Mythos oder Tatsache: Wir gehen der Frage nach, ob beim Auffahrunfall immer der Auffahrende Schuld trägt.
Veröffentlicht am 12.08.2022
- Wer hat beim Auffahrunfall Schuld?
- Sachverständiger klärt Schuld bei Auffahrunfall
- Bremsen ohne ersichtlichen Grund
- Kein ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten
- So minimiert ihr das Risiko eines Auffahrunfalls
Ein etwas schärferes Bremsmanöver, ein unachtsamer Hintermann verbunden mit einem zu geringen Sicherheitsabstand, und schon kracht es: Auffahrunfall. Eine weit verbreitete Meinung dazu: „Schuld hat, wer hinten auffährt!“ Wieso das so nicht immer stimmt und wie ihr das Risiko eines Auffahrunfalls minimieren könnt, erfahrt ihr hier.
Wer hat beim Auffahrunfall Schuld?
In Paragraf 18, Absatz 1 der Straßenverkehrsordnung ist festgehalten, dass der Lenker eines Fahrzeugs „stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten [hat], das ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.“ Die Schuldfrage ist trotzdem nicht immer ganz einfach zu klären.
Sachverständiger klärt Schuld bei Auffahrunfall
Dass die Rechtslage auch bei Auffahrunfällen nicht so eindeutig ist, zeigen österreichische Gerichtsurteile, die nach Abklärung durch einen Sachverständigen gefällt wurden. Zur Klärung des Unfallherganges und der Schuld werden häufig auch Gerichtsverhandlungen direkt am Unfallort anberaumt. Dabei wird festgestellt, welcher der Verkehrs- bzw. Unfallteilnehmer vorsätzlich oder fahrlässig gegen Verkehrsregeln verstoßen hat. Derjenige trägt dann auch die (Haupt-)Schuld am Unfall.
© Bild: istock.com/Tom Merton
Bremsen ohne ersichtlichen Grund
Nimmt ein vorfahrender Autofahrer z.B. eine plötzliche Bremsung vor, ohne dass ein ausreichender Grund dafür gegeben ist, trägt dieser auch die Schuld, wenn ein nachkommendes Fahrzeug auffährt. So darf z.B. für Kleintiere wie z.B. einem Hasen oder Igel, der die Fahrbahn überquert, keine Vollbremsung hingelegt werden. Ein größeres Tier, wie z.B. ein Hirsch, gilt hingegen sehr wohl als ausreichender Grund für eine Vollbremsung – in diesem Fall träfe den hinten auffahrenden Fahrer die Schuld am Auffahrunfall, wenn eine rechtzeitige Bremsung nicht mehr möglich ist.
Tipp: So wird der richtige Sicherheitsabstand berechnet
Kein ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten
Eine (zumindest) Teilschuld trägt der Hintermann in den meisten Fällen auch dann, wenn kein ausreichender Sicherheitsabstand zum Vordermann eingehalten wurde oder die Geschwindigkeit zu hoch war bzw. nicht der Situation angepasst war. Eine Alkoholisierung führt selbstverständlich immer zu einer Mitschuld.
So minimiert ihr das Risiko eines Auffahrunfalls
Als vorfahrender Autofahrer ist man dem nachfolgenden Verkehrsteilnehmern fast hilflos ausgesetzt. Daher sollte die eigene Fahrweise immer so angepasst werden, dass das Risiko eines Auffahrunfalls vermindert wird. Wenn der Hintermann zu wenig Abstand hält: Unbedingt den eigenen Abstand zum Vordermann vergrößern oder (noch besser) den Drängler vorbeifahren lassen.
Auto-News Wer auffährt hat nicht immer Schuld
Recht: Haftung bei Ketten-Auffahrunfall
Veröffentlicht am 04.04.2014 | Lesedauer: 2 Minuten
Wer auffährt hat Schuld, lautet eine Autofahrerweisheit. Das gilt aber laut einem aktuellen Gerichtsurteil nicht immer
Quelle: GDV
Wer auffährt hat Schuld, lautet eine Autofahrerweisheit. Das gilt aber laut einem aktuellen Gerichtsurteil nicht immer – zum Beispiel dann, wenn der Unfallhergang nicht mehr genau aufzuklären ist.
Bei einem Auffahrunfall trägt grundsätzlich der Auffahrende die Schuld. Der so genannte „Beweis des ersten Anscheins“ spricht gewöhnlich dafür, dass der Hintermann mit einem zu geringen Sicherheitsabstand gefahren ist oder zu spät reagiert hat. Sind aber an dem Unfall mehrere Fahrzeuge beteiligt und ist der Ablauf der Zusammenstöße nicht mehr aufzuklären, muss etwas anderes gelten, hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden.
Der Fall: Bei einem Auffahrunfall mit mehreren Fahrzeugen prallte eine Frau als letzte der Unfallbeteiligten auf das Auto vor ihr. Das Fahrzeug des Vordermanns erlitt einen Heckschaden sowie einen Frontschaden – wobei nicht aufzuklären war, ob die Frau durch das Auffahren den Pkw auf das andere Auto geschoben hatte oder der Fahrer zuvor bereits mit dem vorausfahrenden Wagen kollidiert war.
Der Kläger wollte den Heckschaden zu 100 Prozent ersetzt haben, das OLG Hamm sprach ihm aber nur einen 50-prozentigen Ersatz des Schadens zu. Denn der Beweis des ersten Anscheins sei bei Kettenauffahrunfällen nicht anzuwenden, so das Urteil. Der typische Geschehensablauf liege nicht vor, wenn nicht feststehe ob das vorausfahrende Fahrzeug rechtzeitig hinter seinem Vordermann zum Stehen gekommen sei. Es bestehe die Möglichkeit, dass der Kläger für die Frau unvorhersehbar, ruckartig zum Stehen gekommen sei, indem er seinerseits auf seinen Vordermann auffuhr. (Az. 6 U 101/13)