"Mülltrennung" von Zellen Wichtiger Beitrag für Verständnis von Autoimmunkrankheiten
Die Arbeiten von Prof. Gerhard Krönke zu Entsorgungswegen körpereigener und körperfremder Zellen liefern einen wichtigen Beitrag für das Verständnis von Autoimmunkrankheiten wie Multiple Sklerose und rheumatoide Arthritis. Er wurde dafür von Staatssekretär Lutz Stroppe mit dem renommierten Langener Wissenschaftspreis ausgezeichnet.
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Prof. Gerhard Krönke hat sich in seiner Forschungsarbeit mit dem Titel „Mechanismen der peripheren Immuntoleranz als Grundlage für das Verständnis und die Therapie autoimmunologischer Erkrankungen“ mit Zellentsorgungswegen auseinandergesetzt. Dafür wurde er am Freitag von Staatssekretär Lutz Stroppe mit dem renommierten Langener Wissenschaftspreis ausgezeichnet.
„Mülltrennung im Körper“
Er beschreibt in seiner Forschungsarbeit die unterschiedlichen Entsorgungswege körpereigener und körperfremder Zellen durch verschiedene Populationen von Makrophagen (körpereigene Abwehrzellen) und vergleicht diese mit einer „Mülltrennung“. Die Immunabwehr muss gewährleisten, dass nur Krankheitserreger eine bestimmte Immunantwort aktivieren. Wenn bei der Unterscheidung eigener und fremder Zellen im Körper ein Fehler passiert, kann dies zu Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Multiple Sklerose führen. Mit seiner Forschungsarbeit liefert er wichtige Erkenntnisse, um das Entstehen von Autoimmunkrankheiten und die Regulierung und Fehlregulation des Immunsystems besser zu verstehen. Aus den Ansätzen ergeben sich daher auch neue Erkenntnisse für zukünftige Therapiemöglichkeiten.
Alle zwei Jahre wird der Preis für besondere Forschungsarbeiten des biomedizinischen Gebiets vergeben, der mit 15.000 Euro Preisgeld dotiert ist und durch private Stifter sowie durch die Stadtwerke finanziert wird. Der Preis ehrt jedes Mal eine Forschungsarbeit in der Tradition des Nobelpreisträgers für Medizin, Paul Ehrlich, dem Namensgeber des in Langen beheimateten gleichnamigen Bundesinstituts für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel (PEI).
Quelle: BMG
Gemeinsame Pressemitteilung des Paul-Ehrlich-Instituts und der Bundesärztekammer nach einem zweiten Leukämiefall nach Gentherapie in Frankreich. Konsequenz für klinische Prüfung retroviralen Vektoren.
Am Freitag, dem 20.12.2002, teilte Dr. Alain Fischer, Hôpital Necker des Enfants Malades, Paris, dem Paul-Ehrlich-Institut mit, dass bei einem zweiten in Frankreich mittels Gentherapie behandelten Patienten eine Leukämie-ähnliche Krankheit diagnostiziert wurde. Das
Paul-Ehrlich-Institut informierte in Abstimmung mit der Kommission Somatische Gentherapie (KSG) des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer innerhalb eines Tages die Leiter klinischer Prüfungen in Deutschland, bei deren Studien lebende, retroviral modifizierte Zellen verwendet werden sollen. Bei drei von insgesamt 16 in Deutschland gemeldeten klinischen Prüfungen mit retroviralen Vektoren war nach einem ersten Leukämie-Fall in Frankreich eine Wiederaufnahme der klinischen Prüfungen in
Aussicht gestellt worden (siehe gemeinsame Mitteilung des Paul-Ehrlich-Instituts und der Bundesärztekammer vom 22.11.2002; //www.pei.de/pm/2002/6_2002.htm). Bis zur weiteren Aufklärung des zweiten Leukämiefalles werden die KSG und das Paul-Ehrlich-Institut die Unterbechung einer dieser klinischen Prüfungen, nämlich der CGD-Studie (erbliche Immunschwächekrankheit "Chronische Granulomatose", siehe "Hintergrundinformation" im
