Was haben Tiere für eine Bedeutung?

Zahlreiche Tiere bevölkern die Bibel, denn Menschen und Tiere lebten in einer Schicksalsgemeinschaft. Im Schöpfungsbericht schafft Gott die Landtiere einen Tag nach den Meerestieren und noch am selben Tag den Menschen. Diesen setzt er sofort über alle Tiere. „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht“ (1. Mose 1,28). Diese Herrschaft deutet die Bibel als hohe Verantwortung den Tieren gegenüber.

Höchste Wertschätzung der Tiere

Höchste Wertschätzung bringt die Bibel den meisten Tieren entgegen. Schließlich sind sie Lebensgrundlage der Hirten und Bauern, aber auch wertvollster Besitz, der außerdem auch als Brandopfer dargebracht werden muss. Weil sie so wertvoll sind, dürfen Tiere am Sabbat sogar aus dem Brunnen geholt werden (Lk 14,5), obwohl das Arbeiten untersagt ist. Und dem Feind darf der Esel nicht weggenommen werden, dem Esel des Feindes muss sogar in Notlagen geholfen werden. Dem arbeitenden Rind sollte ein Teil des Ertrags seiner Arbeit zugute kommen; deshalb sollte man ihm beim Dreschen das Maul nicht verbinden (5. Mose 25,4). Wertvoll waren die Tiere auch als Nahrungsquelle. Jesus lebt mit den Fischern und ermuntert sie, das Netz auszuwerfen... und sie „konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische“ (Johannes 21,6).

Reine und unreine Tiere

130 Tierarten kennt die Bibel. Sie werden aber nicht nach heutigen zoologischen Erkenntnissen eingeteilt, sondern in vier Gruppen: in Wassertiere und geflügelte Tiere, in Tiere des Landes sowie in Kriech- und Kleintiere. Die wichtigste Unterscheidung ist jedoch die zwischen reinen und unreinen Tieren. Nur die reinen Tiere durften gegessen oder auch geopfert werden. Einige Haustiere galten als rein wie Schafe, Ziegen und Rinder, weil diese Wiederkäuer sind und gespaltene Klauen haben. Auch Fische mit ihren Schuppen durften gegessen werden. Als unrein und damit ungenießbar, auch für das Opfer, das Gott zu bringen war, galten Kamele, Hasen und Schweine. 

Tiere bedrohen die Menschen in der Bibel

Die Tiere leben nicht nur mit den Menschen, die bedrohen ihn auch. So schickt Gott den Ägyptern zehn Plagen, davon vier Tierplagen, nämlich Frösche, Steckmücken, Stechfliegen und Heuschrecken. Immer bedrohten Raubtiere die umherziehenden Nomaden, aber auch die Bauern auf ihren Äckern. Offenbar gab es gefährliche Löwen. So berichtet das 1. Königsbuch über den König von Assyrien, der seine Völker in Samarien ansiedelte: „Als sie aber anfingen, dort zu wohnen, und den HERRN nicht fürchteten, sandte der HERR Löwen unter sie, die töteten sie“ (2. Könige 17,25).

Symbolische Bedeutung von Tieren

Sehr oft haben Tiere eine symbolische Bedeutung in der Bibel. Bekanntes Beispiel sind die Schafe im Psalm 23, die der gute Hirte schützt und pflegt. Jesus nennt sich selbst den guten Hirten. „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir“ Johannes 10,27). Auch vergleicht Jesus Mensch und Tier und preist die Sorglosigkeit der Vögel, die von Gott mit Nahrung versorgt werden (Mt 6,26). Und Jesus spricht in Tierbildern darüber, wie sich die Menschen verhalten sollen: „Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben“ (Mt 10,16). Das Reich des sehnlich erwarteten Messias, das der Prophet Jesaja ausmalt, handelt vom zukünftigen Tierfrieden: „Wolf und Lamm sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen“ (Jesaja 65,25).

„Der junge Mensch braucht seinesgleichen – nämlich Tiere, überhaupt Elementares, Wasser, Dreck, Gebüsche, Spielraum. Man kann Ihn auch ohne das alles aufwachsen lassen, mit Teppichen, Stofftieren oder auch auf asphaltierten Straßen und Höfen. Er überlebt es, doch man soll sich dann nicht wundern, wenn er später bestimmte soziale Grundleistungen nie mehr erlernt.“ Alexander Mitscherlich

(Leger 2007)

In vielen sozialen Einrichtung werden mittlerweile Tier gehalten und gepflegt. So auch in der Außenwohngruppe Dortmund-K. der […], in der ich mein Praxissemester absolviert habe. Das eingangs aufgeführte Zitat des Psychoanalytikers Alexander Mitscherlich könnte als Leitbild der Außenwohngruppe dienen, innerhalb derer großer Wert auf Naturerfahrungen und das Zusammeneben mit Tieren gelegt wird.

