Wie alt sind Hanni und Nanni Hörspiel?

Seit Han­ni und Nan­ni Sul­li­van in den 1960er Jah­ren in das Inter­nat Lin­den­hof gekom­men sind, haben sie es nicht mehr ver­las­sen. In die­ser Zeit haben sie viel erlebt, oder viel­mehr immer das­sel­be in Varia­tio­nen. Sie haben Unter­richt in Fran­zö­sisch, Mathe­ma­tik, Geschich­te, Eng­lisch (oder Deutsch?) und Zeich­nen gehabt, mal Schul­uni­for­men getra­gen und mal nicht, waren die Neu­en an der Schu­le und Schü­ler­spre­che­rin­nen, haben Hand­ball, Thea­ter und aller­lei mehr oder weni­ger lus­ti­ge Strei­che gespielt, sich um neue Mit­schü­le­rin­nen geküm­mert, Pfer­de und ihre Schu­le vor dem Ver­kauf geret­tet, waren in Geis­ter­schlös­sern, auf Mal­lor­ca und in New York, haben Mit­ter­nachts­par­tys gefei­ert und Ent­füh­rer verjagt.

Han­ni und Nan­ni hei­ßen eigent­lich Patri­cia und Isa­bel O’Sullivan und kom­men aus Eng­land. Sie leben in den 1940er Jah­ren, stam­men aus der obe­ren Mit­tel­schicht, haben zu Hau­se Dienst­bo­ten und spre­chen mit iri­schem Akzent. Mit 14 Jah­ren kom­men sie in das Inter­nat St. Clare’s, wo sie bis zur sechs­ten Klas­se blei­ben. An ihrer Schu­le wird Lacros­se gespielt und mor­gens gebe­tet. Ihre Aben­teu­er wur­den zwi­schen 1941 und 1945 in sechs Bän­den von der bri­ti­schen Kin­der­buch­au­torin Enid Bly­ton erzählt.

Han­nis und Nan­nis Erleb­nis­se kann man hin­ge­gen in 39 Bän­den nach­le­sen. Genera­tio­nen von Mäd­chen sind damit auf­ge­wach­sen. Aller­dings nicht unbe­dingt mit den Geschich­ten, die Enid Bly­ton geschrie­ben hat. Denn wäh­rend die­se das Leben in einem eng­li­schen Mäd­chen­in­ter­nat der 1940er Jah­re weit­ge­hend rea­lis­tisch beschreibt und dabei ein paar erin­ne­rungs­wür­di­ge Cha­rak­te­re erschafft, spie­len die über­setz­ten deut­schen Bän­de in einer Hybrid­welt, und die spä­te­ren über­haupt in einer Fan­ta­sie­welt, in der die Figu­ren immer ste­reo­ty­per agieren.

Die ursprüng­li­che Serie umfasst fol­gen­de Bände:

Band 1–6 von Enid BlytonDeut­sche Über­set­zung von Chris­ta KupferThe Twins At St. Clare’s (1941)Bd. 1: Han­ni und Nan­ni sind immer dage­gen (1965)The O’Sullivan Twins (1942)Bd. 2: Han­ni und Nan­ni schmie­den neue Plä­ne (1965)Sum­mer Term At St. Clare’s (1943)Bd. 3: Han­ni und Nan­ni in neu­en Aben­teu­ern (1965)Second Form At St. Clare’s (1944)Bd. 4: Kein Spaß ohne Han­ni und Nan­ni (1965)Clau­di­ne At St. Clare’s (1944)Bd. 11: Lus­ti­ge Strei­che mit Han­ni und Nan­ni (1967)Fifth For­mers At St. Clare’s (1945)Bd. 13: Fröh­li­che Tage für Han­ni und Nan­ni (1967)(Durch den spä­te­ren Ein­schub von Fol­ge­bän­den wei­chen die deut­schen Band­num­mern tlw. ab.)

