Wenn kinder einen in den wahnsinn treiben

Erziehungsexpertin berichtet:

Die Bestseller-Autorin Nicola Schmidt wurde durch ihr "artgerecht"-Projekt bekannt. Ein bindungsorientierter Erziehungsansatz, bei dem Kindern immer auf Augenhöhe begegnet wird. Wie die zweifache Mutter reagiert, wenn ihre Kids sie mal wieder zur Weißglut treiben? Mit diesen vier (überraschenden) Worten ...

Wenn kinder einen in den wahnsinn treiben

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Kinder können einem ganz schön auf die Nerven gehen. Statt zurückzunerven empfiehlt Erziehungsexpertin Nicola Schmidt einen auf den ersten Blick ungewöhnlichen Ansatz ...

Kurz. Vorm. Platzen. Euer Kind geht euch heute unglaublich stark auf die Nerven. Bevor ihr jetzt ausrastet: tief ein- und ausatmen, das Kind in den Arm nehmen und ihm sagen "Ich hab dich lieb!". Ja, richtig gelesen! Laut Erziehungsexpertin Nicola Schmidt können diese vier Worte so manchen Konflikt direkt entschärfen bzw. langfristig für eine harmonische Eltern-Kind-Basis sorgen. Wir schauen einmal genauer hin. 

Das ist der Original-Post von Nicola Schmidt:

"Sag deinem Kind einmal am Tag, wie lieb du es hast. 
Außer wenn es dir wirklich auf die Nerven geht.
Dann sag es ihm zweimal."

Nicola Schmidt, die Bestseller-Autorin von u. a. "Erziehen ohne Schimpfen", gibt zu, dass sie erst viel später verstanden hat, warum ihre eigene Mutter oft zu ihr gesagt hat: "Kind, du gehst mir heute entsetzlich auf die Nerven. Was ist los? Ich glaube, ich muss dir mal sagen: Ich hab dich lieb!" Denn gerade in schweren Zeiten neigen Eltern dazu, ihren eigenen Stress auf das Kind zu projizieren. Dabei sind die dann meist ein direkter Spiegel und nölen umso mehr. Statt den Kleinen das Gefühl zu geben: "Du kooperierst nicht. Ich brauche dich anders. Du bist anstrengend!" sollten wir versuchen, an einem Strang zu ziehen, als Team. Klingt einfacher als getan?

Beruhigend zu wissen: Der Ich-hab-dich-lieb-Konter schließt nicht aus, dem elterlichen Unmut Ausdruck zu verleihen. Zu sagen, was wir für richtig und falsch halten. Er ist auf keinen Fall ein Freifahrtschein für jegliches Verhalten unseres Nachwuchs. Er soll aber ganz klar herausstellen, dass wir unsere Kinder bedingungslos lieben, auch wenn sie als "Auszubildende des Lebens", wie Nicola Schmidt sie gern nennt, den ein oder anderen Fehler machen. Diese vier Worte setzen immer sofort ein wertvolles Signal: Wir haben Verständnis füreinander und schaffen eine liebevolle Ebene, um zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen – statt uns mit verhärteten Fronten zu begegnen. 

"Ich hab dich lieb!" – und das Kind zeigt trotzdem die kalte Schulter?

Nicht alle Kinder gehen direkt auf die Liebesbekundung ihrer Eltern ein. Im Gespräch mit Focus Online erklärt Nicola Schmidt sehr ausführlich und verständlich den nachhaltigen Effekt ihres Ansatzes: "Wir denken ja oft: Das Kind muss jetzt die Jacke aufheben. Aber wenn wir über langfristige Kooperation nachdenken, ist es viel sinnvoller zu sagen: Okay, ich glaub, du schaffst das gerade nicht und ich find das echt blöd und du gehst mir echt gerade auf den Keks damit. Aber ich will, dass du weißt, dass ich dich lieb habe. Denn dann bekomme ich ein Kind, das mehr Selbstbewusstsein hat. Und selbstbewusste Menschen können mehr Stress aushalten, besser kooperieren und bekommen ihr Leben besser auf die Reihe. Es ist also ein Gamechanger – langfristig und nicht kurzfristig, wie manche Menschen sich das wünschen, die es vielleicht ausprobieren und dann sagen: Toll, Nick zieht aber trotzdem nicht seinen Schneeanzug an."