Das Forschungsvorhaben intendiert herauszufinden, welche Bedeutung Kinder Tieren innerhalb der stationären Kinder- und Jugendhilfe beimessen. Dazu wurden die Kinder der Wohngruppe mithilfe von Leitfadeninterviews befragt und gebeten, Fotos aufzunehmen.

Die Forschungsarbeit ist dabei nach folgenden Schwerpunkten gegliedert. Teil I zeigt theoretische Grundlagen zum Thema auf. Zu Beginn erfolgt eine Definition von Tiergestützter Pädagogik/Intervention. Außerdem werden theoretische Denkmodelle zur Erklärung der Mensch-Tier-Beziehung vorgestellt. Es soll erklärt werden, warum Menschen und Tiere überhaupt Beziehungen miteinander eingehen.

Daran anschließend, wird der aktuelle Stand der Forschung thematisiert und Wirkungen der Mensch-Tier-Beziehung näher beleuchtet. Zunächst werden körperliche Auswirkungen vorgestellt, anschließend soll dargestellt werden, welche Auswirkungen der Umgang mit Tieren auf Sprache und Kommunikation hat. Folgend wird die Förderung von sozialer und emotionaler Kompetenz thematisiert und ein vierter Abschnitt beschäftigt sich speziell mit Auswirkungen von tiergestützten Interventionen bei Kindern mit Auffälligkeiten in emotionalen und sozialen Verhalten und Erleben.

Im darauf folgenden Kapitel 3 wird die Bedeutung von Tieren in der sozialpädagogischen Arbeit empirisch untersucht. Zunächst wird die Einrichtung vorgestellt, innerhalb derer die Interviews durchgeführt wurden. Die Vorteile eines Leitfadeninterviews und die Vorstellung des verwendeten Leitfadens schließen sich an. Der Ablauf der Untersuchung wird im nächsten Schritt beschrieben, um daran anschließend auf die verwendete Auswertungsmethode einzugehen. Zur Auswertung wurde die Methode von Christiane Schmidt eingesetzt, die konstruiert wurde, um Leitfadeninterviews auszuwerten.

Im nächsten Schritt werden die Ergebnisse der Leitfadeninterviews dargestellt. Zu Beginn werden die befragten Kinder und ihre Erfahrungen mit der Kinder- und Jugendhilfe, sowie die Familiensituation und der Kontakt zur Herkunftsfamilie vorgestellt. Ferner werden, die von den Kindern aufgenommenen Fotos beschrieben. Daran anschließend stehen die Faktoren im Vordergrund, denen die Kinder in den Interviews die größte Relevanz beigemessen haben. Zunächst geht es explizit um die Bedeutung von Tieren, daran anschließend werden andere relevante Faktoren im Alltag der Kinder vorgestellt. Abschließend erfolgt ein Fazit.

2. Teil I – Theorie

2.1.1. Definition Tiergestützte Pädagogik/Intervention

Im Bereich der tiergestützten Interventionen existiert eine Vielzahl ähnlich klingender Begriffe. Diese klar voneinander abzugrenzen und präzise Begrifflichkeiten zu formulieren, gestaltet sich als äußerst kompliziert.

Vernoij und Schneider formulieren folgende Definition:

„Unter tiergestützter Pädagogik werden Interventionen im Zusammenhang mit Tieren subsumiert, welche auf der Basis konkreter klienten-/kindorientierter Zielvorgaben Lernprozesse initiieren, durch die schwerpunktmäßig die emotionale und die soziale Kompetenz des Kindes verbessert werden soll. Sie werden durchgeführt von Experten im pädagogisch-sonderpädagogischen Bereich (z.B. Lehrpersonal) unter Einbezug eines Tieres, welches für den Einsatz speziell trainiert wurde. Ziel der tiergestützten Pädagogik ist die Initiierung und Unterstützung von sozialemotionalen Lernprozessen, das heißt Ziel ist der Lernfortschritt in diesem Bereich“ (Vernoij/Schneider 2008, S. 41)

Deutlich wird, dass dem Einsatz von Tieren konkrete Zielvorgaben zugrunde liegen, um so bestimmte Lerneffekte zu erreichen. Vernoij und Schneider betonen, dass individuelle Wünsche und Bedürfnisse der Kinder berücksichtigt und in die Planung mit einbezogen werden sollen. Darüber hinaus müssen sowohl die Anbietenden der tiergestützten Intervention entsprechend qualifiziert sein, als auch die eingesetzten Tiere entsprechend auf ihre Aufgaben vorbereitet werden.