Han­ni und Nan­ni sind immer dage­gen erschien 1965 im Franz Schnei­der Ver­lag, also 24 Jah­re nach dem Ori­gi­nal. „Deut­sche Bear­bei­tung: Franz Schnei­der Ver­lag“, steht im Impres­sum. Die­se deut­sche Bear­bei­tung war wohl auch dafür ver­ant­wort­lich, dass die von Chris­ta Kup­fer über­setz­te Ver­si­on um eini­ges kür­zer aus­fällt als die ursprüng­li­che. Immer wie­der feh­len ein­zel­ne Sät­ze und Absät­ze. Viel Hand­lung geht dabei meis­tens nicht ver­lo­ren (dass ein Pfund nicht aus 14 Unzen besteht, müs­sen die deut­schen Lese­rin­nen nicht unbe­dingt wis­sen), aber die eng­li­sche Ver­si­on liest sich dadurch, dass vie­le Dia­lo­ge aus­führ­li­cher sind, etwas leben­di­ger. Gegen Ende fehlt schließ­lich ein gan­zes Kapi­tel, das sich um ein mora­li­sches Dilem­ma Isa­bels dreht.

Wie alt sind Hanni und Nanni Hörspiel?
Band 1

Die Hand­lung des ers­ten Ban­des beginnt damit, dass die Zwil­lin­ge Patri­cia und Isa­bel O’Sullivan ger­ne mit ihren Freun­din­nen Mary und Fran­ces Waters in die vor­neh­me Ring­me­re-Schu­le gehen wol­len. Ihre Eltern fin­den aber, dass die Mäd­chen in ihrer vori­gen Schu­le ein biss­chen zu ein­ge­bil­det gewor­den sind, und schi­cken sie in das ihrer Ansicht nach viel ver­nünf­ti­ge­re St. Clare’s, wo es kei­ne Mäg­de gibt, um die Sachen der Mäd­chen zu fli­cken, und wo die jün­ge­ren Schü­le­rin­nen Diens­te für die älte­ren ver­rich­ten müs­sen. Die Zwil­lin­ge füh­len sich dort anfangs gar nicht wohl und sehen auf alles her­ab. Schon bald aber leben sie sich ein und hal­ten St. Clare’s für die bes­te Schu­le, in die sie kom­men konnten.

Damit ist der wich­tigs­te Hand­lungs­bo­gen, die cha­rak­ter­li­che Ent­wick­lung von Han­ni und Nan­ni, im Wesent­li­chen abge­schlos­sen. Der Rest des Ban­des ver­läuft sehr epi­so­den­haft, beschäf­tigt sich mit den Pro­ble­men ande­rer Schü­le­rin­nen und mit alber­nen Strei­chen. Die fünf wei­te­ren Ori­gi­nal­bän­de beglei­ten den Wer­de­gang der Zwil­lin­ge bis zur vor­letz­ten Klas­se, wobei die bei­den nicht mehr unbe­dingt durch­ge­hend die Haupt­rol­le spielen. 

Eng­lisch-deut­sche Hybridwelt

„Isa­bel and Patri­cia O’Sullivan were so ali­ke that only a few peop­le could tell which was Pat and which was Isa­bel“, erfährt man in der eng­li­schen Ver­si­on; auf Deutsch hei­ßen sie auch noch fast gleich, sodass sich die Fra­ge auf­drängt, wie die bei­den an ihrer neu­en Schu­le über­haupt irgend­wer jemals unter­schei­den soll. Zwar lau­ten die vol­len Namen Han­na und Mari­an­ne, die­se wer­den aber von nie­man­dem ver­wen­det. Die Spitz­na­men sind ein Sym­ptom dafür, dass die deut­sche Vari­an­te über­haupt etwas ver­kind­licht und ver­nied­licht daher­kommt: So sind die Zwil­lin­ge 12 Jah­re alt und nicht wie im Ori­gi­nal 14; was einer­seits wohl mehr dem Alter der inten­dier­ten Lese­rin­nen ent­spricht, ande­rer­seits auch dem durch­wegs prä­pu­ber­tä­ren Ver­hal­ten der Schü­le­rin­nen. Es ist schon erstaun­lich, wie viel Freu­de Enid Bly­ton 14-Jäh­ri­gen an alber­nen Strei­chen zuschreibt.

