Befindet sich die bundesrepublik deutschland in see und handelsrecht

Aussetzung der Viermächte-Rechte

Die Außenminister James Baker (USA), Roland Dumas (Frankreich), Douglas Hurd (Großbritannien) und Eduard Schewardnadse (UdSSR) setzen am Rande des KSZE-Treffens in New York ihre Unterschrift unter das entscheidende Papier: die „Erklärung zur Aussetzung der Wirksamkeit der Vier-Mächte-Rechte und –Verantwortlichkeiten“. Die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs suspendieren damit ihre alliierten Vorbehaltsreche.

Dieser Schritt nimmt die zentrale Regelung des 2+4-Vertrages vorweg. Den haben die sechs beteiligten Staaten zwar am 12. September unterschrieben, in Kraft treten kann er allerdings erst, wenn ihn alle ratifiziert haben. Dieser Prozess zieht sich bis März 1991 hin.

Die Außenminister erklären deshalb jetzt schon, dass „die Wirksamkeit ihrer Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes […] ausgesetzt wird.“ Die Regierungen der Bundesrepublik und der DDR, vertreten durch Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Bildungsminister Hans-Joachim Meyer, nehmen mit ihrer Unterschrift diese Erklärung zur Kenntnis.

Anfängliche Unsicherheit ist passé

Noch wenige Monate vorher waren Unsicherheit und Besorgnis unter den Siegermächten groß. Kurz nach der Maueröffnung hielt der französische Präsident Francois Mitterrand eine deutsche Wiedervereinigung für eine „rechtliche und politische Unmöglichkeit“. Auch die britische Seite zeigte sich skeptisch. Premierministerin Margaret Thatcher glaubte: „Ein wiedervereinigtes Deutschland ist schlichtweg viel zu groß und zu mächtig.“ Die USA hingegen betrachteten einen derartigen Schritt von Anfang an durchaus positiv – vorausgesetzt, er vollziehe sich im Einklang mit den Interessen der vier Siegermächte und der zwischenstaatlichen Beziehungen.

Nach und nach schaffte es Bundeskanzler Helmut Kohl, die Bedenken der Siegermächte zu verringern. Frankreich stand alsbald der Deutschen Einheit offen gegenüber, nachdem sich Deutschland zu einer Vertiefung der europäischen Integration verpflichtet hatte. Umfangreiche Zusicherungen in Richtung Moskau ließen auch dort die Vorbehalte schmelzen. Die politische Entwicklung in Richtung Einheit nahm schnell Fahrt auf.

Die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen, die im Mai 1990 begannen, bildeten einen Rahmen, in dem Frankreich, Großbritannien, die USA und die Sowjetunion zu vertrauensvollen Verhandlungen mit der Bundesrepublik und der DDR zusammenkamen. In ihren vier Treffen verhandelten die sechs Staaten die äußeren Aspekte der deutschen Wiedervereinigung, wie Grenzfragen, Bündniszugehörigkeit oder Truppenstärke.

Inkraftsetzung

Das Seerechtsübereinkommen (SRÜ) der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 trat am 16.11.1994 in Kraft, ergänzt um ein Übereinkommen vom 28.07.1994 zur Durchführung der Regelungen zum Meeresbergbau. Die überwiegende Mehrheit der Staaten ist diesen Übereinkommen beigetreten. Das Übereinkommen über die Erhaltung und Bewirtschaftung grenzüberschreitender und weit wandernder Fischarten vom 04.08.1995 ist am 11.12.2001 in Kraft getreten (der Beitritt Deutschlands erfolgte gemeinsam mit allen anderen Staaten der EU am 19.12.2003).

Verhandlungsgeschichte

Die Verhandlungen zur Schaffung des SRÜ dauerten über 25 Jahre. Erster Anstoß war 1967 die Forderung, den Meeresboden zum „gemeinsamen Erbe der Menschheit“ zu erklären. Der daraufhin von der VN-Generalversammlung eingesetzte Meeresbodenausschuss führte zur III. VN-Seerechtskonferenz, die 1973 begann und 1982 mit der Verabschiedung des SRÜ abgeschlossen wurde. Die in Teil XI des SRÜ getroffenen Regelungen zum Meeresbergbau - insbesondere zu Abgabenlasten, Bergbaubeschränkungen sowie Technologietransfer und Entscheidungsverfahren in der Internationalen Meeresbodenbehörde - führten zunächst zur Ablehnung des SRÜ durch die meisten westlichen Industriestaaten. Ein informeller Konsultationsprozess unter Leitung des VN-Generalsekretärs führte schließlich zu einer Modifikation des Teils XI SRÜ in Form des Durchführungsübereinkommens vom 28.07.1994. Es machte den Weg frei für eine weltweite Akzeptanz des SRÜ.