Anhang), aufrecht erhalten. Bei der CGD-Studie werden, wie bei der Studie in Frankreich, retroviral modifizierte Blutstammzellen verwendet, deren Risikopotenzial vorläufig höher als das anderer retroviral modifizierter Zellen eingeschätzt wird. Eine Wiederaufnahme der beiden anderen Studien zur Behandlung der 'Spender-gegen-Wirt-Krankheit' (GvHD) durch Lymphozyten, die medikamentös im Körper abgetötet werden können, wird in Kürze mit der Auflage der nochmaligen Änderung der entsprechenden
Patienteninformationen (Erwähnung des zweiten Leukämiefalles) empfohlen werden (siehe "GvHD-Behandlung durch Suizidgentransfer und Ganciclovirgabe" in "Hintergrundinformation"). Die Unterbrechung aller weiteren klinischen Prüfungen unter Verwendung lebender, retroviral modifizierter Zellen wird aufrecht erhalten, einige dieser Studien wurden bereits abgeschlossen.
Anträge für zwei neue Studien unter Verwendung modifizierter Lymphozyten bei HIV-Infizierten und modifizierten
Gelenkgewebezellen bei Rheumakranken liegen vor. Über diese zwei Studien und die bereits erwähnte CGD-Studie wird im Februar beraten werden.
"Für die Gentherapie unter Verwendung retroviral modifizierter Blutstammzellen markiert die Nachricht vom zweiten Leukämiefall in Frankreich einen ernsthaften Rückschlag," äußerte Prof. Klaus Cichutek, Vizepräsident des Paul-Ehrlich-Instituts und Vorsitzender der KSG. Über die Häufigkeit des Auftretens einer Leukämie bei retroviraler Modifizierung von
Blutstammzellen könne derzeit nicht abschließend geurteilt werden. Allerdings würden mit Ausnahme der zwei Leukämiefälle in Frankreich bisher keine weiteren Krebsfälle gemeldet oder bekannt, die auf die Verwendung bestimmter Vektoren oder Zellen zurückgeführt werden können. Nach einem der möglichen, derzeit allerdings unbewiesenen Erklärungsansätze könnten Leukämien bei der SCID-X1-Studie durch die Verwendung des retroviralen Gentransfers an Blutstammzellen und weitere, das Zellwachstum
fördernde Konditionen verursacht werden. Zu den weiteren Konditionen gehöre als wichtiger kritischer Faktor das therapeutische Gen, das eingesetzt werde. Insofern müßten diese Fälle sehr eingehend untersucht werden, um Gewissheit darüber zu gewinnen, ob eine Stammzellgentherapie bei anderen lebensbedrohlichen Krankheiten ebenso risikobehaftet ist.
Erstmals war dem Paul-Ehrlich-Institut und der KSG im September 2002 mitgeteilt worden, dass bei einem in Frankreich mittels Gentherapie
behandelten Patienten eine Leukämie-ähnliche Krankheit diagnostiziert worden war. Im Rahmen dieser französischen Studie, die bis heute unterbrochen ist, wurden Kinder, die an der erblichen Immunschwächekrankheit SCID-X1 (Typ X1 der "Severe Combined immunodeficiency Disease") leiden, mit eigenen, modifizierten Blutstammzellen behandelt. Die Normalfunktion der Blutstammzellen wird durch retroviralen Transfer der funtionsfähigen Form (Allel) des bei dieser Erbkrankheit defekten Gens hergestellt.
Daraufhin hatte die KSG zuletzt im November 2002 in Abstimmung mit dem Paul-Ehrlich-Institut mit dem eingangs erwähnten Ergebnis über die mögliche Fortsetzung entsprechender Gentherapie-Studien in Deutschland beraten.