In diesem Artikel erklären wir euch weiter, warum es so unglaublich wichtig ist, die Wutanfälle eurer Kinder nicht einfach zu ignorieren: 

Das eigene Kind, ein Tyrann? Schreckliche Vorstellung! Sonderpädagogin Katja Seide erklärt, wie Empathie entsteht und welche Erziehungsfehler ihr vermeiden solltet. Im Video seht ihr, welche gut gemeinten Eltern-Maßnahmen eurem Kind schnell schaden können.

Der Text von Katja Seide ist ursprünglich auf ihrem Blog "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn" erschienen. Wir zeigen hier eine gekürzte Fassung. Den ganzen Text lest ihr unter www.gewuenschtestes-wunschkind.de.

1. Die Menschen im Umfeld des Kindes zeigen keine echten Gefühle

Nehmen wir an, ein kleiner Junge haut einem anderen die Schaufel auf den Kopf. Dann ist es kontraproduktiv, wenn wir Großen, obwohl wir wütend sind, mit freundlicher Stimme "Das war nicht schön, Konstantin-Noah!" säuseln und vielleicht dabei noch ein gütliches Gesicht machen.

Es ist kontraproduktiv, weil so das Gehirn des Kindes nicht korrekt abspeichern kann, welche Gefühle beim Gegenüber ausgelöst werden, wenn das Kind haut, freche Sachen sagt oder auch schöne Dinge tut. Um Empathie zu entwickeln, ist eine korrekte Abspeicherung von Aktion-und-Reaktion aber dringend nötig.

Denn: Empathie und soziales Verhalten sind nicht automatisch angeboren. Das Gehirn eine Kleinkindes muss zunächst abspeichern, welche Gefühle es überhaupt gibt. Es speichert auch, welche Mimik und Gestik Menschen normalerweise zeigen, wenn sie diese Gefühle haben. Außerdem wird abgelegt, wie man adäquat auf diese Gefühle reagiert.

Deshalb ist es wichtig, als Erwachsene authentisch zu reagieren, wenn in uns Gefühle aufwallen.

Totales "Ausflippen" der Eltern allerdings ist nicht authentisch. Das Wort wird meines Erachtens zu oft von Erwachsenen missbraucht, die ihre unkontrollierten Wutausbrüche rechtfertigen: "Ich bin doch nur authentisch..." Nein. Einfach nein. Unsere Gefühle liegen in unserer eigenen Verantwortung. Diese Verantwortung abzugeben und einem Kind zu übertragen, ist nicht sehr erwachsen.

2. Die Eltern tun alles dafür, damit die Kinder keine Enttäuschung erleben müssen

Um im Leben bestehen können, müssen Kinder Resilienz entwickeln, das heißt, sie müssen lernen, Rückschläge auszuhalten und zu überwinden, um daraus hinterher gestärkt herauszugehen.

Grundlage dafür sind Selbstwirksamkeit und soziale Resonanz. Erlebt ein Kind von klein auf, dass es Dinge selbst bewirken und schaffen kann, entwickelt es echtes Selbstbewusstsein.

Bekommt es von den Bindungspersonen zurückgemeldet, dass auch diese daran glauben, dass es Dinge schaffen kann, potenziert sich die Wirkung.

Dabei ist die innere Haltung der Erwachsenen wichtiger als ihre Worte. Es ist eindrücklicher, wenn Eltern ängstlich das kletternde Kind festhalten, als wenn sie sagen: "Du schaffst das!" Im kindlichen Gehirn zurückbleiben würde dabei das mulmige Gefühl, das Klettern nur mit Hilfe meistern zu können.

Es ist also wichtig, Kinder von Anfang an in kleinerem Maße scheitern zu lassen. Es ist ungünstig, alle Hürden aus dem Weg eines Kindes zu räumen, weil der Frust, etwas noch nicht zu schaffen, die innere Motivation ankurbelt, über sich selbst hinauszuwachsen.