Auch wenn Bly­tons Geschich­ten in einer abs­tra­hier­ten Welt spie­len, die weder zeit­lich noch räum­lich genau defi­niert wer­den kann und außer­halb des welt­po­li­ti­schen Gesche­hens exis­tiert, so merkt man den Geschich­ten an eini­gen Stel­len doch ihr Alter an. Ein­zel­ne Details wer­den folg­lich in der deut­schen Ver­si­on ange­passt, etwa das Gram­mo­phon im Gemein­schafts­raum durch einen Plat­ten­spie­ler ersetzt, und wäh­rend die eng­li­schen Mäd­chen das Inter­nats­ge­bäu­de mit Hut und Man­tel ver­las­sen, zie­hen die deut­schen Mäd­chen nur einen Man­tel an. Im eng­li­schen St. Clare’s wird mor­gens gebe­tet, im deut­schen Lin­den­hof nicht. Das Tri­mes­ter endet in St. Clare’s mit dem gemein­sa­men Sin­gen der Schul­hym­ne, wäh­rend in Lin­den­hof ledig­lich ein „gemein­sa­mes Lied“ gesun­gen wird. Etwas gewun­dert haben sich deutsch­spra­chi­ge Lese­rin­nen der 1960er Jah­re viel­leicht dar­über, dass es in den Klas­sen­räu­men und Stu­dier­zim­mern offe­ne Kami­ne gibt und es üblich ist, dass Zwölf­jäh­ri­ge selbst­stän­dig Feu­er machen.

Wo genau St. Clare’s liegt, ist unbe­kannt, denn im gan­zen ers­ten Band fin­det sich nur ein ein­zi­ger geo­gra­phi­scher Hin­weis – der Schul­zug fährt von Pad­ding­ton ab, auf Deutsch von Hof­kir­chen; einen Ort die­ses Namens gibt es in Bay­ern. Dass es aber in Eng­land sein muss, merkt man an eini­gen sehr spe­zi­fisch bri­ti­schen Sit­ten und Gebräu­chen, die groß­teils nicht über­nom­men wur­den. Im eng­li­schen Inter­nat gibt es after­noon tea, im deut­schen Nach­mit­tags­kaf­fee. Die Schü­le­rin­nen von St. Clare’s tra­gen grey coats als Schul­uni­for­men. Die­se wer­den in der deut­schen Ver­si­on, zumin­dest im ers­ten Band, nicht erwähnt; in eini­gen spä­te­ren Bän­den, die kei­ne eng­li­sche Vor­la­ge mehr haben, gibt es aller­dings wie­der Schuluniformen.

Bezahlt wird in Lin­den­hof mit Mark und Pfen­nig. Das Ball­spiel Lacros­se, das selbst heu­te im deutsch­spra­chi­gen Raum nicht sehr bekannt ist, wird in der Über­set­zung zu Hand­ball, wobei sich schon vie­le sport­kun­di­ge Lese­rin­nen gewun­dert haben, war­um bei den Spie­len oft nur drei bis vier Tore geschos­sen wer­den – was beim Lacros­se durch­aus üblich ist, für ein Hand­ball­match aber sehr wenig.

Dass die eng­li­schen Vor­na­men der Mäd­chen fast immer ein­ge­deutscht wer­den, die Nach­na­men jedoch groß­teils nicht, führt zu selt­sa­men eng­lisch-deut­schen Hybri­den: Han­ni und Nan­ni Sul­li­van, Kat­rin Gre­go­ry, Suse Nay­lor, Mary und Frän­zi Waters.