2.1.2. Theoretische Denkmodelle zur Erklärung der Mensch-Tier-Beziehung

Die Voraussetzung für eine positive Beeinflussung durch tiergestützte Intervention ist der Aufbau einer Bindung zu dem eingesetzten Tier/den eingesetzten Tieren. Im Folgenden werden vier Konzepte zur Klärung der Mensch-Tier-Beziehung vorgestellt.

2.1.3. Die Biophilie-Hypothese

Der Begriff der Biophilie kommt aus dem griechischen und setzt sich zusammen aus den Elementen „bio“ und „philie“. „Bio“ bedeutet „das Leben betreffend“, „mit Natürlichem, Naturgemäßen zu tun habend“, „mit organischen Leben, mit Lebewesen in Verbindung stehen.“ „Philie“ beschreibt eine Vorliebe, Liebhaberei oder auch Neigung (Dudenredaktion 2001, S. 760).

Demnach beschreibt Biophilie „die dem Menschen inhärente Affinität zur Vielfalt von Lebewesen in ihrer Umgebung ebenso wie zu ökologischen Settings, welche die Entwicklung von Leben ermöglichen“ (Olbrich/Otterstedt 2003, S. 69). Dies stellt die Basis und somit die Voraussetzung dar, dass tiergestützte Arbeit überhaupt Wirkung zeigen kann.

Menschen und Tiere haben eine gemeinsame Entwicklungsgeschichte. Der Begründer der Soziobiologie Eward O. Wilson geht in seiner Biophilie-Hypothese davon aus,„dass der Mensch über Millionen von Jahren hinweg eine biologisch begründete Verbundenheit mit der Natur und eine Bezogenheit zu all jenen in ihr beheimaten Lebewesen ausbildete, die sich im Laufe eines evolutionären Entwicklungsprozess geprägt und beeinflusst haben“ (Vernoij/Schneider 2008, S.4).

Tiere wurden nicht nur als reiner Nahrungslieferant oder als Hersteller von Bekleidungsartikeln angesehen, sondern Tiere wurden auch als Mitbewohner des gleichen Lebensraums oder auch als Gefährte, beispielsweise zur Jagd betrachtet. Die enge Beziehung zwischen Mensch und Tier gipfelt darin, dass Tiere in der Lage sind, dem Mensch das Leben zu retten. Mit ihrer teilweise hervorragenden, sehr differenzierten Sinnesausstattung nehmen Tiere mögliche Gefahren viel eher war, und sind so in der Lage, den Menschen frühzeitig zu warnen. Demnach hatten Tiere von jeher für den Menschen große existenzielle Bedeutung (Vgl. Ebd. S. 5).

In Anbetracht der großen Bedeutung der evolutionären Verbundenheit zwischen Mensch und Natur ist es im heutigen Zeitalter der Urbanisierung, der Industrialisierung und der Massenmedien nicht weiter verwunderlich, dass die Begegnungen mit Tieren für Menschen eine positive bis hin zur therapeutischen Wirkung haben können. Nach Olbrich wirken Tiere „sicher nicht bio-chemisch oder instrumentell auf kranke Organe oder auf den Organismus, sondern Tiere stärken oder bereichern das Gefüge von Beziehungen zwischen der Person und ihrer belebten Umgebung, und sie tragen dazu bei, dass auch psychisch, […] eine Verbundenheit zwischen bewussten und unbewussten, zwischen kognitiven und emotionalen, zwischen implizit erfahrungsgeleiteten und explizit-kontrollierenden Prozessen verbessert wird“ (Olbrich/Otterstedt 2003, S. 69).

2.1.4. Das Konzept der Du-Evidenz

„Mit Du-Evidenz bezeichnet man die Tatsache, dass zwischen Menschen und höheren Tieren Beziehungen möglich sind, die denen entsprechen, die Menschen unter sich bzw. Tiere unter sich kennen“ (Greiffenhagen 1991, S.26).

