Kann man mit Demenz noch alleine Leben?

»Bislang gibt es hierfür nur vereinzelt spezialisierte Unterstützungsmodelle, das Interesse an Konzepten speziell auf kommunaler Ebene ist jedoch groß«, sagt Helga Schneider-Schelte, eine der Projektleiterinnen von der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft. Angesichts des demografischen Wandels stellt die Unterstützung Demenzkranker die Kommunen vor große Herausforderungen.

Zehn Prozent der hochbetagten Menschen haben keine Angehörigen, Freunde oder Bekannten mehr. Sie fühlen sich wie »übrig geblieben«. Ihr früheres Bezugssystem existiert nicht mehr, und es ist schwer, sich ein neues aufzubauen. Hinzu kommt, dass allein lebende Demenzkranke besonders schwer zu erreichen sind. Durch die fehlende Wahrnehmung krankheitsbedingter Defizite suchen sie meist von sich aus keine Hilfe bei Nachbarn oder sozialen Einrichtungen, sondern versuchen, selbstständig ihren Alltag zu meistern. Im frühen Stadium der Demenz schwanken die Kranken immer wieder zwischen Momenten, in denen sie sich bewusst werden, dass sie vieles vergessen und der Selbstwahrnehmung, dass sie noch gut alleine zurechtkommen. Nach außen hin versuchen sie, ein »intaktes Bild« aufrecht- zuerhalten.

Das Schicksal von Menschen mit Demenz verlaufe heute weitgehend stereotyp, so Schneider-Schelte. »Diese Menschen finden eines Tages nicht mehr zurück nach Hause, werden von der Polizei oder der Feuerwehr gefunden, kommen ins Krankenhaus und von dort direkt ins Heim. Diesen Automatismus wollten wir mit unserem Projekt versuchen zu durchbrechen.« Ziel war es, das unmittelbare Umfeld der Betroffenen für die Situation allein lebender Demenzkranker zu sensibilisieren – früh genug, um einen Heimaufenthalt zeitlich möglichst weit nach hinten zu verschieben. Immerhin rund 60 Prozent der über 80-Jährigen in Deutschland leben allein im eigenen Haushalt. Mehr als 80 Prozent von ihnen möchten auch im Fall von Hilfe- und Pflegebedürftigkeit in der vertrauten Umgebung wohnen bleiben und nehmen dafür sogar das Alleinsein und die damit häufig verbundene Einsamkeit in Kauf. Damit das Alleineleben aber funktioniere, brauchten sie aufmerksame und unterstützende Menschen um sich herum und möglichst regelmäßige soziale Kontakte, so Schneider-Schelte.

Schulungsprogramm für den Bäcker um die Ecke

Senioren mit beginnender Demenz haben Schwierigkeiten beim Bezahlen an der Ladenkasse, beim Ausfüllen von Bankformularen oder sie rufen die Polizei, weil sie ihren Geldbeutel nicht finden und sicher sind, dass er ihnen gestohlen wurde.

Die alltäglichen Kontakte sind es, bei denen es auffällt, dass jemand sich über die Zeit verändert, verwirrt ist oder Hilfe braucht. Die Arbeitsgruppe um Schneider-Schelte entwickelte deshalb ein Schulungsprogramm für Berufsgruppen, die Tag für Tag Umgang haben mit alten, alleine lebenden Menschen: für den Bäcker um die Ecke wie für Vereins- und Gemeindemitglieder, Feuerwehr, Polizei, Bankangestellte, die Supermarktkassiererin, Friseure oder Busfahrer. Möglichst viel Wissen um das Krankheitsbild ist wichtig, um helfen zu können. Erfahrungen am Alzheimer-Telefon zeigten, dass viele Menschen bereit wären, sich zu engagieren. Jedoch sind sie häufig unsicher und wissen nicht wie.