Spra­che als Statussymbol

Wäh­rend die Spra­che im Ori­gi­nal sehr gerad­li­nig und schnör­kel­los wirkt, kommt sie in der Über­set­zung manch­mal arg gestelzt daher, vor allem wenn man bedenkt, dass hier Zwölf­jäh­ri­ge reden:

„We’ll go and see what she wants. But I’m not doing any boot-clea­ning or fire-ligh­t­ing, that’s cer­tain. And neit­her are you!“

„Wir wer­den uns erkun­di­gen, was sie will. Aber du kannst ver­si­chert sein, daß ich weder Schu­he put­ze noch Feu­er anmache.“

Ein wesent­li­cher Unter­schied zwi­schen der eng­li­schen und der deut­schen Ver­si­on ist, dass in ers­te­rer die Klas­sen­un­ter­schie­de viel deut­li­cher spür­bar und Patri­cia und Isa­bel wohl um eini­ges wohl­ha­ben­der als Han­ni und Nan­ni sind. Lie­ber als nach St. Clare’s/Lindenhof wären die Zwil­lin­ge ja mit ihren Freun­din­nen nach Ringmere/Ringmeer gegan­gen: „[…] eine aus­neh­mend gute Schu­le, nur Kin­der von wohl­ha­ben­den Leu­ten gin­gen dort­hin, und man fän­de so net­te Freun­din­nen.“ In der eng­li­schen Ver­si­on erfährt man aller­dings um eini­ges mehr: „It’s such a nice exclu­si­ve school, […]. You know – only girls of rich par­ents, very well-bred, go the­re, […].“ Und abends sind evening dres­ses üblich.

Han­ni und Nan­ni sind trau­rig, weil sie nach Lin­den­hof müs­sen, „wo jeder hin­ge­hen kann, wo sechs oder acht Mäd­chen in einem Raum schla­fen“. Patri­cia und Isa­bel mer­ken zusätz­lich an: „[the dor­mi­to­ries] aren’t near­ly as nice­ly fur­nis­hed as the maids’ bedrooms are at home!“ Aus dem deut­schen Sul­li­van-Haus­halt wur­den die Dienst­bo­ten gestri­chen, eben­so wie an allen ande­ren Stel­len, an denen sie im Ori­gi­nal erwähnt wer­den. Doch die Mut­ter der Zwil­lin­ge fin­det, die alte Schu­le habe sie ein biss­chen zu sehr ver­wöhnt, „and nowa­days we have to learn to live much more sim­ply“. Wenn man bedenkt, dass die­ser Band 1941, mit­ten im Zwei­ten Welt­krieg, ver­öf­fent­licht wur­de, erscheint die­ser Gedan­ke ver­nünf­tig. Die­ser Zusam­men­hang wird im Buch sel­ber aller­dings nicht aus­ge­führt, und es ist auch unklar, wann die Geschich­ten eigent­lich spie­len. Hin­wei­se auf Krieg gibt es jeden­falls nicht.

Die Zuge­hö­rig­keit zu einer bestimm­ten sozia­len Schicht spielt in der eng­li­schen Ver­si­on eine weit­aus grö­ße­re Rol­le als in der deut­schen, und die­se äußert sich auch in der Spra­che. Ein pro­mi­nen­tes Bei­spiel dafür ist die Schü­le­rin Sheila/Suse, deren Eltern ein­fa­che Leu­te sind, die es zu Wohl­stand gebracht haben. Das merkt man an ihrer Sprech­wei­se, die sich von jener der decent peop­le unterscheidet.

„Hark at Shei­la! ‚Didn’t ought to!‘ Good hea­vens, Shei­la whe­re were you brought up? Haven’t you learnt by now that decent peop­le don’t say ‚Didn’t ought to!‘“

Was auch immer an die­ser Aus­drucks­wei­se eng­li­sche Mit­tel­schichts-Mäd­chen der 1940er Jah­re empört haben mag, es ist auf Deutsch nicht nach­voll­zieh­bar, denn die deut­sche Suse sagt „du hät­test nicht gesollt“. Die ande­ren Mäd­chen mögen Shei­la nicht, weil sie stän­dig mit ihrem Reich­tum angibt:

„My good­ness, you talk about your ser­vants, and your Rolls Roy­ce cars, your hor­se and your lake and good­ness knows what – and then you talk like the daugh­ter of the dustman!“

– auf Deutsch etwas holp­rig wie­der­ge­ge­ben mit „aber zur glei­chen Zeit hast du die Sprech­wei­se eines Stra­ßen­keh­rers!“ Die deut­sche Suse gibt außer­dem nicht mit ihren Rolls Roy­ce-Autos an, son­dern mit ihren Mer­ce­des-Wagen. Ser­vants erwähnt sie nicht: Die­se wer­den in der Über­set­zung, wie erwähnt, kon­se­quent gestri­chen. Die ande­ren Mäd­chen beto­nen die Zuge­hö­rig­keit zu ihrer Schicht durch Rede­wen­dun­gen wie „I say“, „gol­ly“, „my word“ etc. In der deut­schen Ver­si­on fal­len die­se ersatz­los weg.