Entwickelt wurde der Begriff der „Du-Evidenz“ 1922 von Karl Bühler, damals noch bezogen auf den zwischenmenschlichen Bereich. Bühler verstand darunter „die Fähigkeit und das Bewusstsein einen Menschen, eine andere Person als Individuum, als „Du“ wahrzunehmen und zu respektieren“ (Vernoij/Schneider 2008, S. 7).

Geiger versuchte 1931 die Du-Evidenz auf die Mensch-Tier-Beziehung zu übertragen. Relevant für die Entwicklung der Du-Evidenz sind nach Geiger insbesondere „die persönlichen Erlebnisse mit dem anderen, die subjektiven Einstellungen zu ihm und die authentischen Gefühle für sein Gegenüber“ (ebd. S.8). Demnach wirkt die Du-Evidenz weniger auf der kognitiven, sondern vielmehr auf der sozio-emotionalen Ebene.

Ähnlichkeiten beim körpersprachlichen Ausdruck, den Beweggründen und Empfindungen, sowie den spezifischen Bedürfnissen (z.B. nach Berührung, Nähe, Kommunikation, Interaktion etc.) von Mensch-Tier erhöhen den Grad der Bindung. Dadurch ist eine gemeinsame Basis gegeben, auf der eine gegenseitige Wahrnehmung als „Du“ erfolgt und eine Beziehung miteinander eingegangen werden kann. Nach Schmitz funktioniert die Du-Evidenz „zu für den Menschen ausdrucksfähigen Tieren – im Gegensatz zu Insekten - ebenso gut wie im zwischenmenschlichen Kontakt und bedarf keiner Sprache“ (Schmitz 1992, S. 35).

Sozial lebende Tiere wie Hunde oder Pferde eignen sich besonders gut zum Aufbau einer Du-Beziehung, da diese ähnliche emotionale und soziale Grundbedürfnisse besitzen. Menschen und Tiere wollen gleichermaßen eine derartige Beziehung eingehen, um daraus emotionale und soziale Grundbedürfnisse stillen zu können. Darüber hinaus sind ihre Körpersprache und ihre Ausdrucksformen mit den Menschen vergleichbar und dadurch für diese verstehbar. Eine positive Anthropomorphisierung dieser Tiere führt zu vielseitigen Identifikationsmöglichkeiten, die vor allem im Rahmen von tiergestützten Interventionen für Mensch und Tier vorteilhaft genutzt werden können und beide beteiligten Parteien sowohl auf emotionaler als auch auf sozialer Ebene davon profitieren lassen (Vgl. Vernoij/Schneider 2008, S. 8).

Bestimmte Tiere werden vom Mensch als Gefährten, Partner und Vertraute angesehen bekommen menschliche Eigenschaften und Qualitäten zugesprochen. Zahlreiche Beispiele für „Du-Evidenzen“ zwischen Mensch und Tier lassen sich in Film und Fernsehen finden. Äußerst erfolgreiche Filme und Serien wie „Unser Charly“, „Flipper“ oder auch „Ein Schweinchen namens Babe“ haben das Bild tierischer Intelligenz maßgeblich geprägt.

Sicherlich sind die dort zu sehenden Verhaltensweisen zumeist speziell antrainiert, jedoch zeigt die Beliebtheit dieser Serien, wie wichtig vielen Menschen die Beziehung bzw. Verbundenheit zu einem Tier ist und welche große Wirkung „bereits das Mitverfolgen, Mitleiden und Mitempfinden über den Fernseher haben kann“ (Ebd., S. 9).

Wenn sich zwischen Mensch und Tier eine Du-Evidenz entwickelt hat, lässt sich dies unter anderem daran erkennen, dass der Mensch im Tier einen Freund und Kameraden sieht, dem menschliche Qualitäten und Eigenschaften zugeschrieben werden. Tiere erhalten beispielsweise durch die Namensgebung einen individuellen Stellenwert mit eigenen Bedürfnissen, Ansprüchen und Eigenarten. Haustiere werden zumeist als Familienmitglied, Gefährte und auch Ansprechpartner wahrgenommen, zu dem eine emotionale Bindung besteht und das somit aus der Vielzahl anderer, sogar artgleicher Tiere, herausragt,

