Warum ist Der Schrei so berühmt

Wer schreit hier? Und warum? Ein kleiner Tipp: Die Figur auf der Brücke ist es nicht, die einen Laut von sich gibt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Es ist eines der teuersten und bekanntesten Gemälde der Welt. Doch was genau zeigt das Werk "Der Schrei" des norwegischen Künstlers Edvard Munch eigentlich? Nun steht fest: Die Figur auf dem Bild ist es nicht, die einen Schrei ausstößt.

Der norwegische Maler Edvard Munch schuf zwischen 1893 und 1910 insgesamt vier Gemälde und eine Lithografie mit dem Titel "Der Schrei". Es zeigt eine Person auf einer Brücke, die die Hände auf die Ohren presst und Mund und Augen weit aufreißt. Die Figur sieht aus, als würde sie schreien.

Doch diese Interpretation ist falsch, wie das "British Museum" nun erklärt. In der neuen Ausstellung "Edvard Munch: Love and Angst" zeigt das Museum eine Lithografie von "Der Schrei". Am unteren Rand des Blattes verewigte der Künstler folgenden Satz: "Ich fühlte den großen Schrei in der Natur."

Im Gespräch mit der britischen Zeitung "The Telegraph" erklärt die Kuratorin der Ausstellung, Giulia Bartrum: "Diese Version von 'Der Schrei' verdeutlicht, dass Munchs bekanntestes Kunstwerk eine Person abbildet, die einen Schrei hört und nicht - wie viele es glauben - selbst schreit."

Diese Aussage deckt sich mit einem Tagebucheintrag des berühmten Künstlers vom 22. Januar 1892. Dort heißt es: "Ich ging mit zwei Freunden die Straße entlang - die Sonne ging unter - plötzlich wurde der Himmel blutrot - ich machte eine Pause, fühlte mich erschöpft und lehnte am Geländer - über dem blauschwarzen Fjord und der Stadt lagen Blut und Feuerzungen - meine Freunde gingen weiter, ich blieb zitternd vor Angst zurück. Und ich fühlte, dass ein gewaltiger unendlicher Schrei durch die Natur ging."

Immer wieder neue Interpretationen

Die Kuratorin erklärt: Munch habe in seinem Bild versucht, ein Gefühl zu einem bestimmten Zeitpunkt einzufangen. Schließlich habe er den Satz bewusst auf die Lithografie geschrieben, um zu erläutern, dass die Inspiration für dieses Bild auf eine plötzliche Panikattacke zurückzuführen sei.

"Der Schrei" ist das bekannteste Bildmotiv des norwegischen Malers Edvard Munch. Es wird von Experten als Beginn der Stilrichtung des Expressionismus gewertet. Das Werk ist eines der teuersten Gemälde weltweit. Die Pastellversion von 1895 wurde 2012 für knapp 120 Millionen US-Dollar versteigert.

Zu "Der Schrei" gibt es immer wieder neue Interpretationsansätze. Kunsthistoriker glaubten zunächst, dass Munch in dem Gemälde sein Innerstes nach außen gekehrt habe, das Werk also ein Abbild seines Seelenzustandes ist. Dabei schien aber unklar, wovor genau sich die Figur im Bild fürchtet. Im April 2017 lieferten Meteorologen dazu eine Erklärung. Sie hatten herausgefunden, dass zu dem Zeitpunkt des Entstehens des Gemäldes eine besondere Wolkenart (Perlmuttwolken) den Himmel über Oslo rot verfärbte. Das Phänomen sei so selten, dass es bei jedem Menschen einen starken Eindruck hinterlasse. So vermutlich auch bei Edvard Munch. Das Erlebnis und was es in ihm auslöste, soll er dann in seinem Gemälde festgehalten haben.

Die zentrale Figur mit angstverzerrtem Gesicht in gedeckten Tönen, doch der Himmel im Hintergrund hellleuchtend rot, gelb und orange: Für sein berühmtes Werk Der Schrei verwendete Edvard Munch zum Teil besonders intensive Farben – auch in einer zweiten Version des Gemäldes, vermutlich aus dem Jahr 1910.

Eines dieser grellen Pigmente ist Cadmium-Gelb. Doch das verblasst stellenweise, wie Koen Janssens bedauert, Chemie-Professor an der Universität Antwerpen in Belgien. Chemisch gesprochen ist das Farbpigment ein Sulfid – ein Salz des Schwermetalls Cadmium:

"Cadmium-Gelb wurde auch von anderen Künstlern dieser Epoche verwendet, zum Beispiel von Vincent van Gogh. Wir haben auch schon Werke von ihm untersucht und festgestellt: Da passiert etwas mit dem Cadmiumsulfid! Und zwar wandelt es sich allmählich in Cadmiumsulfat um. Das ist aber transparent oder weiß. Ein kräftiges Pigment verliert also seine Farbe."

Bei Munchs Schrei sind Janssens und andere Forscher der Sache jetzt genauer auf den Grund gegangen, und das mit immensem apparativem Aufwand. Der erste Schritt: Molab wurde nach Oslo ins Munchmuseum geschafft – ein mobiles Messlabor, speziell entwickelt in einem EU-Projekt, um Kunstwerke berührungsfrei untersuchen zu können:

"Bei dieser nicht-invasiven Untersuchung setzten wir Röntgenstrahlung, sichtbares und infrarotes Licht ein. Und erhielten so zunächst einmal eine Art Landkarte des Gemäldes: wo Munch welche Farbsubstanzen aufgetragen hat."