Alleine leben für eine begrenzte Zeit

Die zielgruppenspezifischen Schulungskonzepte, die über den Umgang und die Kommunikation mit Demenzkranken informieren, wurden in der Praxis erprobt und evaluiert. »Die Ordner waren schnell vergriffen«, so Schneider-Schelte. Da das Projekt mittlerweile abgeschlossen ist, wurden erneut Mittel beantragt, um nachzuproduzieren. Aktuell erhältlich sind noch Handbücher und DVDs.

Alleine leben mit Demenz ist möglich, das zeigen die Ergebnisse des Projekts: jedoch nur unter bestimmten Bedingungen und zeitlich begrenzt. Ohne ein unterstützendes, sensibilisiertes Umfeld geht es nicht. Dazu gehört auch das Verständnis, dass allein lebende Demenzkranke unter Umständen einen Alltag haben, der nicht den gängigen Vorstellungen einer »normalen und sicheren« Lebensführung entspricht. Studien in Großbritannien zeigen, dass allein lebende Demenzkranke zwar einer ganzen Reihe von Risiken in ihrem Alltag begegnen, dass sie aber nicht mehr gefährdet sind als Demenzkranke, die in häuslicher Gemeinschaft zusammen mit Angehörigen leben. Möglichst lange selbstbestimmt zu sein, entspricht nicht nur dem Wunsch der meisten Senioren, es entlastet die Kommunen und das Sozial- und Gesundheitswesen. Neue Konzepte für das Zusammenleben und die Teilhabe alter Menschen am alltäglichen Leben müssten her, so Schneider-Schelte. »Wir bauen jetzt an dem, wie wir selber alt werden wollen.« /

* Die Initiative »Deutschland – Land der Ideen« und die Deutsche Bank zeichnen gemeinsam Ideen und Projekte aus, die Lösungen für die Herausforderung der Städte und Regionen von morgen bereithalten.

Jedes Jahr am 21. September wird in der ganzen Welt auf die Situation der Alzheimer-Kranken und ihrer Angehörigen aufmerksam gemacht. Dieses Jahr ist der Tag gleichzeitig Auftakt zur "Woche der Demenz". Denn Alzheimer ist zwar die häufigste Ursache für Demenz, aber nicht die einzige.

An Demenz Erkrankte brauchen mit Fortschreiten ihrer Krankheit vermehrt Aufmerksamkeit, Begleitung und Unterstützung. Im Verlauf der Erkrankung schwindet erst das Kurzzeitgedächtnis, dann auch Inhalte des Langzeitgedächtnisses. Oft sind es die Angehörigen, die die Pflege demenziell Erkrankter übernehmen. Sie dürfen damit nicht alleine gelassen werden.

Mehr Leistungen aus der Pflegekasse

Mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz, das derzeit im Parlament beraten wird, will die Bundesregierung die Leistungen für demenziell Erkrankte verbessern. Ein neues Begutachtungsverfahren wird eingeführt. Die bisherige Unterscheidung zwischen körperlichen Einschränkungen und kognitiven sowie psychische Erkrankungen wird aufgehoben. Einzig der persönliche Unterstützungsbedarf wird ausschlaggebend sein. Pflegeaufwendungen orientieren sich in Zukunft am Grad der Selbständigkeit eines Menschen.

Bundesgesundheitsminister Gröhe äußerte aktuell dazu: "Auch für demenziell Erkrankte gilt Reha vor Pflege". Das soll ihnen Lebensqualität und Selbstständigkeit sichern. Die Reha-Angebote sollen auch stärker in die Einstufung für den Pflegegrad einfließen".

Bereits das Erste Pflegestärkungsgesetz, das zum 1. Januar 2015 in Kraft trat, brachte bessere Leistungen für demenziell Erkrankte und ihre Angehörigen. Davor hatten Menschen mit Demenz häufig nur Pflegestufe 0. Seit Anfang des Jahres können sie nun auch Leistungen der Tages- und Nachtpflege, der Kurzzeitpflege und den Zuschlag für Mitglieder ambulant betreuter Wohngruppen erhalten. Zudem können sie eine Anschubfinanzierung für ambulant betreute Wohngruppen bekommen.