Das Tier wird vom Menschen also nicht nur als „Nahrungslieferant“, als „Dienstleistungserbringer“ oder als minderwertiges Wesen angesehen, sondern als Partner oder Kamerad (Ebd. S. 8f). Dieses Gefühl der Verbundenheit und Vertrautheit macht der folgende Textausschnitt aus „Der kleine Prinz“ sehr anschaulich deutlich:

„Wer bist du?“ sagte der kleine Prinz. „Du bist sehr hübsch…“

„Ich bin ein Fuchs“, sagte der Fuchs

„Komm und spiel mit mir“, schlug ihm der kleine Prinz vor. „Ich bin so traurig…“

„Ich kann nicht mit dir spielen“, sagte der Fuchs. „Ich bin noch nicht gezähmt!“ […]

„Du bist nicht von hier, was suchst du?“

„Nein“, sagte der kleine Prinz, „ich suche Freunde. Was heißt zähmen?“

„Das ist eine in Vergessenheit geratene Sache“, sagte der Fuchs. „Es bedeutet: sich vertraut machen.“ […] „Du bist für mich noch nicht als ein kleiner Knabe, der hunderttausend Knaben völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich ebenso wenig. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich der einzige sein in der Welt…“ […]

„Bitte…zähme mich!“ sagte er.

„Ich möchte wohl“, sagte der kleine Prinz, „aber ich habe nicht viel Zeit. Ich muss Freunde finden und viele Dinge kennenlernen.“

„Man kennt nur die Dinge, die man zähmt“, sagte der Fuchs. „Die Menschen haben keine Zeit mehr, irgendetwas kennenzulernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Aber da es keine Kaufläden für Freunde gibt, haben die Leute keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund willst, so zähme mich.“ […]

So machte der kleine Prinz den Fuchs mit sich vertraut. […]

„Ich werde dir ein Geheimnis schenken“, sagte der Fuchs. […] „Es ist ganz einfach: man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ […] und „du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“

(Saint-Exupery 1956, S. 92ff.)

Nach Greifenhagen ist die Du-Evidenz „die unumgängliche Voraussetzung dafür, dass Tiere therapeutisch und pädagogisch helfen können“ (Greiffenhagen 1991, S. 28).

Die durch die „Du-Evidenz“ nahegelegte Zuwendung kann sich dabei vom Betrachten und Füttern von Kleintieren bis hin zu Partnerschaften erstrecken, die kaum noch Unterschiede zu zwischenmenschlichen Beziehungen erkennen lassen.

2.1.5. Ableitungen aus der Bindungstheorie

Die Bindungstheorie wurde durch den britischen Psychiater John C. Bowlby (1968) theoretisch begründet und in langjähriger Zusammenarbeit mit der Kanadierin Mary S. Ainsworth empirisch bestätigt. Sie besagt, dass die sozio-emotionale Entwicklung entscheidend durch die Erfahrungen früher Bindungen an eine oder mehrere Bezugspersonen bzw. deren Fehlen beeinflusst wird. Die Entwicklung einer sicheren Bindung zwischen einem Kleinkind und dessen primärer Bezugsperson in der Kindheit schafft die Grundlage für das spätere angemessene emotionale und soziale Verhalten des Individuums. Es bildet sich die „Fähigkeit, Emotionen wahrzunehmen, zu bewerten und situationsangemessen auszudrücken“ (Vernoij/Schneider 2008, S. 10) ebenso wie die Fähigkeit, stabile und intime soziale Beziehungen im Erwachsenenalter einzugehen und aufrechtzuerhalten.

Insgesamt lassen sich vier verschiedene Bindungstypen definieren:

- Sicheres Bindungsmodell
- Unsicher-vermeidendes Bindungsmodell
- Unsicher-ambivalentes Bindungsmodell
- Desorientiertes/desorganisiertes Bindungsmodell (Julius 2003, S. 33)

Rauh fasst die wesentliche Aussage der Bindungsforschung wie folgt zusammen:

„Das Konzept der Bindungstheorie besagt, „dass die frühen sozial-emotionalen Interaktionserfahrungen eine Erwartungsfolie oder ein Erwartungsmodell für künftige Beziehungen zu möglichen Vertrauenspersonen bilden. Dieses anfängliche Arbeitsmodell reichert sich im Verlauf der Entwicklung des Kindes an, bei bedeutsamen emotionalen Erfahrungen kann es sich verändern“ (Rauh 2002, S. 201).