Decent oder mean? Abschwä­chung bri­ti­scher Werte

Am Anfang füh­len sich die Zwil­lin­ge im Inter­nat nicht wohl. Denn in ihrer alten Schu­le Redroofs/Neuenburg waren sie jemand: Head Girls, Ten­nis- und Hockey Cap­tain. In ihrer neu­en Schu­le St. Clare’s/Lindenhof hin­ge­gen sind sie nur zwei von vie­len und gehö­ren außer­dem zu den Jüngs­ten. Das gro­ße The­ma im ers­ten Band ist, dass die Zwil­lin­ge ver­su­chen, some­bo­dies ins­tead of nobo­dies zu wer­den. Die­se For­mu­lie­rung fin­det sich im Ori­gi­nal immer wie­der, in der deut­schen Ver­si­on wird sie hin­ge­gen immer unter­schied­lich wie­der­ge­ge­ben oder über­haupt weggelassen.

Wie alt sind Hanni und Nanni Hörspiel?
Band 6

Decent ist im eng­li­schen Buch eben­falls ein sehr wich­ti­ges Wort, Ehr­ge­fühl spielt in allen eng­li­schen Büchern eine gro­ße Rol­le. In der deut­schen Ver­si­on dage­gen wird ein gan­zes Kapi­tel, das sich nur um die­ses The­ma dreht – Isa­bel gerät in ein mora­li­sches Dilem­ma, weil sie ver­se­hent­lich die Fra­gen für die anste­hen­de Geo­gra­phie­prü­fung gese­hen hat – weg­ge­las­sen. Im Übri­gen ist nicht immer leicht nach­zu­voll­zie­hen, was in St. Clare’s als decent gilt und was nicht. Eine Leh­re­rin zu mob­ben, die es nicht schafft, in der Klas­se für Dis­zi­plin zu sor­gen, ist mit dem sen­se of honour der Schü­le­rin­nen ver­ein­bar; ein schlech­tes Gewis­sen haben sie erst, als sie mit­be­kom­men, dass die Leh­re­rin kün­di­gen will und des­halb finan­zi­el­le Pro­be­me bekä­me. Decent ist man auch, wenn man sei­nen Mit­schü­le­rin­nen groß­zü­gi­ge Geschen­ke macht, was zu der absur­den Situa­ti­on führt, dass ein weni­ger mit Bar­geld geseg­ne­tes Mäd­chen des­we­gen sei­ne Mit­schü­le­rin­nen bestiehlt, was ja wie­der­um nicht decent, son­dern mean ist. In der deut­schen Über­set­zung ist das alles nicht so markant.

Sechs Bän­de sind nicht genug

„Als Han­ni und Nan­ni aber zu den Lieb­lin­gen der Mäd­chen wur­den, sind wir gedrängt wor­den, immer mehr Bücher zu brin­gen“, ist hin­ten im ers­ten Band im Namen der „Han­ni und Nan­ni-Redak­ti­on im Franz Schnei­der Ver­lag“ zu lesen. Die­sem „Drän­gen“ kam der Ver­lag nach und brach­te wei­te­re Bän­de her­aus. Dass die­se gar nicht von Enid Bly­ton stam­men, ver­rät der Ver­lag aller­dings nicht, im Gegen­teil: Als Autorin wird Enid Bly­ton genannt, eine Über­set­zer­an­ga­be fehlt. Wer die Geschich­ten wirk­lich ver­fasst hat, wur­de nie offi­zi­ell verraten.

