Was fällt schneller Feder oder Stein

Im Jahre 2007 startete die Quiz-Show "Wie schlau ist Deutschland?" von Johannes B. Kerner, rund um Alltagsrätsel und spannende Experimente, bei der Prominente aber auch Zuschauer interaktiv mitmachen konnten. Experimente haben meist etwas mit Naturwissenschaften zu tun und damit ist es manchmal so eine Sache. So auch bei der ersten Sendung im Frühjahr 2007.

Die Produktionsfirma mixtvision aus München wollte folgendes Experiment machen: Ein dicker Mann mit 120 kg Gewicht und ein dünnes Mädchen mit 50 kg springen zeitgleich von einem 5-Meter-Turm. Wer kommt zuerst an? Die Redaktion war sich wohl uneins und schrieb mich im Februar 2007 in einer Email an, mit der Bitte: Was ist die richtige Antwort?

Alles fällt im Vakuum gleich schnell

Klar, wenn es kniffelig wird und man nicht lange rumsuchen will, wendet man sich an einen Physiker, Astronauten und Professor dazu, der wird es wohl wissen. Eines war der Redaktion wohl noch aus der Schulzeit klar, wenn der Luftwiderstand nicht wäre, dann müssten beide exakt zur selben Zeit auf dem Wasser auftreffen. Dazu gibt es ein berühmtes Experiment und Video des Astronauten David Scott von Apollo 15, wo er auf dem Mond einen Hammer und eine Falkenfeder gleichzeitig fallen lässt und beide tatsächlich gleichzeitig auf dem Mondboden ankommen.

Aber was ist, wenn der Luftwiderstand dazukommt? Die Vermutung der Redaktion war (ich zitiere): "Das Mädchen fällt schneller als der Mann, da das Verhältnis von Gewicht zu Luftwiderstand besser ist." Da hatte wohl jemand aus dem Bauch heraus versucht, eine irgendwie plausible Erklärung zu geben. Man muss aber schon etwas mehr überlegen, um das richtige Ergebnis zu finden.

Trägheit gleich Gravitation immer aus

Welche Kräfte wirken auf den Springer? Da ist zunächst die Gravitationskraft F = m.g, wobei m die Masse des Springers und g = 9,8 m/s2 die Erdbeschleunigung. Der entgegen wirkt die Trägheitskraft F = m.a, wobei a die Beschleunigung des Springers ist. Da beide Kräfte entgegengesetzt wirken, erhält man durch Gleichsetzen m.a = m.g. Die Masse kürzt sich heraus und das Ergebnis lautet a = g. Die Beschleunigung und somit die Flugzeit t ist also unabhängig vom Gewicht des Springers. Der physikalische Grund für die Unabhängigkeit ist eben der, dass ein schwererer Körper der größeren Schwerkraft entsprechend mehr Trägheit entgegensetzt. Ebenso ist ein schweres Auto schwerer anzuschieben (große Masse und daher große Trägheit) als ein leichtes Fahrrad (kleine Masse, kleine Trägheit)

Was macht der Luftwiderstand?

Der Luftwiderstand ist zunächst nicht von der Masse abhängig, sondern von der Luftreibung an der Oberfläche des Springers. Die Luftreibung hat etwas mit der grundsätzlichen Form und Oberflächenbeschaffenheit des Körpers zu tun, dem sogenannten Widerstandsbeiwert. Da die generellen Körperverhältnisse des Menschen, dick oder dünn, immer dieselben sind, ist der Beiwert immer gleich und hat den Wert von etwa 1.

Der Luftwiderstand hängt außerdem noch quadratisch von der Fluggeschwindigkeit v, der Luftdichte und der angeströmten Querschnittsfläche des Körpers ab. Nur letztere ändert sich mit dem Gewicht, denn sie ist proportional zur Körperoberfläche. Weil die Körperoberfläche bei gleichen Körperproportionen quadratisch von der Körperlänge abhängt, das Volumen und auch das Gewicht aber mit der dritten Potenz der Körperlänge geht, hängt die Körperoberfläche und somit die angeströmte Fläche mit m2/3 vom Gewicht ab. Das ist ein wichtiges Zwischenergebnis.

Dick schlägt dünn …

Wenn ich jetzt die drei Kräfte (Schwerkraft, Trägheitskraft, Luftwiderstand) in einer Gleichung zusammenfasse, erhält man m.a = m.g – k.v2.m2/3. Der dritte Term ist der Luftwiderstand, wobei k eine Konstante ist. Das Minuszeichen besagt, dass die Kraft die Beschleunigung a reduziert. Wenn ich diese Gleichung durch die Masse dividiere, um auf der linken Seite die Beschleunigung zu erhalten, ergibt sich a = g – k.v2/m1/3. Weil also der Luftwiderstand nur mit m2/3 geht, nimmt der Beitrag des Luftwiderstandes zur Beschleunigung (die bestimmt letzt-endlich die Fallzeit durch Integration dieser Gleichung bestimmt) mit m-1/3 ab. Das bedeutet, bei einem schweren Körper verringert der Luftwiderstand die Beschleunigung weniger als bei einem leichten Körper bei ansonsten identischen Körperverhältnissen und gleicher Orientierung des Körpers zur Flugrichtung.

