Alle sind gleich modern familx

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So sah sie vor ein paar Jahren aus, die «Modern Family». (Bild: Imago)

Fröhlich-durchgeknallt divers

Gegen das Serienfieber gibt es keinen Impfstoff. Wer davon befallen wird, muss jede Folge sehen, bis zum Ende. «Modern Family» hat elf Jahre durchgehalten und Millionen infiziert. Nun hat auch unser Autor der Erfolgsserie eine Chance gegeben. Endlich!

Der Begriff der Diversität hat den Respekt und die Toleranz überflügelt. Wir sind alle divers, verschieden, aber das waren wir eigentlich schon immer. Und gleichzeitig unterscheiden wir uns in vielem nicht von den andern, besonders was die Gewohnheiten angeht. Die Serie «Modern Family» ist ganz nach dem Konzept der Diversität gestrickt, von einem Dutzend Hauptarstellerinnen und -darstellern sowie einer Französischen Bulldogge namens Stella. Inklusion statt Ausgrenzung gilt sogar für den Hund, der nicht bei allen Familienmitgliedern gleich willkommen ist.

Die moderne Familie ist zunehmend auch in den Vereinigten Staaten eine Patchworkfamilie, das klassische Drei-Generationen-Modell ein irreales Wunschbild der sonst ebenfalls sehr diversen Kirchen und konservativer Kreise. «Modern Family» repräsentiert ein Amerika von heute, eben das moderne Amerika.

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Jay Pritchett (Ed O’Neill) mit seiner Französischen Bulldogge Stella. (Bild: Courtesy of ABC)

Der Silberrücken des Clans ist Jay Pritchett, der von Ed O’Neill gespielt wird, älteren Fernsehzuschauern bekannt als Schuhverkäufer Al aus «Eine schrecklich nette Familie». Den Erfolg einer derart populären Serienfigur nicht nur zu wiederholen, sondern ihn gar zu übertreffen, haben ihm vermutlich wenige zugetraut. Diesmal ist er kein glücklicher Vollversager, vielmehr geniesst er die Früchte seiner Arbeit als Chef von Pritchett’s Closet (Slogan: «Closet? You’ll love it!» – «closet» heisst: der Wandschrank).

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Ed O’Neill als Familienoberhaupt Jay Pritchett, zusammen mit seiner Frau Gloria (gespielt von Sofía Vergara) und Stiefsohn Manny (Rico Rodriguez). (Bild: Imago)

Kurvenstar mit Migrationshintergrund

Verheiratet ist Jay mit der aus Kolumbien stammenden Gloria (Sofia Vergara), die einen Sohn in die Ehe eingebracht hat, den übergewichtigen, altklugen Manny (Rico Rodriguez). Jay hat selber einen Sohn, Mitchell (Jesse Tyler Ferguson), rothaarig und schwul, sowie eine Tochter, Claire (Julie Bowen). Claire ist verheiratet mit Phil Dunphy (Ty Burrell), einem herzensguten, ewig kindischen Immobilienverkäufer. Ein Trottel und gerade drum ein Idol!

Die Dunphys haben drei Kinder, Haley (Sarah Hyland), Alex (Ariel Winter) und Luke (Nolan Gould). Haley und Luke sind nicht die Hellsten, wohingegen die Streberin Alex intellektuell aus der Reihe schlägt, denn auch Phil und Claire wären bei der Erfindung des Rads chancenlos geblieben. Claires Bruder Mitchell lebt mit dem einige, man könnte auch sagen diverse Pfunde zu viel auf die Waage bringenden Cameron (Eric Stonestreet) und dem gemeinsamen Adoptivkind Lily (Aubrey Anderson-Emmons) im dritten Haushalt.

Sofia Vergara hat laut dem Magazin «Forbes» zum wiederholten Mal Platz 1 belegt unter den bestbezahlten Schauspielerinnen der Welt. Mehr als 40 Dollarmillionen fliessen jährlich auf ihr Konto. Wie Salma Hayek oder Penélope Cruz und auch Jennifer Lopez versteht sie es, sich die Aura der sexy Latina vergolden zu lassen.

Vergara, Jahrgang 1972, kommt tatsächlich aus Kolumbien, sie verkörpert den «American Dream» zahlloser Immigrantinnen, es zu schaffen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Und im wirklichen Leben ist sie nicht mit einem Wandschrank-Hersteller verheiratet, sondern mit einem Mann, der ihr in puncto Sexiness in nichts nachsteht: Joe Manganiello (einem der Hauptdarsteller aus dem Stripper-Hit «Magic Mike»).

Was sind Familienwerte?

«Modern Family» hat das Publikum von 2009 bis 2020 gerührt, zum Lachen und zum Nachdenken gebracht. Zum Nachdenken darüber, welches denn die vielbeschworenen Familienwerte sind. Das Schwulenpaar mag einigen Klischees entsprechen (Cameron ist verrückt nach Musicals), einigen aber läuft es auch zuwider. Die beiden haben weder einen erlesenen Designergeschmack, noch sehen sie umwerfend aus, nein, sie sehen aus wie Millionen andere Amerikaner, nur hie und da ein kleiner tuntiger Aufschrei à «La cage aux folles» oder eine Madonna-Verehrung, nicht zu verwechseln mit der Madonnenverehrung.

Jede Zuschauerin und jeder Zuschauer wird seine persönliche Lieblingsserienfigur finden, falls er oder sie diese nicht schon gefunden hat. Ich zum Beispiel schwanke zwischen Phil Dunphy, Jay Pritchett, Gloria Pritchett und deren Rivalin Stella, der Bulldogge. Wobei auch Gloria bisweilen an eine Bulldogge erinnert, eine kolumbianische Bulldogge halt. Wie sie ihren Manny ständig beaugapfelt und ihn vor allem Möglichen und Unmöglichen zu beschützen versucht, das übertrifft die schlimmsten amerikanischen Helikoptereltern und ist zum Totlachen.

Auf Netflix sind seit Juni 2020 zehn Staffeln abrufbar, nur die elfte fehlt (noch). Ich bin bald durch mit Staffel 7. Es ist mir mittlerweile völlig unverständlich, weshalb ich so lange brauchte, bis ich «Modern Family» und mir eine Chance gab. Es hat sich gelohnt. Ein bisschen fühlt es sich nämlich an, als sei ich ein Teil dieser «Modern Family».

PS: Eine Episode dauert nur gerade um die 20 Minuten und ist deshalb ein idealer Serien-Snack. Aber wie bei einem süssen Snack sollten Sie es mit dem Konsum nicht sinnlos übertreiben.

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