Die neu­en Bän­de beschrei­ben jene Schul­stu­fen und Tri­mes­ter, die Enid Bly­ton aus­ge­las­sen hat, oder spie­len in den Feri­en und wur­den zwi­schen den bereits über­setz­ten Ori­gi­nal­bän­den ein­ge­scho­ben. Das sorg­te schon damals für Kon­ti­nui­täts­pro­ble­me. So wird bei­spiels­wei­se im neu­en Band 6 (1972 erschie­nen) die Mit­schü­le­rin Clau­di­ne erwähnt, die aber erst im nun­meh­ri­gen Band 11 (1967 erschie­nen) dazukommt.

1973 brach­te der Schnei­der Ver­lag zudem eine Son­der­aus­ga­be mit Voka­beln her­aus: Adven­tures with Han­ni and Nan­ni I & II ent­spricht (bis auf eini­ge Kür­zun­gen) auf­ge­teilt auf zwei Bän­de dem Text von The Twins at St. Clare’s. Der Schock, dass die Zwil­lin­ge im Ori­gi­nal Patri­cia und Isa­bel hei­ßen, wur­de den Lese­rin­nen aller­dings erspart: Die eng­li­schen Namen wur­den durch „Han­ni and Nan­ni“ ersetzt.

Eini­ge der ers­ten Fort­set­zungs­bän­de fügen sich noch eini­ger­ma­ßen gut in die Serie ein, auch wenn sich die Schü­le­rin­nen Dirndlklei­der nähen, doch ent­fer­nen sie sich zuneh­mend von den Ori­gi­na­len. In Band 15, der 1971 erschien, machen die Mäd­chen ihren Abschluss, und es war wohl geplant, die Serie damit enden zu las­sen. Doch es ging wei­ter: In den Jah­ren 1984 bis 1988 wur­de die Rei­he mit den Bän­den 16 bis 19 erneut fort­ge­setzt. In den Bän­den 16 bis 22 fin­det sich fol­gen­des Vorwort:

Lie­be Hanni-und-Nanni-Fans!
Die Bücher von Enid Bly­ton über Han­ni und Nan­ni, die lus­ti­gen Zwil­lin­ge, gibt es seit vie­len Jah­ren, Mil­lio­nen begeis­ter­te Lese­rin­nen haben sie ver­schlun­gen, und wir haben zahl­rei­che Leser­brie­fe zu die­ser Serie bekom­men. Vie­le Mäd­chen haben uns gebe­ten, es sol­le wei­ter­ge­hen mit Han­ni und Nanni.
Da wir noch eini­ge unver­öf­fent­lich­te Manu­skrip­te von Enid Bly­ton haben, ent­schlos­sen wir uns wei­ter­zu­ma­chen. Die neu­en Geschich­ten knüp­fen aber nicht an den Abschied vom Inter­nat Lin­den­hof an, son­dern an die lus­tigs­ten und auf­re­gends­ten Erleb­nis­se der Zwil­lin­ge im Alter von drei­zehn, vier­zehn Jah­ren. Ab Band 16 geht es also mit die­sen neu­en Aben­teu­ern weiter.
Wir wün­schen euch viel Spaß beim Lesen!
Euer Franz Schnei­der Verlag

Die Behaup­tung, es gäbe unver­öf­fent­lich­te Han­ni und Nan­ni-Manu­skrip­te von Enid Bly­ton, ist eine dreis­te Leser­täu­schung, die aber funktionierte.

Mit Band 16 beginnt eigent­lich eine völ­lig neue Serie, die mit der ursprüng­li­chen Serie nur noch den Namen, Tei­le des Figu­ren­en­sem­bles und den Rah­men gemein­sam hat. Die Bän­de 16 bis 19 spie­len eigent­lich zur sel­ben Zeit wie die bereits erschie­ne­nen, las­sen sich aber nicht mit ihnen ver­ein­ba­ren. Neue Figu­ren wer­den ein­ge­führt, die Hand­lung wird nun end­gül­tig nach Deutsch­land ver­legt und moder­ni­siert. Lin­den­hof liegt in Bay­ern, die Per­so­nen spre­chen Deutsch. Inter­es­sant in die­sem Zusam­men­hang ist, dass im Inter­nat Nach­mit­tags­tee ser­viert wird, nicht wie in den ers­ten Bän­den Kaf­fee. Die Mäd­chen lesen Karl May und Schnei­der­Bü­cher (sic!), hören Schla­ger, trin­ken Cola, tra­gen Jeans und schla­fen nicht mehr in Schlaf­sä­len, son­dern in Vierbettzimmern.