Das bestätigt unsere Erfahrung im Grenzfall extrem großer Gewichtsunterschiede, wie etwa Hammer und Feder. Der Hammer schneller fliegt als die Feder. Physikalisch liegt das an folgendem: Die Schwerkraft nimmt zwar mit m zu, aber der Querschnitt des Körper und somit sein Luftwiderstand nimmt nur mit m2/3 zu. Somit nimmt mit zunehmenden Gewicht die Schwerkraft stärker zu als der Luftwiderstand, was die Sache erklärt. Würden beide gleich zunehmen, flögen Dicke und Dünne immer gleich schnell.

… um Haaresbreite

Der Dicke kommt also früher an als die Dünne, und die Redaktion von mixtvision lag mit ihrer Vermutung daneben. Die Frage ist, um wie viel früher? Oder anders gefragt: Wie groß ist der Flugabstand zwischen beiden, wenn sie auf dem Wasser aufschlagen? Das kann man ausrechnen (Für diejenigen, die auch das genau wissen wollen, siehe die Berechnung am Ende dieser Kolumne). Das Ergebnis lautet, bei fünf Meter Sprunghöhe und den gegebenen Gewichten des Dicken und der Dünnen kommt der Dicke nur um etwa vier Millimeter vor der Dünnen an.

Eines ist wohl sofort klar, so einen kleinen Unterschied kann man nicht messen, denn dazu müssten die beiden Springer wirklich ganz exakt gleich abspringen, dazu auch absolut vertikal. Außerdem, wenn sich einer von beiden während des Fluges auch nur ganz leicht dreht oder beim Aufprall die Zehenspitze etwas ausstreckt, ist der Unterschied dahin. Das war der Grund warum ich der Redaktion damals von diesem Experiment abgeraten habe. 

So rechnet man den Flugabstand aus:

Wenn die Körper ungebremst flögen, gälte a = g, woraus durch Integration v = g.t folgt. Dieses Ergebnis setzen wir in a = g – k.v2/m1/3 ein und integrieren zweimal nach der Zeit. Man erhält für die Flugstrecke r = ½.g.t2 – 1/12.k.g2.t4/m1/3. Da nach der nominalen Zeit T die Sprunghöhe h = ½.g.T2 durchflogen ist, erhalten wir für die reduzierte Flugstrecke als Funktion der Sprunghöhe r = h – 1/3.k.h2/m1/3. Damit ergibt sich für den Flugabstand zwischen der kleine Masse m und der große M das Ergebnis ?r = 1/3.k.h2(m-1/3 - M-1/3). Wenn wir alle oben gegebenen Werte einsetzen und mit k ? 0.0065 [kg1/3/m] erhalten wir ?r = 3,7 mm. Dies ist nur ein ungefährer Wert, da der Widerstandsbeiwert eines menschlichen Körpers bei unterschiedlichen Körperorientierungen und damit k nicht genau bekannt ist.

VGW

Gastartikel von Prof. Dr. Ulrich Walter, Diplom-Physiker und bekannter Weltraumexperte und präsentiert seit September 2016 die Doku-Reihe „Spacetime“.

Warum fallen Stein und Feder im Vakuum gleich schnell?

Da auf alle Körper im freien Fall eine gleich große Beschleunigung wirkt, fallen alle Körper gleich schnell.

Was fällt schneller 1 kg oder 10 kg?

Die Geschwindigkeit eines fallenden Objektes nimmt pro Sekunde um 9,81 m/s zu. Egal wie schwer das Objekt ist. Das bedeutet in anderen Worten: alle Körper fallen gleich schnell.

Warum fällt ein schwerer Körper schneller?

Physikalisch liegt das an folgendem: Die Schwerkraft nimmt zwar mit m zu, aber der Querschnitt des Körper und somit sein Luftwiderstand nimmt nur mit m2/3 zu. Somit nimmt mit zunehmenden Gewicht die Schwerkraft stärker zu als der Luftwiderstand, was die Sache erklärt.

Was ist schneller unten?

Galileo Galileis wohl berühmteste Entdeckung – nämlich die, dass im Vakuum alle Dinge gleich schnell fallen – lässt sich leicht bestätigen, selbst wenn man gerade kein Vakuum zur Hand hat.