Prof. Dr. Klaus Cichutek
Vizepräsident des Paul-Ehrlich-Instituts
Vorsitzender der "Kommission Somatische Gentherapie"
Hintergrundinformation:
In Deutschland wurden seit Unterbrechung aller 16 klinischen Prüfungen unter Verwendung lebender, retroviral
modifizierter Zellen drei Protokollergänzungen und ein Neuantrag für die Fortsetzung von Studien sowie ein Neuantrag vorgelegt (Antrag bei der KSG und/oder Vorlage gemäß §40 Arzneimittelgesetz (AMG) beim Paul-Ehrlich-Institut).
1. Gentherapie einer monogenen Erbkrankheit:
Zur Behandlung der lebensbedrohlichen monogenen Erbkrankheit Chronische
Granulomatose (CGD; "Chronic Granulomatous Disease") werden eigene (autologe)
Blutstammzellen des Patienten übertragen, deren Gendefekt
mittels retroviraler
Übertragung des funktionellen Gens korrigiert wurde. Dies soll helfen, die angeborene
Immunschwäche zu mildern oder zu heilen.
Status: 1 angemeldete Studie; unterbrochen;
Protokolländerung liegt vor und ist erneut zu beraten.
2. GvHD-Behandlung durch Suizidgentransfer und Ganciclovirgabe:
Unterdrückung von Abstossungskomplikationen bei der Behandlung von Leukämien
durch Transplantation fremder (allogener) Blutstammzellen und Lymphozyten.
Die
Übertragung der Fremdspenderlymphozyten ist eine konventionelle Tumorbehandlung,
die nach vorhergehender Chemotherapie und allogener Stammzelltransplantation
zu einer Unterdrückung der Leukämie führt (Spender-gegen-Leukämie
Effekt). Allerdings kann als unter Umständen lebensbedrohliche Komplikation eine von
den übertragenen Lymphozyten hervorgerufene, überschiessende immunologische
Abwehrreaktion auftreten (Spender-gegen-Wirt Krankheit; GvHD). Wenn
Fremdspenderlymphozyten verwendet werden, denen ein medikamentös
aktivierbares, zellabtötendes Gen (Suizidgen; Thymidinkinasegen des Herpes simplex
Virus) retroviral übertragen wurde, können diese Zellen bei Auftreten einer
schwerwiegenden GvHD durch Gabe des spezifischen Medikaments im Körper
abgetötet werden, so dass eine lebensbedrohliche Komplikation vermieden wird.
Status: 4 angemeldete Studien; unterbrochen,
zwei Studien werden mit Auflage (Protokolländerung) zur
Weiterführung empfohlen.
3. HIV-Gentherapie:
Durch Übertragung von Lymphozyten, die eine HIV-hemmendes Gen tragen, soll die
HIV-Vermehrung im Körper unterdrückt werden.
Status: 1 angemeldete Studie, nach Unterbrechung vom Antragsteller zurückgezogen;
1 überarbeiteter Neuantrag liegt vor und ist im Normalverfahren zu beraten.
4. Lokale Gentherapie der rheumatoiden Arthritis:
Aus von der Arthritis betroffenen Gelenken werden (Synovial)-Zellen entnommen.
Nach
Übertragung eines Gens (IRAP, "Interleukin Receptor Antagonist"), dessen
Produkt zur Gelenkentzündung beitragende Faktoren (Zytokine) abfangen kann,
werden die modifizierten Zellen wieder in das Gelenk übertragen. Die Zellen werden bei der anschließenden operativen Entfernung des Gelenks, die bei den eingeschlossenen Patienten bisher nicht vermeidbar ist, wieder entnommen.
Status: 1 angemeldete Studie, unterbrochen;
Neuantrag zur Weiterführung dieser Studie liegt vor und ist im
Normalverfahren zu beraten.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Organisatorisches
Deutsch