Stark ver­än­dert hat sich auch die Spra­che der Schü­le­rin­nen, die zuwei­len betont modern und umgangs­sprach­lich erschei­nen will („Ach Kin­der, mich kotzt alles an“), vor allem Han­ni und Nan­ni amü­sie­ren sich mit unge­wöhn­li­chen For­mu­lie­run­gen wie „Mich laust die grü­ne Hasel­maus“ und spre­chen ein­an­der mit „Gro­ße“, „Schwes­ter­mau­se­schwänz­chen“ und ähn­li­chen alber­nen Spitz­na­men an. Sehr anders ist auch der Erzähl­stil, der sich durch viel inter­ne Foka­li­sie­rung und Iro­nie aus­zeich­net, bei­des Eigen­schaf­ten, die bei Enid Bly­ton so gut wie nicht vorkommen.

Eng­li­sche Fort­set­zun­gen und deut­sches Chaos

Wie alt sind Hanni und Nanni Hörspiel?
Band 20 (Pame­la Cox)

Im Jahr 2000 ergänz­te die eng­li­sche Autorin Pame­la Cox die St. Clare’s-Serie um die von Bly­ton nicht beschrie­be­nen Schul­jah­re 3 und 6. Die bei­den Fort­set­zungs­bän­de wur­den – in stark gekürz­ter Über­set­zung – als Band 20 und 21 in die deut­sche Rei­he ein­ge­glie­dert, obwohl eben die­se Schul­jah­re dort bereits ganz anders erzählt wor­den waren und sich die­se in eine völ­lig ande­re Rich­tung ent­wi­ckelt hat­te. Dazu kommt, dass die Per­son, die die­se Bän­de über­setzt hat – ihr Name wird im Impres­sum nicht genannt – offen­bar nicht sehr gut mit den bis­he­ri­gen deut­schen Büchern ver­traut war, denn vie­le Namen sind anders über­setzt als bis­her, eini­ge Namen sogar den fal­schen Per­so­nen zuge­ord­net. Ab die­sem Band fehlt im Vor­wort der Satz mit den „unver­öf­fent­lich­ten Manu­skrip­ten“, dafür steht der Name der Ver­fas­se­rin im Impressum. 

Fort­set­zung von Pame­la CoxDeut­sche Über­set­zung (ohne Übersetzerangabe)The Third Form at St. Clare’s (2000)Bd. 20: Gute Zei­ten mit Han­ni und Nan­ni (2000)The Sixth Form at St. Clare’s (2000)Bd. 21: Han­ni und Nan­ni kom­men groß raus (2000)(Ein wei­te­rer Fort­set­zungs­band von Pame­la Cox, Kit­ty at St. Clare’s, 2008, wur­de nicht ins Deut­sche übersetzt.)

Offen­bar wur­de Han­ni und Nan­ni durch die­se Bän­de wie­der aktu­ell, denn noch im sel­ben Jahr erschien ein wei­te­rer deut­scher Fort­set­zungs­band von der Jugend­buch­au­torin Sarah Bos­se, die auch die Fünf Freun­de-Serie fort­ge­setzt hat. Ihre Geschich­te igno­riert die vori­gen bei­den Bän­de und schließt wie­der an Band 19 an. Bemer­kens­wert dar­an ist, dass er sich inso­fern gänz­lich vom bri­ti­schen Ursprung ver­ab­schie­det, als er in einem sehr deut­schen Umfeld spielt und die Mäd­chen bri­ti­sche Kul­tur als fremd wahr­neh­men: Für einen Tanz wol­len sie „bri­tisch“ aus­se­hen und orga­ni­sie­ren ein Büf­fet mit bri­ti­schem Essen.