Verhindern die Eltern das immer wieder, entstehen lebensuntüchtige Menschen, die schon an kleinen Rückschlägen zerbrechen oder Dinge gar nicht erst angehen, aus Angst, zu versagen.

3. Die Eltern bieten Ersatzbefriedigung statt echtem Trost an

Geht etwas schief und die Eltern bieten dem Kind ein kleines Geschenk als Trostpflaster, befriedigen sie damit nur das faule Basissystem des kindlichen Gehirns. Dieses mag schnelle Bedürfnisbefriedigung, weil dadurch eine Art Belohnungshormon ausgeschüttet wird.

Lernt das Kind also von seinen Eltern, sich bei Schmerz mit "schönen Dingen" abzulenken, erlernt das Gehirn keine Resilienz, sondern sich auf Ersatz zu stürzen: Essen, Trinken, Kaufen, Videospiele etc.

Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen dem Trost durch Zuwendung und dem Trost durch Ablenkung. Bei echtem Trost fühlt sich der Mensch wahrhaftig gut und erleichtert. Unechter Trost ist eine Ersatzbefriedigung - seine Wirkung verpufft schnell, deshalb braucht der Mensch immer wieder mehr davon. Es ist okay, wenn Eltern darauf ab und zu zurückgreifen - ich tue das auch -, aber ihnen sollte bewusst sein, dass es nur ein Lückenfüller ist. Besser ist es, Kinder in den Arm zu nehmen und in ihrem Schmerz zu begleiten.

4. Die Eltern verhalten sich unberechenbar

Als ich im Kindergarten war, hatte ich eine beste Freundin, Anja. Ich liebte sie sehr. Was mich jedoch belastete, war der Terror, der von ihren Eltern ausging. Man konnte nie wissen, wie sie reagieren würden. Mal waren sie supernett und überhäuften uns mit Süßigkeiten. Oft jedoch, meist aus heiterem Himmel, wurden sie wütend und schmissen mich raus. Nie wusste ich, was wir falsch gemacht hatten. Ein falsches Wort, ein falscher Blick, und schon suchte man besser das Weite. Sehr oft kam es vor, dass mir Anja tränenüberströmt die Tür öffnete und den Kopf schüttelte, wenn ich mit ihr spielen wollte.

Menschen haben ein Grundbedürfnis nach Struktur und Ordnung in ihrem Leben. Können sie über einen längeren Zeitraum nicht voraussehen, wie ihr Tag ablaufen wird, geraten sie in Stress und erkranken.

Das Gleiche gilt für das Verhalten von Eltern: Es muss eine Struktur aufweisen, die für ein Kind entschlüsselbar ist, so dass es weiß, woran es ist und sich an dieser klaren Struktur orientieren kann. Sie gibt ihm Verhaltenssicherheit.

Ich sehe die Schüler an meiner Schule, die von der Gesellschaft den Stempel "verhaltensauffällig" aufgedrückt bekommen haben und weiß, dass viele von ihnen ebenso unberechenbare Erwachsene in ihrem Leben haben.

Wenn es wirklich so gar keine Anhaltspunkte dafür gibt, wie sich die eigenen Eltern im nächsten Augenblick verhalten werden, dann kann ein Kind nicht gesund aufwachsen - es wird die Regeln für ein "normales" Miteinander nicht verinnerlichen, sondern ebenso unberechenbar reagieren und damit in Kita und Schule anecken.

5. Die Eltern übergehen das "Nein" der Kinder einfach

Dazu ein Beispiel: Ich denke, 100 Prozent der Eltern stimmen zu, wenn man sie fragt, ob das "Nein" einer Frau beim Sex wirklich "Nein" heißen sollte. Wir alle wollen unsere Kinder in diesem Sinne erziehen, niemand von uns wünscht sich, dass sein Sohn einmal eine Frau gegen ihren Willen berührt.

Aber wie viele Eltern bringen ihren Kindern unbewusst genau das Gegenteil bei? Denn was lernt denn ein Kind, das "Nein" sagt und dann trotzdem tun muss, was die Eltern sagen? Es lernt, dass der Stärkere entscheidet, wann ein "Nein" wirklich "Nein" bedeutet.

