diesem Zweck dort zu wohnen,
  • selbst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses dort zu bleiben,
  • hinsichtlich Zugang zu Beschäftigung, Arbeitsbedingungen und aller anderen Sozialleistungen und Steuervorteile genauso behandelt zu werden wie die Staatsangehörigen des Aufnahmelandes.

Bei EU-Bürgern können bestimmte Ansprüche des Kranken- und Sozialversicherungsschutzes auf die Systeme des Landes übertragen werden, in dem sie Arbeit suchen (siehe Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit).

Gewährleistet ist die Freizügigkeit von Arbeitnehmern generell auch in den Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (Island, Liechtenstein und Norwegen).

In bestimmten Berufen können die in einem EU-Land erworbenen beruflichen Qualifikationen auch in den anderen Ländern anerkannt werden (siehe gegenseitige Anerkennung beruflicher Qualifikationen).

Koordinierung der Sozialversicherungssysteme in der EU: Schutz der Rechte von Personen, die in der Europäischen Union, Island, Liechtenstein, Norwegen und in der Schweiz zu- und abwandern.

Wer kann diese Freiheiten in Anspruch nehmen?

  • Arbeitssuchende, also EU-Bürger/innen, die zwecks Stellensuche in ein anderes EU-Land ziehen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
  • EU-Bürger/innen, die in einem anderen EU-Land arbeiten.
  • EU-Bürger/innen, die in ihr Herkunftsland zurückkehren, nachdem sie im Ausland gearbeitet haben.
  • Familienangehörige der oben genannten Personen.

Für Personen, die sich selbstständig machen möchten, für Studierende, Rentner und andere Nichterwerbstätige können leicht abweichende Regelungen gelten. Nähere Informationen zu diesen Personengruppen finden Sie auf Ihr Europa.

Freizügigkeit ist zunächst das durch Art. 11 GG geschützte Recht, unbeschränkt durch die deutsche Staatsgewalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen. Darüber hinaus umschreibt Freizügigkeit das durch Art. 21 AEUV geschützte Recht eines jeden Unionsbürgers, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Eine spezielle Form stellt dabei die sog. Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Art. 45 AEUV dar.

I. Freizügigkeit gem. Art. 11 GG

(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.

(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.

Definitionen:
Der Begriff der Freizügigkeit ist gesetzlich jedoch nicht definiert. Man versteht darunter das Recht unbeschränkt durch die deutsche Staatsgewalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen. Unter Wohnsitz ist die ständige Niederlassung mit dem Willen, nicht nur vorübergehen zu bleiben, sondern den Ort zum Mittelpunkt des Lebens zu machen, zu verstehen (vgl. § 7 BGB). Aufenthalt bedeutet hingegen ein lediglich vorübergehendes Verweilen an einem bestimmten Ort.

Schutzbereich:
In persönlicher Hinsicht sind alle Deutschen geschützt, auch Minderjährige und inländische juristische Personen des Privatrechts oder andere privatrechtliche Personenvereinigungen, sofern sie keinen wirtschaftlichen bzw. beruflichen Zweck verfolgen.
In sachlicher Hinsicht wird neben der positiven Freizügigkeit i.S.d. Definition auch das Recht geschützt, einen Ortswechsel nicht vorzunehmen (sog. negative Freizügigkeit).
Die berufliche Niederlassungsfreiheit wird jedoch nicht von Art. 11 GG erfasst, sondern allein von der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG.
Im Zusammenhang mit der sachlichen Schutzbereich bedarf es regelmäßig einer Abgrenzung zur Freiheit der Person aus Art. 2 Absatz 2 Satz 2 und Art. 104 GG. Das Grundrecht der Freiheit der Person umfasst nämlich die körperliche Bewegungsfreiheit. Sie fällt unter das allgemeine Persönlichkeitsrecht und hat vor allem bei Freiheitsstrafen eine große Bedeutung. Die Freiheit der Person wird unter anderem durch Freiheitsbeschränkung und Freiheitsentzug entzogen werden, im Eingriffsrecht beispielsweise durch die Festnahme gem. § 127 Absatz 2 StPO.

Eingriff:
Ein Eingriff in das Recht der Freizügigkeit ist bereits bei jeder freizügigkeitsbegrenzende imperative Maßnahme gegeben, nach herrschender Meinung allerdings nicht bei mittelbaren Beeinträchtigungen.
Beispiel: Ein Eingriff liegt also vor, wenn einem Bürger verboten wird, in eine bestimmte Wohnung zu ziehen. Ein Eingriff liegt aber dann nicht vor, wenn ein Wohnkomplex aufgrund Einsturzgefahr komplett gesperrt wurde und der Bürger deshalb nicht darin verweilen darf.

Rechtfertigung:
Ein Eingriff in Grundrechte kann durchaus gerechtfertigt sein. Art. 11 Absatz 2 GG nennt dazu etwa den qualifizierten Gesetzesvorbehalt. Hilfsweise können Grundrechte immer aufgrund kollidierendem Verfassungsrecht eingeschränkt werden.

Im Falle der Freizügigkeit kann sie deshalb dann eingeschränkt werden, wenn dies zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung i.S.d. Art. 79 Absatz 3 GG des Bundes oder eines Landes erforderlich ist oder zur

  • Bekämpfung von Seuchengefahr,
  • Naturkatastrophen oder
  • besonders schweren Unglücksfällen,
  • zum Schutz der Jugend vor Verwahrlosung oder
  • zur Vorbeugung strafbarer Handlungen.