Untersuchung mit unterschiedlichen Strahlentechniken

Dann der Schritt vom tragbaren Labor zur Großanlagentechnik: Winzige abgeblätterte Gelbpigmente wurden von Oslo nach Hamburg und nach Grenoble transportiert. Dort laufen große Teilchenbeschleuniger, in Hamburg DESY, das Deutsche Elektronensynchrotron. Solche Anlagen produzieren Strahlung, die sich für hochgenaue Strukturaufklärungen eignet.

Das sei auch im Fall von Munchs Schrei zweckreich gewesen, sagt Gerald Falkenberg, Physiker und Experte für Röntgenmikroskopie am DESY:

"Wir erzeugen einen sehr kleinen Strahl, kleiner als ein Mikrometer. Der muss so klein sein, damit man die Einheiten, aus denen die Farbschicht zusammengesetzt ist, die aus kleinen Körnchen besteht, mit diesem feinen Strahl abrastern kann."

Mit Hilfe der sogenannten Röntgenbeugung lassen sich Verbindungen anhand ihrer Kristallstruktur erkennen. In diesem Fall zeigte die Methode, wie die verblassten Farben aus Munchs Gemälde heute chemisch genau zusammengesetzt sind. Dann der entscheidende, dritte Schritt:

"Es wurden Pigmente aus der damaligen Zeit genommen, tatsächlich aus der Farbtube von Edvard Munch, die dann aufgetragen wurden und künstlich einer bestimmten Atmosphäre und Bedingungen ausgesetzt wurden, um zu erforschen, welche Umweltbedingungen welche Effekte bei den Pigmenten erzeugen."

Der beste Schutz wäre eine Klimakammer

Der Vergleich der chemischen Muster in den Gemälde- und den künstlich gealterten Pigmenten zeigte am Ende: Dass das gelbe Cadmiumsulfid in Munchs Schrei ausbleicht, lässt sich am besten durch Feuchtigkeit erklären, also durch eine Reaktion mit Wasserdampf-Molekülen aus der Luft. Chemiker Janssens hatte eigentlich eine andere Arbeitshypothese:

"Cadmiumsulfid gehört zur Gruppe der elektrischen Halbleiter. Das heißt, wenn Licht darauf fällt, wird es aktiver. Ähnliche Prozesse kennt man aus Solarzellen. Also hätte man sich vorstellen können: Licht aktiviert Cadmiumsulfid und wandelt es in farblose Verbindungen um. Unsere Studie aber hat ergeben: Es ist etwas anderes, das man nicht für besonders schädlich halten würde, nämlich die Luftfeuchtigkeit."

Eine Überraschung auch deshalb, weil Cadmiumsulfid eigentlich ziemlich wasserfest ist. Doch wie sich herausstellte, waren Munchs Gelbpigmente nicht die saubersten. Sie enthielten Verunreinigungen aus ihrer Herstellung:

"Wir haben darin Cadmiumhydroxydchlorid gefunden. Diese Verbindung ist es, die mit Wasser reagiert und auch dafür sorgt, dass Cadmium-sulfid leichter zum farblosen Sulfat oxidiert wird. Auf diese Weise greift Luftfeuchtigkeit ein normalerweise stabiles Pigment quasi durch die Hintertür an."

Koen Janssens rät dazu, Munchs Schrei künftig nur noch in einer Klimakammer auszustellen und so künftig vor Luftfeuchtigkeit zu schützen. Bei Eva Storevik Tveit stößt das auf offene Ohren. Sie ist Gemälde-Konservatorin im Munchmuseum:

"Diese Forschung kommt zur rechten Zeit, denn wir sind gerade dabei, in einen Neubau mit modernster Ausstattung umzuziehen. Das gestattet uns, die beste Lösung für die Präsentation des Schreis umzusetzen."

Was symbolisiert der Schrei?

Der Schrei war eine visuelle Darstellung von Edvard Munchs inneren emotionalen und mentalen Zuständen.

Warum ist der Schrei so teuer?

Warum ist „Der Schreiso wertvoll? Dafür gibt es mehrere Gründe: • Wiedererkennung: Es gehört zu den bekanntesten Gemälden der Welt, ähnlich der Mona Lisa. Seltenheit: Gemälde dieser Kategorie (weltbekannter Künstler, weltbekanntes Werk) werden selten angeboten, ziehen Käufer magisch an.

Was soll das Bild der Schrei ausdrücken?

"Der Schrei" - auf Norwegisch "Skrik" - zählt zu den bekanntesten Motiven der Kunstgeschichte. Er ist zu einem zeitlosen Ausdruck menschlicher Angst und selbst zur Vorlage verschiedener Emojis auf dem Smartphone geworden, die Furcht ausdrücken sollen.

Wie viel Wert hat der Schrei?

Beim "Schrei" kommt der erlösende Schlag mit dem Hammer nach zwölf Minuten purer Anspannung. Der Endpreis beträgt 119,9 Millionen Dollar, damals rund 91 Millionen Euro. Es ist der höchste Preis, der je für ein Kunstwerk auf einer öffentlichen Auktion erzielt wurde.

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