Das "Ich meine es doch nur gut mit dir!" der Eltern ist nicht so weit entfernt vom "Du willst es doch auch!" des Vergewaltigers.

Ich habe einmal, als meine Töchter noch klein waren, einer von ihnen gegen ihren Willen die Zähne geputzt. Ich war wirklich der Überzeugung, es müsse sein, es wäre zu ihrem eigenen Besten. Doch sie wehrte sich, als ginge es um ihr Leben. Sie schrie und strampelte, ich musste sie mit aller Kraft festhalten. Es fühlte sich an, als würde ich sie vergewaltigen!

Als ich das merkte, ließ ich sie los und schwor mir, sie nie, nie wieder so übergriffig zu behandeln. Ich realisierte, dass sie nicht lernen kann, dass ihr "Nein" etwas wert ist, wenn nicht einmal ihre engste, liebste Person auf der Welt darauf hört.

Selbstverständlich gibt es Situationen, in denen wir Eltern auch über die Neins unserer Kinder hinweggehen müssen. Wirft sich ein Zweijähriger mitten auf die Straße, weil er nicht weitergehen will, ist es überhaupt keine Frage, dass der Vater ihn zur Sicherheit hochheben und wegtragen muss.

Eltern müssen und dürfen "beschützende Macht" über unsere Kinder ausüben. Notfalls auch mittels körperlicher Überlegenheit. Aber wie oft kommen solche Situationen vor? Und wie oft übergehen wir das Nein unserer Kinder einfach aus Bequemlichkeit oder Zeitnot?

Fazit

Die Lehre, die ihr aus diesem Artikel ziehen solltet, ist, dass ihr gute Eltern seid. Eure Kinder sind weder "Tyrannen" noch "Arschlöcher" - auch, wenn sie sich vielleicht dann und wann unmöglich benehmen. Es ist eigentlich ganz einfach: Sie müssen lernen, sich in andere hineinzuversetzen, sie brauchen Empathie, Liebe, Fürsorge, echten Trost. Sie müssen ab und zu auf die authentische Grenze eines anderen stoßen und dann dazu angehalten werden, diese einzuhalten. Das ist schon das ganze Geheimnis guter Erziehung.

#Themen
  • Kindererziehung
  • Elternsein
  • Elternsache

Was tun wenn das Kind einen in den Wahnsinn treibt?

Ruhe bewahren – die besten Tipps, wenn Kinder einen zur Weißglut treiben.
Beugen Sie vor! ... .
Abstand halten und tief durchatmen. ... .
Ab nach draußen. ... .
Aus Wut wird Kraft. ... .
Rechtzeitig merken, wann das Maß voll ist. ... .
Entspannungstechniken gegen Wut. ... .
Reagieren, bevor die Hand ausrutscht. ... .
Wenn´s doch passiert ist..

Kann meine Kinder nicht mehr ertragen?

Wenn du nur noch genervt bist und dein Kind nicht mehr ertragen kannst, dann schau erst mal für dich, wenn möglich. Manchmal gibt es Situationen, da musst du für dein Kind da sein, auch wenn es kaum mehr geht. Doch stelle dich schon darauf ein, dass du in der nächsten Möglichkeit etwas für dich tust und Energie tankst.

Was tun wenn mein Kind mich provoziert?

Je nach Grund für die Provokation sollte dann die Reaktion der Erwachsenen abgestimmt sein. Hat das Kind ein Aufmerksamkeitsdefizit, sollten seine Eltern die Provokation ansprechen (nicht schimpfen) und sich dem Kind ganz aktiv zuwenden. Mit dem Kind spielen, kuscheln oder ein Buch vorlesen.

Wie wir unsere Kinder zu Tyrannen erziehen?

Wenn aus Kindern keine Erwachsenen werden, weil Eltern sie wie Partner behandeln, droht ihnen der soziale Absturz, den die neue Elterngeneration gerade verhindern will. Der Bonner Facharzt Michael Winterhoff setzt dem ein Minimalprogramm für die frühe Psyche entgegen.