Wem gehört die stadt wenn das geld die menschen verdrängt

Szene aus der ARD-Doku: Demonstranten wehren sich gegen Investoren und wollen sich nicht mehr aus den Berliner Szenebezirken vertreiben lassen

Quelle: SWR

Die ARD-Doku „Wem gehört die Stadt?“ erzählt vom Berliner Straßenkampf zwischen Investoren, Maklern und Mietern. Wer ist böse, wer ist gut? Die Antwort der Filmemacher ist leider einseitig.

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Wer in Berlin Emotionen wecken möchte, muss nur ein einziges Wort fallen lassen: Gentrifizierung. So unaufgeregt, wie der Begriff selbst daherkommt, so viel Zündstoff beinhaltet er: Von Neureichen ist oft abfällig die Rede, von Enteignung, von geldgierigen Investoren aus Süddeutschland und dem Ausland – aber auch von ganz viel Potenzial, tollen Anlagemöglichkeiten und einem boomenden Markt.

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Die ARD zeigte am Dienstagabend eine anderthalbstündige Dokumentation, die der Frage „Wem gehört die Stadt?“ nachgeht und provokant in der Unterzeile ergänzt: „Wenn das Geld die Menschen verdrängt“.

Zu Wort kommen Investoren aus Norwegen und Italien, Leiter von großen Maklerbüros und – natürlich ganz viele alteingesessene Mieter, die seit Jahren zu bezahlbaren Preisen stuckverzierte Altbauwohnungen in Friedrichshain und Kreuzberg bewohnen.

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Menschen, die nicht ausziehen wollen, weil sie die höheren Mieten weder bezahlen können noch wollen, und die keine finanziellen Möglichkeiten für eine Eigentumswohnung haben. Menschen, die auch keine Neubausiedlungen vor ihren Türen wollen. Es gebe ja sowieso zu wenig Grün im Viertel.

Wem gehört die stadt wenn das geld die menschen verdrängt

Die Eastside-Gallery in Berlin ist Touristenmagnet und Großbaustelle zugleich: Gegen den Bau neuer Wohnungen an der Spree gab es heftige Proteste

Quelle: SWR

Die Macher des Films, Andreas Wilcke und Kristian Kähler, haben sich zwar sichtlich um eine vielschichtige Betrachtung bemüht, aber es wird trotzdem fleißig schwarz-weiß gemalt. Die Tränen fließen, türkischstämmige Ur-Kreuzberger werden am Tag ihres Zwangsauszugs gefilmt.

Wem gehört die stadt wenn das geld die menschen verdrängt

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„Er stiehlt uns unser Leben, das hat doch nichts mehr mit Menschenrecht zu tun. Das ist unsere Privatsphäre“, sagt die junge Frau über ihren Vermieter schluchzend in die Kamera, während sie im Hintergrund von einem Klavier begleitet wird.

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In der nächsten Szene kommt der Experte zu Wort, der von Enteignung spricht und an die ursprünglich arme Bevölkerung erinnert, die Kreuzberg zu dem gemacht habe, was es heute ist: Kiez von Künstlern, Studenten, türkischstämmigen Migranten.

Die angeblich Bösen sind klar benannt

Die Bösen sind deutlich klar markiert: die italienische Investorin, die auf einem Häuserdach am Straußberger Platz steht und von den Potenzialen der Stadt schwärmt. Der Leiter eines Maklerbüros, dessen Mitarbeiter im vergangenen Jahr Wohnungen für insgesamt 280 Millionen Euro verkauft haben und bei jedem abgeschlossenen Geschäft bis zu sieben Prozent Courtage einstreichen.

Der Investor, der in seinem Büro am Ku’damm sitzt, von der Sekretärin in die Besprechung gebeten wird und dort den Neubau von 600 Wohnungen mit mehr als 60.000 Quadratmetern festlegt.

Wem gehört die stadt wenn das geld die menschen verdrängt

Makler Thomas Duchesne vermietet „Discounter“-Einzimmerwohnungen, unter anderem in diesem modernisierten Plattenbau: „Wir haben eine lange Warteliste“

Quelle: SWR

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Auf der anderen Seite der Sympathieskala stehen die gebeutelten Altmieter, die zu Wort kommen und Extremes erlebt haben: einen Brandanschlag, bei dem um ein Haar die Gastherme explodiert wäre, eine Baustelle vor der Tür seit anderthalb Jahren, mit Plane verhängte und sogar zugemauerte Fenster.

Und durch die Wohnung verlegte neue Versorgungsrohre – stets mit dem Ziel, die Mieter aus ihren seit Jahren bewohnten Domizilen zu vertreiben. Ein junger Mann zeigt einen Wasserschaden in seinem Haus: „Da haben die Bauarbeiter versehentlich den Wasserhahn aufgelassen“, sagt er. „Versehentlich, na klar“, kommentieren die Besucher, die gerade Ähnliches durchmachen.

Neue Erkenntnisse hat der Streifen nicht gebracht

Die Macher der Doku begleiten Demonstranten, die eine Zwangsräumung verhindern wollen, und zitieren die zuständige Gerichtsvollzieherin mit den Worten: „Das Urteil lautet einfach nur auf Räumung. Mich als Gerichtsvollzieherin interessiert nichts anderes.“

Neue Erkenntnisse hat der Streifen nicht gebracht: Demonstranten sprechen von Profitgier, von „total perversen“ Zuständen. Auf der Straße protestieren sie lautstark gegen die Räumung. Schnitt.

Es folgt die in Tränen aufgelöste Bewohnerin, die gerade ihre letzten Habseligkeiten einpackt, das Klavier wird im Hintergrund erneut sanft eingeblendet. Die Frau berichtet schluchzend von ihrem Schicksal. Sie werde immer wieder von ihren Freunden gefragt, wie sie das so lange aushalten konnte. Schnitt.

Wem gehört die Stadt den Bewohner oder den Investoren?

Die ARD-Dokumentation "Wem gehört die Stadt?" von Kristian Kähler und Andreas Wilcke macht wieder schmerzhaft bewusst, wie sich die Preise für Mieten und Eigentum in Berlin derzeit entwickeln und wie gefährdet das eigene Heim sein kann, wenn man es nicht gerade besitzt.

Wem gehört die Stadt Gentrifizierung?

Schmierige Makler, entsorgte Mieter, Luxusbuden mit Pool auf dem Dach: Die ARD-Doku "Wem gehört die Stadt?" erzählt vom Immobilienboom in Berlin. Ein soziales Sittenbild über Gewinner und Verlierer.

Wem gehört die Stadt Doku?

Wem gehört die Stadt – Bürger in Bewegung ist ein Dokumentarfilm über die Bürgerbeteiligungsprozesse auf der Helios-Brache in Köln-Ehrenfeld.