Wie alt sind Hanni und Nanni Hörspiel?
Band 22 (Sarah Bosse)

Nach Band 22 folg­te eine sie­ben­jäh­ri­ge Pau­se, dann ging es mit den Bän­den 23 bis 27 aus der Feder der Jugend­buch­au­torin Bri­git­te End­res wei­ter. Par­al­lel dazu erschie­nen acht Son­der­bän­de von Pas­ca­le Kess­ler und Wal­traud Moeg­le, die zu einer ande­ren Ära spie­len. In der Neu­ge­stal­tung zum 50-jäh­ri­gen Han­ni und Nan­ni-Jubi­lä­um im Jahr 2015 wur­den sie als Band 28 bis 35 in die Serie ein­ge­glie­dert. Im sel­ben Jahr ging es mit Band 36 wei­ter, Autor ist Mark Stich­ler. 2018 erschien mit Nr. 39 der bis­lang letz­te Band der Serie. Han­ni und Nan­ni sind also – zählt man nur die deut­schen Bän­de – seit 55 Jah­ren in der Schu­le. An die 60 Klas­sen­ka­me­ra­din­nen haben sie auf ihrem Weg beglei­tet. Sie haben alles erlebt, was man in einer Mäd­chen­schu­le erle­ben kann, und das oft mehrmals. 

Die Fort­set­zungs­bän­de haben das Pro­blem, das alle Seri­en haben, die auf unbe­stimm­te Zeit fort­ge­setzt wer­den: Wirk­li­che Ent­wick­lung ist nicht mög­lich. So ver­kom­men die Figu­ren zuneh­mend zu Ste­reo­ty­pen. Erschwe­rend kommt hin­zu, dass die Figu­ren auf Vor­bil­dern aus den 1940er Jah­ren basie­ren, sodass vie­les 80 Jah­re spä­ter frag­wür­dig erscheint. Enid Bly­tons Geschich­ten sind Pro­duk­te ihrer Zeit, und wenn es für ein Mäd­chen in den 1940er Jah­ren als mora­lisch ver­werf­lich dar­ge­stellt wird, dass es sich für Mode und Schmin­ke inter­es­siert, ist das eine Sache; wenn aber ein Mäd­chen in einem Buch aus den 2010er Jah­ren von sei­nen Mit­schü­le­rin­nen gemobbt wird, weil es sich mehr für Mode als für Sport inter­es­siert, drängt sich schon die Fra­ge auf, ob die Serie wirk­lich unbe­dingt wei­ter­ge­führt wer­den muss.

„Genera­tio­nen von Mäd­chen haben Han­ni und Nan­ni heim­lich unter der Bett­de­cke gele­sen“, wirbt der Ver­lag auf der Buch­rück­sei­te unter der Über­schrift „Der Klas­si­ker“, und dem deut­schen Ver­lag war es offen­sicht­lich ein Anlie­gen, jeder Genera­ti­on ihre eige­ne Han­ni und Nan­ni-Serie zur Ver­fü­gung zu stellen.

Wie viel Jahre alt sind Hanni und Nanni?

Die elfjährigen Zwillinge Hanni und Nanni stellen vieles auf den Kopf. Sie machen sehr viel Quatsch, schwänzen die Schule und verwüsten die Wohnung. Deshalb schicken ihre Eltern sie auf das Internat Lindenhof, wo die beiden aber nicht hin wollen.

Wie alt ist Hanni?

Heute sind sie 15 Jahre alt, aber von ihren Filmrollen haben sie noch immer nicht genug.

Wie alt sind Hanni und Nanni in den Büchern?

Hanni und Nanni heißen eigentlich Patricia und Isabel O'Sullivan und kommen aus England. Sie leben in den 1940er Jahren, stammen aus der oberen Mittelschicht, haben zu Hause Dienstboten und sprechen mit irischem Akzent. Mit 14 Jahren kommen sie in das Internat St. Clare's, wo sie bis zur sechsten Klasse bleiben.

Wann sind Hanni und Nanni geboren?

Die Darstellerinnen der „Hanni & Nanni“-Filmtrilogie, die Zwillinge Jana und Sophia Münster, wurden am 28. Februar 1998 geboren und waren somit bei Drehbeginn im Sommer 2009 elf Jahre alt.