Die ziege oder wer ist sylvia berlin

Theater Innsbruck

"Die Ziege oder Wer ist Sylvia?": Tierisch verliebt

Sodomistisches Treiben von Edward Albee im Treibhaus Innsbruck

Architekt Martin Gray hat es geschafft. Mit gerade mal fünfzig Jahren wird ihm der Pritzker-Preis zugesprochen und sein Entwurf zum Milliardenprojekt "Metropole der Welt" hat eben das Rennen gemacht. Auch privat scheint alles paletti. Er liebt seine Frau, sie ihn, und sein siebzehnjähriger Sohn ist zwar schwul - aber mein Gott, soll er doch! Dennoch, irgendetwas läuft unrund mit Martin. Er ist hoffnungslos verliebt. In Sylvia. Und - Sylvia ist eine Ziege! Mit dieser einigermaßen schockierenden Offenbarung gerät die Vorzeigeehe aus den Fugen. "Ziegenficker" ist ab nun das meiststrapazierte Vokabel. Das Staatstheater - Innsbrucks schrille Off-Theatertruppe - zeigt Edward Albees radikale Eifersuchtsgroteske "Die Ziege oder Wer ist Sylvia?" in der Inszenierung von Verena Schopper im Treibhaus.

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Der Erfolgsarchitekt Martin Gray (Guntbert Warns) feiert seinen 50. Geburtstag. Prvat scheint alles bestens zu laufen: Es klappt nach wie vor mit seiner attraktiven Gattin Stevie (Catrin Striebek). Und dass der Sohn Billy (Sven Fricke) das andere Geschlecht noch nicht erobert hat, ist nicht nur für Martins Freund Ross (Stefan Jürgens) nur eine vorübergehende wenn auch leicht irritierende Phase.

Der Fernsehjournalist Ross hat sich samt Kameramann zu einem TV-Porträt angesagt, gilt es doch nicht nur den runden Geburtstag Martins zu feiern, sondern auch seine beruflichen Erfolge. Soeben hat er den Pritzker-Preis erhalten, ein dem Pulizer-Preis entsprechender Architektur-„Oscar“. Außerdem ist er mit der Entwicklung der World City, eines 27 Milliarden Dollar schweren Prestige-Projektes, betraut worden.

Doch der Drehtermin platzt, Martin ist nicht bei der Sache. Ross bohrt so lange nach, bis ihm das Paradebeispiel gutbürgerlicher Normalität beichtet, dass er nach 15 glücklichen und seitensprungfreien Ehejahren eine Geliebte hat: Sylvia. Was soll’s, tröstet Ross. Freilich: Who, the fuck, is Sylvia? Eine Ziege!

Ross fasst es nicht, Martins Gattin Stevie, von seinem besten Freund brieflich in Kenntnis gesetzt, noch weniger: binnen kurzer Zeit bricht die heile Welt zusammen und die kühle, ganz im Weiß der Unschuld gehaltene Designer-Luxusvilla (in Bernhard Siegls Bühne ist das wenige Grün sorgsam eingepfercht) gleicht einem Trümmerhaufen.

Doch anders als es Ross vermutet ist für das Ehepaar nicht nur die bürgerliche Fassade eingestürzt, sondern die gemeinsame Existenz: mit der Vertrautheit wird das Leben beerdigt und am Ende bleibt nicht nur die Ziege auf der Strecke…

Edward Albee, 1928 in Washington geboren, gilt seit seinem Klassiker der Moderne, „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“, am Schauspielhaus Bochum u.a. von Jürgen Kruse zu Jahresbeginn 1999 in Szene gesetzt, als einer der bedeutendsten und einflussreichsten amerikanischen Dramatiker. Sein Stück „Die Ziege“, 2002 als bester dramatischer Text des Jahres mit dem Tony Award ausgezeichnet, ist eine erneut raffiniert gebaute Zimmerschlacht, eine Boulevard-Komödie, aber auch ein allegorisches Spiel, vielleicht gar eine antike Tragödie.

Der Titel geht auf William Shakespeares Sonett „Who is Sylvia?“ zurück, in dem es, in der Übersetzung Eduard von Bauernfelds, heißt: „Ihrem Aug‘ eilt Amor zu / Dort heilt er seine Blindheit / Und verweilt in süßer Ruh.“ Albees Stück „Die Ziege“ trägt jedoch auch einen Untertitel: „Anmerkungen zu einer Bestimmung des Tragischen“.

Andrea Breth, die 2004 im Wiener Akademietheater die Deutschsprachige Erstaufführung u.a. mit Peter Simonischek, Corinna Kirchhoff und Johann Adam Oest inszenierte, ist dem Autor hierin mit bewunderungswürdiger Genauigkeit gefolgt: Die existentielle Pein des bis dahin glücklichen Muster-Ehepaares, die Ausweglosigkeit ihrer Situation, gewinnt in ihrer Inszenierung, der eine eigene Textfassung Albert Ostermaiers zugrunde liegt, tatsächlich Dimensionen der klassischen griechischen Tragödie.

Alle weiteren Versuche quer durch das deutschsprachige Theater, die mit der autorisierten Übersetzung von Alissa und Martin Walser arbeiten, angefangen bei der Deutschen Erstaufführung Felix Praders mit Christian Berkel und Andrea Sawatzki 2004 im Berliner Renaissance-Theater bis hin zu Burghart Klaußners Regiedebüt an dem Hamburger Kammerspielen Ende Januar 2006, sind an dem Spagat zwischen Boulevard und antiker Tragödie gescheitert.

Bestenfalls ist dabei, wie ab Herbst 2006 in einer Gastspiel-Aufführungsserie am Schauspielhaus Bochum zu sehen war, ein flottes, mit 90 Minuten auskommendes well-made-play herausgekommen, das von großartigen Schauspielern lebt. In München wars zuletzt der auch hierzulande bestens bekannte August Zirner als Martin, in Hamburg ists die Klaußner-Partnerin der tollen Bochumer Botho Strauß-Produktion „Die Zeit und das Zimmer“, Catrin Striebeck, als handfeste Stevie.