Beetz geht davon aus, dass Aspekte der Bindungstheorie zur Erklärung der Mensch-Tier-Beziehung benutzt werden können. Nach Beetz stellen Tiere für den Menschen Bindungsobjekte dar, gleiches gilt umgekehrt. Darüber hinaus können positive Bindungserfahrungen mit Tieren möglicherweise auf soziale Situationen mit Menschen übertragen werden (Vgl. Beetz 2003, S.81). Demzufolge können nach Beetz durch Mensch-Tier-Beziehungen ungünstige Bindungsmuster beeinflusst und modifiziert werden (Vgl. Vernoij/Schneider 2008, S. 11).

Bindungen zwischen Mensch und Tier ließen sich auch in einer Studie von Endenburg feststellen. Die Studie macht deutlich, dass Tierbesitzern durch Tiere Sicherheit vermittelt wird und im Erwachsenenalter die Tierspezien und Tierarten gewählt wurden, mit der als Kind Erfahrungen gemacht wurden. Endenburg kommt zu dem Schluss, dass frühe Beziehungen zu bestimmten Tieren „zur Ausformung eines individuellen Bindungsmodells im Hinblick auf Beziehungen zu Tieren führe“ (Ebd.). Bezüglich einer Übertragbarkeit auf zwischenmenschliche Beziehung verweist Endenburg im Gegensatz zu Beetz auf noch ausstehende Forschungen. (Vgl. Ebd. S. 10f.)

2.1.6. Spiegelneurone

Spiegelneurone sind Nervenzellen, die beobachtbare Handlungen in einer Weise spiegeln, die dem Individuum erlauben, diese zu simulieren und dadurch fremde Absichten nachzuvollziehen. Entdeckt wurden die Nervenzellen 1996 von einem italienischen Forscherteam bei Versuchen mit einem Makakenäffchen. Dabei wurde beobachtet, dass Neurone innerhalb eines bestimmten Feldes (F 5c) „des Großhirns sowohl reagieren, wenn eine gezielte Hand-Objekt-Interaktion durchgeführt wurde, als auch wenn diese bei anderen anatomisch ähnlichen Lebewesen beobachtet wurde“ (Ebd. S. 12).

In nachfolgenden Forschungen wurde deutlich, dass auch Menschen ein umfangreiches Spiegelneuronensystem besitzen und Emotionen ihrer Mitmenschen spiegeln können. Ungeklärt ist jedoch noch, ob auch Tiere beim Menschen emotionale Resonanzphänomene hervorrufen können. Die sogenannte „joint attention“[1] gibt nach Beetz Hinweise darauf, dass zwischen Mensch und Tier eine wechselseitige Spiegelung erfolgt (Vgl. Beetz 2006). Beetz ergänzt, dass sich mit dem Konzept der Spiegelneurone so positive „Effekte wie Beruhigung oder auch Verbesserung der Stimmung durch das Tier“ (Beetz 2006) erklären lassen/ließen. Vernoij und Schneider vermuten darüber hinaus, dass insbesondere die nonverbale bzw. analoge Kommunikation zwischen Mensch und Tier viele Elemente enthält, welche mit den Spiegelneuronen in Verbindung gebracht werden könnten (Vernoij/Schneider 2008, S. 13).

2.1.7. Wirkung der Mensch-Tier-Beziehungen: Stand der Forschung

2.1.8. Körperliche Auswirkungen

Eine Studie der Uni Bonn benennt Tiere als wirksame Prävention gegen „Herz- und Kreislauferkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparates, psychosomatische Erkrankungen, kindliche Verhaltens- und Entwicklungsstörungen [sowie] Neurosen und Psychosen (Ottersted 2001, S. 27f.). Studien aus Amerika und England bestätigen diese Ergebnisse; der ausgeglichene Umgang mit Tieren zeigt eine blutdrucksenkende Wirkung (z.B. Katcher 1980,1981, Friedmann et. Al. 1983)

Dieter Krowatschek führt aus, dass selbst die passive Beobachtung von Tieren Ängste, Druck und Depressionen signifikant reduziert (Vgl. Krowatschek 2007, S. 15). Carola Otterstedt erklärt, dass bereits das Streicheln eines Kuscheltiers zu einer Senkung von Blutdruck und Puls und einer Kreislaufstabilisierung führe, ausgelöst durch die taktilen Reize, die das weiche Fell bietet. Diese Wirkung wird noch gesteigert, sobald nicht nur das weiche Fell gespürt werden kann, sondern bei lebenden Tieren darüber hinaus Bewegungen sowie Atemzüge wahrgenommen werden können (Vgl. Otterstedt 2001, S. 28f.). Nyhuus gibt an, dass das Streicheln von Tieren das stressreduzierende Hormon Oxytocin freisetzt (Vgl. Nyhuus 2009).