Das Übereinkommen

Das SRÜ ist mit insgesamt 320 Artikeln der umfangreichste und bedeutsamste multilaterale Vertrag, der im VN-Rahmen entwickelt wurde. Er ersetzt die vier Genfer Seerechtskonventionen von 1958 und trifft Regelungen über nahezu alle Bereiche des Seevölkerrechts (Abgrenzung der verschiedenen Meereszonen wie Küstenmeer, Anschlusszone, Meerengen, Archipelgewässer, ausschließliche Wirtschaftszone, Festlandsockel, Hohe See; Nutzung dieser Gebiete durch Schifffahrt, Überflug, Rohr- und Kabelverlegung, Fischerei und wissenschaftliche Meeresforschung; Schutz der Meeresumwelt; Entwicklung und Weitergabe von Meerestechnologie; Regelung des Meeresbodenbergbaus; Streitbeilegung, insbesondere Errichtung des Internationalen Seegerichtshofes). Durch das SRÜ wurden sowohl geltendes Seevölkerrecht kodifiziert als auch neue seevölkerrechtliche Normen geschaffen wie beispielsweise im Bereich des Meeresumweltschutzes. Auf jährlichen Vertragsstaatenkonferenzen beraten die Vertragsparteien über die Umsetzung des Übereinkommens.

Die SRÜ-Vorschriften zur Piraterie stellen die Grundlage für die Bekämpfung der Piraterie dar.

Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (englisch)

Institutionen

Das SRÜ hat drei neue Institutionen geschaffen: den Internationalen Seegerichtshof (ISGH) in Hamburg, die Internationale Meeresbodenbehörde (IMB) in Kingston/Jamaika (bestehend aus Versammlung, Rat und Sekretariat) und die Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels (FSGK). Mit dem ISGH hat erstmals eine bedeutende Rechtsinstitution aus dem weiteren VN-Bereich ihren Sitz auf deutschem Boden erhalten. Bis heute sind ihm insgesamt 27 Fälle vorgelegt worden.

Weitere Informationen zum Internationaler Seegerichtshof Hamburg (ISGH) finden Sie hier. 

Das deutsche Küstenmeer

Das Gesetz zur Ausführung des SRÜ-Vertragssystems (Ausführungsgesetz Seerechtsübereinkommen 1982/94), das die erforderliche Anpassung innerstaatlicher Rechtsvorschriften vornimmt, trat am 15.06.1995 in Kraft. Auf der Grundlage des SRÜ hat die Bundesrepublik Deutschland mit Wirkung vom 01.01.1995 das deutsche Küstenmeer auf bis zu 12 Seemeilen ausgeweitet und in Abstimmung mit jeweils benachbarten Küstenstaaten eine Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) in der Nord- und Ostsee eingerichtet. Damit wurden insbesondere die Voraussetzungen für einen wirksameren Umweltschutz und eine Verbesserung der Sicherheit des Seeverkehrs geschaffen.

Am 15.05.2018 haben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der niederländische Premierminister Mark Rutte in Den Haag die Ratifikationsurkunden über den deutsch-niederländischen Vertrag über die Nutzung und Verwaltung des Küstenmeers zwischen 3 und 12 Seemeilen, den sog. Ems-Dollart-Vertrag, ausgetauscht. Der am 24.10.2014 von den beiden Außenministern auf der Ems unterzeichnete Vertrag ist am 01. Juli 2018 in Kraft getreten. Im „Geist guter Nachbarschaft“ wird somit im Bereich der Emsmündung und des dortigen Küstenmeeres die notwendige Rechtssicherheit für die weitere wirtschaftliche Nutzung der Häfen und Gewässer (bspw. bei der Errichtung von Off-shore-Windparks) geschaffen. Der Ems-Dollart-Vertrag ist damit beispielgebend für eine friedliche Konfliktbeilegung und grenzüberschreitende, innovative Zusammenarbeit zweier Küstenstaaten unter dem SRÜ, ungeachtet eines seit Jahrhunderten umstrittenen Grenzverlaufs.