Pflegende Angehörige unterstützen

Das Bundesgesundheitsministerium unterstützt seit Jahren die Forschung zu Demenz. Hauptaugenmerk: Die Verbesserung der Situation demenziell erkrankter Menschen und ihrer Angehörigen.

In der "Zukunftswerkstatt Demenz" hat das Bundesgesundheitsministerium mit rund 3,3 Millionen Euro zahlreiche Projekte zur "Unterstützung der pflegenden Angehörigen von Menschen mit Demenz" sowie "Regionale Demenznetzwerke" gefördert. Ein Beispiel: der "Werkzeugkasten Demenz" in Form einer interaktiven Internetseite. Mit diesem Werkzeugkasten soll die Gründung weiterer Netzwerke angeregt und erleichtert werden. Diese Netzwerke, die es an vielen Orten bereits gibt, unterstützen Betroffene und ihre Angehörigen.

Gröhe resümierte die ganztägige Veranstaltung der "Zukunftswerkstatt Demenz": "Wir haben hier ein Projekt abgeschlossen, mit dem Netzwerke befähigt werden, gute verständnisvolle Unterstützung für demenziell Erkrankte zu leisten - in Arztpraxen, Krankenhäusern, Bürgerämtern oder im Supermarkt".

Seit 1994 ist am 21. September Welt-Alzheimertag. Er wurde von Alzheimer’s Disease International, dem Dachverband der nationalen Alzheimer-Gesellschaften, ins Leben gerufen. Ziel ist es, die Öffentlichkeit auf die Situation der Alzheimer-Kranken und ihrer Angehörigen aufmerksam zu machen. Rund um den Welt-Alzheimertag finden in ganz Deutschland verschiedene Aktionen und Veranstaltungen zum Thema Demenz statt. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe wird an diesem Tag auf einer Veranstaltung der Zukunftswerkstatt Demenz sein, auf der neue Forschungsergebnisse präsentiert werden.

In diesem Jahr ist der Welt-Alzheimertag gleichzeitig Auftakt zur Woche der Demenz. Sie wurde von der nationalen "Allianz für Menschen mit Demenz" ausgerufen. Die "Allianz für Menschen mit Demenz" ist eine Initiative der Bundesregierung, an der neben einigen Bundesministerien auch Spitzenverbände aus Pflege und Gesundheit, der Kommunen und Wissenschaft beteiligt sind.

"Demenz - Vergiss mich nicht" ist dieses Jahr das gemeinsame Motto von Welt-Alzheimertag und Woche der Demenz.

Montag, 21. September 2015

Kann man einen Demenzkranken alleine lassen?

Im Verlauf der Erkrankung schwindet erst das Kurzzeitgedächtnis, dann auch Inhalte des Langzeitgedächtnisses. Oft sind es die Angehörigen, die die Pflege demenziell Erkrankter übernehmen. Sie dürfen damit nicht alleine gelassen werden.

Wie schnell kann sich Demenz verschlechtern?

Fortschreiten der Symptome von Demenz Bei Demenzkranken verschlechtern sich die geistigen Funktionen in der Regel innerhalb von zwei bis zehn Jahren. Je nach Ursache schreitet die Demenz jedoch unterschiedlich rasch fort: Bei Menschen mit vaskulärer Demenz. Ursache...

Was sollte man bei dementen vermeiden?

Kritik, Korrekturen, Diskussionen oder Vorwürfe erzielen bei Menschen mit Demenz meistens keinen positiven Effekt. Im Gegenteil, oft bringt es sie in Verlegenheit und frustriert sie. Daher sollte man davon Abstand nehmen. Loben sorgt indes für gute Laune – das ist bei Menschen ohne Demenz ja auch nicht anders.

Wie lange lebt ein Demenz Kranker?

So haben 65- bis 80-Jährige, die an einer Alzheimer-Demenz erkranken, im Durchschnitt noch eine Lebenserwartung von fünf bis sieben Jahren, über 80-Jährige leben mit der Erkrankung durchschnittlich noch drei bis vier Jahre.