Nach Otterstedt besitzt ein unmittelbarer Kontakt zwischen Mensch und Tier nachstehende Wirkungen auf den Körper:

- Allgemeine Verbesserung des Gesundheitsverhaltens durch mehr Bewegung [(z.B. beim Spazierengehen mit einem Hund)]
- Mobilisierung verschiedener Körperteile und –funktionen. […] [Dazu gehören u.a.] Rücken, Nacken, Arme, Beine, Hände, Finger und Gelenke, Heben des Kopfes, der Augenlider, der Mundwinkel, Öffnen des Mundes etc.
- Entspannung der Muskulatur beugt Verspannungen vor bzw. verringert sie, ebenso die Folgeschmerzen wie beispielsweise Kopfschmerzen
- Aktive, kraftvolle und tiefe Atmung
- Appetitanregung: […] [Vorfreude auf den Tierbesuch relativiert bestehende Symptome
- Unterstützung der Genesung […]
- Anregungen zur bewussteren und gesünderen Ernährung
- Notwendigkeit des Aufbaus von Strukturen im Alltag, z.B. regelmäßige Versorgung, Pflege und Bewegung des Tieres
- Anregungen für die sportliche Freizeit […]

(Otterstedt 2001, S. 31f.)

Vernoij und Schneider sind der Ansicht, dass durch Tierkontakte oftmals die Motorik, die Körperkoordination und körperliche Funktionsabläufe trainiert werden. Beispielsweise erfordert das Spiel mit einem Hund von Klienten Geschicklichkeit, Bewegung und Schnelligkeit (Vgl. Vernoij/Schneider 2008, S. 120).

2.1.9. Sprache und Kommunikation

Nach Vanek-Gullner kann das Sprachvermögen durch die Beziehung zu einem Tier trainiert werden (Vgl. Vanek-Gullner 2003. S. 14). Auch der Kinderpsychotherapeut Boris Levinson fand bereits in den 60er Jahren heraus, dass ein kleiner Junge, der vorher monatelang die Kommunikation mit ihm verweigert hatte, durch die Gegenwart eines Hundes zum Sprechen angeregt wurde (Vgl. Nyhuus 2009, S. 12).

Der Psychologe R. Bergler ist der Meinung, dass das eigene Tier oder das Bezugstier für ein Kind „das einzige Lebewesen ist, dem es bedingungslos vertraut und daher alles erzählt, ohne Angst vor Konsequenzen zu haben“ (Vanek-Gullner 2003, S. 15).

Auch E. Obrich verweist auf das Konzept des „self disclosure“. Demnach ist ein Mensch in Gegenwart eines Tieres eher bereit, Bedeutsames aus dem eigenen Leben mitzuteilen. Begründet wird dies damit, dass im Umgang mit Tieren die „Maske der Zivilisation“ zur Seite geschoben werden kann und so Gespräche über emotionale Themen angeregt werden (Vgl. Olbrich/Otterstedt 2003, S. 5). Krowatschek berichtet, dass Kinder schildern, dass „Tiere ihnen zuhören, wenn sie ihnen ein Geheimnis anvertrauen, oder mit ihnen über Ängste und Ärger sprechen“ (Krowatschek 2007, S. 48).

Ferner reagieren Haustierbesitzer sensibler auf mimische Ausdrucksnuancen, als Nichttierbesitzer. Guttmann fand 1983 heraus, dass die Fähigkeit zur Wahrnehmung analoger Sprachinhalte bei Tierbesitzern ausgeprägter war, als bei Kontrollpersonen ohne Heimtier (Vgl. Guttman et. Al. 1983, S. 63). Bestätigt wird dies durch Ergebnisse von Bergler 1994 und Zemanek 1985. Kinder, die mit einem Haustier aufwachsen, sind in der Lage, Details des menschlichen Gesichtsausdrucks sicherer zu entschlüsseln, als Kinder ohne Haustier. (Vgl. Vernoij/Schneider 2008, S. 123)