Darüber hinaus kann der Staat die Freizügigkeit bei Menschen beschränken, die auf Sozialhilfe angewiesen sind.

II. Freizügigkeit gem. Art. 21 AEUV

(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.

(2) Erscheint zur Erreichung dieses Ziels ein Tätigwerden der Union erforderlich und sehen die Verträge hierfür keine Befugnisse vor, so können das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Vorschriften erlassen, mit denen die Ausübung der Rechte nach Absatz 1 erleichtert wird.

(3) Zu den gleichen wie den in Absatz 1 genannten Zwecken kann der Rat, sofern die Verträge hierfür keine Befugnisse vorsehen, gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen erlassen, die die soziale Sicherheit oder den sozialen Schutz betreffen. Der Rat beschließt einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments.

Unter Unionsbürger versteht man die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates, vgl. Art. 9 Satz 2 EUV [Europäische Verträge] und Art. 29 Absatz 1 Satz 2 AEUV [Verträge über die europäischen Arbeitsweisen]. Diese Unionsbürgerschaft ergänzt allerdings nur die Staatsangehörigkeit, sie ersetzt diese nicht (vgl. Art. 9 Satz 3 EUV und Art. 20 Absatz 1 Satz 3 AEUV). Durch sie erhalten die Bürger verschiedene Rechte, etwa die allgemeine Freizügigkeit aus Art. 21 AEUV. Art. 21 Absatz 1 AEUV gewährt das Recht, die Absätze 2 und 3 regeln hingegen, dass das Recht durch sekundärrechtliche Vorschriften eingeschränkt werden kann. Im Wesentlichen gilt also das oben Gesagte zur Freizügigkeit aus Art. 11 GG hier entsprechend.

III. Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Art. 45 AEUV

(1) Innerhalb der Union ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.

(2) Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.

(3) Sie gibt - vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen - den Arbeitnehmern das Recht,

     a) sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben;

     b) sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen;

     c) sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Beschäftigung auszuüben;

     d)nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Bedingungen zu verbleiben, welche die Kommission durch Verordnungen festlegt.

(4) Dieser Artikel findet keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung.

Bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Art. 45 AEUV handelt es sich um eines der Kernelemente des europäischen Binnenmarkts. Es umschreibt das Verbot von unterschiedlichen Behandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und Arbeitsbedingungen. Zur Konkretisierung von Art. 45 AEUV bestehen zahlreiche sekundärrechtliche Regelungen.

Schutzbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit

Nach dem sog. Bosman-Urteil des EuGH ist der Schutzbereich bereits dann eröffnet, wenn eine Bestimmung den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran hindert, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Damit entfaltet dieses Urteil durchaus auch eine Drittwirkung, denn auch Rechtssubjekte des Privatrechts sind daran gebunden. Der Grund dieser Ausnahme liegt im Sinn und Zweck dieser Grundfreiheit, schließlich werden Arbeitsbedingungen grundsätzlich von Privaten festgelegt, die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit liefe ohne Drittwirkung also ins Leere.

Schranken und Ausnahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit

Die Absätze 3 und 4 nennen Schranken und Ausnahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Hinzu kommt die sog. Cassis-Formel als ungeschriebene Ausnahme. Danach kann die Arbeitnehmerfreizügigkeit zugunsten des zwingenden Interesses des Allgemeinwohls eingeschränkt werden.

Abgrenzungen von der Niederlassungsfreiheit

Die Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 ff. AEUV umfasst die selbstständige Erwerbstätigkeit, während die Arbeitnehmerfreizügigkeit eine Weisungsabhängigkeit des Arbeitnehmers verlangt. Darüber hinaus greift die Niederlassungsfreiheit nur in den Fällen, in denen eine dauerhafte und rechtliche Eingliederung in den Wirtschaftsablauf des Aufnahmestaates vorgesehen ist.

Abgrenzungen von der Dienstleistungsfreiheit

Die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 ff. AEUV greift nur bei vorübergehenden Beschäftigungen, also solchen, bei denen der Standort im Heimatstaat beibehalten werden soll. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit greift demgegenüber bei dauerhaften Beschäftigungen.

Ist Freizügigkeit ein Grundrecht?

Das Grundrecht auf Freizügigkeit ist nach seinem Wortlaut („Alle Deutschen“) ein Deutschengrundrecht. In den persönlichen Schutzbereich fallen daher alle Deutschen i.S.d. Art. 116 GG (s.a. Rn 104 f.).

Wann bin ich Freizügigkeitsberechtigt?

1 a FreizügG/EU. Ein Daueraufenthaltsrechts entsteht gemäß § 4 a FreizügG/EU für Unionsbürger, die sich fünf Jahre lang rechtmäßig ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben.

Welche Rechte sind mit Freizügigkeit verbunden?

Dazu gehören das Recht der Arbeitnehmer, sich frei zu bewegen und niederzulassen, das Zuzugs- und Aufenthaltsrecht für Familienmitglieder und das Recht, in einem anderen Mitgliedstaat der EU zu arbeiten und ebenso wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden.

Was besagt die Grundfreiheit der Freizügigkeit?

Jeder Unionsbürger genießt das Freizügigkeitsrecht – das Recht, sich in jedem Mitgliedstaat aufzuhalten und sich dort frei zu bewegen. Solange eine Person ihren Lebensunterhalt allein bestreiten kann, steht ihr dieses Recht zu.