Vernoij und Schneider betonen, dass der Umgang mit einem Tier die Fähigkeit, die Körpersprache und das Verhalten des Tieres gewissenhaft zu beobachten, fördert. Tiere sensibilisieren so für nonverbale Kommunikationselemente und im Umgang mit Tieren wird die Verständigung „durch Berührung, durch mimische, gestische und akustische Zeichen, durch Blickkontakt sowie Körperhaltung und –bewegung“ (Ebd. S. 124) erlernt. In der Interaktion mit einem Tier wird nach einer gemeinsamen Sprache zur Verständigung gesucht. Diese Sprache wird im weiteren Umgang mit dem Tier erweitert und variiert. Bergler vertritt die Ansicht, dass das Kind in der Interaktion mit dem Tier lernt „die Feinheiten nicht sprachlichen Verhaltens – Mienen, Gesten und Körpersprache – zu beachten, zu deuten und darauf auch unmittelbar zu reagieren. Dieses Kommunikationstraining entwickelt und fördert soziale Sensibilität und die Wahrnehmungsfähigkeit für Nuancen“ (Bergler 1994, S. 44). Erlangen die Kinder mehr Sicherheit in der Kommunikation mit dem Tier, so werden die erlangten kommunikativen Kompetenzen auch in interpersonale Beziehungen integriert und ihre Sensibilität für den nonverbalen Ausdruck von Mitmenschen gesteigert, so dass eine adäquate Reaktion darauf möglich ist (Vgl. Vernoij/Schneider 2008, S. 124).

2.1.10. Förderung sozialer und emotionaler Kompetenz

Kinder, die mit Tieren aufwachsen, erlangen frühzeitig die Fähigkeit, Gefühle zu verstehen. Bereits 1985 betonte Bryant, dass Kinder mit Tieren auch mehr Empathie gegenüber anderen Menschen zeigen (Vgl. Bryant, B. zit. nach Vanek-Gullner 2003, S. 18f.). Dies unterschreiben auch Poresky und Hendrix. Drei- bis sechsjährige Kinder, die mit einem Heimtier aufwuchsen, konnten sich besser in andere Lebewesen einfühlen, als Probanden der Kontrollgruppe ohne Tiere (Vgl. Poresky/Hendix 1989 zit. nach Vanek-Gullner 2003, S 18). Gattung oder Art des Tieres spielen dabei keine Rolle. Vidovic hingegen kann lediglich bestätigen, dass Hundebesitzer unter den Kindern mehr Einfühlungsvermögen zeigen. Zudem kommen sowohl Vidovic 1999 als auch Guttmann 1983 zu dem Ergebnis, dass Mädchen mehr Einfühlungsvermögen aufweisen als Jungen (Vgl. Vidovic 1999, S. 211-217/Guttmann 1983 zit. nach Vanek-Gullner 2003, S 19).

Ascione belegt den Zusammenhang zwischen Verhalten von Kindern gegenüber Tieren und deren Einfühlungsvermögen gegenüber Menschen. Kinder, die an einem tiergestützten Erziehungsprogramm teilnahmen, entwickelten höhere Empathie als die Probanden der Kontrollgruppe (Vgl. Ascione 1996, S. 188-195). Eins von mehreren diagnostischen Kriterien einer Verhaltensstörung im Kindes- und Jugendalter ist Tiermissbrauch, der auf einen Mangel an Empathie schließen lässt. Dabei lässt sich eine Korrelation mit interpersonaler Gewalt feststellen, „welche oft mit Störungen der Emotionsregulation, sozialer Kompetenz und emotionaler Intelligenz einher geht“ (Beetz 2003, S. 82).

Welches Tier steht für was?

Der Elefant: Größe, Kraft, Stärke und Weisheit. Der Tiger: Willenskraft, Stärke und Mut. Die Katze: Freiheit, Intuition und Selbstbestimmtheit. Der Hund: Geselligkeit, Loyalität und Lebensfreude.

Für welche Eigenschaften stehen Tiere?

Charaktereigenschaften der Tiere.

Welches Tier ist das Symbol der Liebe?

Die Taube ist ein Symbol für Liebe und Treue. Denn ein Taubenpaar verbringt ihr gesamtes Leben miteinander. Nicht nur das macht die Taube so besonders, auch durch ihr ausgeprägten Orientierungssinns und ihrem Trieb, immer wieder in ihren Heimatort zurückzukehren, kann die Taube als Sinnbild für Heimatgefühle gelten.

Welches Tier steht für die Ewigkeit?

Spinne: Weiblichkeit, Schöpferkraft und Unendlichkeit.